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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 05.11.2002
Aktenzeichen: 14 A 4584/98
Rechtsgebiete: VwVG NRW


Vorschriften:

VwVG NRW § 60 Abs. 1
VwVG NRW § 65 Abs. 3
1. Die in Ordnungsverfügungen angedrohten und festgesetzen Zwangsgelder, mit denen die Verpflichtung durchgesetzt werden soll, leer stehenden Wohnraum wieder zu Wohnzwecken zu nutzen, können auch dann noch beigetrieben werden, wenn der Verpflichtete die Verfügungsbefugnis über den leer stehenden Wohnraum - hier durch eine Zwangsversteigerung - verloren hat.

2. Bei der Verpflichtung, Wohnraum wieder entsprechend seiner Zweckbestimmung zu nutzen, steht die Durchsetzung des Verbots im Vordergrund, Wohnraum zweckfremd zu nutzen.


Tatbestand:

Der Kläger war Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in P. Da in dem Gebäude Wohnungen über Jahre leer standen, forderte der Vertreter der Beklagten den Kläger mit mehreren bestandskräftig gewordenen Ordnungsverfügungen auf, die Wohnungen wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Es wurden bestandskräftig Zwangsgelder angedroht und festgesetzt, von denen ein Teil durch Mietpfändungen eingezogen wurde. Nach einer vorangegangenen Zwangsverwaltung kam es am 24.10.1996 zur Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Beklagte trat der Zwangsversteigerung wegen festgesetzter Zwangsgelder in Höhe von 93.028,50 DM bei. Im Verteilungstermin wurde dieser Betrag an die Beklagte ausgekehrt. Der Kläger forderte die Erstattung des beigetriebenen Betrages, was die Beklagte ablehnte. Nach erfolgslosem Vorverfahren erhob der Kläger Klage, zu deren Begründung er insbesondere geltend machte, die Zwangsgelder hätten nicht mehr beigetrieben werden dürfen, nachdem er durch Einleitung des Zwangsverwaltungsverfahrens und die spätere Zwangsversteigerung die Verfügungsgewalt über das Hausgrundstück verloren habe. Das Zwangsgeld sei auschließlich ein Beugemittel und habe keinen Sanktionscharakter. Mit der Zwangsvollstreckung sei eine Zweckerreichung des Beugemittels unmöglich geworden.

Das VG wies die Klage ab; ein Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Kläger hat keine Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO gemäß dem hier nach § 194 Abs. 1 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3987) noch anzuwendenden § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO a.F. dargelegt.

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch entsprechend § 812 BGB auf Erstattung des an die Beklagte in der Zwangsversteigerung des Hauses in P. ausgeschütteten Betrages in Höhe von 93.028,50 DM, weil die Beklagte einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen dieses Betrages hat. Sie durfte sich nämlich an der Zwangsversteigerung dieses Hauses beteiligen und so die wegen der Zweckentfremdung von neun Wohnungen in dem Haus festgesetzten Zwangsgelder beitreiben, auch wenn der Kläger mit der Beschlagnahme und anschließenden Versteigerung die Verfügungsbefugnis über das Haus und damit über den zweckentfremdeten Wohnraum verloren hatte.

Gemäß § 60 Abs. 3 VwVG NRW wird das Zwangsgeld im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben, wenn es der Betroffene nicht fristgerecht zahlt. Die Beitreibung unterbleibt, sobald der Betroffene die gebotene Handlung ausgeführt oder die zu duldende Maßnahme gestattet. Die Beitreibung brauchte hiernach nicht zu unterbleiben, weil der Kläger der Forderung, den leer stehenden Wohnraum wieder Wohnzwecken zuzuführen, nicht nachgekommen ist. Auch wenn hier nach der Zwangsversteigerung weitere Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot durch den Kläger nicht mehr möglich sind, dient die nachfolgende Beitreibung des Zwangsgeldes dazu, der früheren Androhung den notwendigen Nachdruck zu verleihen. Entscheidend ist allein, dass der Verstoß gegen eine vollziehbare Ordnungsverfügung nach Androhung und während der Zeit, in der ein Verbot noch galt, erfolgt ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.12.1988 - 7 A 2555/87 -, NVwZ-RR 1990, 17; Beschluss vom 10.10.1991 - 13 B 1522/91 -, NVwZ-RR 1992, 517; Urteil vom 30.9.1992 - 4 A 3840/91 -, NVwZ-RR 1993, 671; Beschluss vom 18.7.1996 - 4 E 461/95 -, NVwZ-RR 1997, 764; Beschluss vom 18.12.1996 - 5 E 1035/95 -, NVwZ-RR 1997, 763; Beschluss vom 20.4.1999 - 5 E 251/99 -.

Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für die hier erlassenen wohnungsrechtlichen Verfügungen. Bei der Forderung, Wohnraum wieder zweckentsprechend zu nutzen, steht die Durchsetzung des Verbots im Vordergrund, Wohnraum - hier durch Leerstand - zweckfremd zu nutzen.

Vgl. Hess.VGH, Beschluss vom 18.11.1996 - 4 TG 2986/95 -, NJWE-MietR 1997, 164 = HessVG- Rspr. 1997, 49; zur Durchsetzung eines Anschluss- und Benutzungszwanges, vgl. BayObLG, Urteil vom 25.5.1999 - 2 Z RR 670/98 -, NVwZ-RR 1999, 785.

Durch das Mietrechtsverbesserungsgesetz und die auf dieser Grundlage erlassenen Zweckentfremdungsverordnungen soll in den Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, Wohnraum erhalten und nicht zu anderen Zwecken genutzt werden.

Vgl. zum Zweck der Ermächtigung, Zweckentfremdungsverordnungen zu erlassen, BVerfG, Beschluss vom 4.2.1975 - 2 BvL 5/74 -, BVerfGE, 38, 348, 359 ff.

Weder den Bedürfnissen des Wohnungsmarktes allgemein noch denen der einzelnen Wohnungssuchenden ist genügt, wenn Wohnraum irgendwann, möglicherweise sogar erst dann, wenn sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt hat, wieder zweckentsprechend genutzt wird. Wird etwa das Zweckentfremdungsverbot wegen einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt später aufgehoben - wie dies durch die Verordnung vom 12.6.2001 (GV. NRW. S. 458) für viele Städte, nicht aber P., geschehen ist - ändert dies nichts daran, dass ein Verfügungsberechtigter früher durch die Zweckentfremdung zur Verschlechterung der Situation auf dem Wohnungsmarkt beigetragen hat. Der Schaden ist mit dem verbotswidrigen Leerstand eingetreten und hat sich während der gesamten - hier langjährigen - Dauer der zweckfremden Nutzung gemessen an den Verhältnissen für den Wohnungsmarkt noch vergrößert. Diese Situation ist nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen der Schadenseintritt und das erledigende Ereignis zusammenfallen, etwa wenn eine Ordnungsverfügung, mit der die Sicherung von Bauteilen gefordert wird, durch den Einsturz des Gebäudes gegenstandslos wird. In diesen Fällen wird die Festsetzung und Beitreibung angedrohter Zwangsgelder allgemein als unzulässig angesehen.

Der Umstand, dass das Haus zwangsversteigert wurde und der Kläger dazu vorträgt, ihn treffe hieran kein Verschulden, ist unerheblich, da er zuvor gegen das vollziehbare Verbot verstoßen hat, den Wohnraum zweckfremd zu nutzen.

Die Beitreibung der Zwangsgelder verstößt auch nicht gegen § 65 Abs. 3 VwVG NRW. Danach ist der Vollzug einzustellen, sobald sein Zweck erreicht ist. Von einer Zweckerreichung kann hier gerade nicht gesprochen werden, weil der Kläger die Wohnungen jahrelang, teilweise seit 1988 hat leer stehen lassen.

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