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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.03.2004
Aktenzeichen: 15 A 2360/02
Rechtsgebiete: VwGO, GO NRW


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
GO NRW § 45 Abs. 4
GO NRW § 46
GO NRW § 48 Abs. 1
GO NRW § 56 Abs. 3
GO NRW § 58 Abs. 1
GO NRW § 119
1. Ein Ratsmitglied, dessen wehrfähige Innenrechtsposition durch eine kommunalaufsichtsbehördliche Aufhebungsverfügung beseitigt wird, ist dagegen klagebefugt.

2. Zur Erforderlichkeit einer Teilanfechtung, wenn sich die Klagebefugnis nur auf einen Teil der angegriffenen Verfügung beschränkt.

3. Ratsmitgliedern dürfen über die in §§ 45 Abs. 4 und 5, 46 GO NRW und der dazu ergangenen Entschädigungsverordnung vorgesehene Aufwandsentschädigung hinaus keine weiteren Zuwendungen zur Abgeltung mandatsbedingten Aufwands gewährt werden.

4. Der Rat ist befugt, das Initiativrecht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW durch Regelung in der Geschäftsordnung zu erweitern.

5. Der Rat darf über die Minderheitenschutzregelung des § 58 Abs. 1 Satz 7 bis 10 GO NRW hinaus weitere beratende Ausschussmitglieder wählen.


Tatbestand:

Der Rat einer Stadt beschloss im Interesse eines erweiterten Minderheitsschutzes: 1. Im Wege der Änderung der Geschäftsordnung wurde das Initiativrecht zur Bestimmung eines Tagesordnungspunktes für eine Rats- oder Bezirksvertretungssitzung auch fraktionslosen Rats- bzw. Bezirksvertretungsmitgliedern eingeräumt. 2. Zuwendungen für Fraktionen wurden in der Form auch auf fraktionslose Ratsmitglieder ausgedehnt, als sie einen Sockelbetrag erhielten und nach Verteilung der Grundbeträge an die Fraktionen der Rest des insgesamt zur Verfügung gestellten Betrages an alle Ratsmitglieder verteilt wurde. 3. Auf Vorschlag von Ratsgruppen und eines einzelnen fraktions- und gruppenlosen Ratsmitglieds, die alle nicht in den Ausschüssen mit stimmberechtigten Mitgliedern vertreten sind, wurden Ratsmitglieder und sachkundige Bürger zu beratenden Ausschussmitgliedern gewählt.

Die beklagte Bezirksregierung als Kommunalaufsichtsbehörde hob die Ratsbeschlüsse auf. Dagegen klagte ein betroffenes Ratsmitglied (Klägerin zu 1.) sowie die Ratsgruppe (Klägerin zu 2.), der es angehörte. Das VG wies die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig ab, da durch eine kommunalaufsichtsrechtliche Aufhebung allein Rechte der Gemeinde verletzt sein könnten. Die Berufung der Klägerin zu 1. hatte hinsichtlich zwei der drei aufgehobenen Ratsbeschlüsse Erfolg, die der Klägerin zu 2. blieb erfolglos.

Gründe:

Die Klage der Klägerin zu 2. ist allerdings unzulässig, wie das VG im Ergebnis zutreffend geurteilt hat. Der Klägerin zu 2. fehlt die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, wonach eine Anfechtungsklage nur zulässig ist, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Aufhebung der in Rede stehenden Ratsbeschlüsse kann die Klägerin zu 2. nicht in ihren Rechten verletzten. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn ihr durch die Ratsbeschlüsse subjektive Rechte eingeräumt würden oder sie einen Anspruch auf Fassung des aufgehobenen Beschlusses hätte. Beides ist nicht der Fall. Der Ratsbeschluss zum Tagesordnungspunkt 1.1 (Änderung der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt, seine Ausschüsse und die Bezirksvertretungen der Stadt) schafft alleine Initiativrechte für fraktionslose Ratsmitglieder, keine solche für Gruppen. Ebenso sind durch den aufgehobenen Ratsbeschluss zum Tagesordnungspunkt 1.2 nur Zuwendungen für einzelne Ratsmitglieder, nicht für Gruppen vorgesehen.

Schließlich sind auch durch die Wahl der beratenden Mitglieder in die Ausschüsse Rechtspositionen für die Klägerin zu 2. nicht geschaffen wurden. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Besetzungsvorschlag auch auf einen Antrag der Klägerin zu 2. zurückgeht, dem durch den aufgehobenen Ratsbeschluss entsprochen wurde. Das allein begründet jedoch keine Klagebefugnis der Klägerin zu 2. Das Recht der Antragstellung bleibt ihr unbenommen. Wird ein so beantragter Ratsbeschluss kommunalaufsichtsrechtlich aufgehoben, berührt dies nur das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde. Das durch die Aufhebungsverfügung beeinträchtigte politische Interesse desjenigen, der den Ratsbeschluss beantragt hat, an seiner Aufrechterhaltung stellt keine wehrfähige Rechtsposition dar.

Die Klagebefugnis der Klägerin zu 2. lässt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 7 bis 10 GO NRW rechtfertigen. Nach dieser Vorschrift sind Fraktionen, die in einem Ausschuss nicht vertreten sind, berechtigt, näher bezeichnete Personen zu benennen, die der Rat zu beratenden Mitgliedern des Ausschusses bestellt. Die Vorschrift ist vom Wortlaut her auf Fraktionen beschränkt. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Gruppen, also Zusammenschlüsse von Ratsmitgliedern unter Fraktionsstärke, ist nicht geboten, da keine Regelungslücke vorliegt: Die Beschränkung auf Fraktionen ist eine vollständige Regelung, da der Gesetzgeber den in der Vorschrift zum Ausdruck kommenden Minderheitenschutz nur Zusammenschlüssen ab einer zahlenmäßigen Mindeststärke (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NRW) zukommen lassen wollte. Die Erwägungen der Klägerin zu 2., dass eine Ausdehnung auf Gruppen angesichts deren größerer Häufigkeit nach Wegfall der 5%-Sperrklausel bei den Kommunalwahlen angezeigt sei, sind rechtspolitischer Natur, die eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift im Wege der Analogie nicht erlauben.

Die Klage der Klägerin zu 1. ist demgegenüber zulässig. Ihr fehlt nicht deshalb die Klagebefugnis, weil - wie das VG meint - die angegriffene kommunalaufsichtliche Aufhebungsverfügung von vornherein nur Rechte der Stadt, nicht aber der Klägerin zu 1. als Mitglied des Rats verletzen könne.

In seinen Rechten verletzt ist jemand nur dann, wenn durch die Verfügung in eine durch eine ihn schützende Norm eingeräumte Rechtsposition (subjektives Recht) eingegriffen wird.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 42 Rn. 78.

Das kann auch ein Dritter sein, in dessen Rechte durch eine kommunalaufsichtsrechtliche Ersatzvornahmeverfügung eingegriffen wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.2.1989 - 15 B 2575/88 -, NWVBl. 1989, 373 ff., für eine im Wege der kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme verfügte Auflösung einer Schule hinsichtlich der betroffenen Eltern und Schüler.

Rechte i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO sind nicht nur solche des Außenrechtskreises zwischen Rechtsträgern. Vielmehr können dies auch wehrfähige Innenrechtspositionen sein, die einem Organ oder Organteil eines Rechtsträgers zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesen sind, was durch Auslegung der jeweils einschlägigen innerorganisatorischen Norm zu ermitteln ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.11.2002 - 15 A 662/02 -, NWVBl. 2003, 267; Kopp/ Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 42 Rn. 80.

Subjektive Rechte bzw. wehrfähige Innenrechtspositionen können durch jede Rechtsnorm des geschriebenen oder ungeschriebenen öffentlichen Rechts begründet werden.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 42 Rn. 78.

Zu den Rechtsnormen in diesem Sinne gehören auch die Vorschriften der Geschäftsordnung des Rates (§ 47 Abs. 2 GO NRW), die sich dadurch auszeichnen, dass sie als innerorganisatorische Normen nur Binnenrechtsbeziehungen regeln, in diesem Rahmen aber unmittelbar Rechte und Pflichten begründen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.8.1996 - 15 A 32/93 -, NWVBl. 1997, 69; Beschluss vom 28.2.1995 - 15 B 2556/94 -, OVGE 44, 250 (252).

Das ist durch die mit den aufgehobenen Ratsbeschlüssen geschaffenen Regelungen der Geschäftsordnung des Rates (GeschO) geschehen. Nach dem bislang schon gültigen § 7 Abs. 1 GeschO setzt der Oberbürgermeister die Tagesordnung und die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte fest und hat dabei Vorschläge aufzunehmen, die binnen einer bestimmten Frist von mindestens einem Fünftel der Stadtverordneten oder einer Fraktion vorgelegt werden. Nach dem durch den aufgehobenen Ratsbeschluss geschaffenen Satz 3 der Vorschrift genügt die Antragstellung durch einen Stadtverordneten, sofern er keiner Fraktion angehört. Mit dieser Vorschrift wird für jedes fraktionslose Ratsmitglied das innerorganisatorische Recht begründet, die Aufnahme eines Tagesordnungspunktes zu beanspruchen. Dabei handelt es sich auch um eine wehrfähige Rechtsposition, weil die Regelung nicht nur als bloße Ordnungsvorschrift im ausschließlichen Interesse der Körperschaft den äußeren Rahmen der Vorbereitung einer Ratssitzung absteckt, sondern eine Kompetenz des einzelnen Ratsmitgliedes bei der gemeindlichen Willensbildung schafft.

Auch die beiden übrigen aufgehobenen Ratsbeschlüsse schaffen zu Gunsten der Klägerin zu 1. eine wehrfähige Innenrechtsposition: Ihr wird ein Anspruch auf Zuwendungen gewährt, und sie wurde zum beratenden Ausschussmitglied bestellt. Durch die angegriffene Aufhebungsverfügung werden diese Rechtspositionen beseitigt, und damit kann eine Rechtsverletzung i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Die Klage der Kläger zu 1. richtet sich zulässigerweise nicht nur gegen die allein sie betreffenden Teile der Aufhebungsverfügung, sondern gegen die Aufhebung der Ratsbeschlüsse insgesamt, obwohl sie durch die sie nicht betreffenden Teile nicht in ihren Rechten verletzt sein kann. Das gilt hinsichtlich der Einräumung des Initiativrechts für die in § 34 Abs. 6 GeschO vorgenommene Erstreckung auf die Bezirksvertretungen, denen die Klägerin zu 1. nicht angehört. Hinsichtlich des Wahlbeschlusses gilt dies für die Wahl der übrigen beratenden Mitglieder.

Die nur teilweise Anfechtung eines Verwaltungsakts ist zwar möglich,

vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO: Aufhebung durch das Verwaltungsgericht, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt,

und bei insoweit fehlender Klagebefugnis auch geboten. Entscheidend ist, ob die Verfügung teilbar ist, denn eine nach Teilen der Verfügung differenzierende Anfechtung würde zu einer nur teilweisen gerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsaktes führen. Da die Gestaltungsbefugnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Rahmen einer Anfechtungsklage auf die Beseitigung von Rechtsverletzungen beschränkt ist, während die positive Gestaltung Aufgabe der Verwaltung ist, kommt eine Teilaufhebung und damit das Entstehen einer Teilregelung durch gerichtliche Entscheidung nur in Betracht, wenn entweder von Rechts wegen der bestehen bleibende Teil als gebundene Entscheidung von der Behörde hätte erlassen werden müssen oder - bei einem in das Ermessen der Behörde gestellten Verwaltungsakt - wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Behörde bei Kenntnis des Rechtsmangels überhaupt eine und zudem gerade die übrig gebliebene Teilregelung getroffen hätte.

Vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: September 2003), § 113 Rn. 33; Spannowsky, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Januar 2003), § 113 Rn. 47 ff.; für eine weiter gehende Teilbarkeit einer Verfügung unter dem Gesichtspunkt der Klagebefugnis OVG Berlin, Urteil vom 22.5.1992 - 2 B 22/90 -, NVwZ 1993, 593.

Die nicht von der Anfechtung erfassten Teile dürfen nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem angefochtenen Teil stehen, sondern müssen als selbstständige Regelung weiter existieren können, ohne ihren ursprünglichen Bedeutungsgehalt zu verändern.

BVerwG, Urteil vom 20.8.1992 - 4 C 13.91 -, NVwZ-RR 1993, 225; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 16.

Eine solche Teilbarkeit liegt hier nur für die auf die unterschiedlichen Tagesordnungspunkte bezogenen drei Aufhebungsteile der Verfügung vor. Sie betreffen jeweils getrennte, nach Auffassung der Beklagten je für sich rechtswidrige Ratsbeschlüsse. Die mögliche Rechtswidrigkeit der Verfügung in einem dieser Punkte berührt auch aus Sicht der Beklagten nicht den Bestand der Aufhebungsverfügung im Übrigen. Nicht mehr teilbar ist aber die Aufhebung des Ratsbeschlusses zu Tagesordnungspunkt 1.1, soweit damit die §§ 7 und 34 GeschO ergänzt wurden. Denn durch die Ergänzung des § 34 wurde die in § 7 vorgenommene Schaffung eines Initiativrechts einzelner Ratsmitglieder auf die Bezirksvertretung erstreckt. Es kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte die Aufhebung dieser Erstreckung auch dann verfügt hätte, wenn die Aufhebung des Initiativrechts für Ratsmitglieder in § 7 GeschO keinen Bestand hat. Die Aufhebung des nach Auffassung der Beklagten insgesamt und aus einheitlichem Rechtsgrund illegalen Initiativrechts ist auch nur insgesamt sinnvoll. Das Bestehenbleiben der Aufhebung nur bezüglich der Bezirksvertretungen würde eine so von der Beklagten nicht gewollte spezifisch gegen jene gerichtete Bedeutung erlangen.

Auch eine Beschränkung der Klage der Klägerin zu 1. hinsichtlich der Aufhebung des Wahlbeschlusses allein auf die sie betreffende Wahl ist nicht möglich. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte hinsichtlich der beratenden Ausschussmitglieder eine nur teilweise Aufhebung gewollt hätte, wenn die Klage einzelner Gewählter wegen der Zulässigkeit der Bestellung beratender Ausschussmitglieder Erfolg hätte. Auch hier würde eine Teilaufhebung des nach Auffassung der Beklagten aus einem einheitlichen Rechtsgrunde insgesamt rechtswidrigen Wahlbeschlusses zu einem Bedeutungswandel führen, nämlich zu einer nicht paritätischen, sondern in Folge unterschiedlicher Klagebereitschaft zufälligen Besetzung der Ausschüsse mit beratenden Mitgliedern.

Die Klage ist auch hinsichtlich des Erfordernisses der Einhaltung einer Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO zulässig. Da hier die Klagefrist mangels Erforderlichkeit eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 123 GO NRW) an die Bekanntgabe des Verwaltungsakts anknüpft, den Klägern als Drittbetroffenen die Aufhebungsverfügung aber überhaupt nicht bekanntgegeben wurde, lief auch keine Klagefrist.

Vgl. Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Januar 2003), § 74 Rn. 28.

Für eine danach allenfalls denkbare Verwirkung des Klagerechts liegen keine Anhaltspunkte vor.

Das VG hat die Klage der Klägerin zu 1. zu Unrecht vollständig abgewiesen. Sie ist begründet, soweit sie sich gegen die Aufhebung der Ratsbeschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1.1 (Erweiterung des Initiativrechts) und 3 (Wahl beratender Mitglieder in die Ausschüsse) wendet. Demgegenüber erweist sich die Aufhebung des Ratsbeschlusses zu Tagesordnungspunkt 1.2 (Zuwendungen an Ratsmitglieder) als rechtmäßig, sodass es insoweit bei der Abweisung der Klage durch das VG verbleibt.

Hinsichtlich des letztgenannten Teils rechtfertigt sich die angegriffene Verfügung aus § 119 Abs. 1 Satz 2 GO NRW. Danach kann die Aufsichtsbehörde, also hier gemäß § 117 Abs. 2 GO NRW die Beklagte, Beschlüsse des Rates, die das geltende Recht verletzen, nach vorheriger Beanstandung durch den Bürgermeister und nochmaliger Beratung im Rat aufheben. Diese Voraussetzungen liegen vor, insbesondere verletzt der Ratsbeschluss über die Zuwendungen an einzelne Ratsmitglieder das geltende Recht.

Der Beschluss des Rates kann sich nicht auf die kommunale Finanz- und Organisationshoheit stützen. Hierunter werden das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens (Finanzhoheit) sowie das ihnen zustehende Recht verstanden, ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in organisatorisch-verfahrensrechtlicher Hinsicht selbst zu regeln (Organisationshoheit). Hierzu zählt namentlich das Recht zu einer eigenständigen Organisation der Verwaltungsgliederung einschließlich der Regelung der Rechtsverhältnisse innerhalb der Gemeindevertretung. Beide Rechte leiten sich aus der institutionellen Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 78 Abs. 1 und 2 Verf NRW ab. Jedoch kann der Gesetzgeber nicht nur Vorhandensein und Bildung der einzelnen Gemeindeorgane, sondern auch ihre Zuständigkeit sowie die Voraussetzungen und Umstände ihrer internen Willensbildung regeln und entsprechende Verfahrensbestimmungen treffen. Raum für eine eigenständige Regelung durch die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften bleibt dann nur, so lange und soweit der Gesetzgeber von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat. Insbesondere ist den Gemeinden außerhalb eines unantastbaren Kernbereichs die Befugnis zur Gestaltung ihrer Eigenverwaltung genommen, wenn der Regelungsgehalt der Gemeindeordnung den Organisationsgegenstand abdeckt. Eine Einschränkung der kommunalen Organisationshoheit setzt eine hinreichend eindeutige gesetzliche Regelung voraus.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.6.2002 - 15 A 1958/01 -, NWVBl. 2002, 384 (385 f.).

Eine solche hinreichend eindeutige gesetzliche Regelung, die die Gewährung der hier in Rede stehenden Zuwendungen hindert, besteht. Die Entschädigung der - fraktionslosen und fraktionsangehörigen - Ratsmitglieder für den mandatsbedingten Aufwand ist abschließend durch §§ 45 Abs. 4 und 5, 46 GO NRW und die dazu ergangene Entschädigungsverordnung vom 22.10.1994 in der zurzeit gültigen Fassung (SGV NRW 2023) geregelt. Danach können Aufwandsentschädigungen ausschließlich als Pauschale oder als Pauschale und Sitzungsgeld bis zu einer bestimmten Maximalhöhe gewährt werden. Für eine darüber hinaus gehende Zuwendung für Geschäftsbedürfnisse an einzelne Ratsmitglieder, wie sie der aufgehobene Ratsbeschluss vorsieht, ist kein Raum. Dafür kann insbesondere nicht die Regelung in § 56 Abs. 3 GO NRW in Anspruch genommen werden, wonach den Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung gewährt werden. Zwar schließt diese Vorschrift nicht aus, Zuwendungen auch sonstigen Gruppen des Rates unterhalb der Fraktionsstärke zu gewähren. Jedoch muss es um die Abdeckung der Geschäftsführungsaufwendungen solcher Gruppen gehen, nicht etwa um die Abdeckung des mit der Ausübung des Mandats verbundenen Aufwands einzelner Ratsmitglieder, für die allein die §§ 45 und 46 GO NRW einschlägig sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.6.2002 - 15 A 1958/01 -, a.a.O.

Mangels eines durch Zuschüsse abzudeckenden Koordinationsaufwands bei einzelnen Ratsmitgliedern unterscheidet sich deren Status grundsätzlich von dem der Fraktion als Gliederung des Rates, sodass aus § 56 Abs. 3 GO NRW keine Rechtfertigung für entsprechende zusätzliche Zuwendungen für fraktionslose Ratsmitglieder abgeleitet werden kann.

Vgl. für Bundestagsabgeordnete BVerfG, Urteil vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 (231 ff.); Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, § 50 Rn. 26.

Demgegenüber erweist sich die Aufhebungsverfügung hinsichtlich der Ratsbeschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1.1 und 3 (Initiativrecht für fraktionslose Ratsmitglieder und Wahl beratender Ausschussmitglieder) als rechtswidrig und verletzt die Klägerin zu 1. in ihren Rechten. Der Rat war aus der bereits erwähnten kommunalen Organisationshoheit und (hinsichtlich der Erweiterung des Initiativrechts) aus der Geschäftsordnungsautonomie des Rates zu solchen Beschlüssen befugt. Die in § 47 Abs. 2 GO NRW dem Rat gewährte Geschäftsordnungsautonomie ermächtigt ihn, innerhalb des durch Wesen und Aufgabenstellung der demokratisch gebildeten Vertretungskörperschaft begrenzten Bereichs seine inneren Angelegenheiten in eigener Verantwortung und nach seinem eigenen Sachverstand zu ordnen. Auch diese Autonomie ist nur in dem durch die Gemeindeverfassung vorgegebenen Rahmen verliehen. Durch die Geschäftsordnung können daher die inneren Angelegenheiten des Rates nur insoweit geregelt werden, als sie nicht bereits abschließend gesetzlich geregelt sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.9.1995 - 15 B 2233/95 -, NWVBl. 1996, 7 (8).

Im Gegensatz zu den Zuwendungen an einzelne Ratsmitglieder kann der Gemeindeordnung keine hinreichend eindeutige gesetzliche Regelung entnommen werden, die hier die in Rede stehende Erweiterung des Initiativrechts oder die Wahl der beratenden Ausschussmitglieder hinderte.

§ 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW sieht vor, dass der Bürgermeister Vorschläge für die Tagesordnung aufzunehmen hat, die ihm von einem Fünftel der Ratsmitglieder oder einer Fraktion vorgelegt werden. Damit wird ein Minderheitenschutz bei der Aufstellung der Tagesordnung vorgeschrieben.

Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 8/3152, S. 62 zu § 31.

Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber damit über eine Mindestgarantie für einen Minderheitenschutz hinaus im Interesse der Funktionsfähigkeit des Rates - gewissermaßen als Schutz des Rates vor sich selbst - zugleich auch ein Verbot der Gewährung weiter gehenden Minderheitenschutzes aussprechen wollte. Der Gesichtspunkt missbräuchlicher Ausnutzung von Minderheitenrechten wurde im Ausschuss für Kommunalpolitik, Wohnungs- und Städtebau, der gegen den Gesetzentwurf eine - so Gesetz gewordene - Senkung des Quorums von einem Viertel auf ein Fünftel befürwortete, von der Opposition zwar problematisiert, hat aber im Gesetz keinen Niederschlag gefunden.

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht, LT-Drs. 8/4352, S. 75.

Aus dem Umstand, dass § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW ein Initiativrecht als Minderheitenschutzrecht garantiert, ergibt sich zwar, dass dieses Recht abschließend geregelt ist. Einschränkungen des Rechts durch die Geschäftsordnung - von technischen Ausgestaltungsregelungen abgesehen - sind daher unzulässig.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.9.1995 - 15 B 2233/95 -, a.a.O.

Der Gesetzgeber mag auch, wie sich aus der Forderung eines Quorums überhaupt ergibt, einen weiter gehenden Minderheitenschutz nicht für opportun gehalten haben. Dessen Verbot kann aber mit der für eine Beschränkung der kommunalen Organisationshoheit und Geschäftsordnungsautonomie zu fordernden Eindeutigkeit nicht festgestellt werden.

Die durch die angegriffene Verfügung aufgehobene Geschäftsordnungsregelung verstößt auch nicht aus anderen Gründen gegen das geltende Recht. So liegt in ihr keine unzulässige Beschränkung des Rechts des Bürgermeisters auf Festsetzung der Tagesordnung. Allerdings wird durch die Geschäftsordnungsvorschriften nicht nur, was nach dem oben Gesagten unbedenklich ist, ein Minderheitenrecht eingeräumt, sondern gleichzeitig die Pflicht des Bürgermeisters begründet, den Tagesordnungsvorschlag eines fraktionslosen Ratsmitglieds aufzunehmen. Zu einer Begründung von Pflichten des Bürgermeisters als eines eigenständigen Gemeindeorgans ist der Rat jedoch nur befugt, soweit er dazu ermächtigt ist. Insbesondere ist er nicht berechtigt, einen abschließend gesetzlich geregelten Pflichtenkreis des Bürgermeisters zu erweitern. Die hier in Rede stehende Verpflichtung des Bürgermeisters, Tagesordnungsvorschläge fraktionsloser Ratsmitglieder in die Tagesordnung aufzunehmen, rechtfertigt sich jedoch aus der dem Rat zustehenden, oben bereits angesprochenen Geschäftsordnungsautonomie, die es ihm erlaubt, seine inneren Angelegenheiten in eigener Verantwortung und nach seinem eigenen Sachverstand zu regeln. Die mit der Einladung zur Ratssitzung verschickte Tagesordnung betrifft die inneren Angelegenheiten des Rates. Hier ist dem Bürgermeisters als Vorsitzendem des Rates (§ 40 Abs. 2 Satz 3 GO NRW) ein eigenes Organrecht dahin eingeräumt, die Tagesordnung festzusetzen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GO NRW). Der Bürgermeister kann damit sicherstellen, dass der Rat gezwungen wird, sich mit einem so festgesetzten Tagesordnungspunkt zu befassen (wenn auch als Minimum nur dahin, ob der Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werden soll). Er kann durch das Recht zur Festsetzung der Tagesordnung mit der Einladung weiter sicherstellen, dass der Rat Sachbeschlüsse zu den Tagesordnungspunkten fassen kann, was bei einer Befassung unter einem erst in der Ratssitzung aufgenommenen Tagesordnungspunkt (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 5 GO NRW) oder unter dem von vornherein festgesetzten Tagesordnungspunkt "Verschiedenes",

vgl. dazu Kirchhof, in: Held u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Loseblattsammlung (Stand: August 2003), § 48 GO NRW Anm. 1,

nur begrenzt möglich ist.

In dieser Hinsicht wird das Recht des Bürgermeisters jedoch durch die aufgehobene Geschäftsordnungsregelung nicht beschnitten. Wenn man in der Verpflichtung des Bürgermeisters, Vorschläge fraktionsloser Ratsmitglieder in die Tagesordnung aufzunehmen, überhaupt eine Kompetenzbeeinträchtigung des Bürgermeisters sehen will, dann nur die eines hypothetischen Rechts, die Behandlung bestimmter Punkte durch den Rat verhindern zu können. Ein solches Recht soll dem Bürgermeister aber durch § 48 Abs. 1 Satz 1 GO NRW nicht eingeräumt werden. Es ist Sache des Rates als des obersten und allzuständigen Gemeindeorgans zu entscheiden, welchen Sachthemen er sich zuwenden will. Deshalb ist der Bürgermeister etwa auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung verpflichtet, Punkte in die Tagesordnung aufzunehmen, die nach einem vorherigen Ratsbeschluss für die Ratssitzung aufgenommen werden sollen.

Vgl. Kirchhof, in: Held u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Loseblattsammlung (Stand: August 2003), § 48 GO NRW Anm. 2.

Auch steht dem Bürgermeister bei einem zu berücksichtigenden Tagesordnungsvorschlag kein Recht inhaltlicher Vorprüfung zu. Vielmehr hat allein der Rat darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er sich mit einer Angelegenheit befassen will.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.12.1983 - 15 A 2072/83 -, OVGE 37, 68 (71).

In der hier vorgenommenen Erweiterung des Initiativrechts kann daher keine Beeinträchtigung der Rechte des Bürgermeisters, sondern allenfalls des Rechts des Rates gesehen werden, von unerwünschten Tagesordnungspunkten auf Betreiben Einzelner verschont zu bleiben.

Anderer Auffassung zur Beeinträchtigung des Rechts des Bürgermeisters Articus/Schneider, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., § 48 Anm. 2.

Schließlich ist die Geschäftsordnungsregelung auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nicht zu beanstanden, der jenseits des Art. 3 Abs. 1 GG als objektiv-rechtliches Rechtsprinzip der Rechtsstaatlichkeit Geltung auch für die Rechtsbeziehungen zwischen kommunalen Organen und Organteilen beansprucht.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 8.10.2002 - 15 A 4734/01 -, NWVBl. 2003, 309 (311), und vom 18.3.1997 - 15 A 166/94 -, NWVBl. 1997, 373 (375 f.).

Zwar kann nicht verkannt werden, dass die Einräumung des Initiativrechts an fraktionslose Ratsmitglieder diese gegenüber fraktionsgebundenen deutlich besser stellt. Denn letztere müssen bezüglich eines von ihnen gewünschten Tagesordnungspunktes entweder für eine Mehrheit in ihrer Fraktion oder jedenfalls im Fraktionsvorstand werben oder weitere Ratsmitglieder für den Tagesordnungspunkt gewinnen, damit das Quorum von einem Fünftel der Ratsmitglieder erreicht wird. Dennoch gibt es einen sachlichen Grund, der die Differenzierung trägt: Zwar verliert das fraktionsgebundene Ratsmitglied mit dem Eintritt in die Fraktion das den fraktionslosen Ratsmitgliedern zustehende Gestaltungsrecht. Jedoch wächst auf der anderen Seite die Gestaltungsmacht des fraktionsgebundenen Ratsmitgliedes gerade durch die Koordination seiner Ratstätigkeit mit der der übrigen Fraktionskollegen. In der Erhöhung der Durchsetzungsmacht durch Koordination liegt gerade der Sinn der Fraktionsbildung. Daher bleibt das fraktionslose Ratsmitglied in der politischen Realität auch regelmäßig vereinzelt ohne relevante Durchsetzungsmacht. Dieser qualitative Unterschied rechtfertigt es, das fraktionslose Ratsmitglied hinsichtlich der Gestaltung der Tagesordnung in der beschlossenen Weise zu bevorteilen. Das gilt auch hinsichtlich der Zahlendifferenz zwischen dem regelmäßigen Quorum von einem Fünftel der Ratsmitglieder und dem einzelnen fraktionslosen Ratsmitglied. Diese Differenz ist zwar beträchtlich, nämlich im Falle des Rates hier 14 Ratsmitglieder gegenüber einem. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass auch Fraktionen, also im Falle der Stadt mindestens drei zu einer Fraktion verbundenen Personen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 GO NRW), dieses Initiativrecht von § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW eingeräumt wird. Angesichts dessen ist die Differenz zu einem einzigen fraktionslosen Ratsmitglied nicht mehr so erheblich, dass eine Gleichbehandlung hinsichtlich des Initiativrechts nicht mehr zu vertreten wäre.

Somit erweist sich der Ratsbeschluss zur Erweiterung des Initiativrechts als rechtmäßig. Im Gegensatz zur in der Aufhebungsverfügung niedergelegten Rechtsauffassung steht es im Ermessen des Rates, ob er in Abwägung zwischen den Belangen des Minderheitenschutzes einerseits und der Funktionsfähigkeit des Rates andererseits eine solche Erweiterung beschließen will.

Schließlich verletzt auch der Wahlbeschluss des Rates, mit der beratende Mitglieder für die Ausschüsse bestellt wurden, nicht das geltende Recht. Die Besetzung der Unterorgane des Rates, hier also der Ausschüsse, unterfällt der kommunalen Organisationshoheit, die durch Gesetz eingeschränkt werden kann. Hier bestehen keine Einschränkungen, die die Bestellung beratender Mitglieder in der geschehen Form hindert.

§ 58 GO NRW, der u.a. die Zusammensetzung der Ausschüsse regelt, schreibt nur für bestimmte Einzelfälle vor, dass beratende Ausschussmitglieder zu bestellen sind, nämlich nach § 58 Abs. 1 Satz 7 - 10 GO NRW die Bestellung beratender Mitglieder auf Benennung durch eine Fraktion, die in einem Ausschuss nicht vertreten ist, und nach § 58 Abs. 1 Satz 11 und 12 GO NRW, wonach ein Ratsmitglied verlangen kann, mindestens einem Ausschuss mit beratender Stimme anzugehören. Die zuletzt genannte Regelung ist erst mit Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur weiteren Stärkung der Bürgerbeteiligung in den Kommunen vom 28.3.2000 (GV. NRW. S. 245) mit Wirkung vom 1.4.2000 eingeführt worden, also nach Erlass der angefochtenen Aufhebungsverfügung. Da bei einer rechtlichen Prüfung der Anfechtung einer kommunalaufsichtlichen Verfügung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung abzustellen ist,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 31.3.1995 - 15 A 900/90 -, NWVBl. 1995, 478; Urteil vom 16.7.1991 - 15 A 2054/88 -, NWVBl. 1992, 58,

spielt diese Rechtsänderung hier keine Rolle. Die Vorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 7 - 10 GO NRW ist hier nicht einschlägig. Die Klägerin zu 1. ist nicht von einer Fraktion benannt worden, vielmehr lag nur ein Wahlvorschlag der Klägerin zu 2. als Gruppe vor. Diesen Wahlvorschlag hat der Rat im Rahmen eines einheitlichen Wahlvorschlags durch einstimmige Annahme bei fünf Enthaltungen gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 GO NRW so beschlossen. Das ist, wie dem Zusatz im Wahlbeschluss vor den gewählten beratenden Mitgliedern "beratende Mitglieder gemäß § 58 Abs. 1 S. 7 und 8 GO" zu entnehmen ist, in entsprechender Anwendung dieser Minderheitenschutzregelung auf Gruppen und fraktions- und gruppenlose Ratsmitglieder geschehen, ändert aber nichts daran, dass die Wahl nicht auf Grund einer Rechtsverpflichtung zur Bestellung dieser beratenden Mitglieder, sondern auf Grund freiwilliger einstimmiger Entscheidung des Rates erfolgte. Eine solche Wahl verbietet die Gemeindeordnung nicht, vielmehr erlaubt sie es in einem Teilbereich sogar ausdrücklich.

§ 58 Abs. 4 GO NRW ermöglicht die Bestellung volljähriger sachkundiger Einwohner zu beratenden Ausschussmitgliedern. Eine Begrenzung der Zahl ist nicht vorgesehen. Auf die Motivation zur Bestellung eines solchen beratenden Ausschussmitgliedes kommt es für die Rechtmäßigkeit des Wahlbeschlusses nicht an. Aus dieser Vorschrift ergibt sich erst recht, dass es dem Rat unbenommen bleibt, Ratsmitglieder zu beratenden Ausschussmitgliedern zu bestellen. Dafür ist - möglicherweise im Gegensatz zur Bestellung sachkundiger Einwohner als organfremder Personen - keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Eine solche Wahl rechtfertigt sich aus der Organisationshoheit, die die Regelung der Zusammensetzung der Ausschüsse umfasst (§ 58 Abs. 1 Satz 1 GO NRW). Eine Grenze für die Bestellung der hier in Rede stehenden beratenden Mitglieder kann sich allenfalls durch eine Verletzung des gegenüber allen Ratsmitgliedern bestehenden Gleichbehandlungsgrundsatzes ergeben. Ein solcher wird aber weder durch die Verfügung geltend gemacht, noch ist er - schon angesichts der Einstimmigkeit des Wahlbeschlusses - sonst ersichtlich.

Auch verstößt der Wahlbeschluss nicht gegen den bundesverfassungsrechtlich vorgegebenen Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Rat und Ausschüssen. Nach dem Homogenitätsprinzip des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG muss die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen insbesondere des demokratischen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes entsprechen. Namentlich schreibt das BVerfG in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG die Existenz von Volksvertretungen in den Gemeinden vor, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen sind. Aus diesen bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben folgt, wie es das BVerfG auf Grund anderer Normen für die Ausschüsse des Bundestages entsprechend ausgeführt hat,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.9.1997 - 2 BvE 4/95 -, BVerfGE 96, 264 (282); Urteile vom 16.7.1991 - 2 BvE 1/91 -, BVerfGE 84, 304 (323), und vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, a.a.O.

und das BVerwG auf den Bereich der kommunalen Ratsausschüsse übertragen hat,

vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14.10.1993 - 7 B 19.93 -, NVwZ-RR 1994, 109, und vom 7.12.1992 - 7 B 49.92 -, NVwZ-RR 1993, 209,

dass der Rat die Gemeindebürger repräsentiert und sich die Repräsentation auch in den Ausschüssen des Rates vollzieht, sodass diese als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum grundsätzlich wiederspiegeln müssen. Dagegen verstößt der aufgehobene Wahlbeschluss schon deshalb nicht, weil es allein um beratende Mitglieder geht, die in das politische Meinungs- und Kräftespektrum mangels Stimmrechts nicht eingebunden sind. Im Übrigen ist es ein zulässiger Differenzierungsgrund, Minderheiten trotz fehlenden Anspruchs auf einen Sitz nach Verhältniswahlgrundsätzen zum Zwecke der Einbeziehung in die Arbeit des Rates überproportional mit einem Sitz ohne Stimmrecht auszustatten, wie die Regelungen des § 58 Abs. 1 Satz 7 bis 12 GO NRW gerade zeigen. Unerheblich ist, ob ein Anspruch auf einen Sitz im Sinne eines Grundmandats besteht, da es hier allein um die Berechtigung des Rates geht, einen solchen Minderheitenschutz einzuführen.



Ende der Entscheidung

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