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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: 15 A 4597/02
Rechtsgebiete: KrO NRW
Vorschriften:
KrO NRW § 56 |
Tatbestand:
Nach der Haushaltssatzung des Kreises war die Kreisumlage in gleichen Monatsraten jeweils zum 20. eines jeden Monats zu zahlen. Erfolgte die Wertstellung der Zahlung nicht am Fälligkeitstag, fielen Verzugszinsen in Höhe von 6 % p.a. für die ausstehenden Beträge an. Die klagende kreisangehörige Gemeinde zahlte den Januarbetrag 2001 erst mit Wertstellung vom 7.2.2001. Den entsprechenden Zinsbescheid des Landrats des Kreises, des Beklagten, focht die Klägerin nach Durchlaufen des Widerspruchsverfahrens im Verwaltungsrechtsweg in beiden Instanzen erfolglos an.
Gründe:
Zutreffend führt die Klägerin allerdings aus, dass der angegriffene Zinsbescheid sich nicht schon aus einer allgemeinen Verzinsungspflicht in entsprechender Anwendung des bürgerlichen Rechts rechtfertige. Es ist geklärt, dass im öffentlichen Recht außer bei vertraglichen Ansprüchen Verzinsungsansprüche einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage im jeweiligen Fachrecht bedürfen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. 6.2002 - 9 C 6.01 -, BVerwGE 116, 312 (323); differenzierend und unter Berücksichtigung älterer Rechtsprechung Ulf Fischer, Die öffentlich-rechtliche Geldforderung - unter besonderer Berücksichtigung ihrer Verzinsung -, Dissertation, Bonn 1968, S. 169 ff.
Die Regelungen der Abgabenordnung, insbesondere die Versäumniszuschlagsregelung in § 240 AO, geben keine Grundlage für den angegriffenen Bescheid ab. Zwar ordnet § 1 Abs. 3 KAG NRW die Anwendung des § 12 des Gesetzes, der in weiten Teilen auf die Abgabenordnung verweist, auch für Steuern, Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben an, die von den Gemeinden und Gemeindeverbänden aufgrund anderer Gesetze erhoben werden. Jedoch handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Kreisumlage nicht um eine Abgabe im Sinne der Vorschrift. Die Kreisumlage ist keine Abgabe, auch nicht im weiteren Sinne, sondern ein Instrument des Finanzausgleichs zwischen dem Gemeindeverband und den kreisangehörigen Gemeinden als öffentlichen Aufgabenträgern.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.3.1997 - 8 B 130.96 -, NVwZ 1998, 66; Driehaus, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: März 2004), § 1 Rdnr. 36; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl., Rdnr. 979.
Dem steht wegen der unterschiedlichen Zweckrichtung nicht entgegen, dass nach verbreiteter Meinung die Kreisumlage Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist.
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rdnr. 57.
Der Bescheid rechtfertigt sich vielmehr aus § 5 Abs. 2 der Haushaltssatzung des Kreises 2001 (HS). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese satzungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage wirksam, da sie ihrerseits auf einer zureichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ruht.
Eine solche Ermächtigungsgrundlage ist über die Einräumung der allgemeinen Satzungsautonomie in § 5 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW hinaus notwendig, der die Kreise ermächtigt, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, soweit Gesetze nichts Anderes bestimmen. Diese allgemeine Ermächtigung erlaubt es nämlich nicht, Satzungsregelungen zu erlassen, die in die gesetzlich geschützte Sphäre anderer Rechtspersönlichkeiten eingreifen. Für den Eingriff in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Bürgers, für Eingriffe "in Freiheit und Eigentum", ist dies allgemein anerkannt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. 3.1958 - VII C 84.57 -, BVerwGE 6, 247 (250 f.); OVG NRW, Urteil vom 28. 1.2003 - 15 A 4751/01 -, NWVBl. 2003, 380 (382).
Jedoch gilt der Vorbehalt des Gesetzes in dieser Form auch für Satzungsregelungen eines Kreises, die zu Eingriffen in die Rechtssphäre kreisangehöriger Gemeinden ermächtigen, wie es die hier in Rede stehende Verzinsungsregelung tut.
Das kann nicht etwa mit dem Hinweis auf die dem Kreis als Ausfluss seines Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG , Art. 78 Abs. 1 Verf NRW ) zustehende Organisationshoheit in Abrede gestellt werden, die es dem Kreis auch ohne weitergehende Ermächtigung erlaubt, seine Angelegenheiten in organisatorisch-verfahrensrechtlicher Hinsicht im Rahmen der Gesetze selbst zu regeln. Das ergibt sich daraus, dass die kreisangehörigen Gemeinden keine Organe oder Organteile sind, deren Rechte und Pflichten auszugestalten der Kreis befugt wäre, soweit die Gesetze nicht entgegenstehen. Kreis und kreisangehörige Gemeinden bilden zwar nach § 1 Abs. 1 KrO NRW eine Gemeinschaft, die nicht nur territorial, sondern auch nach Zweckbestimmung und Funktion aufs Engste verbunden und verflochten ist.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.3.1996 - 15 A 1190/93 -, NVwZ 1998, 96 (98).
Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass die kreisangehörigen Gemeinden keine in der Verfassung der Kreise verankerte Organstellung haben.
Vgl. dazu Püttner, Die politische Funktion des Kreises als Selbstverwaltungskörperschaft und seiner Organisation, in: Verein für die Geschichte der Deutschen Landkreise e.V. (Hrsg.), Der Kreis, Band 1, S. 137 (146 f.).
Die Gemeinden treten dem Kreis vielmehr als eigenständige Rechtssubjekte mit ihrem verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrecht entgegen. Soweit die Kreise den Gemeinden durch Satzung Pflichten auferlegen, bedürfen sie daher dazu einer spezifischen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Diese liegt hier in § 56 KrO NRW, der die Kreise ermächtigt, eine Kreisumlage zu erheben. Allerdings ist dort vom Wortlaut her keine Ermächtigung erhalten, Bestimmungen über Fälligkeitszeitpunkte bezüglich der Zahlung der Kreisumlage und über die Folgen verspäteter Zahlung zu treffen. Das ist aber auch nicht erforderlich.
Maßstab dafür, wie bestimmt die Ermächtigungsnorm hier nach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung sein muss, ist weder Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG noch Art. 70 Satz 2 Verf NRW. Diese Vorschriften betreffen Ermächtigungen der Exekutive zur Normsetzung durch Rechtsverordnung, nicht die Normsetzung von Selbstverwaltungskörperschaften durch Satzung.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.3.1998 - 1 BvR 178/97 -, BVerfGE 97, 332 (343); Mann, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 70 Rdnr. 6 f.
Das heißt allerdings nicht, dass der Gesetzgeber von jedweden verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Bestimmtheit der Ermächtigung frei wäre. Rechtsstaatliche und demokratische Grundsätze verbieten es, dass der Gesetzgeber sich seiner Rechtsetzungsbefugnis völlig entäußert und seinen Einfluss auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen gänzlich preisgibt.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, BVerfGE 33, 125 (158).
Das vom Gesetzgeber zu bestimmende zulässige Ausmaß von Pflichten, die durch eine Satzung auferlegt werden können, hängt von der Intensität des Eingriffs ab.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.5.1996 - 1 BvR 744/88 u.a. -, BVerfGE 94, 372 (390); Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 3, § 66 Rdnr. 26 ff.; Dreier, Grundgesetz, Band 2, Art. 28 Rdnr. 134, und Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 1. Kapitel, Rdnr. 95, zu einer kommunalspezifischen Fassung der Gesetzesvorbehaltslehre.
Ausgehend von diesen Bestimmtheitsmaßstäben reicht es, wenn der Eingriff von der Intensität her nicht schwerwiegend ist, aus, dass der geregelte Bereich ohne ausdrückliche Zuweisung zumindest vom dem Satzungsgeber überantworteten Normprogramm erfasst ist. Das ist für die hier in Rede stehende satzungsrechtliche Regelung einer Verzinsungspflicht für verspätet geleistete Kreisumlagezahlungen zu bejahen.
Der durch die Satzungsregelung bewirkte Eingriff in den Rechtsbereich der Gemeinden nach Art und Inhalt ist nicht schwerwiegend. Obgleich die Gemeinden dem Kreis als eigenständige Rechtssubjekte gegenübertreten, handelt es sich dennoch um ein Rechtsverhältnis innerhalb des Hoheitsbereichs des Staates: Hoheitsträger trifft auf Hoheitsträger. Die Art des Eingriffs des Kreises in den Rechtsbereich der Gemeinden stellt sich daher qualitativ anders dar als ein Eingriff des Staates in den grundrechtlich geschützten Freiheits- und Eigentumsbereich des Bürgers. Schon dies rechtfertigt es, an die Bestimmtheit der Eingriffsermächtigung weniger strenge Anforderungen zu stellen. Vom Inhalt streift der Eingriff lediglich den Schutzbereich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Es handelt sich um die Auferlegung einer Zahlungspflicht von - gemessen am Gemeindehaushalt - vernachlässigbarem Umfang, die darüber hinaus nur bei pflichtwidrigem Verhalten, nämlich verspäteten Kreisumlagezahlungen, entsteht. Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht umfasst als Finanzhoheit zwar das Recht zu eigenverantwortlicher Einnahme- und Ausgabewirtschaft. Jene wird aber durch die Auferlegung einzelner Ausgabepflichten nicht verletzt, solange jedenfalls eine insgesamt zureichende Finanzausstattung nicht in Frage gestellt wird.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 (385 f.).
Die Auferlegung der Zinspflicht wäre also, hätte der Gesetzgeber sie getroffen, unter dem Gesichtspunkte des Selbstverwaltungsrechts ohne Weiteres zulässig. Das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin ist somit nur insofern tangiert, als es für die Auferlegung von Pflichten im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes überhaupt eine letztlich auf den Gesetzgeber rückführbare Ermächtigung geben muss. Auch dies rechtfertigt es, an die Ermächtigung der Kreise zu einer solchen Regelung keine hohen Anforderungen zu stellen, sondern es genügen zu lassen, dass der Gesetzgeber dem Kreis einen bestimmten Sachbereich zur Normierung überlassen hat, der die Zinspflicht für verspätete Kreisumlagezahlungen mitumfasst. Das ist in § 56 KrO NRW geschehen.
Unmittelbar regelt § 56 in Absatz 1 KrO NRW nur die Ermächtigung zur Erhebung einer Kreisumlage, in den Absätzen 2 und 3 die Festsetzung des Umlagesatzes für jedes Haushaltsjahr und in den Absätzen 4 und 5 besondere Formen der Kreisumlage. Diese Regelungen sind für die Erhebung der Kreisumlage - auch unter Einbeziehung der Vorschriften über die Umlagegrundlagen in den jährlichen Gemeindefinanzierungsgesetzen - erkennbar unvollständig. Die Fälligkeit der Kreisumlagezahlungen ist nicht angesprochen, obwohl sich aus der Vorschrift über die Änderung des Umlagesatzes im Laufe eines Kalenderjahres in § 56 Abs. 2 und 3 KrO NRW ergibt, dass die Kreisumlage nicht erst zum Jahresende zu zahlen ist. Daraus folgt, dass der Kreis die Befugnis haben soll, Einzelheiten des Verfahrens der Festsetzung der Kreisumlage zu regeln.
Zu solchen Einzelheiten zählt auch die Rechtsfolge einer verspäteten Erfüllung der Zahlungspflicht in Form von Verzugszinsen. Der enge sachliche Zusammenhang von Zahlungspflichten und Verzugszinsen ergibt sich daraus, dass der Kreis schon nach allgemeinem Haushaltsrecht befugt ist, für gestundete Zahlungen angemessene Zinsen zu erheben (§ 53 Abs. 1 KrO NRW i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 2 GemHVO NRW).
Vgl. dazu Steup/Schneider/Lienen, Gemeindehaushaltsrecht NRW, 5. Aufl., § 32 Rdnr. 3.
Wenn also der Kreis schon nach allgemeinem Haushaltsrecht befugt ist, für einverständlich später geleistete Zahlungen der Kreisumlage angemessene Zinsen zu erheben, liegt ein enger Zusammenhang mit der speziellen Befugnis zur Regelung der Kreisumlage vor, wenn der Kreis satzungsrechtlich eine Zinspflicht für einseitig später geleistete Zahlungen festlegt. Das Normprogramm "Regelung der Kreisumlage" umfasst deshalb die vorliegende Verzinsungsregelung.
Auch die konkrete Ausgestaltung der Zinspflicht erweist sich als rechtmäßig. So ist die Festlegung der Fälligkeitszeitpunkte von einem Zwölftel der Jahreskreisumlage auf den 20. eines jeden Monats rechtmäßig. Sie bewirkt, dass die Kreisumlage kontinuierlich fließt, ohne dass die Gemeinden unangemessen in Vorleistung treten müssten. Der Zinssatz von 6 % pro Jahr für rückständige Zahlungen liegt ebenfalls in einem angemessenen Bereich (vgl. zu den regelmäßig höheren Verzugszinsen im bürgerlichen Recht § 288 BGB).
Die Zinshöhe ist richtig berechnet. Damit erweist sich der angegriffene Bescheid insgesamt als rechtmäßig.
Ende der Entscheidung
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