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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 01.04.2009
Aktenzeichen: 15 B 429/09
Rechtsgebiete: GO NRW


Vorschriften:

GO NRW § 26
Bei einem Bürgerbegehren müssen die zur Entscheidung zu bringende Frage, die Begründung und der Kostendeckungsvorschlag thematisch deckungsgleich sein, sich also auf denselben Gegenstand beziehen (Grundsatz der Kongruenz von Frage, Begründung und Kostendeckungsvorschlag).
Tatbestand:

Ein Bürgerbegehren wandte sich gegen einen Ratsbeschluss, der den Neubau eines Verwaltungsgebäudes nach Abriss bestehender Gebäude und eine Finanzierung dieses Vorhabens durch Public-Private-Partnership (PPP) vorsah. Der Rat stellte fest, dass das Bürgerbegehren unzulässig sei. Insoweit strengten die Vertreter des Bürgerbegehrens ein noch nicht abgeschlossenes Klageverfahren an. Vor einer Ratssitzung, in der über die Vergabe des PPP-Projekts entschieden werden sollte, beantragten die Vertreter des Bürgerbegehrens einstweiligen Rechtsschutz, um dem Begehren entgegenstehende Entscheidungen zu verhindern. Der Antrag hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller einen in einem Hauptsacheverfahren zu verfolgenden Anspruch darauf haben, dass der Antragsgegner gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW feststellt, dass das Bürgerbegehren zulässig ist. Das Bürgerbegehren enthält nämlich entgegen § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW jedenfalls keinen ausreichenden Kostendeckungsvorschlag. Nach dieser Vorschrift muss ein Bürgerbegehren die zur Entscheidung zu bringende Frage, eine Begründung sowie einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten.

Hier stellt der Kostendeckungsvorschlag den Kosten der vom Rat favorisierten Lösung des Neubaus und der Sanierung des Alten Rathauses von 41,3 Millionen Euro die Kosten für die Sanierung des Alten Rathauses und der Gebäudes Altes Finanzamt mit Übergang, Neues Rathaus sowie der Zentralbibliothek von 35 Millionen entgegen. Das Bürgerbegehren kommt zu dem Schluss, dass ein Kostendeckungsvorschlag nicht erforderlich sei, da es Geld einspare.

Das Bürgerbegehren bedarf jedoch eines Kostendeckungsvorschlags. Der Begriff der Kosten erfordert in seinem Begriffskern Aufwendungen aus Ressourcen. In einem weiteren Sinne umfasst er auch Einbußen, die (ungewollte) Folge eines Verhaltens sind, etwa eine Vermögensminderung, die durch das Unterlassen kostenmindernder Maßnahmen entsteht (z. B. der Schließung einer kostenträchtigen gemeindlichen Einrichtung).

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21.1.2008 - 15 A 2697/07 - NVWBl. 2008, 307 (308), vom 21.11.2007 - 15 B 1879/07 -, NWVBl. 2008, 106, und vom 19.3.2004 - 15 B 522/04 -, NWVBl. 2004, 346 (347).

Falls die hier verlangte Maßnahme nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW auch die Sanierung der Gebäude ist und diese Sanierung damit ein Gegenstand des Bürgerbegehrens ist, bedarf es eines Kostendeckungsvorschlags, nämlich eines Vorschlags zur Deckung der Sanierungsaufwendungen. Der Vorschlag ist in diesem Fall nicht unter Hinweis auf die Kosten des Neubauprojekts entbehrlich: Dieser Betrag steht nicht als Ressource zur Verfügung, aus der Aufwendungen für Sanierungen getätigt werden könnten. Es handelt sich bei diesem Betrag selbst um Aufwendungen für das Neubauprojekt, die durch eine PPP-Finanzierung gedeckt werden sollen. Dass eine ebensolche Finanzierung hier für die Sanierung auch nur beabsichtigt, geschweige denn auch realisierbar wäre, kann dem Bürgerbegehren nicht entnommen werden.

Entscheidend ist somit, ob auch die Sanierung Gegenstand des Bürgerbegehrens ist. Nach dem Wortlaut der zur Entscheidung zu bringenden Frage ist dies allerdings nicht der Fall. Danach soll über die Frage abgestimmt werden "Sind Sie gegen den Abriss der Zentralbibliothek und der Nebengebäude des Alten Rathauses?". Der Wortlaut der Frage hat damit nur zum Gegenstand, dass die Gebäude nicht abgerissen werden sollen. Dafür wäre ein Kostendeckungsvorschlag nicht erforderlich, wenn die baurechtlich zwingend aufzuwendenden Unterhaltungskosten, also nicht die Sanierungskosten, unter den Kosten der im Rahmen der PPP-Finanzierung aufzuwendenden Leistungen an den Vertragspartner lägen. Denn dann entstünden lediglich die auch ohne das Bürgerbegehren anfallenden Kosten, die durch den Neubau in Form des Ratsprojekts nicht gesenkt würden.

Der Annahme, dass die Sanierung der bestehenden Gebäude nicht Gegenstand des Bürgerbegehrens sei, steht andererseits aber der übrige Text des Bürgerbegehrens entgegen, der abweichend von der Fragestellung die Sanierung ausdrücklich einbezieht. Schon in der Überschrift des Abstimmungsformulars "Abriss stoppen - Gebäude sanieren - Geld sparen" wird deutlich, dass die Frage "Abriss ja oder nein?" nicht allein Gegenstand des Bürgerbegehrens ist, sondern auch die Sanierung, wobei dadurch gleichzeitig Geld gespart werden soll. Auch in der Begründung wird dem Neubau die "schrittweise Sanierung der bestehenden Gebäude" entgegengehalten, die kostengünstiger ausfallen soll. Es wird also ausdrücklich anerkannt, dass die erstrebte Sanierung ihrerseits Kosten verursacht, nur eben vermeintlich weniger als ein Neubau.

Ob ein Kostendeckungsvorschlag für die verlangte Maßnahme erforderlich ist, bestimmt sich nicht allein nach der zur Entscheidung zu bringenden Frage. Durch das Gebot eines Kostendeckungsvorschlags will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Bürger in finanzieller Hinsicht über Tragweite und Konsequenzen der im Wege des Bürgerbegehrens vorgeschlagenen Entscheidung unterrichtet werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.1.2008 - 15 A 2697/07 - a. a. O., und Urteil vom 28.1.03 - 15 A 203/02 -, NWVBl. 2003, 312 (315).

Auch die zum zwingenden Inhalt eines Bürgerbegehrens gehörende Begründung dient dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären, und soll Verfälschungen des Bürgerwillens vorbeugen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.4.2002 - 15 A 5594/00 -, NVwZ-RR 2002, 766 (767).

Zur Entscheidung zu bringende Frage, Begründung und Kostendeckungsvorschlag stehen daher in einem inneren Zusammenhang: Die Begründung soll der Sache nach über die zu entscheidende Frage aufklären, der Kostendeckungsvorschlag soll über die Kostenseite dieser Frage aufklären. Daraus ergibt sich, dass die zur Entscheidung zu bringende Frage, die Begründung und der Kostendeckungsvorschlag thematisch deckungsgleich sein, sich also auf denselben Gegenstand beziehen müssen (Grundsatz der Kongruenz von Frage, Begründung und Kostendeckungsvorschlag). Bezieht sich, wie hier, die Begründung auf einen anderen Gegenstand als die zur Entscheidung zu bringende Frage, wird für den Bürger unklar, worüber er abstimmen soll sowie ob und welche Kosten für die verlangte Maßnahme abzudecken sind. Hier wird diese Unklarheit auch durch Inkongruenz zwischen der zur Entscheidung zu bringenden Frage einerseits und den Ausführungen zu den Kosten andererseits begründet, weil auch diese im Gegensatz zur Frage die Sanierung zum Gegenstand haben. Muss aber der Bürger aufgrund der Formulierung von Begründung und Ausführungen zu den Kosten davon ausgehen, dass Gegenstand des Bürgerbegehrens auch die Sanierung der Gebäude ist, sind die zu den Kosten gemachten Ausführungen - wie oben ausgeführt - unzureichend, da kein Vorschlag unterbreitet wird, wie die Sanierungskosten gedeckt werden sollen.

Ende der Entscheidung

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