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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 19.02.2003
Aktenzeichen: 18 A 3673/01
Rechtsgebiete: EG, EG-Vertrag, VwGO


Vorschriften:

EG Art. 234
EG-Vertrag Art. 177
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5

Entscheidung wurde am 07.05.2003 korrigiert: das Datum wurde korrigiert
1. Verwaltungsgerichte, deren Entscheidungen mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung angefochten werde können, sind nicht gemäß § 234 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet.

2. Der Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beruht, muss die materiellrechtliche Beurteilung des VG selbst dann zu Grunde gelegt werden, wenn diese sich als unzutreffend erweisen sollte.


Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Berufung. Erfolglos beruft er sich sinngemäß darauf, dass das VG gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. Art. 234 Satz 3 EG verstoßen hat, weil es die Rechtssache nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt habe. Eine derartige Vorlagepflicht bestand für das VG schon aus formellen Gründen nicht. Sie ist vielmehr nach Art. 234 Satz 3 EG nur gegeben, wenn die Entscheidung des einzelstaatlichen Gerichts selbst nicht mehr mit einem Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. So ist es hier nicht. Dem Kläger stand als Rechtsmittel der Antrag auf Zulassung der Berufung zur Verfügung. Das ist ausreichend, weil damit der Zugang zur nächsten Instanz ermöglicht wird. Dem entsprechend hat das BVerwG als Rechtsmittel im Sinne des Art. 177 Abs. 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 234 Satz 3 EG) auch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bewertet.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1992 - 5 B 72.92 -, NVwZ 1993, 770 = Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 21.

Es ist nichts dafür erkennbar, warum für das Rechtsmittel des Antrags auf Zulassung der Berufung etwas anderes gelten soll.

Wenn somit das VG nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet war, so stand es nach Art. 234 Satz 2 EG in seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob es eine Vorlage an den EuGH beschließen wollte. Unter welchen Voraussetzungen ein Absehen davon ermessensfehlerhaft ist und einen Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO darstellt, kann dahin stehen. Der Kläger hat - ungeachtet weiterer Darlegungsfragen - jedenfalls nicht dargelegt, dass das VG ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Er hält - ohne auf einen Ermessensfehler einzugehen - die Entscheidung des VG über die Nichtvorlage an den EuGH für fehlerhaft, weil das Gericht im Zusammenhang mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts übersehen habe, dass der Beklagte sein Ermessen aus § 97 AuslG nicht ausgeübt hat. Mit diesem Vorbringen, das der Senat verfahrensbedingt allein zu überprüfen hat, wird ein Ermessensfehler schon deshalb nicht dargelegt, weil es nicht entscheidungserheblich ist. Die Regelung des § 97 AuslG ist zu der vom Kläger in Betracht gezogenen "Lückenfüllung" ungeeignet; denn die durch sie der Ausländerbehörde eröffnete Möglichkeit, Fehlzeiten unberücksichtigt zu lassen, ändert nichts am Erfordernis eines ununterbrochenen ordnungsgemäßen Aufenthalts, wie ihn der hier in Rede stehende Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erfordert.

Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.8.1993 - 1 B 49.93 -, InfAuslR 1994, 98 = Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 2.

Dessen ungeachtet ist die Entscheidung des VG aber auch deshalb verfahrensfehlerfrei erfolgt, weil es - wenn auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH - vgl. Urteil vom 16.3.2000 - Rs. C-329/97 (Ergat) -, InfAuslR 2000, 217 - wegen des vom Kläger verspätet gestellten Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis einen rechtmäßigen Wohnsitz im Sinne von Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verneinte und damit von seinem Standpunkt aus mangels eines Aufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80 folgerichtig keinen Klärungsbedarf für eine gemeinschaftsrechtliche Frage sah. Insoweit ist die Diskrepanz zur Rechtsprechung des EuGH unbeachtlich. Der Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beruht, muss die materiellrechtliche Beurteilung des VG selbst dann zu Grunde gelegt werden, wenn diese sich als unzutreffend erweisen sollte.

Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11.3.1998 - 8 BN 6.97 -, NVwZ 1998, 952 = Buchholz 415.1 Allg. KommR. Nr. 144.

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