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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 21 A 2702/06
Rechtsgebiete: BBesG, LehrzulV-NRW


Vorschriften:

BBesG § 44 Abs. 1
BBesG § 44 Abs. 3
LehrzulV-NRW § 1
LehrzulV-NRW § 2
Ein Polizeibeamter des gehobenen Dienstes, der andere Bedienstete nach einem von ihm selbst erstellten Konzept an neue Computerprogramme heranführt, ist nicht mit der methodischen Vermittlung überwiegend theoretischen Wissens befasst. Für die überwiegend praktische Ausbildungstätigkeit steht ihm die Lehrzulage nach § 44 Abs. 1 und 3 BBesG, §§ 1 und 2 LehrzulV-NRW nicht zu.
Tatbestand:

Der Kläger steht als Polizeioberkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er ist Sachbearbeiter im Bereich Benutzerservice - Informations- und Kommunikationstechnik - bei einem Polizeipräsidium. Zu seinen Aufgaben gehört es, andere Bedienstete mit der Anwendung von Computerprogrammen vertraut zu machen. Bei den mehrtägigen Veranstaltungen verfährt der Kläger nach einem von ihm entwickelten Konzept. Mit seiner Klage begehrte er die Lehrzulage nach der Lehrzulagenverordnung Nordrhein-Westfalen (LehrzulV-NRW). Die Klage blieb in zweiter Instanz ohne Erfolg.

Gründe:

Das vom Kläger verfolgte Begehren beurteilt sich nach § 44 Abs. 1 und 3 BBesG sowie §§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 Abs. 1 Satz 1 LehrzulV-NRW. Es scheitert daran, dass es bei den Veranstaltungen, die vom Kläger durch Vorlage von Konzepten näher erläutert worden sind, nicht um die methodische Vermittlung vorwiegend theoretischen Wissens i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 LehrzulV-NRW, sondern um eine überwiegend praktische Ausbildungstätigkeit, nämlich um die Unterweisung und Anleitung an Geräten geht (§ 2 Abs. 2 LehrzulV-NRW). Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 LehrzulV-NRW aufgeführten Aus- und Fortbildungseinrichtungen (Fachhochschulen, verwaltungseigene Schulen, sonstige Ausbildungs- und Fortbildungsstätten) zeigen, dass es dem Verordnungsgeber vorrangig um eine Lehrtätigkeit der Beamten und Richter geht, die sich schon wegen der organisatorischen Verselbstständigung der jeweiligen Einrichtung von dem üblichen Amtsinhalt unterscheidet. Die Bestimmung bezieht aber auch die theoretische Wissensvermittlung im Rahmen von geschlossenen Lehrgängen, im Rahmen eines praxisbegleitenden Schul- oder Seminarbetriebes oder in der Leitung von Arbeitsgemeinschaften ein. Satz 2 enthält eine Fiktion, wonach als geschlossene Lehrgänge solche mit vorgeschriebenem festen Lehrplan und Lehrgangsziel gelten. Der Kläger erfüllt diese Fiktion nicht, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass es einen vorgeschriebenen Lehrplan gibt. Die vorgelegten Konzepte sind nicht vom Dienstvorgesetzten erarbeitet worden. Dies steht der Eigenschaft eines vorgeschriebenen festen Lehrplans entgegen. Zugunsten des Klägers kann lediglich unterstellt werden, dass der Dienstvorgesetzte das Ziel, Polizeibeamte an die neue Software für den Polizeialltag heranzuführen, vorgegeben hat. Dies allein rechtfertigt nicht den Schluss auf einen vorgeschriebenen festen Lehrplan. Vielmehr spricht gerade die dem Kläger vom Dienstvorgesetzten eingeräumte Freiheit, die Wege zum Ziel der Unterweisung selbst zu suchen, für eine vorrangig praktische Ausrichtung der Veranstaltung. Es handelt sich auch nicht um einen die Praxis begleitenden Schul- oder Seminarbetrieb. Der Schwerpunkt eines Schul- oder Seminarbetriebs liegt nach der Intention des § 2 Abs. 1 Satz 1 LehrzulV-NRW in der Vermittlung vorwiegend theoretischen Wissens. Im Gegensatz zur Praxis wird im Rahmen eines Schul- oder Seminarbetriebs das für den Arbeitserfolg notwendige theoretische Wissen konzentriert aufbereitet und vermittelt. Der Schwerpunkt der kompakten, auf wenige Tage beschränkten Einführungsveranstaltungen des Klägers liegt vorrangig in einer praktischen Hilfestellung, die die Teilnehmer in die Lage versetzt, Schritt für Schritt neue Software zu erarbeiten. Dass der Kläger diese Arbeitsschritte mit Erläuterungen begleitet und dazu eine Powerpoint-Präsentation sowie den Multimediaprojektor genutzt hat, ändert nichts daran, dass die Veranstaltungen vorrangig auf die praktische Bewältigung der Aufgabe gerichtet sind zu erfahren, welche Anwendungsmöglichkeiten die neue Software dem Polizeialltag eröffnet und mit welchen Arbeitsschritten sich der Teilnehmer dieser Möglichkeiten bedienen kann. Um dieses vom Dienstvorgesetzten gesetzte Ziel der Unterweisung zu erreichen, muss der Teilnehmer nicht mit theoretischem Hintergrundwissen der Informatik, etwa mathematisch-logischen Grundlagen, formalen Sprachen und Programmiersprachen, Algorithmen, der Berechenbarkeit und ihren prinzipiellen Grenzen oder der Übersetzung von Programmiersprachen befasst werden.

Beispielhaft aus der Inhaltsübersicht des Lehr- und Übungsbuchs Informatik, Bd. 2, Theorie der Informatik, 2. Aufl., Hrsg. Prof. Dr. Horn u.a., http://web.inf.tu-dresden.de/~fachbuch/band2.html.

Um mit neuer Software erfolgreich arbeiten zu können, muss sich ein Teilnehmer nicht einmal mit Einzelheiten zu den Begrifflichkeiten und den Hintergründen von Backup & Recovery und sonstigen im Konzept dargestellten Punkten beschäftigen. Dies bestätigt die Erfahrung, die die Berufsrichter bei der Einführung der Netzwerklösung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit gewonnen haben. Es reicht im Hinblick auf die Gegenstände "Backup & Recorvery", wenn dem Teilnehmer die für eine Datensicherung notwendigen Arbeitsschritte und die Möglichkeit einer Wiederherstellung von Daten aufgezeigt werden. Dass der Dienstvorgesetzte vom Kläger mehr erwartet hätte, ist nicht ersichtlich. Sollten fortgeschrittene oder besonders interessierte Teilnehmer Fragen gestellt haben, die über das praktisch erforderliche Maß an Wissensvermittlung hinausreichen, handelte es sich bei der Beantwortung dieser Frage um eine freiwillige und nicht dem Dienstherrn geschuldete Leistung des Klägers. Dass es dem Kläger vorrangig um eine Darstellung und Erarbeitung der Anwendungsmöglichkeiten der Software im Polizeialltag geht, machen die vorgelegten Konzepte deutlich, wenn man etwa die dort formulierten Lernziele betrachtet: Der Seminarteilnehmer soll ... "den Rechner starten, sich an- und abmelden können, den PC sperren und das Kennwort ändern können", eine "Verzeichnisstruktur erzeugen können" oder "Dateien verschieben, kopieren und löschen können". Auch aus der Übersicht zum Findus-Seminar ergibt sich, dass es vor allem darum geht zu lernen, wie Fälle eingegeben werden, wie mit Filtern gearbeitet wird und wie die Suchfunktionen bedient werden.

Es geht mithin um den praktischen Umgang mit Programmen und Datenbanken.

Diese Lösung steht im Einklang mit Sinn und Zweck der Lehrzulage und findet eine Bestätigung in § 2 Abs. 2 LehrzulV-NRW.

Auszugehen ist vom Urteil des BVerwG vom 13.9.1984 - 2 C 68.81 -, BVerwGE 70, 106, wonach es bei der damals ohne spezielle Rechtsgrundlage gezahlten Lehrzulage nicht um Aufwendungsersatz, sondern darum geht, erfahrene und bewährte Beamte zur Mitwirkung bei der Ausbildung des Beamtennachwuchses zu gewinnen und die erhöhten Anforderungen an die Lehrperson durch die Lehrtätigkeit abzugelten. Solche erhöhten Anforderungen bestehen z.B., wenn ein Polizeibeamter an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Polizeirecht lehrt. Dazu muss er nämlich ein einen längeren Zeitraum übergreifendes Konzept erstellen, das darauf gerichtet ist, normative und tatsächliche Gegebenheiten zu erläutern, und es verstehen, durch anschauliche Darstellung des Stoffes Aufmerksamkeit zu wecken und aufrechtzuerhalten. Dies unterscheidet die Lehrtätigkeit von einer Unterweisung und Anleitung im Sinne von § 2 Abs. 2, bei der in weitaus größerem Maße die Routine gefordert ist, andere mit Einrichtungen, Maschinen, Geräten und sonstigen Ausbildungsgegenständen vertraut zu machen. Angesichts der fortgeschrittenen Technik, die dem Verordnungsgeber bei Erlass der Lehrzulagenverordnung-NRW bekannt war, beschränkt sich der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 LehrzulV-NRW nicht auf Sachverhalte, die eine eher antiquierte Bürotechnik (z.B. die elektrische Schreibmaschine) betreffen, sondern meint durchaus anspruchsvollere Einrichtungen usw., solange der Schwerpunkt der Unterweisung und Anleitung auf der praktischen Seite liegt. Als Beispiel kann die Einweisung in die anspruchsvolle Technik eines elektronisch "hochgerüsteten" Dienst-PKW dienen. Um diesen PKW sicher fahren zu können, braucht der Anzuleitende keine Hintergrundinformationen, sondern eine anschauliche Demonstration der wesentlichen Schritte zum Starten und Fahren des PKW und zur Nutzung der wesentlichen Hilfsmittel.



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