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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: 3 E 1116/03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 106
VwGO § 162
VwGO § 164
Zur Kostenfestsetzung bei nur teilweisem Übergang eines Widerspruchsverfahrens in das Klageverfahren
Tatbestand:

Der Beklagte setzte gegen die Klägerin Erschließungsbeiträge in Höhe von insgesamt 31.309,89 DM (= 16.008,49 €) fest. Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, die Beitragsfestsetzung insoweit aufzuheben, als sie einen Betrag von insgesamt 29.052,06 DM (= 14.854,08 €) überstieg. In der mündlichen Verhandlung schlossen die Beteiligten auf Vorschlag des VG folgenden Vergleich:

"1. Der Beklagte ermäßigt den mit den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Beitrag auf 14.333,55 €.

2. Die Kläger (gemeint: Beteiligten) sehen damit das Klagebegehren als erledigt an.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte."

Das Gericht erklärte antragsgemäß die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig und setzte den Streitwert auf 1.675 € fest.

Im Kostenfestsetzungsverfahren berechnete der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten nach einem Gegenstandswert von 1.675 €. Die Erinnerung der Klägerin wies das VG durch den angefochtenen Beschluss mit der Begründung zurück, die inzidente Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes für das Vorverfahren als für das Klageverfahren sei nicht möglich; zu den gerichtlichen Kosten i.S.d. §§ 162, 164 VwGO könnten die Kosten des Vorverfahrens nur gehören, soweit sich ein gerichtliches Verfahren angeschlossen habe.

Mit ihrer Beschwerde machte die Klägerin geltend: Anders als im Klageverfahren habe sie im Vorverfahren die Beitragsfestsetzung nicht nur teilweise, sondern in vollem Umfang angefochten. Demgemäss sei von einem Gegenstandswert des Vorverfahrens in Höhe der vollen Beitragsfestsetzung auszugehen und eine uneingeschränkte Kostenerstattung vorzunehmen, weil der Beklagte nach dem Vergleich die Kosten des Verfahrens zu tragen habe und die Zuziehung ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren nach gerichtlicher Feststellung auch notwendig gewesen sei.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

Es kann offen bleiben, ob das Vorverfahren einen Gegenstandswert in Höhe der Beitragsfestsetzungen von insgesamt 16.008,49 € (= 31.309,88 DM) hatte, wie die Klägerin meint, oder in Höhe von 1.675 €, wovon der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und das VG ausgegangen sind. Denn auch auf der Grundlage des höheren Gegenstandswertes hätten die erstattungsfähigen Kosten des Vorverfahren vorliegend nicht höher als geschehen festgesetzt werden können.

Im Kostenfestsetzungsverfahren ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle an die Kostengrundentscheidung des gerichtlichen Verfahrens gebunden. Diese findet sich hier in dem das Klageverfahren beendenden Prozessvergleich; sie lässt die Regelung in den vorausgegangenen Widerspruchsbescheiden, wonach Kosten nicht erstattet werden, "automatisch" hinfällig werden.

Vgl. den Beschluss des Senats vom 15.6.2001 - 3 E 529/00 - , NVwZ-RR 2002, 77.

Nach Nr. 3 des Prozessvergleichs hat der Beklagte die "Kosten des Verfahrens" zu tragen. Mit dieser Formulierung sind nach Lage des Falles die Kosten des Klageverfahrens erfasst, die Kosten des Vorverfahrens aber nur, soweit sich das Klageverfahren angeschlossen hat.

Mit der Formulierung "Kosten des Verfahrens" hat sich das VG, auf dessen Vorschlag der Prozessvergleich geschlossen worden ist, offenbar an die Regelung in § 154 Abs. 1 VwGO angelehnt. Es drängt sich daher auf, der Kostenregelung des Vergleichs den Inhalt zu entnehmen, den eine gleichlautende gerichtliche Kostenentscheidung hätte. Eine solche gerichtliche Kostenentscheidung hätte nur die Kosten desjenigen Teils des Vorverfahrens erfasst, der in das anschließende Klageverfahren übergegangen ist. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 162 Abs. 1 VwGO sowie aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach sind die Kosten des Vorverfahrens als "Aufwendungen" "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung" in die Kosten des Verfahrens einbezogen; eine solche Qualität haben sie aber lediglich, soweit sie zu vorbereitenden Kosten des Klageverfahrens geworden sind.

Vgl. Lappe, in: von Eicken/Lappe/Madert, Die Kostenfestsetzung, 17. Aufl., D 190; Bode, in: Mutschler, Kostenrecht in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, München 2003, § 4 Rn. 8; BFH, Beschluss vom 17.9.1974 - VII B 25/73 -, BFHE 113, 348, und FG Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2001 - 3 KO 1/00 -, EFG 2002, 497 (jeweils zu der § 162 VwGO entsprechenden Vorschrift des § 139 FGO).

Erst dieser Zusammenhang mit dem Klageverfahren rechtfertigt es, die grundsätzlich allein am Prozessausgang ausgerichtete gerichtliche Kostenentscheidung auf Vorverfahrenskosten zu erstrecken.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 5.9.1994 - 12 C 93.2442 -, BayVBl. 1995, 599; ebenso: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.3.1991 - 8 S 625/91 -, NVwZ-RR 1992, 540; Neumann, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, Stand: November 1999, § 162 Rnrn. 123, 125; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2003, § 162 Rn. 64, spricht insoweit von "teleologischer Reduktion"; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 162 Rn. 16; BFH, Beschluss vom 17.9.1974 - VII B 25/73 -, a.a.O.; Brandis, in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, Stand: Juli 2004, § 139 FGO Rn. 127.

Gründe, deretwegen die Kostengrundentscheidung des Prozessvergleichs in einem die gesamten Kosten des Vorverfahrens einschließenden Sinne auszulegen wäre, sind nicht ersichtlich. Ungeachtet der Frage, inwieweit zur Auslegung auf Umstände außerhalb des Vergleichstextes zurückgegriffen werden kann,

vgl. BGH, Urteil vom 31.3.1993 - XII ZR 234/91 -, NJW 1993, 1995 (1996),

hat die Klägerin in keinem Stadium des Verfahrens vorgetragen geschweige denn nachgewiesen, dass die Vergleichsschließenden den Begriff "Kosten des Verfahrens" abweichend von § 154 Abs. 1 VwGO gebraucht hätten (was ggf. in einem den Vergleichsschluss vorbereitenden Schriftwechsel hätte Niederschlag finden können). In der Niederschrift des VG über die mündliche Verhandlung findet sich nur die Feststellung, der Vergleich werde "auf Vorschlag des Gerichts" geschlossen, was eher darauf schließen lässt, dass das Gericht den Vergleich vorformuliert hat und die Beteiligten darauf keinen Einfluss genommen haben.

Vgl. zu einer i.S. des § 154 Abs. 1 VwGO ausgelegten gleichlautenden Kostenregelung den Beschluss des BayVGH vom 20.2.1986 - Nr. 26 C 85 A.727 -, BayVBl. 1986, 445.

Demnach ist anzunehmen, dass die Kostenregelung des Prozessvergleichs die Vorverfahrenskosten nur anteilig umfasst.

Schließlich kann offen bleiben, in welcher Weise der erstattungsfähige Anteil der Vorverfahrenskosten bei der Kostenfestsetzung zu bestimmen ist. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist im Sinne einer Fiktion so verfahren, als seien die Gegenstandswerte von Vorverfahren und Klageverfahren deckungsgleich gewesen und hat demgemäss auch die Vorverfahrenskosten nach einem Gegenstandswert von 1.675 € berechnet. Sollten demgegenüber die gesamten Vorverfahrenskosten nach dem höheren Gegenstandswert des Vorverfahrens zu ermitteln, dann aber nur entsprechend dem Verhältnis der Werte von Klageverfahren und Vorverfahren (1.765 € : 16.008,49 € = 11,02 %) anzusetzen sein,

so FG Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2001 - 3 KO 1/00 - , a.a.O.; Brandis, a.a.O., § 139 FGO Rn. 127,

so wären der Klägerin erheblich geringere Vorverfahrenskosten zu erstatten. Deswegen bedeutet für die Klägerin die bisherige Kostenfestsetzung keine Beschwer; sie behält daher im vorliegenden Rechtsmittelverfahren Bestand.



Ende der Entscheidung

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