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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 11.11.2009
Aktenzeichen: 4 B 512/09
Rechtsgebiete: NiSchG NRW
Vorschriften:
NiSchG NRW § 1 Abs. 1 Satz 1 | |
NiSchG NRW § 2 Nr. 5 | |
NiSchG NRW § 2 Nr. 7 | |
NiSchG NRW § 4 Abs. 1 Satz 1 | |
NiSchG NRW § 4 Abs. 2 | |
NiSchG NRW § 5 Abs. 1 |
Tatbestand:
Der Antragsteller betreibt eine Café-Bar, die offen im Laufbereich eines Einkaufszentrums liegt. Der Antragsgegner gab dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, das Rauchen in seiner Gaststätte zu unterbinden und das Warnzeichen "Rauchen verboten" auf den Tischen aufzustellen oder im Thekenbereich der Gaststätte anzubringen. Das VG gab dem Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes statt. Die dagegen berichtete Beschwerde des Antragsgegners hatte Erfolg.
Gründe:
Nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung spricht alles dafür, dass sich die Ordnungsverfügung des Antragsgegners in einem Klageverfahren als rechtmäßig erweist (a). Eine dies zugrunde legende Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und der für die Vollziehung der Ordnungsverfügung streitenden öffentlichen Interessen andererseits geht zu Lasten des Antragstellers aus (b).
a) Vorbehaltlich einer endgültigen Klärung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren geht der Senat davon aus, dass das gesetzliche Rauchverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW - NiSchG NRW), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.6.2009 (GV. NRW. S. 390), auch für den Gaststättenbetrieb des Antragstellers gilt, der in der Lauffläche des Einkaufszentrums liegt. Auf die Frage, ob es sich bei dem Einkaufszentrum um eine Freizeiteinrichtung i. S. v. § 2 Nr. 5 NiSchG NRW handelt - was zweifelhaft erscheint -, kommt es deshalb nicht an.
Das Gesetz ist in seiner aktuellen Fassung zugrunde zu legen, weil es sich bei der streitigen Ordnungsverfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, für dessen Beurteilung im vorliegenden Anfechtungsrechtsstreit der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist.
Vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 113 Rn. 116, m. w. N.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW besteht in Gaststätten, d. h. in Schank- und Speisewirtschaften, unabhängig von der Betriebsart, Größe und Anzahl der Räume (§ 2 Nr. 7 NiSchG NRW), Rauchverbot. Das Rauchverbot gilt allerdings nur, soweit sich die Gaststätte in einem Gebäude oder einem sonstigen vollständig umschlossenen Raum befindet. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW. Die Formulierung der letztgenannten Norm bringt dabei zum Ausdruck, dass sich die im Gesetz aufgeführten Rauchverbote grundsätzlich auf alle umschlossenen Räume erstrecken, so ausdrücklich auch die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 14/4834, S.17, und dem Begriff " Gebäude" in § 1 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW lediglich die Bedeutung eines Regelbeispiels zukommt.
Vgl. Reich, Nichtraucherschutzgesetz, 2008, § 1 Rn. 2.
Das Rauchverbot für Gaststätten erfasst danach sämtliche Schank- und Speisewirtschaften in Räumen, die durch Wände und Decke umschlossen sind.
Vgl. zu Letzterem Reich, a. a. O.
Dabei muss es sich nicht um die "eigenen" Wände und Decken der Gaststätte handeln. Dass der Betrieb der Gaststätte den gesamten umschlossenen Raum einnimmt, setzt der Gesetzeswortlaut nämlich nicht voraus; das Rauchverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW erfasst gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW vielmehr auch solche Schank- und Speisewirtschaften, die nur auf Teilflächen eines umschlossenen Raumes betrieben werden. Denn auch eine solche Gaststätte befindet sich "in" einem umschlossenen Raum, wie es § 1 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW verlangt.
A. A. zu der im Wortlaut allerdings abweichende Regelung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Gesundheitsschutzgesetz OLG Bamberg, Beschluss vom 12.8.2009 - 2 Ss OWi 795/09 -, LexisNexis.
Eine andere Betrachtung gebieten weder der Regelungszweck noch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Das Nichtraucherschutzgesetz NRW soll vor Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen zu schützen.
Vgl. LT-Drs. 14/4834, S.1.
Diese Gefahren bestehen in besonderem Maße, wenn in umschlossenen Räumen geraucht wird. Denn in solchen Räumen fängt sich der Rauch; die Schadstoffe des Tabakrauchs können sich hier - anders als im Freien - nicht verflüchtigen. Diese Erwägung, auf die der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung u. a. das Rauchverbot für Gaststätten in umschlossenen Räumen gestützt hat, vgl. LT-Drs. 14/4834, S. 17, trifft auch dann zu, wenn der Gaststättenbetrieb nur auf einer Teilfläche eines umschlossenen Raumes betrieben wird.
Weitere Differenzierungen, etwa nach Maßgabe des von dem Raum umschlossenen Luftvolumens im Verhältnis zur Bodenfläche, dem Grad der Durchlüftung des Raumes oder dem Anteil der vom gesetzlichen Rauchverbot betroffenen Schank- und Speisewirtschaft an der Gesamtnutzung eines Raumes, hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Dazu war er auf Grundlage seiner Befugnis, typisierende Regelungen zu treffen, vgl. dazu allgemein etwa Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl., Art. 3 Rn. 30 f. auch nicht verpflichtet, zumal er zugrunde legen durfte, dass es für die Schadstoffe im Tabakrauch unter dem Blickwinkel einer Gesundheitsgefährdung keine Untergrenzen gibt. vgl. LT-Drs. 14/4834, S 15.
Ausnahmeregelungen für solche Fälle, in denen die Gaststättennutzung mit anderen Nutzungen zusammentrifft, für die kein gesetzliches Rauchverbot besteht, musste der Gesetzgeber ebenfalls nicht schaffen. Er durfte nämlich bei typisierender Betrachtungsweise davon ausgehen, dass in Gaststätten - gemessen an anderen Bereichen des öffentlichen Lebens - nicht nur wegen der Verweildauer, sondern auch wegen des Genusses anregender Getränke oder nach dem Verzehr von Speisen besonders gern und viel geraucht wird. Hiernach erscheint ein "isoliertes" Rauchverbot für Gaststätten (-bereiche) in Räumen, die in weiteren Teilbereichen für andere Zwecke genutzt werden und insoweit keinem gesetzlichen Rauchverbot unterfallen, hinreichend sachlich gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig. A. A. OLG Bamberg, a. a. O.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 NiSchG NRW. Soweit sich die dort geregelte Hinweispflicht auf den "Eingangsbereich" bezieht, folgt daraus nicht, dass die Rauchverbote im Nichtraucherschutzgesetz NRW einen durch die bauliche Gestaltung klar abgrenzbaren Eingangsbereich voraussetzen. Die Hinweispflicht ist vielmehr gesetzliche Folge des Rauchverbots.
So auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.4.2009 - 12 L 281/09 -.
Unabhängig davon dürfte die Vorschrift - über ihren Wortlaut hinaus - auch Gaststätten ohne herkömmlichen Eingangsbereich erfassen. Mit Blick auf den Zweck der Norm, jeden Gast auf das Rauchverbot hinzuweisen, dürfte ihr im Wege einer erweiternden Auslegung zu entnehmen sein, dass in Gaststätten, die keinen abgrenzbaren Eingangsbereich haben, das Warnzeichen "Rauchen verboten" in anderer Weise - erforderlichenfalls an mehreren Stellen - so anzubringen ist, dass jeder Gast das Warnzeichen ohne weiteres wahrnehmen kann.
Nach Maßgabe dieser Überlegungen greifen die Einwendungen des Antragstellers gegen die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung nicht durch. Der in Streit stehende Gaststättenbetrieb des Antragstellers liegt innerhalb des Einkaufszentrums und damit in einem vollständig umschlossenen Raum i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW. Dass derselbe Raum zugleich und überwiegend als Lauffläche des Einkaufszentrums genutzt wird und dort kein Rauchverbot besteht, ist unerheblich und rechtfertigt insbesondere nicht den Vorwurf, das Rauchverbot sei unverhältnismäßig. Dass Besucher des Einkaufszentrums außerhalb des Gaststättenbetriebs rauchend auf einer Bank verweilen dürfen, wie es der Antragsteller angeführt hat, ist als Folge einer zulässigerweise typisierenden Regelung hinzunehmen. Ebenso wenig kommt es nach den gesetzlichen Regelungen darauf an, dass die Gaststätte im Untergeschoss der "Rotunde" liegt, die eine lichte Höhe von 22,5 m aufweisen soll. Ergänzend sei zur Geltung des Rauchverbots darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 4 Abs. 2 NiSchG NRW nicht vorliegen und dieser Vorschrift auch im Übrigen nichts zu Gunsten des Antragstellers entnommen werden kann. Soweit zur Erfüllung der Hinweispflicht gemäß § 5 Abs. 1 NiSchG NRW - neben den unter Nr. 1 a) der Verfügung alternativ angeführten Varianten (Warnzeichen im Thekenbereich oder Hinweisschilder auf den Tischen) - noch andere Mittel in Betracht kommen sollten, ist dies gemäß § 21 Satz 1 OBG NRW unschädlich.
b) Die danach vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Suspensivinteresse des Antragstellers hinter die öffentlichen Interessen zurücktritt, die für die Vollziehung der Ordnungsverfügung streiten. Dabei geht der Senat zwar davon aus, dass durch das Rauchen in der Gaststätte des Antragstellers wegen des Raumvolumens lediglich weniger gravierende Beeinträchtigungen für Nichtraucher verbunden sein dürften. Er legt ferner zu Gunsten des Antragstellers zugrunde, dass das Rauchverbot die Fortführung des Betriebs in Frage stellt. Mit Rücksicht auf die mangelnde Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren und den hohen Stellenwert des Rechtsgutes Gesundheit hält der Senat die gegebenen Gefährdungen aber für ausreichend, um einen Vorrang des Vollzugsinteresses vor den wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers zu bejahen.
Ende der Entscheidung
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