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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: 4 B 606/08
Rechtsgebiete: GewO, GlüstV, SpielVO, StGB
Vorschriften:
GewO § 15 Abs. 2 Satz 1 | |
GewO § 33 d Abs. 1 Satz 1 | |
GewO § 33 h Nr. 3 | |
GewO § 60 d | |
GlüstV § 3 Abs. 1 Satz 1 | |
GlüstV § 5 Abs. 4 | |
SpielVO § 5 a | |
StGB § 284 Abs. 1 | |
StGB § 284 Abs. 4 |
Tatbestand:
Der Antragsteller veranstaltet Pokerturniere in Gaststätten. Die Teilnehmer zahlen 15 Euro Startgeld, das lediglich der Abdeckung der Veranstaltungskosten dient; Gewinne, zum Teil Sachgewinne von erheblichem Wert, werden ausschließlich von Sponsoren finanziert. Ein "Wiedereinkauf" in das Turnier (sog. Rebuy) ist ausgeschlossen. Der Antragsgegner untersagte diese Veranstaltungen in einer Gaststätte in seinem Zuständigkeitsbereich mit der Begründung, es handele sich um verbotenes Glücksspiel. Zugleich ordnete er die sofortige Vollziehung an. Den einstweiligen Rechtsschutzantrag des Antragstellers lehnte das VG ab. Auf die Beschwerde des Antragstellers änderte das OVG den Beschluss und gab dem vorläufigen Rechtsschutzantrag statt.
Gründe:
Das VG hat den einstweiligen Rechtsschutzantrag - wie der Antragsteller hinreichend dartut - zu Unrecht abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers liegen vor. Die im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus, weil seine Klage voraussichtlich Erfolg haben wird. Nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung erweisen sich die unter Nr. 1 der Ordnungsverfügung ausgesprochene Untersagungsanordnung und damit zugleich die unter Nr. 3 der Verfügung enthaltene Zwangsmittelandrohung als rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des VG ist nach dem Akteninhalt zu Grunde zu legen, dass der Antragsteller im Rahmen der von ihm geplanten Pokerturniere kein Glücksspiel i. S. v. §§ 284 Abs. 1 StGB, 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV in der seit dem 1.1.2008 gültigen Fassung veranstaltet.
Ein Spiel ist dann ein Glücksspiel i. S. v. § 284 Abs. 1 StGB, wenn die Entscheidung über Gewinn oder Verlust ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, es auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet ist und für den Erwerb der Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird.
Vgl. etwa Fischer, StGB, 55. Aufl., § 284 Rdn 4 f., Eser/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl., § 284 Rdn. 5 f., jeweils m. w. N.
Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gegebene Legaldefinition ist mit dem Glücksspielbegriff des § 284 Abs. 1 StGB deckungsgleich.
Vgl. etwa Fischer, a. a. O.
Anhaltspunkte dafür, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV ein anderer, namentlich weiterer Glücksspielbegriff zu Grunde liegt, ergeben sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Entstehungsgeschichte des Staatsvertrages.
Vgl. zu letzterem LT-Drucks. 14/4849, Anlage "Staatsvertrag", S. 33; LT-Drucks. 13/5365, S. 7.
Das nach beiden Vorschriften erforderliche Entgelt, das als Spieleinsatz für die Teilhabe an der Gewinnchance erbracht wird, kann auch in versteckter Form, wie z. B. durch Eintritts- oder Verzehrkarten, geleistet werden.
Vgl. etwa Eser/Heine, a. a. O., § 284 Rdn 6 m. w. N.
Voraussetzung ist jedoch, dass das gezahlte Entgelt nicht lediglich - wie etwa der für den Eintritt in eine Spielbank aufgewendete Betrag - die Teilnahme am Spiel ermöglicht und deswegen stets verloren ist, sondern über eine solche Art von "Eintrittsgeld" hinaus aus dem Spieleinsatz der Spielteilnehmer die Gewinnchance des Einzelnen erwächst.
Vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.1986 - 4 StR 148/ 86 -, BGHSt 34, 175; Eser/Heine, a. a. O., § 284 Rdn. 6.
Hiervon ausgehend erfüllen die vom Antragsteller geplanten Pokerveranstaltungen die Voraussetzungen des Glücksspielbegriffs nicht. Der Senat hat zwar keine durchgreifenden Zweifel daran, dass beim Pokerspiel auch in der hier in Rede stehenden Variante die Entscheidung über Gewinn oder Verlust überwiegend vom Zufall abhängt, wobei auf die Fähigkeiten eines "Durchschnittspielers" abzustellen ist.
Vgl. etwa Fischer, a. a. O., § 284 Rdn. 8, m. w. N.
Das Spiel ist auch auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet. Das vom Antragsteller vorgesehene Eintrittsgeld in Höhe von 15 Euro (ohne "Rebuy"-Möglichkeit) stellt sich indes nicht als Entgelt bzw. Spieleinsatz im vorgenannten Sinne dar. Da es lediglich der Deckung der Veranstaltungskosten, nicht aber der Finanzierung der von Sponsoren zur Verfügung gestellten Gewinne dient, erwächst aus ihm nicht - wie es nach den dargelegten Grundsätzen erforderlich wäre - die Gewinnchance des Einzelnen. Das vom Antragsteller geplante Eintrittsgeld ermöglicht lediglich die Teilnahme am Spiel und ist - anders als ein Spieleinsatz - stets verloren. An der Richtigkeit der in diesem Zusammenhang gemachten tatsächlichen Angaben des Antragstellers hat der Senat nach summarischer Prüfung keine Zweifel, zumal auch die Höhe des Betrages es plausibel erscheinen lässt, dass das Eintrittsgeld lediglich für die Veranstaltungskosten unter Ausschluss der Finanzierung der Gewinne verwendet wird.
Vgl. zum Vorstehenden insgesamt auch Fischhaber/Manz, Grenzen der Zulässigkeit von Pokerturnieren, GewArch 2007, 405 (407); Schönleiter/Stenger, Frühjahrssitzung 2007 des Bund-Länder-Ausschusses "Gewerberecht", GewArch 2007, 320 (322); Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.02.2007 - 14-38.07.01- 11.1 -.
Die streitige Verfügung rechtfertigt sich auch nicht im Hinblick auf § 284 Abs. 4 StGB (Werbung für öffentliches Glücksspiel) oder § 5 Abs. 4 GlüStV (Werbung für unerlaubtes Glücksspiel). Soweit im Rahmen der Veranstaltung des Antragstellers für illegale Glücksspielangebote geworben werden sollte, ist ein Verbot der gesamten Veranstaltung grundsätzlich unverhältnismäßig; die Untersagungsanordnung hat sich dann auf die entsprechenden Werbemaßnahmen zu beschränken. Entsprechendes gilt, falls bei der Veranstaltung des Antragstellers persönliche Daten der Spielteilnehmer erhoben und dann zwecks Durchführung von Werbemaßnahmen an Veranstalter illegaler Spielveranstaltungen weiter gereicht werden sollten.
Vgl. zu einem solchen Sachverhalt: VG Frankfurt, Beschluss vom 11.10.2007 - 7 G 311/07 -, juris.
Darin dürfte zwar Beihilfe zur Werbung für öffentliche Glücksspiele zu sehen sein (§§ 27, 284 Abs. 4 StGB). Auch hier kommt aber grundsätzlich nicht die Untersagung der gesamten Veranstaltung, sondern lediglich ein Verbot des strafbewehrten Verhaltens in Betracht.
Das Argument des Antragsgegners, jedenfalls das regelmäßige Veranstalten von Pokerturnieren durch den Antragsteller gefährde - ungeachtet der Frage, ob das Eintrittsgeld als Spieleinsatz zu bewerten sei - das Glücksspielmonopol der Spielbanken, greift schon deshalb nicht durch, weil dieses Monopol nicht betroffen sein kann, wenn sich das vom Antragsteller geplante Spiel mangels Spieleinsatzes nicht als Glücksspiel im Sinne der maßgeblichen Vorschriften darstellt.
Handelt es sich bei dem Pokerspiel unter den hier gegebenen Bedingungen nicht um ein Glücksspiel i. S. v. § 284 Abs. 1 StGB und liegen damit zugleich die Voraussetzungen des § 33 h Nr. 3 GewO nicht vor, könnte allerdings in Betracht zu ziehen sein, das Pokerspiel als anderes Spiel mit Gewinnmöglichkeit i. S. v. § 33 d Abs. 1 Satz 1 GewO zu qualifizieren.
Vgl. dazu auch Hahn, in: Friauf, Kommentar zur GewO, Stand: Februar 2008, § 33 d Rdn. 7 b, 11.
Ob hiervon ausgehend eine Untersagung der Pokerveranstaltungen auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO bzw. § 60 d GewO gestützt werden könnte - eine Erlaubnisfreiheit nach § 5 a Spielverordnung dürfte nicht gegeben sein, da alles dafür spricht, dass Poker kein Geschicklichkeitsspiel ist -, vgl. zu § 5 a Spielverordnung auch Schönleiter/Stenger, a. a. O., bedarf indes keiner weiteren Klärung. Denn die genannten Ermächtigungsgrundlagen räumen der Behörde Ermessen ein, das der Antragsgegner bisher nicht ausgeübt hat. Er hat seiner Verfügung vielmehr ausschließlich § 14 OBG und dabei unzutreffenderweise eine Strafbarkeit des vom Antragsteller geplanten Pokerspiels nach § 284 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt. Dass im Rahmen der angeführten gewerberechtlichen Vorschriften zu Lasten des Antragstellers eine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne gegeben ist, dass allein eine Untersagungsanordnung in der Weise rechtmäßig wäre, wie sie unter Nr. 1 der streitigen Verfügung ausgesprochen worden ist, vermag der Senat nach summarischer Prüfung nicht zu erkennen.
Ende der Entscheidung
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