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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 8 B 1476/08
Rechtsgebiete: BImSchG, 4. BImSchV
Vorschriften:
BImSchG § 20 | |
4. BImSchV § 1 Abs. 3 |
2. Halten zwar verschiedene Träger jeweils das Eigentum an einzelnen Teilanlagen stehen die Träger aber in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, dass letztlich eine Person, eine bestimmte Personenmehrheit oder aber die Gesamtheit den bestimmenden Einfluss auf den Betrieb der Gesamtanlage hat, so liegt nur ein Anlagenbetreiber vor.
Tatbestand:
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist Eigentümerin eines Blockheizkraftwerks mit einer Feuerungswärmeleistung von unter 1 Megawatt. Auf den Nachbarflurstücken befinden sich drei weitere Blockheizkraftwerke gleicher Bauart, die jeweils im Eigentum anderer Gesellschaften bürgerlichen Rechts stehen. Mit dem Betrieb der in einer gemeinsamen Halle untergebrachten Blockheizkraftwerke soll nach dem Willen der Eigentümerinnen der Blockheizkaftwerke und der Eigentümer einer nahe gelegenen Gärtnerei der Heizbedarf der Treibhäuser gedeckt werden. Bevor die erzeugte Abwärme über einen Sammelverteiler in die Treibhäuser geführt wird, gelangt sie zum Zwecke der Stromerzeugung von je einem Blockheizkraftwerk kommend in eine jeweils zugehörige ORC-Kraftanlage. Der erzeugte Strom wird gegen Entgelt in das öffentliche Netz eingespeist. Die Blockheizkraftwerke wurden nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG stillgelegt. Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der Stilllegungsverfügung an. Das VG lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage abgewiesen. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Das VG hat im Rahmen der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung maßgeblich darauf abgestellt, dass die in dem Bescheid des Antragsgegners enthaltene Stilllegungsverfügung und die damit verbundene Zwangsgeldandrohung rechtmäßig seien. Die dagegen vorgebrachten Rügen betreffen allein die Fragen, ob es sich bei den streitbefangenen Blockheizkraftwerken um eine gemeinsame Anlage handelt und wer als ihr Betreiber anzusehen ist. Diese Rügen bleiben ohne Erfolg. Ob die Stilllegungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung möglicherweise aus anderen Gründen rechtswidrig sind, kann mangels entsprechender Rügen der Antragstellerin offen bleiben.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG soll die zuständige Behörde anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Adressat der Verfügung nach § 20 Abs. 2 BImSchG ist der Anlagenbetreiber.
Vgl. z.B: Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, § 20 Rn. 8 und 34.
Die auf den Grundstücken Gemarkung W., Flur 43, Flurstücke 65, 66, 67 und 68, betriebenen Blockheizkraftwerke werden ohne die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung betrieben.
Einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen grundsätzlich alle Anlagen, die in der Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG - der 4. BImSchV - aufgeführt sind. Nach Nr. 1.4 Spalte 2 Buchst. b Unterpunkt bb des Anhangs der 4. BImSchV sind Verbrennungsmotoranlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warmwasser, Prozesswärme oder erhitztem Abgas für den Einsatz von Heizöl EL, Dieselkraftstoff, Methanol, Ethanol, naturbelassenem Pflanzenölen oder Pflanzenölmethylestern, naturbelassenem Erdgas, Flüssiggas, Gasen der öffentliche Gasversorgung oder Wasserstoff mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 Megawatt bis weniger als 20 Megawatt genehmigungsbedürftig. Hängt die Genehmigungsbedürftigkeit - wie hier - von der Leistung der Anlage ab, ist auf den rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfang, nicht auf den tatsächlich genutzten Umfang abzustellen.
Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 11.9.2003 - 22 CS 03.2095 -, NVwZ-RR 2004, 94; Jarass, a. a. O., § 4 Rn.18.
Nach der Regelung des § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der 4. BImSchV liegen die im Anhang bestimmten Voraussetzungen auch dann vor, wenn mehrere Anlagen derselben Art in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen (gemeinsame Anlage) und zusammen die maßgebenden Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen erreichen. Ein enger räumlicher und betrieblicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Anlagen auf demselben Betriebsgelände liegen, mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden sind und einem vergleichbaren technischen Zweck dienen. Die Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass eine ausschließlich an der Einzelanlage orientierte Zuordnung dem Zweck des Genehmigungserfordernisses nicht gerecht würde, weil das Umweltgefährdungspotential sich bei gemeinsamen Anlagen nicht aus der jeweiligen Einzelanlage, sondern aus der Gesamtheit ergibt.
Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 1 der 4. BImSchV Rn. 21; Böhm, in: GK-BImSchG, § 4 Rn. 61.
Das VG hat die jeweils mit zwei - mit Pflanzenöl betriebenen - Verbrennungsmotoren ausgestatteten Teilanlagen zu Recht als eine - nach Nr. 1.4 Spalte 2 Buchst. b Unterpunkt bb der 4. BImSchV genehmigungsbedürftige - Anlage angesehen. In der Summe übersteigt die Feuerungswärmeleistung der Teilanlagen die Leistungsgrenze von 1 Megawatt.
Die baugleichen Teilanlagen weisen nach den vorgelegten Unterlagen eine Feuerungswärmeleistung von jeweils jedenfalls nicht mehr als 1 Megawatt auf. Nach § 1 der Einspeiseverträge zwischen den Eigentümerinnen der Einzelanlagen und der Niederrheinwerke Netz GmbH, W., soll es sich jeweils um zwei Biomasseaggregate des Typs TAB-KWK-250-S-P mit einer elektrischen Summenleistung von 500 kW handeln. Die vom Hersteller übersandten technischen Daten betreffen zwar Aggregate des Typs TAB-KWK-270 bzw. 200-S-P mit einer Feuerungswärmeleistung von 645 kW bzw. 477 kW. Die elektrische Leistung ist nach den Angaben des Herstellers mit Hilfe einer vom Betreiber der Anlage nicht beeinflussbaren Motorsteuerung allerdings auf maximal 200 kW je Aggregat begrenzt.
Die Teilanlagen stehen in dem erforderlichen engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang. Insbesondere werden die Teilanlagen von nur einem Betreiber auf demselben Betriebsgelände betrieben, obwohl sie jeweils im Eigentum verschiedener Gesellschaften bürgerlichen Rechts stehen.
Vor dem Hintergrund der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 4 der 4. BImSchV kann eine Anlage grundsätzlich nur einen Anlagenbetreiber haben. Deshalb ist dasselbe Betriebsgelände i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der 4. BImSchV und damit eine gemeinsame Anlage regelmäßig dann nicht mehr gegeben, wenn die einzelnen Teilanlagen von verschiedenen natürlichen oder juristischen Personen betrieben werden.
Vgl. Jarass, a. a. O., § 4 Rn. 18 a und 21 a; Hansmann, a. a. O., § 1 der 4. BImSchV Rn. 25; Böhm, a. a. O., § 4 Rn. 63.
Betreiber einer Anlage ist der, der die Anlage in seinem Namen, auf seine Rechnung und in eigener Verantwortung führt, d. h. derjenige, der unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter rechtlicher, wirtschaftlicher und tatsächlicher Gegebenheiten bestimmenden Einfluss auf die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage ausübt. Regelmäßig richtet sich die Möglichkeit des bestimmenden Einflusses nach den privatrechtlichen Verhältnissen an der Anlage, also danach, wer nach den zu Grunde liegenden Verhältnissen weisungsfrei und selbständig entscheiden kann. Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse orientiert sich daran, wer berechtigt ist, aus der Anlage wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen und wer das wirtschaftliche Risiko trägt. Betreiber ist danach bei rechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtungsweise derjenige, dem die Entscheidung über die für die Erfüllung umweltrechtlicher Pflichten relevanten Umstände obliegt.
Betreiber in diesem Sinne kann auch eine Personenmehrheit sein. Nur ein Anlagenbetreiber liegt daher dann vor, wenn zwar verschiedene Träger der einzelnen Anlagen geschaffen worden sind, diese aber in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, dass letztlich eine Person, eine bestimmte Personenmehrheit oder aber die Gesamtheit den bestimmenden Einfluss auf den Betrieb der Gesamtanlage hat.
Vgl. Jarass, a. a. O., § 3 Rn. 81, 83 und 84 sowie § 4 Rn. 18 a und 21 a; Böhm, a. a. O., § 4 Rn. 61 ff.; Hansmann, a. a. O., § 1 der 4. BImSchV Rn. 26; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, § 5 BImSchG Rn. 28 und 30; Friedrich, NVwZ 2002, 1174 ff.
Gemessen hieran ist auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der bislang erkennbaren rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse jedenfalls von der Betreibereigenschaft der aus den Eigentümerinnen der Teilanlagen bestehenden Personenmehrheit auszugehen. Sie sind daher auch zu Recht als Adressaten der Stilllegungsverfügung in Anspruch genommen worden.
Auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes kann weder der Einschätzung des VG, die Eigentümer der Gärtnerei V. seien Betreiber der Gesamtanlage, noch der Einschätzung des Antragsgegners, dies sei Frau N. V., gefolgt werden, die im Übrigen beide die Inanspruchnahme der Antragstellerin nicht tragen würden.
Es spricht vielmehr nach der im Eilverfahren allein möglichen vorläufigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage gegenwärtig Überwiegendes dafür, dass die Eigentümerinnen der Teilanlagen Betreiber der Gesamtanlage sind. Diese Einschätzung gründet in dem Umstand, dass zwischen den Gesellschaften über das bloß räumliche Nebeneinander hinaus nach dem Inhalt des Schreibens der Gesellschafterin Frau N. V. vom 16.4.2008 wirtschaftliche und tatsächliche Abhängigkeiten bestehen, die den Schluss rechtfertigen, dass auch der Betrieb der Anlagen durch gemeinsame Entscheidungen bestimmt wird. Den Ausführungen lässt sich entnehmen, dass der Entschluss, die Heizungsanlage der Gärtnerei V. mit dem Bau der Blockheizkraftwerke auf alternative Brennstoffe umzustellen, jedenfalls auch von den späteren Gesellschaftern gemeinschaftlich gefasst wurde. Die Investition diente auch einem gemeinsamen, isolierte Gewinnerzielungsabsichten der Eigentümergesellschaften übersteigenden Zweck, nämlich dem Erhalt des Betriebs der Gärtnerei V. durch eine Verringerung der Heizkosten für deren Treibhäuser. Die Umsetzung dieses Vorhabens beruht ferner auf einem einheitlichen, die Gesamtanlage umfassenden Finanzierungskonzept. In das Finanzierungskonzept musste notwendig auch die Vergütung für den produzierten und dann eingespeisten Strom einbezogen werden, da nur auf dieser finanziellen Grundlage die Investition insgesamt ermöglicht werden konnte. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, der Verkauf der elektrischen Energie stehe in keinerlei Zusammenhang mit der Gärtnerei V., ist daher nicht plausibel. Schließlich diente auch die konkrete privatrechtliche Ausgestaltung - insbesondere die Teilung des ursprünglichen Grundstücks, der Verkauf der neuen Grundstücke, die Gründung der Gesellschaften des bürgerlichen Rechts - ausschließlich der - auch finanziellen - Förderung des gemeinschaftlich verfolgten Zwecks. Auch in technischer Hinsicht haben sich die Gesellschaften der Möglichkeit, den Betrieb ihrer jeweils eigenen Teilanlage nach eigenem Belieben zu steuern, begeben. Der Betrieb der Anlagen wird automatisch dem jeweiligen Heizbedarf der Treibhäuser angepasst.
Ob es sich bei den an der Entscheidungsfindung und -umsetzung beteiligten Eigentümern der Gärtnerei - dem Ehepaar I. und N. V. - um weitere Mitbetreiber der Gesamtanlage handelt, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Frau N. V., die nicht nur in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin aller betroffenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts, sondern daneben auch persönlich Adressatin der Verfügung vom 30.4.2008 ist, hat ein Rechtsmittel nicht eingelegt; Herr I. V. war nicht Adressat der Verfügung.
Die Antragstellerin vermag auch mit ihrem weiteren Beschwerdevorbringen, es handele sich bei dem Tank nicht um eine gemeinsame Betriebseinrichtung, nicht durchzudringen. Zum einen stellt dieses Vorbringen die Annahme des VG, der Sammelverteiler sei eine gemeinsame Betriebseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der 4. BImSchV, nicht in Frage. Zum anderen lässt sich die Darstellung in der Beschwerdeschrift, die vier Tanks seien nicht durch Rohre miteinander verbunden, auch nicht mit dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Leitungsplan für die Tankanlage in Einklang bringen. Überdies dürften auch die Halle, in der die einzelnen Module der Blockheizkraftwerke untergebracht sind, sowie der Öltransformator und der Kühlturm für die vier ORC gemeinsame Betriebseinrichtungen sein.
Ende der Entscheidung
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