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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.11.2003
Aktenzeichen: 9 A 85/02
Rechtsgebiete: LAbfG, KAG NRW
Vorschriften:
LAbfG § 9 Abs. 2 S. 5 | |
LAbfG § 9 Abs. 2 S. 6 | |
KAG NRW § 6 Abs. 3 S. 2 | |
KAG NRW § 6 Abs. 3 S. 3 |
2. Eine derartige Regelung über eine fiktive Mindestleerungszahl stellt weder einen zulässigen pauschalierenden Mindestmaßstab der Inanspruchnahme noch eine zulässige Mindestgebühr im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 6 LAbfG i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 3 KAG NRW dar.
Tatbestand:
Der Beklagte, der die Abfuhrhäufigkeit der Restmüllgefäße elektronisch erfasst und hiernach die Leistungsgebühr für die Restmüllbeseitigung bemisst, zog den Kläger zu Abfallgebühren heran. Dabei legte er auf der Grundlage entsprechender Satzungsbestimmungen für die Leistungsgebühr, die neben einer Grundgebühr erhoben wurde, acht, tatsächlich nicht stattgefundene, Leerungen des Restmüllgefäßes des Klägers zugrunde. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem erfolglos gebliebenen Widerspruch und der nachfolgenden Klage. Das VG gab der Klage statt. Der vom Beklagten gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen (mangelnde Darlegung) bestehen aber auch deshalb keine ernsthaften Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils, weil sich die streitige Anordnung (§ 4 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 5 GebS) der Zugrundelegung von mindestens 8 Leerungen bei der Gebührenbemessung aus sonstigen, vom VG nicht entscheidungstragend herangezogenen Gründen als unwirksam erweist. Wie bereits das VG zutreffend erkannt hat, kann diese Anordnung auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Senats - vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.5.1996 - 9 A 5654/94 -, NVwZ-RR 1997, 314 - entweder nur als ein pauschalierender Mindestmaßstab der Inanspruchnahme oder als sog. Mindestgebühr verstanden werden. Welche der beiden Alternativen anzunehmen ist, kann letztlich offen bleiben, denn die Anordnung verstößt in beiden Fällen gegen höherrangige gesetzliche Vorschriften und ist daher unwirksam.
Als pauschalierender Mindestmaßstab der Inanspruchnahme verstößt sie gegen § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW. Danach darf ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, hier der pauschalierende Mindestmaßstab von 8 Leerungen, nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Inanspruchnahme der Einrichtung oder Anlage stehen. Damit wird verlangt, dass der von der Maßstabsregelung vorausgesetzte Zusammenhang zwischen der Gebührenbemessung und Art und Umfang der Inanspruchnahme denkbar und nicht offensichtlich unmöglich ist.
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18.3.1996 - 9 A 384/93 -, NVwZ-RR 1997, 652, sowie vom 2.2.2000 - 9 A 3915/98 -, NVwZ-RR 2001, 122.
Den genannten Voraussetzungen genügt die Anordnung der Zugrundelegung von mindestens 8 Leerungen nicht. Sie bedeutet die Wahrscheinlichkeitsannahme, die Restmüllabfuhr werde je Gefäß mindestens achtmal in Anspruch genommen. In den Fällen, in denen sie zur Anwendung gelangt, ist ein solcher Wahrscheinlichkeitszusammenhang aber gerade ganz offensichtlich nicht gegeben. Denn die Zugrundelegung der Mindestleerungszahl greift immer dann ein, wenn nach dem elektronischen Erfassungssystem des Beklagten für das jeweilige Restmüllgefäß in einem Jahr tatsächlich weniger als 8 Leerungen stattgefunden haben. Die nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW für die Maßstabsregelung geltenden Anforderungen werden auch nicht durch die Zielvorgaben zur Gebührenbemessung in § 9 Abs. 2 LAbfG - etwa die in Satz 5 dieser Vorschrift als berücksichtigungsfähig genannten öffentlichen Belange im Interesse einer geordneten Abfallentsorgung - verdrängt bzw. obsolet. Mit diesen Zielvorgaben ist keine, speziell die Abfallgebühren erfassende Änderung oder gar Aufhebung der allgemein für die Benutzungsgebühren vorgeschriebenen Maßstabsanforderungen erfolgt; die Zielvorgaben können mithin nur in dem von § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW gezogenen Rahmen verwirklicht werden.
Ebenso als unwirksam erweist sich die Anordnung der Zugrundelegung von mindestens 8 Leerungen, sofern sie als Mindestgebühr verstanden wird. Für diesen Fall verstößt sie wegen des Umstandes, dass zugleich nach § 3 Abs. 1 GebS eine Grundgebühr erhoben wird, gegen § 9 Abs. 2 Satz 6 LAbfG i. V. m. § 6 Abs. 3 Satz 3 KAG NRW. Danach ist die gleichzeitige Erhebung einer Grund- und einer Mindestgebühr nicht zulässig. Für § 6 Abs. 3 Satz 3 KAG NRW ist in der - bereits vom VG angesprochenen - Rechtsprechung des Senats geklärt, dass nur entweder eine Grund- oder eine Mindestgebühr erhoben werden darf, beide Gebührenarten also in einem Alternativverhältnis zueinander stehen. Dies ist neben dem Wortlaut der Vorschrift im Wesentlichen aus der Gesetzesbegründung sowie aus dem Umstand hergeleitet worden, dass beide Gebührenarten dazu dienen, die invariablen Kosten der in Anspruch genommenen Vorhalteleistungen zu decken und sie sich nur insofern unterscheiden, als mit der Grundgebühr ausschließlich fixe Vorhaltekosten umgelegt werden können, insoweit ein tatsächlicher Ge- oder Verbrauch aber nicht erforderlich ist, während die Mindestgebühr nicht auf die Deckung der invariablen Vorhaltekosten beschränkt ist, dafür aber eine tatsächliche Inanspruchnahme - wenn auch in geringem Umfang - voraussetzt.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.5.1996, a.a.O.
Dass mit § 9 Abs. 2 Satz 6 LAbfG eine davon abweichende Regelung eingeführt werden sollte, ist nicht ersichtlich. Die durch das Änderungsgesetz vom 24.11.1998 (GV.NRW. S. 666) eingeführte Vorschrift soll nach der Gesetzesbegründung lediglich eine klarstellende Funktion in dem Sinne erfüllen, dass (auch) im Bereich der Abfallgebühren den kommunalen Entsorgungsträgern die Möglichkeit eröffnet ist, die fixen Vorhaltekosten gleichmäßig auf einen breiten Nutzerkreis, insbesondere auch gewerbliche Abfallerzeuger/-besitzer mit einer geringen Überlassungsquote, zu verteilen.
Vgl. LT-Drucks. 12/3143, S. 71
Angesichts dessen ist § 9 Abs. 2 Satz 6 LAbfG dahin zu verstehen, dass hiermit - nach Aufgabe früherer gegenläufiger Bestrebungen, die Erhebung einer Grundgebühr gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 KAG NRW für den Bereich der Abfallentsorgung auszuschließen (vgl. so noch Gesetzesentwurf der Landesregierung vom 8.2.1991, LT-Drucks. 11/1121, S. 17 und 40) - ganz im Gegenteil bestimmt worden ist, dass die in § 6 Abs. 3 Satz 3 KAG NRW als zulässig erklärte Erhebung von speziellen Gebührenarten zur Deckung der invariablen Vorhaltekosten in gleicher Weise für den Bereich der Abfallgebühren einschlägig sein soll. Bei dieser identischen Zweckrichtung des § 9 Abs. 2 Satz 6 LAbfG gilt dafür notwendigerweise ebenso die vom Senat für § 6 Abs. 3 Satz 3 KAG NRW gezogene Schlussfolgerung, dass es zur beabsichtigten Deckung der Vorhaltekosten eines Nebeneinanders von Grund- und Mindestgebühr nicht bedarf, weil beide Gebührenarten - wie gezeigt - diese Funktion erfüllen.
Im Übrigen könnte die Zugrundelegung von 8 Mindestleerungen selbst dann nicht als zulässige Mindestgebühr bewertet werden, wenn unter Außerachtlassung der vorstehenden Erwägungen angenommen würde, nach § 9 Abs. 2 Satz 6 LAbfG sei die gleichzeitige Erhebung von Grund- und Mindestgebühr(en) möglich. Wie erwähnt, zielt die Mindestgebühr - wenngleich nicht allein darauf beschränkt - auch auf die Deckung der invariablen Vorhaltekosten. Eine Mindestgebühr liegt mithin nach den sie kennzeichnenden Merkmalen nicht vor, wenn mit ihr überhaupt keine invariablen Kosten umgelegt werden. Eben dies ist aber nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts mit Blick auf die 8 Mindestabfuhren der Fall. Denn mit den gesamten Abfuhrgebühren werden nach den im Zulassungsantrag bestätigten Ausführungen des VG ausschließlich variable Kosten umgelegt.
Ende der Entscheidung
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