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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 09.02.2009
Aktenzeichen: 3 B 379/08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 130
Hat ein Antragsteller in seiner Antragschrift nicht nur im Rubrum, sondern auch in seiner Antragsbegründung einen bestimmten Antragsgegner bezeichnet, und beharrt er im Verlauf des weiteren Verfahrens eindeutig auf der Auswahl des von ihm benannten Prozessgegners, hat das Gericht dies mit Blick auf die Dispositionsbefugnis des Prozessführenden hinzunehmen, selbst wenn für es erkennbar ist oder sich ihm sogar aufdrängt, dass der von dem Antragsteller bestimmte Gegner für den geltend gemachten Anspruch nicht passivlegitimiert ist.

Eine dennoch vom Gericht vorgenommene Partieauswechslung hat zur Folge, dass im Verhältnis zu dem vom Antragsteller im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis bestimmten Antragsgegner noch keine Entscheidung ergangen ist. Insoweit ist der zweiten Instanz eine eigene Sachentscheidung verwehrt und hat unter der weiteren Voraussetzung des § 130 VwGO (Antrag eines Beteiligten) eine Zurückverweisung an die Vorinstanz zu erfolgen.


Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7. Oktober 2008 - 11 L 899/08 - wird aufgehoben.

Die Streitsache wird an das Verwaltungsgericht des Saarlandes zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Gründe:

Die - mit einem Zurückverweisungsantrag entsprechend § 130 a VwGO verbundene - zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller sein vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7.10.2008 zurückgewiesenes Aussetzungsbegehren weiter verfolgt,

"die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 13.9.2008 gegen das Schreiben des Antragsgegners vom 28.8.2008 wiederherzustellen (§ 80 VwGO)"

hat nach Maßgabe des Beschlusstenors Erfolg.

Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht. Entsprechend dem eindeutigen Antragsbegehren des Antragstellers richtete sich sein Eilrechtschutzbegehren von Anfang an gegen das Studentenwerk e.V., vertreten durch seinen Vorsitzenden Dr. K B, Universitäts-Campus (Gebäude D4-1 [Mensa], 66123 Saarbrücken), als Antragsgegner und nicht - wie erstinstanzlich im Wege einer Auslegung angenommen - gegen die Universität des Saarlandes, vertreten durch die Vizepräsidentin für Verwaltung und Wirtschaftsführung - Amt für Ausbildungsförderung -, Im Stadtwald, 66123 Saarbrücken.

Der Kläger hatte das Studentenwerk e.V. in seiner Antragsschrift vom 13.9.2008 als Antragsgegner bezeichnet, sich in seiner Begründung auf dieses bezogen und ausgeführt, dass das Studentenwerk nicht Amt für Ausbildungsförderung sein könne oder zumindest hierzu nicht ordnungsgemäß ermächtigt sei. Auf die bei Gericht eingegangene Antragserwiderung durch die Universität des Saarlandes - Amt für Ausbildungsförderung - vom 23.9.2008 hin hat er sich in seinem Schreiben vom 2.10.2008, Seite 2, sodann ausdrücklich dagegen verwahrt, dass nun auf einmal hier "Die Vizepräsidentin für Verwaltung und Wirtschaftsführung" mit dem Zusatz "Amt für Ausbildungsförderung" im "Gebäude 5" auftauche. Auf Seite 1 der fristgemäßen Beschwerdebegründung vom 2.11.2008 seiner gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde, in dem ohne weiteren Hinweis an den Antragsteller im Rubrum die Universität des Saarlandes - Amt für Ausbildungsförderung - als Antragsgegnerin bezeichnet wurde, hat er nochmals erklärt, dass er seinen erstinstanzlichen Antrag ausdrücklich gegen das Studentenwerk des Saarlandes und nicht - wie fälschlich im Rubrum des angefochtenen Beschlusses angeführt - gegen die Universität des Saarlandes gerichtet und dies im Schreiben vom 2.10.2008 bekräftigt habe. Eine eigenmächtige Parteiauswechslung gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Antragstellers sei aber dem Verwaltungsgericht verwehrt gewesen. Auf gerichtliche Nachfrage vom 8.12.2008 hat er im am 22.12.2008 eingegangenen Schriftsatz vom 19.12.2008 erklärt, die Universität sei nicht Antragsgegnerin beziehungsweise Beschwerdegegnerin dieses Verfahrens. Über den gegen das Studentenwerk gerichteten Antrag des Antragstellers sei mithin vom Verwaltungsgericht nicht entschieden worden, sondern über einen Antrag, der so überhaupt nicht gestellt worden sei. Auf erneute Anfrage des Senats hat er mit am 5.2.2009 bei Gericht eingegangenem Schreiben klargestellt, dass seine Ausführungen (auch) als Antrag auf Zurückweisung der Streitsache entsprechend § 130 VwGO zu verstehen seien.

Dessen Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Auf einen Zurückverweisungsantrag, der in zweiter Instanz nicht isoliert, sondern - wie hier geschehen - nur in Verbindung mit dem zulässigen Rechtsbehelf gestellt werden kann, hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 13.3.1996 - 6 B 16.96 - Buchholz 310 § 130 Nr. 15; Bader u.a. VwGO, 4. Aufl. Rdnr. 3 darf das Oberverwaltungsgericht entsprechend § 130 VwGO zur sinngemäßen Anwendbarkeit in Verfahren nach § 146 i.V.m. § 80 VwGO, Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 130 Rdnr. 3 die Sache nach seinem - zu begründenden - Ermessen unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und des Verfahrens an die Vorinstanz zurückverweisen, soweit das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (Abs. 2 Nr. 1 der Bestimmung) oder wenn das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat (Abs. 2 Nr. 2 der Bestimmung).

Letzteres ist anzunehmen. Das Verwaltungsgericht hat die Universität des Saarlandes - Amt für Ausbildungsförderung - als Beteiligten i.S.d. § 61 VwGO und der Sache nach Passivlegitimierten aufgeführt und damit eine Entscheidung zwischen dem Antragsteller und einem Antragsgegner getroffen, gegen den das Antragsbegehren des Antragstellers - wie eingangs dargestellt - nach seinem im erstinstanzlichen Verfahren nicht nur durch die Bezeichnung des Antragsgegners in seiner Antragsschrift, sondern auch in seinem Schriftsatz vom 2.10.2008 (siehe dort Seite 2) explizit geäußerten Willen nicht gerichtet war.

Nach der Rechtsprechung ist eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung zwar grundsätzlich der Auslegung zugänglich, wobei im Rahmen objektiver Deutung nicht nur die im Rubrum der Klage- oder Antragsschrift enthaltenen Angaben, sondern der gesamte Inhalt der Antrags- oder Klageschrift einschließlich aller Anlagen zu berücksichtigen sind hierzu etwa BVerwG, Beschlüsse vom 22.3.2001 - 8 B 262/00 - und vom 21.6.2000 - 7 B 20.00 -; BGH, Urteil vom 27.11.2007 - X ZR 144/06 -; jeweils zitiert nach Juris.

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu unterscheiden zwischen der nach dem (objektiv) geäußerten Willen getroffenen Auswahl eines falschen, nämlich (tatsächlich aus Rechtsgründen) nicht passivlegitimierten Beklagten beziehungsweise Antragsgegners und der (lediglich) irrtümlichen Benennung einer falschen Partei. Nur letzteres ist einer Auslegung und Berichtigung zugänglich. Die willentliche Auswahl eines bestimmten Prozessgegners hingegen unterliegt der Dispositionsmaxime des Prozessführenden. Das Gericht muss diese Auswahl hinnehmen, selbst wenn für es erkennbar ist oder sich ihm sogar aufdrängt, dass der von dem Kläger/Antragsteller bestimmte Prozessgegner für den geltend gemachten Anspruch nicht passivlegitimiert ist. Das gilt insbesondere dann, wenn der Kläger/Antragsteller auf seiner Auswahl beharrt und zu erkennen gibt, dass er die vom Gericht vorgenommene "Umstellung" seines Begehrens nicht akzeptiert.

Vorliegend hat der Antragsteller - wie bereits angesprochen - im erstinstanzlichen Verfahren in seiner Antragsschrift das Studentenwerk im Saarland e.V. als Antragsgegner bezeichnet und dessen Handlungsbefugnis bestritten. Gerade die Antragsbegründung lässt erkennen, dass der Antragsteller nicht bloß irrtümlich den Antragsgegner falsch bezeichnet hat, sondern Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Anordnung gerade aus dem Umstand herleitet, dass er das Studentenwerk e.V. nicht für befugt hält, eine derartige Regelung zu treffen. Insoweit wurde durch die erstinstanzlich erfolgte "Umstellung" des Begehrens auf die Universität des Saarlandes dieser Argumentation des Antragstellers gleichsam die Grundlage entzogen, was ebenfalls zeigt, dass es hier nicht um eine bloße irrtümlich unzutreffende Parteibezeichnung geht.

Der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen "Auswechslung" des Antragsgegners, von der er - zumindest mittelbar - durch die Antragserwiderung der Universität Kenntnis erlangt hatte, ist der Antragsteller sodann im Schriftsatz vom 2.10.2008 ausdrücklich entgegengetreten. Von daher war eindeutig erkennbar, dass der Antragsteller auf dem Studentenwerk als Antragsgegner beharrte. In dieser Konstellation war das Verwaltungsgericht nicht befugt, über den gestellten Antrag im Verhältnis zur Universität zu entscheiden. Dass es dieses gleichwohl getan hat, hat zur Folge, dass im Verhältnis zu dem vom Antragsteller im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis bestimmten Antragsgegner Studentenwerk e.V. noch keine Entscheidung ergangen ist. Da der Antragsteller die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts mithin zu Recht beanstandet hat und der nach dem auch unter Berücksichtigung des § 88 VwGO maßgeblichen (objektiv) geäußerten Willen des Antragstellers bezeichnete Antragsgegner am vorliegenden Verfahren (noch) nicht beteiligt ist, ist dem Senat eine eigene diesbezügliche Sachentscheidung verwehrt. Es entspricht daher pflichtgemäßem Ermessen beziehungsweise verbleibt nur die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens und die Zurückverweisung an die Vorinstanz entsprechend § 130 VwGO, die nach entsprechender Rubrumsberichtigung erneut - auch über die Kosten - zu entscheiden hat vgl. hierzu OLG Frankfurt vom 10.9.2008 - 9 U 3/08 -.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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