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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Urteil verkündet am 24.07.2007
Aktenzeichen: 7 B 313/07
Rechtsgebiete: BDG
Vorschriften:
BDG § 38 Abs. 1 | |
BDG § 38 Abs. 2 |
2. Eine Vielzahl, für sich gesehen geringerer Pflichtverletzungen im Kernbereich der Dienstaufgaben, die sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstrecken, kann bei einschlägiger disziplinarer Vorbelastung das Vertrauen des Dienstherrn (oder der Allgemeinheit) endgültig zerstört haben.
Tenor:
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 18. April 2007 - 4 L 202/07 - wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe:
Die vom Senat mit Beschluss vom 14.6.2007 - 7 B 216/07 - zugelassene Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der gemäß § 63 Abs. 1 BDG zulässige Antrag auf Aussetzung der mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.1.2007 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers und Einbehaltung von 15 Prozent seiner Dienstbezüge nicht begründet.
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Prämisse des Verwaltungsgerichts, dass eine vorläufige Dienstenthebung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG die Prognose erfordert, dass in Disziplinarverfahren voraussichtlich, das heißt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, die disziplinare Höchstmaßnahme - Entfernung aus dem Dienst - zu erwarten ist vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2002 - 1 DB 10/02 -, Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 33 = ZBR 2003, 94 = IÖD 2003, 32; BayVGH, Beschluss vom 15.3.2007 - 16a Ds 06.3292 -, IÖD 2007, 149.
Nicht gefolgt werden kann indes der die Aussetzungsentscheidung im Kern tragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es für eine vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 BDG und die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge (§ 38 Abs. 2 BDG) "nach wie vor einer rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn genügenden Verdachtsgrundlage bedarf, die sich bei oder nach Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens aus einem Geständnis des Beamten, aus im Rahmen des Disziplinarverfahrens ordnungsgemäß erhobenen Beweisen oder aus in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren gewonnenen Erkenntnissen ergeben kann". Diese Prämisse begegnet auf der Grundlage des § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BDG jedenfalls insoweit erheblichen Bedenken, als unter Hinweis auf das frühere Recht auf das Erfordernis "ordnungsgemäß erhobener Beweise" abgestellt wird. Die auch nach § 38 Abs. 1 und Abs. 2 BDG erforderliche Prognosebeurteilung - im angegriffenen Beschluss mit dem der Sache nach gleichgesetzten Tatbestand einer "genügenden Verdachtsgrundlage" umschrieben - muss zweifelsohne auch in Ansehung der gesetzgeberischen Neuregelung des Bundesdisziplinarrechts durch das Bundesdisziplinargesetz allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, ohne dass es zur Begründung eines Hinweises auf das früher geltende Recht bedarf. Die vom Verwaltungsgericht für eine rechtsstaatliche Vorgehensweise maßgeblich angeführten Regelungen der §§ 21, 24 BDG entsprechen im Kern den für die Sachverhaltsermittlung im allgemeinen behördlichen Verwaltungsverfahren geltenden Vorschriften, nämlich insbesondere den §§ 24, 26 VwVfG. Diese im Übrigen durch § 3 BDG ergänzend in Bezug genommenen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern - Stand: Januar 2007 -, werden sie (gemeint ist wohl: "formal") durch die vorrangigen §§ 20 ff. BDG verdrängt (vgl. Rn. 7 zu § 3 BDG), genügen bei behördlicher Verwaltungstätigkeit (vgl. § 1 VwVfG), was - soweit für den Senat ersichtlich - in der Vergangenheit niemals ernsthaft in Frage gestellt worden ist, durchaus rechtsstaatlichen Grundsätzen. In diesem Zusammenhang berücksichtigt das Verwaltungsgericht unzureichend, dass das Bundesdisziplinargesetz das bisher (nicht förmliche) Vorermittlungsverfahren (§§ 26 bis 28 BDO) sowie das förmliche Untersuchungsverfahren (§§ 33 bis 36 BDO) durch ein einheitliches Verwaltungsverfahren (§§ 17 bis 37 BDG) abgelöst hat, "das freilich wie bisher der umfassenden Ermittlung des Sachverhalts dient (§ 21 BDG)" so zutreffend u.a. Urban, NVwZ 2001, 1335 (1337).
Davon ausgehend kann die Prognose einer "voraussichtlichen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis" gemäß § 38 Abs. 1 und Abs. 2 BDG durchaus auf dokumentierte und durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse gestützt werden vgl. dazu Gansen, a.a.O., § 38 BDG Rn. 4, wo folgendes ausgeführt wird: "Die vorläufige Dienstenthebung verlangt damit eine realistische Prognose über den mutmaßlichen Ausgang des Disziplinarverfahrens bzw. des entsprechenden beamtenrechtlichen Verfahrens. Diese Prognose erfordert keine spezifischen Verfahrenshandlungen, vor allem keine gesonderten Beweiserhebungen. Sie ist vielmehr in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zutage getretenen Tatsachen zu treffen. Auf ihrer Grundlage muss die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde bewerten, ob die Tatsachengrundlagen ausreichend sind, um den voraussichtlichen Ausgang des Disziplinarverfahrens abschätzen zu können und ob auf der Basis dieser Tatsachengrundlagen die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Beamte voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden wird".
Soweit das Verwaltungsgericht für die Prognose hinsichtlich des Verdachts eines Dienstvergehens im Wesentlichen auf die "Systematik des früheren Rechts", das heißt der Bundesdisziplinarordnung, abstellt, verkennt es, dass die nach der bisherigen Regelung gegebene Institution eines quasi richterlich tätigen Untersuchungsführers, das heißt einer Untersuchung schlechthin (§ 56 BDO), abgeschafft wurde mit der weiteren Folge, dass es nunmehr Sache des Disziplinargerichts ist, von Amts wegen den Sachverhalt festzustellen, das heißt gegebenenfalls insbesondere über streitige Tatsachen unmittelbar Beweis zu erheben so zutreffend u.a. Weiß, ZBR 2002, 17 (19); ähnlich Lemhöfer, RiA 2002, 53 f..
Mit der Neuordnung des Disziplinarrechts wollte der Gesetzgeber das Verwaltungsverfahren vereinheitlichen. Das hat zur Folge, dass nach dem nunmehr geltenden Recht die Ermittlungsergebnisse des behördlichen Verfahrens eine unmittelbare Beweisaufnahme des Gerichts nicht mehr ersetzen können überzeugend Urban, NVwZ 2001, 1335 (1337).
Für die hier außerhalb des Hauptsacheverfahrens zu überprüfende vorläufige Entscheidung bedeutet dies, dass das Verwaltungsgericht - wie in vergleichbaren Fällen des vorläufigen Rechtsschutzes auch - allein auf der Grundlage des dargelegten Ermittlungsstandes zu prüfen hat, ob die im Rahmen des § 38 BDG anzustellende Prognose einer voraussichtlichen Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt ist vgl. dazu auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 14/4659, Seite 45.
Darüber hinaus ist zu bemerken, dass die erstinstanzliche Auffassung einer unzureichenden und deshalb im Rahmen des § 38 BDG nicht verwertbaren Verwaltungsermittlung in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu dem - vom Verwaltungsgericht als Rechtsänderung zur Kenntnis genommenen - Umstand steht, dass die vorläufige Dienstenthebung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG bereits gleichzeitig mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens erfolgen kann. Denn auch unter der Geltung der Bundesdisziplinarordnung war (etwa) eine Vernehmung von Zeugen, wie sie das Verwaltungsgericht (Seite 3 letzter Absatz des Beschlusses) vermisst, vor Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht geboten und - soweit für den Senat ersichtlich - auch nicht üblich. Das behördliche Disziplinarverfahren muss - entgegen der im angegriffenen Beschluss vertretenen Ansicht - (auch) unter der Geltung des Bundesdisziplinargesetzes für die im Rahmen des § 38 BDG zu treffenden Entscheidungen mithin gerade nicht "entsprechend den §§ 20 ff. BDG durchgeführt" sein (so aber Seite 3 zweiter Absatz des Beschlusses).
Auf der Grundlage des bisherigen Ermittlungsergebnisses und angesichts der disziplinaren Vorbelastungen des Antragstellers ist auch unter Berücksichtigung seiner bisherigen Einlassung zu einzelnen Vorwürfen und der von ihm unter den Gesichtspunkten der Schuldfähigkeit und des Vorliegens von Milderungsgründen geltend gemachten Einwände die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme, nämlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§§ 5 Abs. 1 Nr. 5, 10 BDG), im Sinne der oben aufgezeigten Rechtsprechung, die durch die Neuordnung des Disziplinarrechts keine materiell-rechtliche Änderung erfahren hat, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
Wie sich aus dem "Ermittlungsergebnis" der Ermittlungsführerin, Postoberamtsrätin S, vom 15.1.2007 ergibt vgl. Bl. 285 bis 291 der Ermittlungsakten; dieses Ermittlungsergebnis beruht auf dem Ermittlungsbericht der Konzernsicherheit vom 27.6.2006, mehreren Aktennotizen der Qualitätsmanagerin U vom 15.12.2005, 21.12.2005, 3.2.2006, 1.3.2006, 31.5.2006 und 8.6.2006, einer Aktennotiz der Zustellstützpunktleitung S vom 8.2.2006 sowie einer Meldung der Gruppenleiterin U vom 5.6.2006 (siehe Bl. 284 der Ermittlungskaten), wird dem Beamten für den Zeitraum vom 19.3.2004 bis 26.6.2006 eine Vielzahl von Dienstpflichtverletzungen zum Vorwurf gemacht. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Fehlleistungen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Kernpflichten des Beamten, Postsendungen aller Art zeitgerecht und zuverlässig zu bearbeiten und zuzustellen. Nach diesen detailliert aufgelisteten Vorwürfen, die größtenteils durch die bisherigen Einlassungen des Antragstellers nicht durchgreifend entkräftet werden, steht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sich ihr Wahrheitsgehalt in dem noch durchzuführenden gerichtlichen Disziplinarverfahren zumindest zu einem Großteil bestätigen wird.
Nach Aktenlage spricht derzeit alles dafür, dass der Antragsteller ein schweres Dienstvergehen begangen hat, indem er über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren in einer Vielzahl von Fällen seine Pflichten als Postzusteller verletzt hat, wobei er vor allem Postsendungen (Briefe, Info-Post und Pakete) in größerem Umfang eigenmächtig von der Zustellung zurückgestellt hat. Damit hat er vielfach gegen die Verpflichtung des § 55 Satz 2 BBG verstoßen, die Dienstpflichten einzuhalten. Zugleich hat er seine Pflichten gemäß § 54 Satz 1 und Satz 3 BBG verletzt, nämlich sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen und sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig zu verhalten. Das sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahre erstreckende Fehlverhalten des Antragstellers stellt sich dabei deshalb als besonders gravierend dar, weil die hier in Rede stehenden Dienstpflichtverletzungen teilweise zu einer Zeit begangen wurden, als bereits disziplinarrechtliche Ermittlungen wegen früherer Vorwürfe eingeleitet waren das betrifft die aktuellen Vorwürfe vom 19.3.2004 bis zum 8.7.2004, die mit Disziplinarverfügung vom 8.7.2004 geahndet wurden vgl. dazu die Disziplinarakte "DA II", Bl. 169 bis 180; die Einleitungsverfügung datiert vom 11.12.2002 (Bl. 65 dieser Akte).
Selbst nach Erlass dieser Disziplinarverfügung, die überwiegend Pflichtverletzungen im Kernbereich der von einem Postzusteller wahrzunehmenden Aufgaben betraf, hat der Antragsteller sein Fehlverhalten fortgesetzt, wie insbesondere die aktuellen Vorwürfe vom 8.9.2004 bis zum 29.10.2005 belegen. Auch die ihm am 12.11.2005 mitgeteilte Einleitung des vorliegenden Disziplinarverfahrens und der am 2.12.2005 vor dem Verwaltungsgericht stattgefundene Verhandlungstermin betreffend die von ihm angegriffene Disziplinarverfügung vom 8.7.2004 in diesem Termin, an dem der Antragsteller persönlich teilnahm, erklärte sich die Antragsgegnerin bereit, die in der Verfügung vom 8.7.2004 auf die Dauer von 10 Monaten festgelegte Kürzung der Dienstbezüge von 1/25 auf 1/30 zu ermäßigen, woraufhin der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde (vgl. die Protokollabschrift Bl. 218, 219 der Disziplinarakte "DA II"), haben nicht zu einer nachhaltigen Veränderung seines dienstlichen Verhaltens geführt, wie die weiteren Vorwürfe betreffend den Zeitraum vom 14.11.2005 bis zum 26.6.2006 zeigen, die zu einer Ausdehnung des vorliegenden Disziplinarverfahrens gemäß § 19 BDG durch Verfügung vom 22.8.2006 geführt haben.
Hinzu kommt, dass gegen den Antragssteller bereits durch Disziplinarverfügung vom 5.6.2001 eine Geldbuße von 500 DM verhängt worden war, wobei es sich bei dem Vorwurf, "mehrere verschiedenartige Sendungen am 5.6.2000 und 16.6.2000 nicht ordnungsgemäß zugestellt zu haben", um ein einschlägiges dienstliches Fehlverhalten handelt. Der Einwand des Antragstellers, insoweit greife ein Verwertungsverbot gemäß § 16 Abs. 1 BDG ein, trifft nicht zu. Richtig ist zwar, dass nach dieser Bestimmung (u.a.) eine Geldbuße nach drei Jahren bei weiteren Disziplinarmaßnahmen und bei sonstigen Personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden darf und der Beamte nach dem Eintritt des Verwertungsverbots als von der Disziplinarmaßnahme nicht betroffen gilt. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BDG beginnt die Frist für das Verwertungsverbot, sobald die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme unanfechtbar ist. Sie endet gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 BDG (u.a.) dann nicht, wenn eine andere Disziplinarmaßnahme berücksichtigt werden darf. Diese Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass eine Disziplinarmaßnahme nicht unverwertbar werden kann, solange eine andere Disziplinarmaßnahme ihrerseits verwertbar ist vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern - Stand: Januar 2007 -, § 16 BDG Rn. 10; Köhler/Ratz, BDG, 3. Auflage (2003), § 16 Rn. 15.
Das ist hier mit Blick auf die Disziplinarverfügung vom 8.7.2004 der Fall.
Der Hinweis des Antragstellers, bei ihm müsse als Ursache des Fehlverhaltens von einer psychischen Beeinträchtigung ausgegangen werden, stellt sich derzeit als äußerst vage dar und bedarf weiterer Abklärung. Das vom Antragsteller vorgelegte Privatattest des Dipl.-Psychologen D vom 17.7.2006 genügt jedenfalls nicht, um das Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) oder gar einer Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) für den Zeitraum der ihm vorgeworfenen Dienstverstöße (März 2004 bis Juni 2006) zu belegen oder auch nur für naheliegend zu halten. Die im Anschluss an das vorgelegte Attest von der Antragsgegnerin am 11.9.2006 veranlasste arbeitsmedizinische Untersuchung scheidet (derzeit) als Erkenntnisquelle aus, weil der Antragsteller mit Schreiben vom gleichen Tag der Postbetriebsärztin untersagt hat, das Ergebnis ihrer medizinischen Untersuchung an die Antragsgegnerin weiterzuleiten. Allerdings wird die Einleitungsbehörde gehalten sein, der Frage der Schuldfähigkeit des Antragstellers für den in Rede stehenden Zeitraum weiter nachzugehen, wobei sie § 38 Abs. 4 BDG zu beachten hat.
Die Entfernung aus dem Dienst setzt gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn (oder der Allgemeinheit) endgültig verloren hat. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, darüber hinaus nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht und Verschulden des Beamten und Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 2 C 12/04 -, BVerwGE 124, 252 = NVwZ 2006, 469 = IÖD 2006, 101.
So liegt nach derzeitigem Ermittlungsstand der Fall. Der Antragsteller hat danach trotz disziplinarer Vorbelastung und bereits während des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen zweiten Disziplinarverfahrens wieder mehrfach vorsätzlich gegen dienstliche Kernpflichten verstoßen und dieses Verhalten auch nach rechtskräftiger Kürzung seiner Dienstbezüge um 1/30 auf die Dauer von 10 Monaten noch mindestens weitere 6 Monate fortgesetzt. Auch wenn die im "Ermittlungsergebnis" vom 15.1.2007 aufgelisteten Vorwürfe im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht in ihrer Gesamtheit nachgewiesen werden sollten, ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Gesamtbetrachtung des dem Beamten anzulastenden Fehlverhaltens ergibt, dass er im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben in hohem Maße unzuverlässig war. Während seiner Tätigkeit als Zusteller musste jederzeit damit gerechnet werden, dass er insbesondere seine Zustellaufgaben nicht entsprechend den dienstlichen Vorgaben verrichten würde. Er ist letztlich trotz disziplinarer Maßnahmen und den damit verbundenen Ermahnungen und Warnungen völlig uneinsichtig geblieben, so dass die Prognose zukünftigen Fehlverhaltens in hohem Maße gerechtfertigt ist. Dass die Antragsgegnerin sich in dieser Situation für eine vorläufige Dienstenthebung entschieden hat, wobei sie - auch - auf eine Ansehensschädigung der Deutschen Post in der Öffentlichkeit sowie eine empfindliche Störung des Dienstbetriebs durch das Verhalten des Antragstellers abgestellt hat, ist unter Ermessensgesichtspunkten rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Anordnung über die teilweise (15 Prozent) Einbehaltung der Dienstbezüge erweist sich nach derzeitigem Erkenntnisstand ebenfalls als rechtmäßig (§ 38 Abs. 2 BDG). Die Antragsgegnerin hat dabei auf die ihr bekannten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abgestellt (Unterhaltspflicht gegenüber zwei Kindern im Alter von 4 und 9 Jahren sowie seiner Ehefrau, die keine eigenen Einkünfte hat). Zwar hat der Antragsteller während des gerichtlichen Verfahrens vorgetragen, für ein Eigenheim müsse er monatlich 769,71 EUR abbezahlen, und zum Nachweis hierfür die Kopie der ersten Seite eines Darlehensvertrags vom 21.4.2005 vorgelegt. Der daraufhin erfolgten Aufforderung der Antragsgegnerin, seine wirtschaftlichen Verhältnisse umfassend darzulegen vgl. dazu Schriftsatz vom 26.6.2007, Seite 3, ist er bisher nicht nachgekommen. Sobald er diesem berechtigten Verlangen der Antragsgegnerin Folge leistet, wird diese zu prüfen haben, ob sie ihre Entscheidung über die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge ganz oder teilweise aufhebt (§ 38 Abs. 4 BDG).
Nach allem ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern und der Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 77 Abs. 4 BDG, 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Ende der Entscheidung
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