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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: 2 M 248/03
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 80 IV 3
VwGO § 80 V 1
BauGB § 135
1. Die Aussetzung wegen "unbilliger Härte" im vorläufigen Rechtsschutz kommt nur in Betracht, wenn die durch die sofortige Vollziehung drohenden wirtschaftlichen Nachteile nicht oder nur schwer durch eine spätere Rückzahlung wieder gut zu machen sind, insbesondere, wenn die wirtschaftliche Existenz des Beitragspflichtigen bedroht ist. Notwendig ist, dass der schwere Nachteil gerade durch die sofortige Vollziehung der streitigen Abgabenschuld droht.

2. Liegt aus einem anderen Rechtsverhältnis eine Löschungsbewilligung vor, so ist es dem Grundeigentümer zuzumuten, ein neues Grundpfandrecht zu bestellen. Ob auch die Parzellierung des Grundstücks und daraus folgend ein Teilverkauf des Grundeigentums verlangt werden kann, bleibt offen.

3. Auch wenn eine Aussetzung der Vollziehung wegen "unbilliger Härte" im gerichtlichen Verfahren nicht in Betracht kommt, ist nicht ausgeschlossen, dass Billigkeitsentscheidungen nach § 135 BauGB getroffen werden könnten, die dann aber eines besonderen Antrags bedürfen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 248/03

Datum: 10.09.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987), sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und hinsichtlich des Streitwerts auf §§ 13 Abs. 2; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) i. V. m. I Nr. 7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605 ff.).

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 4 Satz 3 VwGO abgelehnt, weil an der Rechtmäßigkeit des Erschließungsbeitragsbescheides der Antragsgegnerin vom 09.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2003 weder ernstliche Zweifel bestehen (1.) noch die Vollziehung des Abgabenbescheides für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat (2.).

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen nämlich nur dann, wenn die geltend gemachten Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes so gewichtig sind, dass ein Obsiegen des Betroffenen im Klageverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (OVG LSA, Beschl. v. 02.02.2001 - 2 M 451/00 -). Daran fehlt es; denn - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - erscheint weder der beitragsfähige Aufwand noch der festgesetzte Beitrag unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin ernstlich fehlerhaft. Mit dieser Argumentation setzt sich die Antragstellerin nicht in der von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise auseinander, wenn sie auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die möglichen Folgen einer für sie günstigen Entscheidung verweist.

2. Die Vollziehung des Beitragsbescheides hat für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Eine "unbillige" Härte im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO liegt nämlich nur dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabenpflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer - etwa durch eine spätere Rückzahlung - wieder gutzumachen sind, insbesondere wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Abgabenpflichtigen gefährdet wäre (OVG LSA, Beschl. v. 19.03.2002 - 2 M 293/01 -; OVG NW, Beschl. v. 17.03.1994 - 15 B 3022/93 -, NVwZ-RR 1994, 617; BayVGH, Beschl. v. 25.01.1988 - Nr. 6 CS 87.03857 -, BayVBl. 1988, 727; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, a. a. O., § 80 RdNrn. 54, 55; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., RdNr. 791 m. w. N.). Die Vorschrift setzt das Vorliegen eines persönlichen Billigkeitsgrundes in der Person des Abgabepflichtigen voraus, wobei Gegenstand der Beurteilung gerade die Vollziehung des Abgabenbescheides bzw. die sofortige Zahlung durch den Abgabepflichtigen darstellt. Im Rahmen der Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist mithin entscheidend darauf abzustellen, ob die sofortige Vollziehung bzw. Zahlung der geforderten Abgabe eine wesentliche Ursache für die Existenzgefährdung darstellen würde, d. h. die Existenzgefährdung gerade durch den Sofortvollzug des Abgabenbescheides verursacht oder entscheidend mitverursacht würde (so auch BayVGH, Beschl. v. 25.01.1988, a. a. O.). Dies ist hier indes nicht der Fall. Es ist schon fraglich, ob der Antragstellerin überhaupt eine Existenzvernichtung droht; denn ausweislich des vorgelegten Grundbuchauszugs ist ihr Grundstück mit Grundschulden in Höhe von 54.974,10 € (= 107.520,00 DM) belastet, während für die Grundschuld in Höhe von 150.000,00 DM eine Löschungsbewilligung vorliegt. Damit erlauben es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin, ihr Grundstück erneut durch die Aufnahme einer Hypothek oder Grundschuld zu belasten, um aus dem Darlehen die Beitragsforderung zu begleichen. Ob der Antragstellerin darüber hinaus auch die Parzellierung ihres Grundstücks und der Verkauf einer Teilfläche zuzumuten ist (so z. B. OVG NW, Urt. v. 24.11.1975 - II A 77/74 -, KStZ 1976, 135), kann der Senat bei dieser Sachlage hier dahinstehen lassen. Letztlich ist allerdings festzustellen, dass die schwierige finanzielle Lage der Antragstellerin durch die Beitragserhebung nicht maßgeblich beeinflusst wird, sondern in erster Linie auf die von ihr aufgenommenen Darlehen und die damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen zurückzuführen ist. Hat aber die Vollziehung des Abgabenbescheides aus den oben genannten Gründen keinen bestimmenden Einfluss auf die Lebens- und Einkommensverhältnisse der Antragstellerin, kann vom Vorliegen einer "unbilligen" Härte im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht ausgegangen werden. Davon unabhängig ist die Frage, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf Erlass einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 135 Abs. 2 - 6 des Baugesetzbuchs - BauGB 98 - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141, ber.: BGBl. 1998 I 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2002 (BGBl I 2850 [2852]), zusteht. Hierüber hat der Senat in diesem Verfahren jedoch nicht zu entscheiden, weil die Antragstellerin selbst einräumt, von der Beantragung von Billigkeitsmaßnahmen bisher abgesehen zu haben.

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