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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 29.06.2005
Aktenzeichen: 2 O 78/05
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 166 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 116 I 1 |
2. Bei einer juristischen Person, welche eine Windkraftanlage betreiben will, besteht kein Anlass für die Annahme, es laufe allgemeinen Interessen zuwider, wenn das Verfahren nicht durchgeführt werden kann.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 O 78/05
Datum: 29.06.2005
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht versagt.
Nach § 166 VwGO i. V. m . § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erhält eine juristische Person - wie die Klägerin - auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, dass nicht nur sie, sondern auch die am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten die Prozesskosten nicht aufbringen können. Wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO sind diejenigen, auf deren Vermögenslage sich ein Obsiegen oder Unterliegen der juristischen Person wirtschaftlich auswirkt, was insbesondere bei Gesellschaftern einer GmbH der Fall ist (OLG Celle, Beschl. v. 22.12.2000 - 3 W 95/00 -, Juris; HessFG, Beschl. v. 25.05.1998 - 6 V 1854/98 -, Juris; OLG München, Beschl. v. 25.06.1985 - 7 U 3854/84 -, GmbHR 1986, 47). Die Klägerin hat indes lediglich vorgetragen, sie selbst sei nicht in der Lage, die Prozesskosten aufzubringen, und eine Erklärung nur über ihre eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Hingegen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass auch ihre Gesellschafter nicht in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung zu tragen.
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch zutreffend angenommen, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
Mit allgemeinen Interessen ist die Unterlassung der Rechtsverfolgung dann nicht vereinbar, wenn die juristische Person ohne die Durchführung des Rechtsstreits daran gehindert würde, ihre der Allgemeinheit dienenden Aufgaben zu erfüllen, oder wenn ohne die Durchführung des Rechtsstreits die Existenz der juristischen Person und damit eine Vielzahl von Arbeitsplätzen bedroht wäre (BFH, Beschl. v. 01.06.1989 - IV B 32/89 -, BFH/NV 1990, 116). Bei dem Merkmal des "allgemeinen Interesses" ist an Fälle zu denken, in denen die juristische Person, z. B. eine Gemeinde oder gemeinnützige Stiftung, an der Erfüllung ihrer der Allgemeinheit dienenden Aufgaben gehindert werden würde, wenn der Prozess nicht durchgeführt werde; ferner sollen juristische Personen geschützt werden, die sonst zur Entlassung einer großen Zahl von Arbeitnehmern schreiten müssten (BFH, Beschl. v. 31.07.1973 - VII R 125/71 -, BFHE 110, 176; Beschl. v. 26.05.1982 - I B 98-99/81, I B 98/81, I B 99/81 -, BFHE 136, 62). Es muss in jedem Falle außer den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung in Mitleidenschaft gezogen werden können (BFH, Beschl. v. 17.01.1985 - VII S 24/84 -, BFH/NV 1986, 425; OVG NW, Beschl. v. 30.11.1987 - 8 B 2371/87 -, Juris). Es muss sich um Entscheidungen handeln, die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können (BGH, Beschl. v. 05.11.1985 - X ZR 23/85 -, NJW 1986, 2058).
Hiernach kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Unterlassung der Rechtsverfolgung durch die Klägerin allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Es ist weder substanziiert dargetan noch sonst ersichtlich, dass gerade die Errichtung der einen hier in Streit stehenden Windenergieanlage an dem von der Klägerin vorgesehenen Standort zu einer solchen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin führen wird, dass die von ihr befürchtete Liquidation, verbunden mit dem Verlust einer erheblichen Zahl von Arbeitsplätzen und der Ausfall von Forderungen der von ihr aufgelisteten 33 Kleingläubiger vermieden werden könnte.
Soweit die Klägerin geltend macht, das Verfahren habe Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben in Sachsen-Anhalt, weil die Genehmigungsbehörden in Sachsen-Anhalt das (mittlerweile rechtskräftige) Urteil des Senats vom 11.11.2004 (2 K 144/01) missachteten, mit dem das Regionale Entwicklungsprogramm für den Regierungsbezirk Halle für unwirksam erklärt wurde, vermag sie auch damit nicht durchzudringen. Die Unterlassung der Rechtsverfolgung läuft nicht schon deshalb allgemeinen Interessen zuwider, weil ohne Durchführung des Rechtsstreits allgemein interessierende Rechtsfragen - vorerst - unbeantwortet bleiben (BFH, Beschl. v. 24.09.1985 - IV B 65/85 -, BFH/NV 1987, 530).
Ende der Entscheidung
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