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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: 3 L 403/01
Rechtsgebiete: BVFG, VwGO, VwVfG, VwZG


Vorschriften:

BVFG § 6
BVFG § 15
BVFG § 100a
VwGO § 56 II
VwGO § 73 III
VwGO § 74
VwVfG § 48
VwVfG § 49
VwVfG § 51
VwZG § 3 I 2
1. Wird bei der Zustellung eines Widerspruchsbescheids das Aktenzeichen des Widerspruchsverfahrens als Geschäftsnummer angegeben, so genügt dies grundsätzlich noch den Anforderungen an die Bestimmtheit der Geschäftsnummer im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG.

2. Das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 VwVfG wegen eines neuen Beweismittels setzt auch voraus, dass der Betroffene das Beweismittel der Behörde zugänglich macht und darlegt, wann und wie er in seinen Besitz gelangt ist.

3. Die Behörde entscheidet über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne (§§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 VwVfG) nach pflichtgemäßem Ermessen, das nur ausnahmsweise reduziert ist. Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung dieser Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Ergehens der letzten behördlichen Entscheidung.

4. Die Befugnis der Behörde zum Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne schließt die Möglichkeit ein, nochmals eine ablehnende Sachentscheidung (sog. Zweitbescheid) zu treffen und damit zugunsten des Betroffenen erneut den Weg zu einer gerichtlichen Sachprüfung zu eröffnen.

5. Ob die Behörde eine neue Sachentscheidung getroffen hat, ist durch eine am objektiven Sinn der Erklärung orientierte Auslegung des Bescheides zu ermitteln. Allein durch den Umstand, dass die Behörde bei der Ermessensentscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens (im weiteren Sinne) auf die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe gegen die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts eingeht, wird ihr die Berufung auf die Bestandskraft der Erstentscheidung nicht abgeschnitten.

6. Aus § 100a BVFG folgt zwar, dass ab dem 7. September 2001 die strengeren Anforderungen des § 6 Abs. 2 BVFG (n.F.) auch für alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Verfahren auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung (gegebenenfalls rückwirkend) gelten. Hat dagegen die Behörde die beantragte Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG bereits unanfechtbar abgelehnt, so sind nicht nur andere Behörden, sondern auch die Verwaltungsgerichte an die ablehnende Entscheidung gebunden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BVFG) und ist dementsprechend eine gerichtliche Sachprüfung nicht mehr vorzunehmen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 3 L 403/01

Datum: 16.12.2004

Gründe:

I.

Die Klägerin erstrebt die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) durch den Beklagten.

Ausweislich einer von ihr bei dem Bundesverwaltungsamt vorgelegten Urkunde wurde die Klägerin am 1. Januar 1934 als E. M. P. (Vatersname M.) in I., Gebiet Pavlodar geboren. Die Registrierung der Geburt wurde laut Übersetzung der Urkunde am ... durch das Standesamt L., Gebiet Karaganda im heutigen Kasachstan durchgeführt. Am ... heiratete die Klägerin im Gebiet Karaganda den deutschen Volkszugehörigen D. B.. Bei den Akten des Bundesverwaltungsamtes befindet sich die Kopie eines 1976 ausgestellten sowjetischen Inlandspasses der Klägerin, in dem ihre Nationalität als Russin eingetragen ist.

Aufgrund des Aufnahmebescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 7. April 1993 reiste die Klägerin als Ehegattin eines Spätaussiedlers in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Ihren Antrag auf Erteilung eines eigenen Aufnahmebescheides hatte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 25. Februar 1994 abgelehnt, da sie ihre deutsche Volkszugehörigkeit nicht glaubhaft gemacht habe.

Mit Antrag vom 1. August 1994 begehrte die Klägerin bei dem Beklagten, ihr eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 BVFG auszustellen. Darin gab sie an, dass ihre Eltern nicht bekannt seien und sie ein Waisenkind gewesen sei. Sie reichte eine am 21. November 1991 ausgestellte Geburtsurkunde ihrer Schwester E. ein. Aus der Übersetzung geht hervor, dass diese am ... in der Stadt O. als Tochter von M. P. und E. P. geboren wurde. In der genannten Urkunde heißt es zur Nationalität der Eltern "keine Eintragung". Aus einer ebenfalls vorgelegten Geburtsurkunde der Tochter der Schwester E. geht hervor, dass Letztere die deutsche Nationalität besessen habe.

Mit Bescheid vom 28. November 1995 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung ab. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Klägerin habe die deutsche Volkszugehörigkeit (im Sinne von § 6 BVFG) nicht glaubhaft machen können. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstamme. Da sie im Waisenhaus aufgewachsen sei, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass ihr bestätigende Merkmale für die deutsche Volkszugehörigkeit anerzogen worden seien. Des Weiteren habe sie ein Gegenbekenntnis zum russischen Volkstum abgegeben, da sie in ihren sowjetischen Inlandspass die Nationalitätszugehörigkeit "russisch" habe eintragen lassen.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27. Dezember 1995 Widerspruch, den das Regierungspräsidium Halle mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1996 zurückwies. Zur Begründung führte es aus: Aufgrund der vorliegenden Unterlagen der Schwester der Klägerin, deren deutsche Nationalität in der Geburtsurkunde ihrer Tochter ausgewiesen sei, habe die Klägerin zwar glaubhaft gemacht, dass ihre Eltern oder zumindest ein Elternteil deutsche Volkszugehörige gewesen seien, so dass das Erfordernis der Abstammung nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVFG erfüllt sei. Allerdings sei die Klägerin nach dem Tod ihres Vaters (1944) und ihrer Mutter (1946) in einem russischen Kinderheim aufgewachsen, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Eltern, ein Elternteil oder andere Verwandte ihr bestätigende Merkmale wie Sprache, Erziehung und Kultur vermittelt hätten. Das ferner fehlende Bekenntnis zum deutschen Volkstum werde durch die Eintragung der russischen Nationalität im Inlandspass der Klägerin dokumentiert.

Der Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1996 wurde der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 19. Juli 1996 zugestellt. Die Postzustellungsurkunde trägt das Aktenzeichen des Widerspruchsverfahrens ".....".

Unter dem 15. Oktober 1996 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Dazu machte sie geltend, dass sie im Besitz einer Archivbescheinigung sei, aus der hervorgehe, dass ihre beiden Eltern Deutsche gewesen seien. Da ihre Eltern früh verstorben seien, sei sie in ein Kinderheim gekommen, wo ihr gegen ihren Willen die russische Nationalität in den Inlandspass eingetragen worden sei. Da sie beiderseits von deutschen Eltern abstamme, gelte sie nach den Gesetzen der ehemaligen Sowjetunion als Deutsche, so dass es auf die Eintragung in ihrem Pass nicht ankomme.

Mit Bescheid vom 14. November 1996 lehnte der Beklagte den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ab. Der Antrag sei bereits nicht zulässig, da die Klägerin nicht ohne grobes Verschulden außer Stande gewesen sei, den Grund für das Wiederaufgreifen in einem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen. Die angeblichen Archivbescheinigungen hätten zudem schon im Widerspruchsverfahren Berücksichtigung gefunden und seien keine neuen Beweismittel.

Hiergegen erhob die Klägerin am 10. Dezember 1996 Widerspruch, den das Regierungspräsidium Halle mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 1998 zurückwies. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe zwar angeführt, es sei ihr gelungen, Archivbescheinigungen zu beschaffen. Diese habe sie jedoch ihrem Antrag nicht beigefügt. Zudem handle es sich dabei auch nicht um neue Beweismittel, weil die Klägerin bereits im vorhergehenden Verfahren eine Archivbescheinigung sowie die Geburtsurkunde ihrer Schwester vorgelegt habe, aus denen hervorgehe, dass zumindest ein Elternteil die deutsche Nationalität besessen habe. Diese Bescheinigungen hätten bereits bei der Erstellung des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 1996 Berücksichtigung gefunden, wo auch die deutsche Abstammung der Klägerin angenommen worden sei. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 51 VwVfG stehe das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessen der Behörde. Übe man dieses Ermessen vorliegend aus, komme ebenfalls ein Wiederaufgreifen nicht in Betracht. Die Klägerin habe keinen neuen Gründe vorgetragen, die dies rechtfertigten. Der ablehnende Bescheid sei bestandskräftig geworden und Einwendungen gegen seine Rechtmäßigkeit hätten im Klagewege vorgebracht werden können und müssen. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Ablehnung durch den Landkreis im vorherigen Verfahren rechtswidrig gewesen sei. Die deutsche Volkszugehörigkeit setzte kumulativ die Erfüllung der Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BVFG voraus. Bei der Klägerin sei das subjektive Kriterium der Abstammung gemäß Nr. 1 zwar bejaht, bestätigende Merkmale nach Nr. 2 und das Bekenntnis zum deutschen Volkstum nach Nr. 3 hingegen abgelehnt worden. Die Klägerin habe bei der Beantragung ihres ersten Inlandspasses ein Bekenntnis zur russischen Nationalität abgegeben.

Die Klägerin hat am 8. Juni 1998 bei dem Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Sie stamme nicht nur von zwei Deutschen ab, sondern ihr sei auch die deutsche Sprache, Erziehung und Kultur vermittelt worden. Zwar sei sie nach dem Tod ihrer Eltern mit 12 Jahren ins Kinderheim gekommen; sie habe jedoch vor diesem Zeitpunkt lange Jahre die deutsche Erziehung genossen. Im Kinderheim habe sie nur 3 Jahre verbracht und während dieser Zeit auch fortlaufend Briefkontakt zu ihren deutschen Verwandten gehabt. Nach ihrer Entlassung aus dem Kinderheim sei ihr ein Pass mit der Eintragung der russischen Nationalität ausgehändigt worden, jedoch sei dies gegen ihren Willen geschehen und ohne dass die Behörde die Nationalität ihrer Eltern überprüft hätte. Das Kinderheim habe dies immer so gehandhabt, um den Kindern die Kommandanturüberwachung zu ersparen. Zugleich sei ihr Geburtsdatum geändert worden, um sie früher aus dem Kinderheim entlassen zu können. Die Eintragung in ihrem Inlandspass sei zudem unerheblich, weil sie nach den einschlägigen Gesetzen der Sowjetunion als Deutsche gegolten habe.

Nachdem die Klägerin zunächst mit ihrer Klage begehrt hatte, den Beklagten zu verpflichten, das Verfahren wiederaufzugreifen, hat sie mit am 3. Juli 2001 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 2. Juli 2001 die Klage geändert und die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG beantragt. Während sie mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1998 eine Kopie einer handschriftlich auf russisch verfassten (Geburts-)Bescheinigung mit Übersetzung zu den Gerichtsakten übermittelt hatte, hat die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Juli 2001 das Original der Bescheinigung vorgelegt. Dabei handelt es sich nach der Übersetzung um einen Auszug aus den Akten über Geburten. Registrierungsort ist der Dorfsowjet P., R. K., Gebiet Donezk. Danach ist die Klägerin am ... 1934 im Dorf S., R. K., Gebiet Donezk geboren und die Nationalität ihrer Eltern ist mit "deutsch" vermerkt. Ein Datum, wann die Bescheinigung ausgestellt wurde, ist nicht angegeben. Die Übersetzung aus dem Russischen wurde am 30. September 1996 vorgenommen und das Übereinstimmen der Kopie mit dem Original der Bescheinigung am 4. Oktober 1996 von dem Oberstadtdirektor der Stadt B-Stadt amtlich beglaubigt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 28. November 1995 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen,

hilfsweise,

den Bescheid des Beklagten vom 14. November 1996 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Halle vom 28. April 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Verfahren wiederaufzugreifen und unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 28. November 1995 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 ihr eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen.

Der Beklagte hat unter Verteidigung der angefochtenen Bescheide beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 18. Juli 2001 zum Hauptantrag stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. November 1995 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 verpflichtet, der Klägerin eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei zulässig, weil die Klägerin die Klagefrist eingehalten habe. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür sei der Eingang des die Klage ändernden Schriftsatzes bei Gericht am 3. Juli 2001 gewesen. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums sei nicht wirksam zugestellt worden. Es fehle an der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG vorgeschriebenen Angabe der Geschäftsnummer im Sinne dieser Vorschrift. Hierfür genüge das Aktenzeichen des Widerspruchsverfahrens nicht, weil dies eine eindeutige Zuordnung des zugestellten Schriftstücks nicht erlaube. Da die Klägerin ihr Klagerecht auch nicht verwirkt habe, sei der Weg für eine Sachprüfung eröffnet. Diese ergebe hier, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Bescheinigung habe, da sie Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 BVFG sei und die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG erfüllt seien.

Auf den gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichteten Zulassungsantrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 13. September 2004 die Berufung zugelassen. Zur Begründung seiner am 5. Oktober 2004 eingegangenen Berufung trägt der Beklagte unter Vertiefung seines Vorbringens erster Instanz vor: Die Klage auf Erteilung der Spätaussiedlerbescheinigung sei wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 sei der Klägerin wirksam am 19. Juli 1996 zugestellt worden. Die Angabe der Geschäftsnummer genüge den Bestimmtheitsanforderungen. Der ursprüngliche Ablehnungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 sei daher bestandskräftig geworden. Diese Bestandskraft werde auch nicht durch die Regelung des § 100a BVFG beseitigt. Selbst wenn danach eine neue Sachprüfung erforderlich wäre, würde die Klägerin nicht in eine günstigere Rechtsposition versetzt. Die Klägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass beide Elternteile deutsche Volkszugehörige gewesen seien. Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegte Auszug aus den Akten über Geburten widerspreche den vorher vorgelegten Dokumenten. Die Echtheit dieses Dokuments werde bezweifelt. Selbst wenn die Klägerin von zwei deutschen Volkszugehörigen abstamme, stelle dies noch nicht das ebenfalls erforderliche Bestätigungsmerkmal zum deutschen Volkstum dar. Den mit dem In-Kraft-Treten des § 100a BVFG zugleich normierten erhöhten Anforderungen des § 6 BVFG genüge die Klägerin nicht.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 1. Kammer - vom 18. Juli 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Auf die ordnungsgemäße Zustellung des Ablehnungsbescheids komme es nicht an; denn nach § 100a BVFG müssten Anträge nach dem 7. September 2001 nach neuem Recht entschieden werden. Da der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung rückwirkend neu geregelt habe, sei der ablehnende Bescheid unabhängig davon, ob er bestandskräftig geworden sei oder nicht, gemäß § 43 VwVfG gegenstandslos geworden. Die Erledigung sei auf andere Weise dadurch eingetreten, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft neu definiert und rückwirkend in Kraft gesetzt habe. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht festgestellt, dass sie - die Klägerin - Spätaussiedlerin im Sinne des Gesetzes sei und ihr ein Anspruch auf die Bescheinigung zustehe. Jedenfalls sei die Widerspruchsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die Frage des Wiederaufgreifens des Verfahrens in eine neue Sachprüfung eingetreten. Die Behörde sei der Meinung gewesen, der ablehnende Bescheid habe bestätigt werden müssen. Ausweislich des letzten Absatzes des Widerspruchsbescheids habe sie zur Sache entschieden und damit entweder einen Zwischenbescheid oder einen neuen ablehnenden Bescheid erlassen. Da hiergegen rechtzeitig Klage erhoben worden sei, müsse das Gericht die Entscheidung der Behörde unabhängig von der Frage der rechtzeitigen Anfechtung der Erstbescheide auf jeden Fall voll überprüfen. Dabei komme es darauf an, ob die Klägerin nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehöre. Das sei hier der Fall.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A und B) Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten über die Berufung ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Klage auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung ist bereits unzulässig, weil die Klägerin nicht fristgemäß Klage erhoben hat. Der den Antrag auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung ablehnende Bescheid des Beklagten vom 28. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 ist in Bestandskraft erwachsen (dazu 1.).

Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag, mit dem die Klägerin das Wiederaufgreifen des Verfahrens begehrt, nicht begründet. Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens besteht nicht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der das Wiederaufgreifen des Verfahrens ablehnende Bescheid des Beklagten vom 14. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Halle vom 28. April 1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (dazu 2.). Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf erneute Ermessensentscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens zu (dazu 3.).

1.) Entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts ist eine Sachprüfung, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung gem. § 15 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG -), neu gefasst durch die Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl. I S. 829), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zusteht, hier nicht vorzunehmen. Denn die Verpflichtungsklage auf Erteilung dieser Bescheinigung ist wegen Versäumung der Klagefrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig, so dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 28. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 in Bestandskraft erwachsen ist.

Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 ist der Klägerin wirksam am 19. Juli 1996 zugestellt worden und hat den Lauf der Monatsfrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Gang gesetzt. Die Zustellung des Widerspruchsbescheids richtet sich nach §§ 73 Abs. 3 Satz 2, 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG - in der zum Zeitpunkt der Zustellung maßgeblichen Fassung der Änderung durch Art. 7 § 2 des Betreuungsgesetzes vom 12. September 1990 (BGBl. I S. 2002). Die Zustellung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist die Sendung unter anderem mit einer Geschäftsnummer zu versehen. Dieser Anforderung wurde hier - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - Rechnung getragen, da die Postzustellungsurkunde vom 19. Juli 1996 mit einer den Erfordernissen des § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG genügenden Geschäftsnummer versehen war.

Die Regelungen des VwZG über die förmliche Zustellung zeichnen sich insgesamt durch Formstrenge aus, weil anders der vom Gesetz beabsichtigte Zweck, eine rasche und mühelose Feststellung darüber zu ermöglichen, ob eine Zustellung wirksam ist, nicht verwirklicht werden kann (BFH, Urt. vom 16.3.2000 - III R 19/99 -, BFHE 191, 486; Urt. v. 18.3.2004 - V R 11/02 -, Juris m.w.N.). Da die Postzustellungsurkunde nicht die Übergabe des Schriftstücks selbst, sondern nur die Übergabe einer Sendung bezeugt, stellt die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung sowie auf der Postzustellungsurkunde die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her (vgl. BFH, Beschl. vom 17.6.1998 - X B 139/97 -, BFH/NV 1999, 187; Urt. v. 18.3.2004 - V R 11/02 -, Juris m.w.N.; Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 6. Aufl. 2004, § 3 VwZG Rn. 3). Dementsprechend muss die Geschäftsnummer so beschaffen sein, dass sie die Identifizierung der zugestellten Sendung ermöglicht und dazu geeignet ist, das zuzustellende Schriftstück zu konkretisieren (BFH, Urt. v. 25.10.1995 - I R 16/95 -, BFHE 179, 202 = BStBl II 1996, 301; OVG Hamburg, Beschl. v. 2.10.1996 - Bs VI 107/96 -, Juris). Die Anforderungen an die ordnungsgemäße Angabe der Geschäftsnummer würden jedoch überspannt, wenn man nur eine Geschäftsnummer als gesetzmäßig ansähe, die generell - unabhängig von den Umständen des Einzelfalls - für jeden nur denkbaren Einzelfall, und sei er noch so selten, die eindeutige Identifizierung des zugestellten Schriftstücks ermöglichte. Der dargelegten Zwecksetzung des Gesetzes genügt es vielmehr, wenn die Geschäftsnummer die eindeutige Identifizierung des zugestellten Schriftstücks nahezu stets (d.h. wenn nicht sehr ungewöhnliche Umstände vorliegen) und darüber hinaus auch im konkreten Einzelfall ermöglicht (OVG Hamburg, Beschl. v. 2.10.1996 - Bs VI 107/96 -, Juris; Beschl. v. 5.6.1987 - Bs IV 366 u. 372/87 - Juris; ähnlich BayVGH, Beschl. v. 11.3.1986 - 21 CS 86.30128 -, BayVBl 1986, 372; vgl. ferner etwa BFH, Urt. v. 25.10.1995 - I R 16/95 -, BFHE 179, 202 = BStBl II 1996, 301 [303]).

Diesen Anforderungen genügt die in der Postzustellungsurkunde vom 19. Juli 1996 angegebene Geschäftsnummer "....". Sie entspricht dem Aktenzeichen, unter dem das Regierungspräsidium das die Erteilung der Spätaussiedlergenehmigung betreffende Widerspruchsverfahren durchgeführt hat. Dieses Aktenzeichen lässt auch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine Zuordnung zu dem zugestellten Schriftstück, nämlich dem Widerspruchsbescheid, zu. Zwar mag das Aktenzeichen - wie üblich - auch für weitere im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erstellte Schriftstücke der Widerspruchsbehörde verwendet worden sein. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass in dem Widerspruchsverfahren wegen Erteilung der Spätaussiedlergenehmigung sonstige Schriftstücke zugestellt worden wären. Vielmehr entspricht es der gängigen Praxis wie auch den gesetzlichen Vorgaben (§ 73 Abs. 3 VwGO), dass in einem derartigen Widerspruchsverfahren allein der das Verfahren abschließende Widerspruchsbescheid dem Widerspruchsführer zugestellt wird. Jedenfalls kommt es - sofern nicht sehr ungewöhnliche Umstände vorliegen - nicht vor, dass zwei oder mehrere Schriftstücke zeitgleich oder nahezu zeitgleich an einen Beteiligten zugestellt werden. Dies ist der entscheidende Unterschied zu denjenigen abgabenrechtlichen Fällen, in denen beanstandet worden ist, dass lediglich die - für mehrere Steuerarten und verschiedene Veranlagungszeiträume gleiche - Steuernummer (vgl. etwa BFH, Beschl. v. 12.1.1990 - VI R 137/86 -, BFHE 160, 103 = BStBl II 1990, 602 m.w.N.) und - in Verfahren zur Erhebung der Fehlbelegungsabgabe - nur die Wohnungsnummer (s. hierzu OVG Hamburg, Urt. v. 29.5.1996 - Bf V 31/95 -, Juris) als Geschäftsnummer angegeben worden ist. Da Zustellungen in Widerspruchsverfahren der hier vorliegenden Art nur unter sehr ungewöhnlichen Umständen zeitgleich oder nahezu zeitgleich erfolgen, lässt sich anhand der Geschäftsnummer unter Berücksichtigung des Datums der Zustellung generell nahezu stets mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, auf welche Sendung und auf welches zugestellte Schriftstück sich die betreffende Zustellungsurkunde bezieht (OVG Hamburg, Beschl. v. 2.10.1996 - Bs VI 107/96 -, Juris; ähnlich BayVGH, Beschl. v. 11.3.1986 - 21 CS 86.30128 -, BayVBl 1986, 372). So liegt es auch im vorliegenden Fall, da keine Zweifel daran bestehen, dass die Zustellungsurkunde vom 19. Juli 1996 dem Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1996 zuzuordnen ist.

Ist nach alledem der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Halle am 19. Juli 1996 wirksam zugestellt worden, so begann damit die Monatsfrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu laufen. Da die Klägerin nicht innerhalb dieser Frist Klage erhoben hat, ist der Ablehnungsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Juli 1996 in Bestandskraft erwachsen und die von der Klägerin nunmehr im Hauptantrag verfolgte Klage unzulässig.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 100a BVFG (in der ab dem 7. September 2001 gültigen Fassung des Gesetzes zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus vom 30. August 2001 [BGBl I S. 2266]). Der Rechtsansicht der Klägerin, dass der Gesetzgeber im Jahre 2001 die Voraussetzungen für die Erteilung von Spätaussiedlerbescheinigungen rückwirkend neu geregelt habe und deshalb der ablehnende Bescheid des Beklagten unabhängig davon, ob er bestandskräftig geworden sei oder nicht, gegenstandslos geworden sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids ist nicht durch den Erlass des § 100a BVFG und/oder die ebenfalls mit Wirkung ab dem 7. September 2001 neu gefassten § 6 Abs. 2 BVFG (n.F., d.h. in der Fassung des Gesetzes vom 30. August 2001 [BGBl I S. 2266]) hinfällig geworden.

Nach § 100a BVFG sind auch Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG nach dem Recht zu bescheiden, das nach dem 7. September 2001 gilt. Dies bedeutet zwar, dass ab diesem Zeitpunkt die strengeren Anforderungen des § 6 Abs. 2 BVFG n.F. für alle noch nicht abgeschlossenen Verfahren auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung (gegebenenfalls rückwirkend) gelten und nach diesem neuen Recht zu entscheiden sind (BVerwG, Urt. v. 12.3.2002 - 5 C 28/21 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 98). Das gilt jedoch nicht, wenn ein Verfahren auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung - hier sogar bereits vor dem In-Kraft-Treten des § 100a BVFG - bestandskräftig oder rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Hat eine Behörde die beantragte Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG unanfechtbar abgelehnt, so sind nicht nur andere Behörden, sondern auch die Verwaltungsgerichte an die ablehnende Entscheidung gebunden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BVFG) und ist dementsprechend eine gerichtliche Sachprüfung, ob der Betreffende deutscher Volkszugehöriger ist, nicht mehr vorzunehmen (BVerwG, Urt. v. 19.6.2001 - 1 C 26.00 -, BVerwGE 114, 332 [337 f.] = NVwZ-RR 2002, 145 f.).

2. Die Klage hat auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht zu.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes (VwVfG LSA). Die Klägerin beruft sich sinngemäß auf Absatz 1 Nr. 2 dieser Vorschrift, wonach die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden hat, wenn neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Bei der Bescheinigung, welche die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1998 in Kopie bei dem Verwaltungsgericht eingereicht hat und die sie erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Juli 2001 im Original vorgelegt hat, handelt es sich jedoch nicht um ein neues Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG LSA. Neu sind danach nur solche Beweismittel, die entweder während der Anhängigkeit des ersten Verwaltungsverfahrens noch nicht existierten oder solche, die damals zwar schon vorhanden waren, aber ohne Verschulden des Betroffenen nicht oder nicht rechtzeitig beigebracht werden konnten (BVerwG, Urt. v. 21.4.1982 - 8 C 75.80 -, NJW 1982, 2204; Urt. v. 13.9.1984 - 2 C 22.83 -, BVerwGE 70, 110 [113]; Urt. v. 27.1.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 [90]; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 51 Rn. 33). Nichts anderes gilt auch hinsichtlich des Wiederaufnahmegrundes des § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG LSA i.V.m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO (OVG LSA, Urt. v. 3.12.2003 - A 3 S 615/98 -, UA S. 7). Die Zulässigkeit eines Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens setzt dabei zum einen voraus, dass das neue Beweismittel objektiv vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.4.1982, a.a.O.), und zum anderen, dass sich der Betroffene auf dieses Beweismittel beruft, d.h. das Beweismittel in das Verfahren einführt (BVerwG, Beschl. v. 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, NVwZ 1990, 359 f.). Letzteres wiederum setzt auch voraus, dass er das von ihm in Bezug genommene Beweismittel der Behörde vorlegt, um ihr überhaupt eine Überprüfung zu ermöglichen.

Hier mangelt es bereits an der zuletzt genannten Voraussetzung. Die Klägerin hat die von ihr als Beweismittel in Bezug genommene "Archivbescheinigung" schon nicht in einer Weise in das Wiederaufgreifensverfahren eingeführt, welche den Behörden eine Überprüfung der Bescheinigung und der etwaigen Relevanz ihres Inhalts ermöglicht hätte. Vielmehr hat die Klägerin die Bescheinigung während des gesamten Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens weder im Original noch in Kopie vorgelegt. Die bereits zu jenem Zeitpunkt anwaltlich vertretene Klägerin hat im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen die Ablehnung des Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens dazu lediglich vorgetragen, sie sei nunmehr im Besitz einer Archivbescheinigung, aus der sich ergebe, dass ihre beiden Eltern deutsche Volkszugehörige gewesen seien. Tatsächlich vorgelegt und damit in das Widerspruchsverfahren eingeführt hat sie diese nicht.

Von einem neuen Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG LSA kann ferner nicht ausgegangen werden, weil nicht ersichtlich ist, ob die Bescheinigung nicht bereits während der Anhängigkeit des ersten Verwaltungsverfahrens existierte. Aus der handschriftlich in russischer Sprache verfassten Bescheinigung (nach der Übersetzung: "Auszug aus den Akten über Geburten"), welche die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Original vorgelegt hat, lässt sich dies nicht ersehen. Diese Bescheinigung trägt kein Ausstellungsdatum und es ergibt sich auch nicht aus sonstigen Umständen, wann sie ausgestellt wurde. Die Klägerin hat hierzu im gesamten Verwaltungs- wie auch im gerichtlichen Verfahren weder dargelegt, wann dies gewesen sein soll noch woher sie die Bescheinigung erhalten hat und wann sie in ihren Besitz gelangt ist. Aus der in Kopie zu den Gerichtsakten gereichten Übersetzung (Bl. 13 der Gerichtsakte) ergibt sich lediglich, dass die Bescheinigung am 30. September 1996 ins Deutsche übersetzt wurde. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die Bescheinigung während des ursprünglichen Verfahrens auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung, das mit dem Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1996 abgeschlossen wurde, noch nicht existierte, führt dies nicht weiter. Denn es ist ebenfalls weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Bescheinigung (ohne Verschulden der Klägerin) nicht oder nicht rechtzeitig beigebracht werden konnte.

Indem es die Klägerin unterlassen hat, die von ihr in Bezug genommene Bescheinigung der Behörde vorzulegen und über die Herkunft und Relevanz der Bescheinigung schlüssige Angaben zu machen, hat sie auch einer weiteren Anforderung für das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG LSA nicht genügt. Erforderlich für die Zulässigkeit eines Antrags auf Wiederaufgreifen eines bestandskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens ist nämlich auch, dass das neue Beweismittel in Verbindung mit dem Antragsvorbringen geeignet erscheint, dem Antrag in der Sache zum Erfolg zu verhelfen. Dabei ist es Sache des Betroffenen, die Eignung des Beweismittels für eine ihm günstigere Entscheidung schlüssig darzulegen (BVerwG, Urt. v. 21.4.1982 - 8 C 75.80 -, NJW 1982, 2204). Dazu gehört auch, dass das Beweismittel als solches der Behörde zur Kenntnis gebracht und seine Herkunft und Beschaffung erläutert wird. Unterlässt der Betroffene die schlüssige Darlegung der Eignung des Beweismittels im zuvor genannten Sinne, so handelt die Behörde rechtmäßig, wenn sie dem Antrag nicht weiter nachgeht, sondern ihn als unzulässig ablehnt (BVerwG, Urt. v. 21.4.1982, a.a.O.). So aber liegt es hier. Denn die Klägerin hat dem Beklagten wie auch der Widerspruchsbehörde im Wiederaufgreifensverfahrens weder das Beweismittel vorgelegt noch schlüssig seine Eignung für eine ihr günstigere Entscheidung dargelegt. Durch die Vorenthaltung des Beweismittels und seines genauen Inhalts war der Beklagte nicht in der Lage, die Echtheit der Bescheinigung zu überprüfen. Eine solche Überprüfung hätte sich jedoch aufgedrängt, weil die Angaben in der Bescheinigung sowohl was das Geburtsdatum als auch was den Geburtsort der Klägerin betrifft, von den Angaben abwichen, die sie im gesamten vorangegangenen Verfahren gemacht und durch anderweitige Urkunden nachgewiesen hatte. Zu dieser Widersprüchlichkeit und den dadurch bedingten Zweifeln an der Eignung des Beweismittels hat sich die Klägerin auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht schlüssig geäußert.

Überdies scheitert ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG LSA unter den geschilderten Umständen auch daran, dass die Klägerin den von ihr bezeichneten Wiederaufnahmegrund nicht fristgemäß geltend gemacht hat. Nach § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG LSA ist der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens binnen einer Frist von 3 Monaten zu stellen. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG LSA). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausschlussfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG - ebenso wie das Verschuldensprinzip in Abs. 2 der Vorschrift - die Möglichkeiten für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheides im Interesse der Rechtssicherheit eng begrenzen soll. Das Erfordernis der Antragstellung und der Drei-Monats-Frist bedingen daher auch, dass der Betroffene die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst vortragen muss (BVerwG, Urt. v. 30.8.1988 - 9 C 47.87 -, NVwZ 1989, 161 f.; BayVGH, Beschl. v. 17.9.1997 - 8 ZB 97.31910 -, InfAuslR 1997, 470; HessVGH, Beschl. v. 8.3. 2000 - 12 UZ 1407/98.A -, NVwZ 2000, Beilage Nr. 8, 93 L; ThürOVG, Beschl. v. 6.3.2002 - 3 KO 428/99 -, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 3, 19 [20]; OVG LSA, Urt. v. 3.12.2003 - A 3 S 615/98 -). Hier hat die Klägerin innerhalb der Drei-Monats-Frist einen den genannten Anforderungen entsprechenden Antrag nicht gestellt. Kenntnis von der Bescheinigung hatte sie bereits (spätestens) im September 1996. Der von ihr im Oktober 1996 gestellte Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens genügte den Anforderungen nicht, da die Klägerin darin - wie oben dargelegt - unter anderem mangels Vorlegung eines Beweismittels die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht schlüssig vorgetragen hat. Dabei kann dahin stehen, ob sie diesen Anforderungen genügte, soweit sie ihren Vortrag im gerichtlichen Verfahren ergänzt und mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1998 eine Kopie sowie am 18. Juli 2001 das Original der von ihr in Bezug genommenen Bescheinigung vorgelegt hat. Denn jedenfalls lag dies nicht mehr innerhalb der (spätestens) Ende September 1996 beginnenden Drei-Monats-Frist.

Ein Anspruch der Klägerin auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ergibt sich auch nicht aus §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 VwVfG LSA. Zwar ist eine Behörde danach, wie § 51 Abs. 5 VwVfG LSA zeigt, grundsätzlich befugt, im Wege pflichtgemäßen Ermessens ein bestandskräftig abgeschlossenes Verfahren auch dann wiederaufzugreifen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne), wenn und soweit die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG LSA nicht vorliegen (st. Rspr. des BVerwG, vgl. Beschl. v. 15.9.1992 - 9 B 18/92 -, NVwZ-RR 1993, 667; Urt. v. 27.1.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 [92]; Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, Juris jeweils m.w.N.). Dieses pflichtgemäße Ermessen kann sich jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu einem Anspruch des Betroffenen auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit anschließender neuer Sachentscheidung verdichten. Einen strikten Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und den Erlass eines Zweitbescheids hat der Betroffene in der Regel auch dann nicht, wenn der Ursprungsverwaltungsakt (schlicht) rechtswidrig ist (BVerwG, Urt. v. 30.1.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333 [336]; Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, Juris). Vielmehr ist eine entsprechende Ermessensreduzierung auf Null lediglich dann anzunehmen, wenn sich aus dem Zusammenhang mit anderen Rechtsvorschriften oder angesichts der besonderen Umstände des konkreten Falles ergibt, dass eine Aufrechterhaltung der bestandskräftigen Entscheidung schlechthin unerträglich wäre, etwa weil die Sachentscheidung offensichtlich fehlerhaft oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben oder die guten Sitten vorläge (BVerwG, Urt. v. 27.1.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 [92]; Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, Juris, Beschl. v. 23.6.2004 - 1 WB 12.04 -, Juris; OVG LSA, Beschl. v. 1.4.2004 - 2 O 305/04 -; Kemper, NVwZ 1985, 872 [874] jeweils m.w.N.). Derartige Umstände, nach denen die Aufrechterhaltung des in Bestandskraft erwachsenen Erstbescheides über die Ablehnung der Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung in dem zuvor genannten Sinne unerträglich wäre, sind hier jedoch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Regierungspräsidium Halle in dem Widerspruchsbescheid vom 28. April 1998 auch nicht mit einer erneuten Sachentscheidung den Weg zu einer entsprechenden gerichtlichen Kontrolle eröffnet.

Vom Ausgangspunkt trifft es zu, dass die Befugnis zum Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne die Möglichkeit für die Behörde einschließt, wiederum einen ablehnenden Bescheid in der Sache zu erlassen (sog. Zweitbescheid) und damit zugunsten des Betroffenen erneut den Weg zu einer gerichtlichen Sachprüfung zu eröffnen (BVerwG, Urt. v. 15.12.1987 - 9 C 285.86 -, BVerwGE 78, 332 [340]; Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, Juris). Systematisch zu unterscheiden ist einerseits zwischen der Ermessensentscheidung, ob ein Verfahren im weiteren Sinne wieder aufzugreifen ist, die Behörde mithin in eine Sachprüfung eintritt, ob der ursprüngliche Verwaltungsakt aufzuheben ist, oder sie sich auf die Bestandskraft beruft, und andererseits dem Ergebnis der erneuten Sachprüfung. Tritt eine Behörde nach entsprechender Ermessensentscheidung in eine erneute Sachprüfung ein und lehnt nach neuerlicher Sachprüfung den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts (unter Aufhebung des ablehnenden Ursprungsbescheids) erneut ab, unterliegt diese neuerliche Sachentscheidung nach allgemeinen Grundsätzen in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerwG, Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, Juris m.w.N.).

Hier lässt sich jedoch, anders als die Klägerin meint, nicht feststellen, dass das Regierungspräsidium mit dem Widerspruchsbescheid vom 28. April 1998 eine erneute Sachentscheidung getroffen hat. Ob eine Behörde eine solche getroffen und damit einen sog. Zweitbescheid erlassen hat, ist durch eine am objektiven Sinn der Erklärung orientierte Auslegung des Bescheides zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.3.1996 - 7 C 36.95 -, Juris; Beschl. v. 23.6.2004 - 1 WB 12.04 -, Juris; Sachs, in: Stelkens/Bonk/-Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 51 Rn. 58 jeweils m.w.N.). Diese ergibt hier, dass das Regierungspräsidium eine erneute Sachentscheidung nicht getroffen hat. Zum einen folgt dies daraus, dass sich das Regierungspräsidium gerade auf die Bestandskraft des ablehnenden Bescheides des Beklagten berufen hat. Es hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass der ursprüngliche Bescheid bestandskräftig geworden sei und Einwendungen gegen seine Rechtmäßigkeit im Klagewege hätten vorgebracht werden müssen und können. Zum anderen hat das Regierungspräsidium auch seine weiteren - von der Klägerin in Bezug genommenen - Erwägungen zur Sachentscheidung des Beklagten unter dem rechtlichen Obersatz angestellt, ob im Wege des Ermessens ein Wiederaufgreifen (im weiteren Sinne) bejaht werden könne und dies im Ergebnis verneint. Zwar hat das Regierungspräsidium dabei auch ausgeführt, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Entscheidung des Beklagten, die Erteilung der beantragten Spätaussiedlerbescheinigung abzulehnen, rechtswidrig gewesen sei, weil die Klägerin die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (a.F.) nicht erfülle. Allerdings handelt es sich bei dieser Erwägung allein um einen zusätzlichen Gesichtspunkt im Rahmen der Ermessensausübung, mit der das Regierungspräsidium auf den Vortrag der Klägerin eingegangen ist. Es hat damit seine Ermessensentscheidung, den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens abzulehnen, ergänzend begründet, nicht aber eine neue Sachentscheidung getroffen. Allein durch den Umstand, dass eine Behörde - wie hier - bei der Ermessensentscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens (im weiteren Sinne) auf die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe gegen die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts eingeht, wird ihr die Berufung auf die Bestandskraft der Erstentscheidung nicht abgeschnitten (vgl. OVG NW, Beschl. v. 26.11.1993 - 1 A 3651/91 -, NVwZ 1995, 1138 [1139]; Sachs, in: Stelkens/Bonk/-Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 20).

3. Es besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf eine erneute Ermessensentscheidung des Beklagten über das Wiederaufgreifen des Verfahrens.

Zwar korrespondiert mit der Verpflichtung der Behörde, über die Frage des Wiederaufgreifens im weiteren Sinne nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 15.12.1987 - 9 C 285.86 -, BVerwGE 78, 332 [338]; Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, Juris; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 15). Allerdings lassen sich hier keine Ermessensfehler der Behörde feststellen, die einen Anspruch auf erneute Ermessensentscheidung rechtfertigen könnten. Welche Ermessenserwägungen von der Behörde anzustellen und in welchem Umfang sie sich gegebenenfalls mit der etwaigen Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts auseinander zu setzen hat, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.8.1989 - 7 B 57.89 -, NVwZ-RR 1990, 26 f.). Grundsätzlich handelt eine Behörde nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie eine erneute Sachentscheidung wegen eines Anspruchs ablehnt, dessen Bestehen rechts- oder bestandskräftig abgelehnt worden ist; insoweit bedarf es grundsätzlich auch keiner ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde (BVerwG, Urt. v. 27.1.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 [92]). Auch gibt die behauptete Rechtswidrigkeit des unanfechtbar gewordenen Erstbescheids allein keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen, sondern ist lediglich ein Anlass für die Ermessensentscheidung der Behörde (BVerwG, Urteil v. 30.1.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333 [336]). Umstände, die eine erneute Entscheidung im Einzelfall gebieten, müssen von einer den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht sein und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides schlechthin unerträglich erscheinen lassen (vgl. dazu bereits oben sowie etwa BVerwG, Urt. v. 27.1.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 [92 m.w.N.]).

Zum einen sind derartige Gründe - wie bereits oben dargelegt - hier weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Zum anderen stellt es sich nicht ermessensfehlerhaft dar, dass das Regierungspräsidium eine (offenkundige) Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Ablehnungsbescheids nicht zu erkennen vermochte und das Wiederaufgreifen des Verfahrens auch mit der Erwägung abgelehnt hat, es bestünden keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass die ursprüngliche Entscheidung im Ergebnis fehlerhaft gewesen sei. Soweit die Klägerin aus der von ihr in Bezug genommenen Archivbescheinigung Gegenteiliges hat herleiten wollen, hat sich das Regierungspräsidium neben (nicht offenkundig fehlerhaften) Erwägungen zur mangelnden rechtlichen Relevanz dieser Bescheinigung in nicht zu beanstandender Weise auch darauf zurückgezogen, dass die Klägerin diese Bescheinigung tatsächlich nicht vorgelegt habe.

Der Umstand, dass die Klägerin die Bescheinigung später im gerichtlichen Verfahren vorgelegt hat, führt nicht zur Ermessensfehlerhaftigkeit der das Wiederaufgreifen des Verfahrens ablehnenden Entscheidung des Regierungspräsidiums. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist abweichend von der sonst für Verpflichtungsklagen zugrunde gelegten "Regel" grundsätzlich der Zeitpunkt des Ergehens der letzten behördlichen Entscheidung, hier des Ergehens des Widerspruchsbescheides (BVerwG, Urt. v. 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176 [191 f.]; Urt. v. 13.11.1981 - 1 C 69/78 -, NJW 1982, 1413; Urt. v. v. 21.1.1992 - 1 C 49.88 -, NVwZ 1992, 1211; Urt. v. 24.1.1995 - 1 C 2.94 -, BVerwGE 97, 301 [310]; BayVGH, Urt. v. 16.3.1990 - 23 B 89.02322 -, NVwZ 1991, 396; VGH BW, Beschl. v. 22.6.1990 - 4 S 2257/89 -, NVwZ-RR 1991, 55 [56]; Urt. v. 16.5.1997 - 5 S 1842/95 -, VBlBW 1998, 29; OVG NW, Urt. 10.7.2003 - 14 A 1496/01 -, UA S. 10; Kuntze, in: Bader u.a., VwGO, 2. Aufl. 2002, § 114 Rn. 5; a.A. wohl OVG NW, Urt. v. 2.12.1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: 1997, § 113 Rn. 66 Fn. 307). Dies wird unter anderem aus der Erwägung abgeleitet, dass eine ursprünglich zutreffende Ermessensentscheidung nicht dadurch nachträglich ermessensfehlerhaft werden kann, dass bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht Änderungen eintreten (BayVGH, Urt. v. 16.3.1990, a.a.O.). Jedenfalls hat dies nach Ansicht des Senats für die Ermessensentscheidung über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne zu gelten. Denn ansonsten könnten die strengen Anforderungen des § 51 VwVfG LSA umgangen werden. Dem aus dieser Vorschrift zu entnehmenden Rechtsgedanken, dass die Möglichkeiten für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheides im Interesse der Rechtssicherheit eng begrenzt bleiben sollen und neue Beweismittel daher zeitnah geltend zu machen und vorzulegen sind, würde durch die Gewährung der Möglichkeit, auch im gerichtlichen Verfahren noch beliebig neue Beweismittel einbringen zu können, welche die Behörde noch nicht zur Kenntnis hat nehmen können, nicht Rechnung getragen, sondern entgegengewirkt. Vor diesem Hintergrund ist der Betroffene dann darauf zu verweisen, neue Beweismittel in einem neuen behördlichen Verfahren auf Wiederaufgreifen des Verfahrens einzubringen. Insofern ergibt sich die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der letzten Behördenentscheidung auch aus dem hier für die Entscheidung bedeutsamen materiellen (Verfahrens-)Recht (vgl. dazu, dass sich die Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung maßgeblich ist, in erster Linie nach Maßgabe des materiellen Rechts und, wenn diesem keine Anhaltspunkte zu entnehmen sind, grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung bestimmt: BVerwG, Urteil v. 25.11.1981 - 8 C 14.81 -, BVerwGE 64, 218 [221 f.]; Urteil v. 29.03.1996 - 1 C 28.94 -, Buchholz 402.240 § 20 AuslG 1990 Nr. 2).

Nach Maßgabe des Vorstehenden ist der Senat bei der Überprüfung der in Rede stehenden Ermessensentscheidung im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 28. April 1998 auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt nach den damaligen Erkenntnissen getroffenen Entscheidung beschränkt. Diese ist - wie dargelegt - nicht zu beanstanden. Ob die Ermessensentscheidung, das Verfahren nicht wieder aufzugreifen, auch unter Heranziehung, Überprüfung und Auswertung der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung noch in dieser Form rechtmäßig getroffen werden könnte, bedarf keiner Entscheidung. Dies könnte - was der Klägerin unbenommen bleibt - allenfalls in einem neuen, in schlüssiger Weise auf diesen Gesichtspunkt gestützten Verfahren auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (im weiteren Sinne) von Bedeutung sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176 [192]).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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