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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 4 L 120/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
Soweit die in (nachfolgenden) Bescheiden ausgewiesenen "rückständigen" Zahlungen an die im vorhergehenden Bescheid festgesetzte und angeforderte Grundsteuer anknüpfen, stellen diese "rückständigen Zahlungen" lediglich die (informatorische) Fortschreibung von zuvor bereits fällig gestellten Forderungen dar.
Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Grundsteuern.

Er ist als Gesamtvollstreckungsverwalter für das am 1. Februar 1996 gegen die A. Möbel GmbH eröffnete Gesamtvollstreckungsverfahren bestellt.

Mit "Änderungs-Bescheid" vom 1. Juli 2003 wurde der Kläger für das "Geschäftsgrundstück A. Möbel, Neue Straße 19" für das Jahr 2003 zu einer Nachzahlung von 736,28 € herangezogen. Der Bescheid enthält darüber hinaus nachfolgende (auszugsweise dargestellte) Angaben:

Kontoauszug 2003

 Rest aus Vorjahr+ bisheriges Soll+ heutige Anford.= Gesamtforderungbisher gezahltzu zahlen
100.622,278.589,68736,28109.948,230,00109.948,23

Bitte zahlen Sie zu den nachfolgend aufgeführten Terminen:

Sofort (rückständige Zahlungen)....................................: 104.917,11

 04.08.200315.08.200315.11.2003
368,142.331,492.331,49

Seine nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage hat der Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Grundsteuerbescheide für die Zeit nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens seien ihm nicht zugegangen. Erst der streitgegenständliche Bescheid vom 1. Juli 2003 sei ihm bekannt gegeben worden. Dieser Bescheid enthalte eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 104.917,11 €. Dieser Betrag beinhalte mutmaßlich auch Forderungen, welche in den Jahren 1991 bis 1996 - bezogen auf das Grundstück Feldstraße 19 - entstanden seien und somit einfache Insolvenzforderungen darstellten. Eine Zahlung hierauf sei unzulässig.

Der Kläger hat beantragt,

den Grundsteuerbescheid der Beklagten vom 1. Juli 2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 10. September 2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Gegenstand der Klage sei allein ihr auf das Geschäftsgrundstück Neue Straße 19 bezogener und rechtsfehlerfrei ergangener Änderungsbescheid vom 1. Juli 2003. Soweit der Kläger die gesamten Grundsteuerbescheide mit der Begründung angreife, die Bescheide nicht erhalten zu haben, sei sein Einwand unbegründet. Die Grundsteuern für den Zeitraum 1. Februar 1996 bis 22. Januar 2001 seien ihm gegenüber bestandskräftig festgesetzt worden.

Durch Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 3. Februar 2006 ist - unter Klageabweisung im Übrigen - der Grundsteuerbescheid der Beklagten vom 1. Juli 2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 10. September 2003 aufgehoben worden, soweit darin eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 104.917,11 € enthalten ist: Die Beklagte habe gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Grundsteuern in Höhe von 104.917,11 €. Der angegriffene Bescheid der Beklagten umfasse sowohl die Änderung der Grundsteuer für das Jahr 2003 als auch eine Zahlungsaufforderung an den Kläger, weitere Grundsteuern in Höhe von 104.917,11 € zu zahlen. Bei der vorgenannten Zahlungsaufforderung handele es sich um eine selbständige Regelung und nicht nur um eine informatorische Bezeichnung eines bereits zuvor fällig gestellten Zahlungsrückstands. Die Beklagte habe schon nicht darlegen können, aus welchen Grundsteuerforderungen sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetze. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass entsprechend der Behauptung des Klägers in der Zahlungsaufforderung auch Grundsteuerforderungen für die Jahre 1991 bis 1996 für die "C-Straße" enthalten seien, die von der Beklagten bereits im Jahr 1996 zur Tabelle angemeldet worden seien und deswegen nicht mehr mit Bescheid festgesetzt werden dürften. Demgegenüber sei der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig, soweit darin Grundsteuern für das Jahr 2003 in Höhe von 736,28 € festgesetzt worden seien. Dieser Bescheid sei dem Kläger in seiner Funktion als Gesamtvollstreckungsverwalter zugegangen. Die erhobene Steuer sei auch zutreffend berechnet.

Ihre vom Senat zugelassene Berufung begründet die Beklagte wie folgt: Regelungsgegenstand des angegriffenen Änderungsbescheides vom 1. Juli 2003 sei lediglich die für das Jahr 2003 erhöhte Grundsteuer in Höhe von 736,28 €. Die räumlich abgetrennte Zahlungsaufforderung am Ende des Bescheides über 104.917,11 € habe keinen Regelungscharakter. Erkennbar seien von der Gesamtforderung ("Kontoauszug 2003") die nach dem Bescheid fälligen Zahlungen ("zum 04.08.2003, 15.08.2003 und 15.11.2003") in Höhe von insgesamt 5.031,12 € herausgerechnet worden. Im angefochtenen Bescheid sei der Betrag von 736,28 € ausdrücklich mit dem Hinweis "heutige Anforderung" versehen und der Bescheid als "Änderungsbescheid" deklariert. Die "rückständigen Zahlungen" setzten sich aus den Anforderungen des Restes aus dem Vorjahr, der Forderung nach dem alten Hebesatz in Höhe von 8.589,68 € sowie der Forderung aus dem angegriffenen Änderungsbescheid in Höhe von 736,28 € abzüglich der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 1. Juli 2003 noch nicht fälligen Forderungen zusammen. Dies sei für den Kläger insbesondere nach dem Inhalt ihres - vorhergehenden - Bescheides vom 12. Februar 2002 erkennbar gewesen. Hinsichtlich der "rückständigen Zahlungen" knüpften die Bescheide für die einzelnen Jahre an die Vorjahre an. Bei dem "Kontoauszug 2003" handele es sich mithin um die Benennung von Rückständen aus bereits erlassenen Bescheiden. Eine andere Sichtweise hätte im Übrigen zur Folge, dass die in einem Steuerbescheid gemachten Angaben über rückständige Zahlungen stets angefochten werden könnten und damit auch die Ursprungsbescheide einer erneuten Prüfung unterzogen werden müssten.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagte aus dem Grundsteuer-Änderungsbescheid vom 1. Juli 2003 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2003 gegenüber dem Kläger keine Rechte herleiten kann.

Er entgegnet: Er habe bei objektiver Würdigung davon ausgehen können, dass mit dem festgesetzten, sofort fällig gestellten Zahlungsbetrag in Höhe von 104.917,11 € eine eigenständige Regelung getroffen worden sei. Im Übrigen sei ihm der Bescheid vom 12. Februar 2002 weder bekannt gemacht noch zugestellt worden. Ein rechtlich geschütztes Interesse an dem Feststellungsbegehren folge daraus, dass nicht ersichtlich sei, worauf sich die Forderung der Beklagten im Einzelnen beziehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen; die Gegen- stand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, die nach rechtskräftiger Klageabweisung hinsichtlich der Nachforderung in Höhe von 736,38 € und der Zahlungsaufforderung über insgesamt 5.031,12 € allein die "rückständigen Zahlungen" von 104.917,11 € zum Gegenstand hat, ist begründet.

Zu Unrecht hat die Vorinstanz in der Zahlungsaufforderung des Bescheides der Beklagten vom 1. Juli 2003 über 104.917,11 € eine Leistungsaufforderung mit Regelungscharakter gesehen.

Wird in einem Abgabenbescheid nicht nur die Abgabe für einen bestimmten Abrechnungszeitraum festgesetzt, sondern daneben auch ein Zahlungsrückstand aus früheren Festsetzungen und fälligen Zahlungsaufforderungen ausgewiesen, ist in Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB zu ermitteln, ob die Angabe rückständiger Zahlungen lediglich informatorisch erfolgt ist oder Regelungsgehalt des Bescheides in Form einer abgeänderten Festsetzung bzw. Zahlungsaufforderung sein soll (OVG Weimar, Beschl. v. 26.07.2005 - 4 EO 131/02 -).

Hiernach handelt es sich bei der Zahlungsaufforderung im angegriffenen Änderungsbescheid der Beklagten vom 1. Juli 2003 in Höhe von 104.917,11 € nicht um eine selbständig (anfechtbare) Regelung. Dies folgt insbesondere aus dem Inhalt der diesem Bescheid vorangehenden Grundsteuerbescheide. Diese Steuerbescheide sind jeweils mit einer eigenständigen Zahlungsaufforderung versehen. Die in den (nachfolgenden) Bescheiden ausgewiesenen "rückständigen" Zahlungen knüpfen an die im vorhergehenden Bescheid festgesetzte und angeforderte Grundsteuer an und stellen damit lediglich die (informatorische) Fortschreibung von zuvor bereits fällig gestellten Forderungen dar. Dem entspricht, dass die Zahlungsaufforderung (Leistungsgebot) in dem Bescheid vom 1. Juli 2003 ("zum 04.08.2003" usw.) von dem Betrag "rückständige Zahlungen" abgesetzt ist. Auf die mangelnde Bekanntgabe der dem Bescheid vom 1. Juli 2003 vorangehenden Bescheide kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Diese Steuerbescheide, die sich jeweils auf das Grundstück "Neue Str. 19" beziehen, sind dem Kläger als Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 20. Februar 2006 durch das Gericht zugeleitet worden. Der Inhalt dieser Bescheide begründet - ungeachtet einer formell ordnungsgemäßen Bekanntgabe - auslegungsrelevante Umstände, die aus Sicht des Klägers als objektivem Erklärungsempfänger den Schluss nahe legen, dass den "rückständigen Zahlungen" lediglich informatorischer Charakter beizumessen ist und eine hierauf bezogene Regelungsabsicht der Beklagten erkennbar nicht vorliegt. Demgegenüber vermag allein der Umstand, dass (auch) der Bescheid vom 1. Juli 2003 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, das vorstehende Auslegungsergebnis nicht in Frage zu stellen.

Eine abweichende Auslegung ist im Übrigen auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Regelungsgehalt des - nach dem Akteninhalt zweifelsfrei bekannt gegebenen - streitgegenständlichen Bescheides vom 1. Juli 2003 losgelöst von den vorhergehenden Bescheiden zu bewerten ist. Dieser Bescheid ist als "Änderungs-Bescheid" bezeichnet und knüpft damit an einen vorhergehenden Bescheid an. Darüber hinaus enthält der Bescheid die Rubrik "Rest aus Vorjahr" und ordnet den Betrag von 104.917,11 € den "rückständigen Zahlungen" zu. Das Leistungsgebot aus dem Bescheid ("Zahlungen zum 04.08.2003" usw.) ist dabei unberücksichtigt geblieben. Dies alles legt auch bei isolierter Betrachtung des Bescheides vom 1. Juli 2003 die Annahme nahe, dass es sich bei dem Betrag von 104.917,11 € um (fortgeschriebene) Rückstände aus erlassenen Bescheiden handelt.

Mit seinem Hilfsantrag bleibt der Kläger ebenfalls erfolglos. Soweit sich sein Feststellungsbegehren auf den Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2003 in seiner Gesamtheit bezieht, lässt er unberücksichtigt, dass der Bescheid, soweit es um die Grundsteuerfestsetzung und das Leistungsgebot geht, nach der insoweit in Rechtkraft erwachsenen vorinstanzlichen Entscheidung bestandskräftig geworden ist und die Beklagte naturgemäß nicht gehindert ist, daraus Rechte herzuleiten. Im Hinblick auf die im streitgegenständlichen Grundsteuerbescheid ausgewiesenen "rückständigen Zahlungen" ist schon ein Feststellungsinteresse zu verneinen, weil aus einer bloßen informatorischen Mitteilung schon vom Ansatz her keine "Rechte" hergeleitet werden können.

Nach alledem kann dahinstehen, welche Folgerungen aus dem Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2005 herzuleiten sind, der dem Kläger mit Schriftsatz der Beklagten vom 20. Februar 2006 durch das Gericht (vgl. dazu auch BVerwG, Beschl. v. 06.05.1991 - 1 B 41/91 -) übersandt worden ist und der eine Ermäßigung der "rückständigen Zahlungen" auf 92.032,48 € ausweist. Denn an der Bewertung dieser Zahlungsaufforderung als (bloßer) informatorischer Hinweis ändert sich nichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil keine Revisionsgründe (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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