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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 15.04.2004
Aktenzeichen: A 2 S 375/99
Rechtsgebiete: AuslG, GG


Vorschriften:

AuslG § 51 I
AuslG § 53 VI 1
GG Art. 1 I
GG Art. 2 II
1. Äthiopiern droht bei Rückkehr nicht deshalb politische Verfolgung, weil sie in Deutschland ein Asylverfahren betrieben haben.

2. Amharen sind nicht wegen ihrer Volkzugehörigkeit Verfolgungen ausgesetzt.

3. Die politische Verfolgung von Gegnern der äthiopischen Regierung ist zwar nicht ausgeschlossen, aber nur im zu bewertenden Einzelfall beachtlich wahrscheinlich.

Maßgeblich ist der Grad der politischen Aktivitäten und deren mutmaßliche Gefährlichkeit für die äthiopische Regierung.

Das gilt auch für Mitglieder der Auslands-AAPO.

4. Das Innehaben einer nominell herausgehobenen Stellung - hier: des Sekretärs einer regionalen AAPO-Gruppe - reicht dafür nicht aus.

5. Die allgemeine Lage in Äthiopien rechtfertigt kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG i. V. m. Art. 1 Abs. 1; 2 Abs. 2 GG.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: A 2 S 375/99

Datum: 15.04.2004

Tatbestand:

Der ... Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger. Nach seinen Angaben reiste er ... über den Frankfurter Flughafen in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte in Schwalbach seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Im Termin zur Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) ... trug der Kläger zur Begründung seines Asylbegehrens im Wesentlichen vor: Er sei seit ihrer Gründung im Jahre 1991 Mitglied der Oppositionspartei AAPO gewesen und habe die Aufgabe gehabt, Propaganda für die Ideen der Partei zu machen und Leute zu werben. Nach einer gewissen Zeit habe die Regierung angefangen, Mitglieder der Partei festzunehmen und zu schikanieren. Im Jahre 1994 hätten sich die Vorfälle gehäuft; insbesondere sei der Vorsitzende der AAPO, Prof. Asrat, festgenommen worden. Danach sei es immer schlimmer geworden. Zu Beginn der Gerichtsverhandlung gegen Prof. Asrat sei es im Rahmen einer Demonstration zu Schlägereien zwischen Polizei und Demonstranten gekommen, in deren Folge sogar Demonstranten erschossen worden seien. Man habe die Leute festgenommen, die eine Mitgliedsbescheinigung der AAPO gehabt hätten. Deswegen sei es notwendig gewesen, die Bescheinigung immer versteckt zu halten. Nachdem sich die Situation zugespitzt habe, habe er im September 1995 versucht, nach Kenia zu fliehen. Dieser Versuch sei jedoch gescheitert, und er sei festgenommen worden. Bis August 1997 sei er deswegen im Gefängnis Holleta, einem Vorort von Addis Abeba, in Haft gewesen. Ein Gerichtsverfahren habe es nie gegeben. Er sei aber mehrfach verhört worden. Ihm seien Regimegegnerschaft und die Mitgliedschaft in der AAPO vorgeworfen worden. Im Gefängnis sei es ihm sehr schlecht gegangen. Er sei gefoltert worden, indem man ihn in kaltes Wasser gesteckt und über Sand geschleppt habe. Auch sei er mit Essensentzug und Verweigerung der Notdurftverrichtung bestraft worden. Das Essen sei nicht ausreichend gewesen. Er habe aber alle vierzehn Tage Besuch von seiner Familie bekommen, die ihm etwas zu essen gebracht habe. In seiner Zelle seien noch 24 andere Leute gewesen. Da eine Flucht aus dem Gefängnis nahezu unmöglich gewesen sei, habe seine Familie einen höherrangigen Offizier, der schon unter dem vorhergehenden Regime Dienst getan habe, bestochen. Mit dessen Hilfe sei er nachts, ohne dass die anderen Wärter etwas gemerkt hätten, aus dem Gefängnis herausgebracht worden. Der Bedienstete habe ihn mit seinem Polizeiauto bis ans Gefängnistor gebracht, das sie unbehelligt hätten passieren können. Draußen habe seine Familie gewartet und ihn übernommen. Danach habe er sich zwei Monate lang zu Hause von den Folgen des Gefängnisaufenthalts erholen und regenerieren können. Er habe sich bei seinen Verwandten versteckt, bis seine Familie alles mit den in Deutschland ansässigen Schleppern organisiert habe. Am 19.10.1997 habe er schließlich Addis Abeba mit einem Flugzeug der Fluggesellschaft Ethiopian Airlines verlassen. Inzwischen habe er von seinem Bruder erfahren, dass die Polizei nach ihm suche, so dass er im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien sicherlich umgebracht werden würde.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27.05.1998 den Asylantrag des Klägers ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG nicht vorliegen und drohte ihm die Abschiebung nach Äthiopien an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe schon seine Mitgliedschaft in der AAPO nicht glaubhaft machen können. Die von ihm vorgelegten Unterlagen seien offensichtlich gefälscht. Seine Behauptung, wegen dieser Mitgliedschaft in der AAPO festgenommen, über zwei Jahre inhaftiert und misshandelt worden zu sein, sei daher als frei erfunden anzusehen, um irgendein Verfolgungsschicksal zu konstruieren. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum der Kläger sich gerade zu Hause zwei Monate lang von den angeblichen Folgen einer angeblichen Haft erholt haben will, obwohl er habe wissen müssen, dass die Polizei ihn nach seiner Flucht suchen würde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Bundesamtsbescheides verwiesen.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 09.06.1998 unter Darstellung der politischen und Menschenrechtssituation in Äthiopien vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben und ergänzend ausgeführt, er habe sich nicht zu Hause aufgehalten und erholt, sondern bei Verwandten versteckt. Die beim Bundesamt vorgelegte Mitgliedsbescheinigung habe er sich von einem Freund aus Äthiopien schicken lassen und nicht weiter überprüft.

Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Kläger unter Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung der All Amhara People's Organisation (AAPO; amharisch: Mahad-Partei) in Deutschland sowie zahlreicher Fotos, Einladungsschreiben und Presseartikel in amharischer Sprache ergänzend vorgetragen, er sei in Deutschland aktives Mitglied der AAPO-Deutschland und nehme an den regelmäßigen Treffen der AAPO-Berlin teil. Auch sei er Mitbegründer und eine treibende Kraft bei der Organisation des sich im Aufbau befindlichen Verbandes Halle/Magdeburg und kümmere sich intensiv um die Anwerbung neuer Mitglieder. Am 28.02.1998 habe er gemeinsam mit achtzig weiteren Demonstranten in Berlin eine Veranstaltung der äthiopischen Botschaft Bonn gestürmt. Dabei habe es sich um eine Propagandaveranstaltung der EPRDF gehandelt, die von dem Konsul der äthiopischen Botschaft in Bonn geleitet worden sei. Es seien auch regierungstreue Studenten anwesend gewesen, unter ihnen Herr Salew, den er persönlich aus Halle kenne. Herr Salew sei zwischenzeitlich wieder in Addis Abeba und bekleide aufgrund seiner EPRDF-Mitgliedschaft eine Dozentenstelle an der dortigen Universität. Die Demonstranten hätten Bilder von prominenten inhaftierten und verschwundenen Mitgliedern der AAPO hoch gehalten und das anwesende Botschaftspersonal nach dem Verbleib dieser Parteimitglieder befragt. Es sei zu heftigen Wortgefechten gekommen. Die Demonstranten hätten die äthiopische Regierung aufgefordert, die Gefangenen unverzüglich frei zu lassen, und den Rücktritt der Regierung sowie die Einführung demokratischer Strukturen gefordert. Im Rahmen des Protestes seien sowohl von den Demonstranten als auch von der Botschaftsseite Fotos von den Demonstranten gemacht worden. Nach dem Eintreffen der vom Botschaftspersonal gerufenen Polizei habe sich die Besetzung schließlich friedlich aufgelöst. Auch in der äthiopischen Presse sei detailliert vom Ablauf der Geschehnisse bei der Erstürmung des Saales berichtet worden. Es sei daher davon auszugehen, dass er aufgrund dieser Veranstaltung und des Umstandes, dass er öffentlich die Beseitigung der derzeitigen Regierung gefordert habe, sowie insbesondere aufgrund der Anwesenheit des Studenten Salew den äthiopischen Behörden namentlich bekannt sei. Darüber hinaus habe er an einer Demonstration am 28.05.1998 in Bonn für die Freilassung von Prof. Asrat Woldeyes, einer Informationsveranstaltung über die aktuelle Lage in Äthiopien am 23.08.1998 in Berlin sowie an einer Demonstration am 28.05.1999 in Bonn gegen die Menschenrechtsverletzungen der äthiopischen Regierung teilgenommen. Da die äthiopische Regierung bzw. ihre Behörden die Aktivitäten der Exilopposition und ihrer Mitglieder in Deutschland genau beobachteten und registrierten, drohe ihm im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland zumindest Inhaftierung auf unbestimmte Zeit.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger erklärt, er habe ausreisen müssen, weil er sehr aktiv für die Mahad-Partei tätig und dies dem äthiopischen Geheimdienst bekannt gewesen sei. Er vermute, dass ihn sein Freund, der Vorsitzender des Forums 84, einer Jugendorganisation der Regierungspartei, gewesen sei, verraten habe. Sein Freund habe immer wieder versucht, ihn für das Forum zu gewinnen und später, als er gemerkt habe, dass er eigentlich nicht beitreten könne und wolle, durch die Polizei als Regierungsfeind beobachten lassen. Seine Festnahme an der Grenze zu Kenia habe damit aber nichts zu tun. Er sei festgenommen worden, weil er versucht habe, Äthiopien ohne Papiere zu verlassen. Papiere habe er bewusst nicht mitgenommen, weil man ihn gesucht habe. Er sei für drei Tage inhaftiert worden. Er habe versucht, Äthiopien zu verlassen, nachdem er an einer Demonstration aus Anlass der Verhaftung von Prof. Asrat teilgenommen habe. Er habe sich zunächst ein paar Monate bei seinem Bruder versteckt und sei dann, nachdem man ihn auch dort gesucht habe, mit einem Bus, einem LKW und später zu Fuß zur kenianischen Grenze gelangt. Von Ende September 1995 bis Anfang September 1997 sei er im Gefängnis von Holleta gewesen. Er sei ständig verhört worden. Sie hätten ihn in der Nacht aus der Zelle geholt, ihn in eiskaltes Wasser getaucht und nackt auf dem Sand gerollt. Er habe die Toilette manchmal nur alle vierundzwanzig Stunden benutzen dürfen. In der Zelle seien ca. fünfundzwanzig Leute gewesen, die manchmal einfach nicht wieder aufgestanden seien, weil die Luft so schlecht und überall Schimmel gewesen sei. Auch das Essen sei kaum genießbar gewesen. Seine Familie habe es dann ermöglicht, dass er das Gefängnis mit Hilfe eines Ex-Offiziers der Mengistu-Regierung habe verlassen können. Dieser Offizier sei für die Regierung tätig gewesen und habe die Gefangenen untersucht und befragt. Er habe ihn mit seinem Polizeiauto aus dem Gefängnis heraus gebracht. Dort hätten seine beiden älteren Brüder mit einem Auto gewartet und sie seien zu ihrer Tante gefahren. Dort habe er sich eine Woche aufgehalten. Dann sei er zu seiner Mutter gegangen; sein Vater sei zu diesem Zeitpunkt schon verstorben gewesen. Dort habe er sich einen Monat und fünfzehn Tage aufgehalten. In dieser Zeit hätten seine Brüder seine Ausreise vorbereitet.

Mit Urteil vom 06.07.1999, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, weil der Kläger ein asylerhebliches persönliches Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft gemacht habe und Abschiebungshindernisse gemäß §§ 51, 53 AuslG nicht gegeben seien.

Der Senat hat auf den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 01.08.2000 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen zugelassen und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen vor, er sei am 26.02.2000 zum Sekretär der AAPO-Gruppe Sachsen gewählt worden und damit in die Führungsriege dieser Organisation aufgestiegen. Im Rahmen seiner Sekretärstätigkeiten habe er bereits mehrere Veranstaltungen geleitet und in maßgeblicher Funktion organisiert, beispielsweise das Sport- und Hoffest der Jugendwerkstatt Bauhof in Halle, welches am 28.09.2000 unter dem Schwerpunkt der Information zur aktuellen politischen Lage in Äthiopien stattgefunden habe. Am 25.05.2002 habe er an einer Demonstration gegen das äthiopische Regime in Berlin teilgenommen und Flugblätter verteilt.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern, soweit die Klage auch wegen der Abschiebungshindernisse abgewiesen worden ist, und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Mai 1998 insoweit zu verpflichten, festzustellen, dass einer Rückführung des Klägers nach Äthiopien Abschiebungshindernisse entgegen stehen, und zwar in erster Linie nach § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes und hilfsweise nach § 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes.

Die Beklagte und der Beteiligte haben sich nach Anhörung nicht geäußert.

Der Senat hat zur Gefährdungssituation der im Exil lebenden Mitglieder der AAPO durch Beschluss vom 05.12.2000 Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf die Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 08.02.2001, des Instituts für Afrika-Kunde vom 19.01.2001 und amnesty international vom 13.08.2001 verwiesen. Im Übrigen hat der Senat die zu verwertenden Auskünfte sachverständiger Stellen aufgelistet und den Beteiligten übersandt; darauf wird Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen; diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der Sitzung vom 15.04.2004 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte und der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten waren; denn auf die Folgen ihres Ausbleibens sind sie in der ihnen rechtzeitig zugestellten Ladung hingewiesen worden (§ 125 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 [BGBl I 3987], i. V. m. § 102 Abs. 2 VwGO).

Gegenstand der Berufung ist aufgrund ihrer eingeschränkten Zulassung durch Beschluss von 01.08.2000 nur noch das auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß §§ 51 Abs. 1; 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes - AuslG - (= Art. 1 des Gesetzes vom 09.07.1990 [BGBl I 1354], geändert durch Gesetz vom 30.06.1993 [BGBl I 1062], zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.01.2002 [BGBl I 361 <368>]), gerichtete Verpflichtungsbegehren des Klägers. Im Übrigen ist die Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Aufhebung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung durch das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig abgewiesen worden.

Die so statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, für seine Person das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 51 Abs. 1 AuslG (dazu I.) oder, hilfsweise, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes AuslG (dazu II.) für Äthiopien festzustellen. Insoweit ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 27.05.1998 auch in dem für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - i. d. F. d. Bek. v. 27.07.1993 [BGBl I 1361], geändert durch Gesetz vom 02.08.1993 [BGBl I 1442}, zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.01.2002 [BGBl I 361, 371]), rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

I. Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Das Verbot des § 51 Abs. 1 AuslG schützt damit - ebenso wie Art. 16a Abs. 1 GG - den Personenkreis der politisch Verfolgten und dient der Umsetzung des Art. 33 Nr. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention) vom 28.07.1951 (BGBl II 1953, S. 59).

Die Erfordernisse des § 51 Abs. 1 AuslG sind mit den Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter deckungsgleich, soweit es um die Frage der politischen Verfolgung geht (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 26.10.1993 - BVerwG 9 C 50.92 -, NVwZ 1994, 500 m. w. N.). Auch gilt für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG der gleiche Prognosemaßstab wie für eine Verfolgungsgefahr i. S. d. Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94 -, NVwZ 1995, 391). Ist der Ausländer danach schon in seinem Heimatland verfolgt worden, genießt er bereits dann einen Schutzanspruch, wenn im Fall seiner Rückkehr Verfolgungsmaßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können (sog. herabgestufter Prognosemaßstab, vgl. nur BVerwG, Urt. v. 18.02.1997 - BVerwG 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97; BVerfG, Beschl. v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, BVerfGE 54, 341). Ist er dagegen unverfolgt ausgereist, wird ihm Schutz nur dann gewährt, wenn ihm bei der Rückkehr ins Heimatland politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.1992 - BVerwG 9 C 21.92 -, BVerwGE 91, 150 [154]).

Dies setzt voraus, dass bei qualifizierender Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urt. v. 05.11.1991 - BVerwG 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162 [169]; Urt. v. 14.12.1993 - BVerwG 9 C 45.92 -, DVBl. 1994, 524 [525]). Entscheidend ist eine wertende Betrachtungsweise, die auch die Schwere des befürchteten Verfolgungseingriffs berücksichtigt. Je gravierender die möglichen Rechtsverletzungen sind, desto weniger kann es dem Betroffenen zugemutet werden, sich der Verfolgungsgefahr auszusetzen. Die für eine Verfolgung sprechenden Umstände müssen nach ihrer Intensität und Häufigkeit von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer, der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG begehrt, die begründete Furcht ableiten lässt, selbst ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Letztlich maßgebend ist der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Rückkehr (BVerwG, Urt. v. 23.02.1988 - BVerwG 9 C 32.87 -, Buchholz 402.25 [AsylVfG] § 1 Nr. 80; BVerwG, Urt. v. 23.07.1991 - BVerwG 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 367 [377]). Bestimmend hierfür ist eine objektive Beurteilung der Verfolgungsgefahr. Bei der Entscheidung, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint, sind die Zahl der Referenzfälle stattgefundener politischer Verfolgung, das Vorhandensein eines feindseligen Klimas und die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in die Betrachtung einzubeziehen (BVerwGE 89, 162 m. w. N.).

1. Von diesem generellen und nicht von dem "herabgestuften" Wahrscheinlichkeitsmaßstab ("nicht auszuschließende" Verfolgung) ist auszugehen, weil der Kläger nach Überzeugung des Senats unverfolgt aus Äthiopien ausgereist ist.

Vorverfolgt ausgereist sind nämlich nur Personen, bei deren Ausreise aus dem Heimatland politische Verfolgung schon eingetreten war und denen bereits zu diesem Zeitpunkt politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte (vgl. BVerwG, Urt. vV. 14.12.1993 - BVerwG 9 C 45.92 -, Buchholz [AsylVfG] 402.25 § 1 Nr. 166). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

Der Senat vermochte nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Kläger mit den von ihm dargestellten Umständen und Gründen seiner Ausreise aus Äthiopien einen tatsächlich erlebten Geschehensablauf wiedergegeben hat. Das entsprechende Vorbringen des Klägers ist vielmehr als insgesamt unglaubhaft zu bewerten. Maßgebliche Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens des Klägers ergeben sich für den Senat daraus, dass die Darstellung der Umstände seiner vermeintlichen Verhaftung, seines zweijährigen Gefängnisaufenthalts und seiner Flucht im Kern von Ungereimtheiten und nicht aufgelösten Widersprüchen gekennzeichnet ist. So hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt behauptet, anlässlich der Unruhen im Jahre 1994 seien die Leute festgenommen worden, die eine Mitgliedsbescheinigung der AAPO gehabt hätten, so dass es notwendig gewesen sei, die Bescheinigung immer versteckt zu halten. Ausweislich auch des neuesten Lageberichts des Auswärtigen Amts vom 14.10.2003 gab die AAPO aber in der Vergangenheit aus Sicherheitsgründen keine Mitgliedsausweise heraus. Erst in jüngster Zeit und nach Aufspaltung der AAPO in die AEUP einerseits und die AAPO andererseits beabsichtigt der Vorsitzende der AEUP, Hailu Shawel, mit der Ausgabe von Mitgliedsausweisen für die AEUP zu beginnen. Der Umstand, dass der Kläger eine - nach den obigen Ausführungen wohl tatsächlich gefälschte - Mitgliedsbescheinigung vorgelegt hat, legt die Vermutung nahe, dass der Kläger tatsächlich nicht Mitglied der AAPO in Äthiopien gewesen ist, sondern seine Mitgliedschaft nur deswegen behauptet, um seinem Asylantrag zum Erfolg zu verhelfen.

Des Weiteren stellt sich das Vorbringen des Klägers im Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als gesteigert dar. Während nämlich im Rahmen der Vorprüfungsanhörung von einem Verrat durch einen Freund nicht die Rede war, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht behauptet, er sei vermutlich von seinem Freund, der Vorsitzender der Jugendorganisation Forum 84 der Regierungspartei gewesen sei, verraten worden. Der Umstand, dass dieser angebliche Freund der Regierungspartei nahe gestanden und Kontakte zur Polizei gehabt habe, die den Kläger beobachtet haben soll, lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Kläger diese Verbindung zur Regierung nachträglich konstruiert hat, um seinem persönlichen Verfolgungsschicksal mehr Gewicht zu verleihen, nachdem das Bundesamt ihm keinen Glauben geschenkt hatte. Dies belegen im Übrigen auch die weiteren Widersprüche, die sich bei einem Vergleich des klägerischen Vorbringens vor dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht ergeben. So hat der Kläger schon im Rahmen der Vorprüfungsanhörung keine in sich schlüssigen Angaben zu seinem Aufenthalt nach der Flucht aus dem Gefängnis machen können. So behauptete er einerseits (S. 4 des Bundesamtsbescheids), er habe sich nach der Flucht bei Verwandten versteckt, und andererseits (S. 6 des Bundesamtsbescheids), er habe sich zwei Monate lang zu Hause von den Folgen des Gefängnisaufenthalts erholen und regenerieren können. Mit dieser Sachverhaltsdarstellung lässt sich wiederum die Schilderung der betreffenden Geschehnisse im Rahmen der informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht vereinbaren. Dort gab der Kläger nämlich an, er sei zunächst zu seiner Tante gefahren und habe sich dort eine Woche aufgehalten, dann sei er zu seiner Mutter gegangen, wo er sich einen Monat und fünfzehn Tage versteckt habe. In der Berufungsverhandlung vor dem Senat erklärte der Kläger wiederum, er habe sich zwei Monate bei seiner Tante, die in einem weit entfernt liegenden Stadtteil gewohnt habe, aufgehalten. Auf seine Widersprüche angesprochen, konnte der Kläger keine plausible Erklärung für diese unterschiedlichen Sachverhaltsdarstellungen abgeben. Unabhängig davon ist dieses Fluchtverhalten des Klägers, die Richtigkeit seiner Angaben unterstellt, angesichts der von ihm befürchteten Verfolgung durch äthiopische Sicherheitskräfte auch nicht nachvollziehbar. Wie der Kläger selbst vorträgt, kannte ihn sein der Regierung nahe stehender Freund sehr gut, so dass es für die äthiopischen Sicherheitskräfte ein Leichtes gewesen wäre, den Kläger bei seinen Verwandten festzunehmen, soweit ein ernsthaftes Interesse an seiner Inhaftierung bestanden hätte. Dass eine Festnahme dennoch unterblieben ist, lässt zur Überzeugung des Senats nur den Schluss zu, dass die äthiopischen Sicherheitskräfte nicht ernsthaft nach ihm gesucht haben. Zudem fällt auf, dass nahezu die gesamte Schilderung der nach Darstellung des Klägers für seine Ausreise ausschlaggebenden Ereignisse ohne Benennung konkreter Details erfolgte und der Kläger auch bei Nachfragen des Senats zu den Umständen seiner Befreiung aus dem Gefängnis bei recht stereotypen und vagen Aussagen blieb, die er - auf einige Ungereimtheiten angesprochen - immer wieder korrigieren musste; insbesondere erscheint dem Senat die Schilderung des Klägers, er sei am Gefängnistor von seiner Familie in Empfang genommen worden, ohne von den dort anwesenden Wärtern in irgendeiner Weise behelligt worden zu sein, als lebensfremd, zumal der Kläger behauptet, politischer Gefangener zu sein. Auch deshalb vermochte der Kläger dem Senat zu keinem Zeitpunkt den Eindruck zu vermitteln, er gebe einen tatsächlich erlebten Geschehensablauf wieder. Schließlich ist aus dem gesamten Vortrag des Klägers kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass er sich durch seine oppositionelle Haltung und Mitgliedschaft in der AAPO in irgendeiner Weise besonders hervorgetan hat und dadurch in das Blickfeld der Sicherheitskräfte geraten ist.

Die zum Teil unterschiedlichen und sehr vagen Angaben des Klägers zu seiner Inhaftierung und Flucht belegen zur Überzeugung des Senats, dass er seine Verfolgungsgeschichte nicht tatsächlich erlebt, sondern sein Asylschicksal in wesentlichen Punkten konstruiert hat; insbesondere ist es nicht nachvollziehbar, dass der Kläger sich noch zwei Monate nach seiner angeblichen Flucht aus dem Gefängnis bei seiner Tante und/oder seiner Mutter versteckt gehalten haben will, obwohl er nach seinen Angaben von der Polizei gesucht worden ist. Dieses Verhalten lässt zur Überzeugung des Senats darauf schließen, dass der Kläger keine wirkliche Verfolgungsfurcht empfunden hat.

Die angeblichen Vorfälle in Äthiopien scheiden damit sowohl als Hinweis auf eine bereits erlittene, wie auch als Anlass für eine künftige politische Verfolgung aus, so dass für die Prognose, ob dem Kläger aufgrund einer möglicherweise vermuteten oppositionellen Haltung zum herrschenden Regime bei Rückkehr nach Äthiopien Verfolgung droht, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen ist.

2. Dem nicht vorverfolgt ausgereisten Kläger droht im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien auch keine Verfolgung mit der einen Schutzanspruch auslösenden beachtlichen Wahrscheinlichkeit aufgrund eines im Sinne von § 28 AsylVfG beachtlichen Nachfluchtgrundes.

Ein Nachfluchtgrund setzt voraus, dass dem Asylbewerber aufgrund von Umständen, die nach seiner Ausreise aus seinem Heimatland eingetreten sind, für den Fall seiner Rückkehr gegenwärtig und in absehbarer Zeit politische Verfolgung droht. Dabei ist zu unterscheiden zwischen objektiven Nachfluchtgründen, die durch Vorgänge im Heimatland des Asylbewerbers unabhängig von seiner Person ausgelöst worden sind, und subjektiven Nachfluchtgründen, die der Asylbewerber nach Verlassen des Heimatstaates aus eigenem Entschluss geschaffen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51). Letztgenannte sind, da das Asylgrundrecht grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraussetzt, ausnahmsweise nur dann beachtlich, wenn sie sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellen, mithin als notwendige Konsequenz einer dauernden, die eigene Identität prägenden und nach außen kundgegebenen Lebenshaltung erscheinen (BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, a. a. O., und Beschl. v. 17.01.1992 - 2 BvR 1587/90 -, InfAuslR 1992, 142; BVerwG, Urt. v. 19.05.1987 - BVerwG 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258).

Liegt danach ein beachtlicher Nachfluchttatbestand vor, kommt es für die Prognose der Verfolgungsgefahr darauf an, festzustellen, ob dem unverfolgt ausgereisten Asylbewerber politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Urt. v. 03.12.1985 - BVerwG 9 C 22.85 -, a. a. O.). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei der im Rahmen der Prognose vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen haben (BVerwG, Urt. v. 15.03.1988 - BVerwG 9 C 278.86 -, BVerwGE 79, 143). Die für eine Verfolgung sprechenden Umstände können dabei auch dann das größere Gewicht haben, wenn sie zwar eine mathematische Wahrscheinlichkeit von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung ergeben, der befürchtete Eingriff aber besonders schwer, insbesondere lebensbedrohend ist und deshalb die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. v. 05.11.1991 - BVerwG 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162).

Der Kläger kann nach der Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats derzeit und auf absehbare Zukunft nach Äthiopien (2.1.) zurückkehren, ohne dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von politischer Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG betroffen zu sein. Weder liegt mit Blick auf die amharische Volkszugehörigkeit des Klägers ein objektiver Nachfluchtgrund vor (2.2.), noch kann sich der Kläger wegen seiner Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland (2.3.) oder seiner Mitgliedschaft in der Exilorganisation der AAPO (2.4.) auf einen asylrechtlich erheblichen, subjektiven Nachfluchtgrund berufen.

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass eine politische Verfolgung von Gegnern der äthiopischen Regierung nicht von vornherein in jedem Fall ausgeschlossen ist, dass aber die einen Schutzanspruch auslösende beachtliche Wahrscheinlichkeit einer solchen Verfolgung nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall gegeben ist (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 27.07.2000 - A 2 S 386/99 -; und zur Verfolgungsgefahr von EPRP-Mitgliedern: OVG LSA, Urt. v. 13.04.2000 - A 2 S 123/98 -) und befindet sich insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 23.01.2003 - 9 UE 1735/98.A -), des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 13.04.2000 - 3 KO 387/97 -) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 05.01.2000 - 9 BA 96.34830 -).

2.1. Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Verfolgungsgefährdung für den Kläger im Rückkehrfall nach Äthiopien geht der Senat dabei von folgender allgemeiner politischer Situation aus:

Die ethnische Vielfalt Äthiopiens - insgesamt leben in Äthiopien ca. 80 Ethnien - ist neben den wirtschaftlichen und sozialen Faktoren eine der Hauptursachen für die bestehenden Konflikte. Die größten Bevölkerungsgruppen Äthiopiens sind die Oromo (ca. 40 v. H.), die Amharen (ca. 28 v. H.) und die Tigriner (ca. 9 v. H.), außerdem Somali, Afar, Benshangui, Gambella, Harrar und 45 Sudan-Völker (u. a. Niloten).

Seit dem Sturz des DERG-Regimes, eines von jungen Offizieren gebildeten "provisorischen Militärverwaltungsrats" (sozialistische Diktatur von 1974 bis 1991), im Mai 1991 hat die siegreiche TPLF (Tigray People's Liberation Front) und die zusammen mit anderen verbündeten Regionalparteien gegründete Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF) die Macht in Äthiopien inne. Mit der Einführung der neuen Verfassung, den Parlamentswahlen, der Bildung gewählter Parlamente auf zentralstaatlicher und regionaler Ebene und der neuen Regierung endete 1995 die Übergangsperiode, die mit der Machtübernahme der EPRDF 1991 begonnen hatte. Inzwischen haben sich die politischen Strukturen weiter konsolidiert. Dabei hat die regierende EPRDF ihren Einfluss auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens ausgebaut (Auswärtiges Amt, Lageberichte v. 10.01.2001, 20.02.2002 und 14.10.2003).

An den Wahlen zum äthiopischen Parlament im Mai 2000 beteiligten sich neben der Regierungspartei EPRDF und ihr nahe stehender Gruppierungen ein breites Spektrum von Oppositionsparteien. Im Vorfeld der Wahlen kam es teilweise zu gewalttätigen Zusammenstößen, Verhaftungen von Oppositionskandidaten und -anhängern sowie zu Schließungen von Parteibüros, aber auch zu in Äthiopien bisher nicht gekannten offenen politischen Diskussionen. Die äthiopische Menschenrechtsorganisation Ethiopian Human Rights Council (EHRCO) bezeichnete die Wahlen in einem kritischen Bericht als weder fair noch frei, lastete das für die Opposition schlechte Wahlergebnis (EPRDF auf Bundesebene 90 %, auf lokaler Ebene 83 %) aber auch der Zersplitterung und dem Versagen der Oppositionsparteien bei der Präsentation von Kandidaten und Programmen an (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 10.02.2001).

Mit dem Friedensvertrag in Algier vom 12.12.2000, der den äthiopisch-eritreischen Konflikt beendete, brachen verdeckte Spannungen innerhalb der EPRDF auf und entluden sich Anfang 2001 in ideologischen Richtungskämpfen. Der Verlauf der Kommunalwahlen (Kebele- und Woreda- [Stadtbezirks-/Kreis-]Wahlen) im Februar/März 2001 wies nach übereinstimmender Auffassung internationaler Beobachter erhebliche demokratische Defizite auf. Während der eigentliche Wahlakt weitgehend korrekt verlief, kam es im Vorfeld zu massiven Problemen, Behinderungen der Oppositionsparteien bei der Kandidatenaufstellung, Einschüchterungen und Wahlbeeinflussungen. Die maßgeblichen Oppositionsparteien AAPO, EDP, ONC zogen daher nach den Kebele-Wahlen am 25. Februar 2001 die Konsequenz, nicht mehr bei den Woreda-Wahlen am 4. März 2001 anzutreten (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 15.08.2001). Demgegenüber gelang es Premierminister Meles, mit der Wahl des neuen Präsidenten Girma Woldegiorgis am 09.10.2001, der Bestätigung des umgebildeten und gestrafften Kabinetts durch das Parlament am 16.10.2001 und seiner programmatischen Regierungserklärung vom 10.10.2001, seine Macht weiter zu konsolidieren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 20.02.2002).

Nachdem sich nach Ansicht des Auswärtigen Amtes die allgemeine Menschenrechtssituation in Äthiopien im Gegensatz zu der Menschenrechtslage während des Mengistu-Regimes seit der Machtübernahme durch die EPRDF insgesamt zunächst verbessert hatte (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 04.04.1996), wurden etwa im April/Mai 2001 Studenten, Mitglieder von Oppositionsparteien und Menschenrechtsorganisationen willkürlich und ohne Rücksicht auf ihre verfassungsmäßigen Rechte verhaftet. In den entfernteren Regionen hat die Zentralgewalt im Übrigen schon tatsächlich kaum die Möglichkeit, die Einhaltung der Menschenrechte sicherzustellen. Insgesamt ist seit den Studentenprotesten im April 2001 eher eine Verschlechterung der Menschenrechtslage in Äthiopien festzustellen (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 10.01.2001, 20.02.2002 und 14.10.2003).

Die fortschreitende Übertragung der staatlichen Befugnisse auf die Regionen entsprechend dem föderativen Prinzip der äthiopischen Verfassung ist in der Praxis auch heute noch mit Problemen verbunden. Zwischen den Regionen bestehen erhebliche Unterschiede bezüglich der Qualität und Effizienz ihrer Regierungen, weil viele Regionen noch nicht in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben sachgerecht wahrzunehmen. Zentralregierung und zentrale Rechtsprechung tun sich schwer bei der Aufgabe, die für die Gewährleistung einer rechtsstaatlichen Entwicklung weiterhin erforderliche Kontrolle über die Regierungen auszuüben, dabei gleichzeitig die Menschenrechte zu wahren und der Opposition eine faire Chance, auch zum Machtwechsel, zu geben. Auch hier hat sich die Lage durch die gewaltsame Unterdrückung der Opposition, insbesondere im Südwesten des Landes, verschärft (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20.02.2002 und 14.10.2003).

Die Neuorganisation der Polizei wurde im Sommer 2002 abgeschlossen; zu ihr gehört auch, dass die Polizei sich nicht mehr nur als Vollstreckungsorgan einer traditionell autoritären, rückständigen Verwaltung, sondern als wesentlicher Teil des neuen rechtsstaatlichen Systems betrachtet. Allerdings ist ein einheitliches Bild zum rechtsstaatlichen Selbstverständnis der Polizei bisher nicht auszumachen. Der Wandel vollzieht sich allenfalls langsam und wird durch das unverhältnismäßig brutale Vorgehen bei den Studentenprotesten und nachfolgenden Straßenschlachten im April 2001 und anlässlich einer Demonstration am 24.05.2002 in Awassa immer wieder in Frage gestellt. Auch setzen sich die Sicherheitsorgane teilweise über Gerichtsurteile hinweg. Bei der Bundespolizei ist die Einhaltung von Menschenrechtsstandards stärker ausgeprägt, während dies in den Regionen nicht durchgängig der Fall ist (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20.02.2002 und 14.10.2003). Die Unabhängigkeit der Gerichte wird von der Verfassung garantiert. Erschien die Justiz bisher als das schwächste Glied in der angestrebten rechtsstaatlichen Ordnung, ist in jüngster Zeit eine gewisse Tendenz hin zu größerer Unabhängigkeit zu erkennen, die sich in Freisprüchen am Ende langer politischer Prozesse äußert. Am 14.05.2002 wurde der frühere Vorsitzende der ETA (Ethiopian Teachers Association), Dr. Taye Woldesmayat, nach einem etwa einjährigen Berufungsverfahren freigelassen. Angesichts des nach wie vor desolaten Zustandes der äthiopischen Justiz haben aber trotz des im Strafgesetzbuch verbürgten Anspruchs auf Anhörung durch ein Gericht binnen 48 Stunden in der Praxis auch heute noch Tausende von Untersuchungsgefangenen keine Chance, in der vorgeschriebenen Frist einem Richter vorgeführt zu werden. So war im August 2000 gegen 75 % der einsitzenden Untersuchungshäftlinge noch kein Verfahren eröffnet worden. Das in der äthiopischen Verfassung niedergeschriebene Recht auf rechtliches Gehör sowie die Möglichkeit der Verteidigung werden in der Praxis regelmäßig stark behindert, indem viele Untersuchungsgefangene überhaupt nicht oder erst nach längerer Wartezeit einem Richter vorgeführt werden oder ihnen aus materiellen Gründen kein eigener Verteidiger zur Verfügung steht; zwei Juristenvereinigungen, die insbesondere Frauen und mittellosen Personen Rechtsbeistand gewähren, können das Problem nur partiell lindern (Auswärtiges Amt, Lageberichte v. 10.01.2001, 20.02.2002 und 14.10.2003).

Staatlich angeordnete Folter und erniedrigende und unmenschliche Behandlung durch äthiopische Behörden sind dem Auswärtigen Amt ebenso wenig bekannt geworden wie systematische Menschenrechtsverletzungen, wohl aber solche, die aus Rückständigkeit der Verwaltung vor allem in den Regionen, mangelnder Demokratieerfahrung und noch nicht ausgebildeter Rechtsstaatlichkeit resultieren. Die äthiopische Verfassung untersagt Folter; gleichwohl kommt es zu Misshandlungen von Personen in der Untersuchungshaft, zumeist durch Schläge oder die Durchblutung beeinträchtigende, bleibende Schäden verursachende Handfesseln. In Einzelfällen wurde auch der Vorwurf der Versagung möglicher medizinischer Hilfe erhoben. Der äthiopische Staat bemüht sich, Misshandlungen oder Foltermaßnahmen als kriminelle Straftaten zu ahnden, was bislang jedoch nur in Einzelfällen geschehen ist. Abgesehen von der Todesstrafe sind in Äthiopien keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen vorgesehen. Die Haftbedingungen in äthiopischen Gefängnissen sind allgemein sehr hart und teilweise unmenschlich; es kommt vor, dass Inhaftierte dauerhaft gefesselt oder in Einzelhaft in dunklen Verliesen untergebracht werden. Zudem sind Verhaftungen ohne gerichtliche Anordnung weit verbreitet, auch mehrjährige Inhaftierungen ohne Anklageerhebung und ohne richterliche Anordnung sind keine Seltenheit (Auswärtiges Amt, Lageberichte v. 10.01.2001, 20.02.2002 und 14.10.2003).

Amnesty international berichtet unter Schilderung von Einzelfällen auch von inoffiziellen Haftzentren, in denen die Gefahr von Folter bestehe; außerdem sollen die politischen Häftlinge vermehrt dem Militär unterstellt worden sein und sich zum Teil in Inkommunikado-Haft befinden (amnesty international, Auskunft v. 06.09.1995 an VG Schleswig). Auch nach den Parlamentswahlen von 1995 soll es laut amnesty international zu weiteren Menschenrechtsverletzungen gekommen sein; danach sind willkürliche Festnahmen ohne Anklagen und Gerichtsverfahren an der Tagesordnung; es sollen auch Berichte über Folterungen, Tod in der Haft, Fälle von Verschwinden-Lassen von Personen und über extralegale Hinrichtungen vorliegen. Die äthiopische EPRDF-Regierung duldete laut amnesty international auch in der Folgezeit der Parlamentswahlen von 1995 keinerlei Kritik und Opposition (amnesty international, Auskunft v. 03.06.1996 an VG Wiesbaden). Das Auswärtige Amt bestätigt inzwischen diese Darstellungen von amnesty international und berichtet ebenfalls, dass ein entsprechender Verdacht des Verschwinden-Lassens von Personen aufkam, als eine größere Zahl Oromos festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht wurde, an dem sie - wie sich später herausstellte - verwarnt und politisch geschult wurden; auch haben die Festnahmen von eritreisch-stämmigen Personen zur Deportation und die Verweigerung des freiwilligen Militärdienstes zum Abtauchen von gefährdeten Personen geführt und Nachfragen wegen möglichen Verschwinden-Lassens ausgelöst (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 03.04.2000, 20.02.2002 und 14.10.2003).

Zu den innenpolitischen Herausforderungen und Problemen sind der latente Konflikt mit dem Sudan und insbesondere der Krieg mit Eritrea hinzugekommen, die mit bewaffneten Operationen der südsudanesischen Widerstandsbewegung SPLA (Sudanese People's Liberation Army) von äthiopischem Boden aus bei Kurmuk und Quizzan im Januar 1997 sowie dem äthiopisch-eritreischen Grenzkrieg, der im Sommer 1998 begann und immer wieder zu neuen Kampfhandlungen führte, jeweils einen Höhepunkt erreichten (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 24.04.1997, 20.05.1999 und 03.04. 2000). Im Zuge des äthiopisch-eritreischen Grenzkonflikts kam es zu umfangreichen Deportationen von Personen eritreischer und halberitreischer Abstammung (vgl. dazu umfassend: OVG LSA, Urt. v. 19.04.2002 - A 2 S 203/98 -). Der äthiopischen Regierung zufolge sollen von den Deportationen ausschließlich Personen betroffen sein, die nicht die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. dazu Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 10.01.2001, 20.02.2002 und 14.10.2003).

2.2. Unter Berücksichtigung dieser politischen Verhältnisse droht dem Kläger für den Fall seiner Rückkehr nach Äthiopien keine dem äthiopischen Staat zurechenbare Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Amharen.

Asylrelevante politische Verfolgung kann sich zwar nicht nur gegen Einzelpersonen, sondern auch gegen eine durch gemeinsame Merkmale verbundene Gruppe von Menschen richten mit der Folge, dass dann jedes Gruppenmitglied als von dem Gruppenschicksal mitbetroffen anzusehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 -, BVerfGE 54, 341). Anhaltspunkte für eine derartige, gegen Mitglieder des Volkes der Amharen gerichtete Gruppenverfolgung ergeben sich aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen jedoch nicht. Insoweit verweist der Senat auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes Äthiopien vom 14.10.2003, in dem - an gleich lautende Einschätzungen in früheren Auskünften anknüpfend - erneut darauf hingewiesen wird, Amharen würden in Äthiopien allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit grundsätzlich nicht bekämpft oder diskriminiert.

2.3. Auch die Asylantragstellung im Bundesgebiet begründet keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Auskünfte des Auswärtigen Amtes (Auskunft vom 08.02.2001 an OVG Magdeburg und im Lagebericht vom 14.10.2003) sowie der Stellungnahmen von amnesty international (vom 13.08.2001 an OVG Magdeburg) und des Instituts für Afrika-Kunde (vom 19.01.2001 an OVG Magdeburg) zu der Überzeugung gelangt, dass der äthiopische Staat zwar die Tätigkeiten oppositioneller Gruppen und Bewegungen genau beobachtet und dass sich diese Beobachtungen nicht nur auf Äthiopien beschränken, sondern dass auch im Ausland die Tätigkeit oppositioneller Gruppen aufmerksam registriert wird, dass aber eine hinreichend wahrscheinliche Gefahr, allein wegen der Asylantragstellung im Bundesgebiet in Äthiopien durch den äthiopischen Staat oder eine staatsähnliche Organisation in menschenrechtswidriger Weise behandelt oder ansonsten politisch verfolgt zu werden, nicht droht. Die bloße Asylantragstellung ohne nach außen hin dokumentierte und manifestierte gewaltbereite oppositionelle Einstellung wird vom äthiopischen Staat nicht zum Anlass genommen, gegen den Betreffenden in asylrechtlich relevanter Weise vorzugehen.

2.4. Dem Kläger droht auch wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit in der Oppositionspartei "All Amhara People's Organisation" (AAPO) in Deutschland mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit keine politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG durch die in Äthiopien regierende "Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front" (EPRDF).

2.4.1. Dabei ist für die Beurteilung der Verfolgungsrelevanz exilpolitischer Aktivitäten für die AAPO von folgenden Tatsachen auszugehen:

Die All Amhara People's Organization (AAPO), die Ende 1991 erstmals an die Öffentlichkeit trat, Anfang 1992 gegründet und im April 1994 offiziell als nationale Partei zugelassen wurde, steht in offener Opposition zur Politik der EPRDF-Regierung (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22.04.1996 an VG Wiesbaden). Sie lehnt die föderale Gliederung Äthiopiens nach ethnischen Kriterien und das in der Verfassung von 1995 verankerte prinzipielle Recht der Volksgruppen auf Austritt aus dem Staatsverband ab und tritt insbesondere dafür ein, dass Amharen in allen Teilen des äthiopischen Staatsgebietes ungehindert und in Sicherheit leben und arbeiten können. Folge dieser politischen Grundauffassung der AAPO ist des Weiteren, dass die Unabhängigkeit Eritreas nicht anerkannt wird. An den Wahlen im Mai 2000 und den Woreda-Wahlen im Februar 2001 nahm die AAPO teil. Vorsitzender der Partei ist Hailu Shawel, der im August 2002 die Umbenennung der AAPO in eine gesamtäthiopische Partei mit dem Namen All Ethiopian Unity Party (AEUP) betrieb. Diese Bestrebungen werden nicht von allen Parteimitgliedern akzeptiert, und es droht die Spaltung der Partei; einige Mitglieder haben sogar eine neue Partei unter dem alten Namen AAPO gegründet (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 14.10.2003).

Die politische Arbeit der AAPO in Äthiopien wird im Wesentlichen dadurch behindert, dass mehr als die Hälfte der Mitglieder des Exekutivkomitees, d. h. des Parteivorstandes, zumindest zeitweise inhaftiert war, lokale Aktivisten - zum Teil unter ungeklärten Umständen - von Sicherheitskräften getötet wurden, Mitglieder ohne formelle Anklageerhebung inhaftiert sind und Parteibüros durchsucht und - insbesondere in den ländlichen Regionen - geschlossen wurden (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22.04.1996 an VG Wiesbaden). Bereits zum Zeitpunkt der Zulassung der Partei befanden sich Parteimitglieder einschließlich Mitglieder der Parteiführung in Haft. Die Berichte der äthiopischen Menschenrechtsorganisation "Ethiopian Human Rights Council" (EHRCO) führen regelmäßig Personen auf, die durch Sicherheitskräfte extralegal getötet worden sein sollen, sowie Fälle von illegal inhaftierten und verschwundenen Personen, deren Verbleib nach der Festnahme nicht festgestellt werden konnte. Derartige Berichte gibt es insbesondere für die Jahre 1992 und 1993 (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22.04.1996 an VG Wiesbaden).

Im Jahr 1994 wurde Prof. Asrat Woldeyes, der damalige Parteivorsitzende der AAPO, wegen der angeblichen Planung eines bewaffneten Aufstandes gegen die Regierung zusammen mit vier mitangeklagten Parteimitgliedern zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Er starb im Frühjahr 1999 nach seiner Freilassung in den USA an den Folgen mangelnder medizinischer Behandlung während der Haftzeit. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zur zeitweiligen Inhaftierung von Parteimitgliedern, beispielweise im Rahmen einer Demonstration anlässlich eines Prozesses gegen Prof. Asrat Woldeyes am 20.09.1994, als etwa 500 Demonstrationsteilnehmer vorübergehend verhaftet und misshandelt worden (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 19.01.2001 an OVG Magdeburg). Gegen ca. 100 Personen soll Anklage wegen Abhaltung einer ungenehmigten Demonstration erhoben worden sein (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 16.11.1998 an VGH Kassel). Amnesty international berichtet davon, dass von insgesamt 500 festgenommenen Personen 250 nach mehr als drei Wochen ohne Anklage wieder freigelassen wurden, 250 vor Gericht gestellt und der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration beschuldigt wurden und nur gegen Zahlung einer Kaution vorläufig freikamen (amnesty international, Jahresbericht 1995, S. 100 ff.). In weiteren, amnesty international vorliegenden Quellen wird von 33 als verschwunden geltenden und 34 extralegal getöteten AAPO-Funktionären berichtet (amnesty international, Auskunft vom 14.11.1996 an VG Würzburg [Anlage 1; Bericht aus November 1996]). Im Jahre 1997 soll es nach Studentendemonstrationen zu Festnahmen von etwa 200 Personen sowie zu Misshandlungen an den Verhafteten gekommen sein; 41 Personen seien in Haft geblieben, weil sie für Anführer gehalten worden seien oder weil sie sich geweigert hätten, ein Schuldeingeständnis zu unterschreiben (amnesty international, Auskunft vom 27.08.1998 an VGH Kassel). Im April 1999 wurden vier Parteimitglieder der AAPO wegen Konspiration und bewaffneter Opposition im Zusammenhang mit dem Überfall auf ein Gefängnis 1996 zu Haftstrafen zwischen 3 und 20 Jahren verurteilt, obwohl sie ihre Geständnisse widerriefen, die nach ihren eigenen Angaben durch Folter erpresst worden sein sollten (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 19.01.2001 an OVG Magdeburg; Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20.05.1999 und 10.01.2001). Vier Mitglieder sind inzwischen freigelassen worden, drei Mitglieder des Zentralkomitees befinden sich weiterhin ohne Verurteilung in Haft (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20.05.1999 und vom 10.01.2001).

Die von der EPRDF gelenkten staatlichen Maßnahmen gegen Mitglieder, Anhänger und Einrichtungen der AAPO sind darauf gerichtet, den Aufbau landesweiter lokaler Parteistrukturen zu behindern und die öffentlich sichtbaren Aktivitäten in der Tendenz auf die Hauptstadt Addis Abeba zu beschränken (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22.04.1996 an VG Wiesbaden). So sollen auf dem Land zeitweise fast alle Parteibüros der AAPO geschlossen worden sein (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 20.05.1999). Zum Umgang mit Angehörigen der AAPO ist ferner zu berücksichtigen, dass für die ersten allgemeinen Wahlen nach dem Machtwechsel in Äthiopien (Wahlen für die Regional- und Bezirksräte im Juni 1992) die AAPO zunächst Kandidaten aufgestellt hatte, die sie jedoch kurz vor dem Wahltag mit der Begründung zurückzog, ihre Arbeit werde massiv behindert. Dieser Vorwurf, der auch von anderen Parteien und Organisationen gegen die EPRDF erhoben wurde, konnte in der Tendenz von internationalen Wahlbeobachtern bestätigt werden. Auch an den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung im Juni 1994 sowie zu den Bundes- und Länderwahlen im Mai 1995 nahm die AAPO nicht teil. Sie begründete dies u. a. damit, dass acht Führungsmitglieder der Partei inhaftiert seien und die Regierung Parteibüros geschlossen habe (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22.04.1996 an VG Wiesbaden). An den Wahlen im Mai 2000 hat die AAPO teilgenommen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 10.01.2001). An den Kommunalwahlen im Februar/März 2001 hat sie sich nur an den Kebele-Wahlen am 25.02.2001 beteiligt und ist zu den Woreda-Wahlen am 04.03.2001 nicht mehr angetreten. Grund hierfür sollen Behinderungen der Oppositionsparteien bei der Kandidatenaufstellung, Einschüchterungen und Wählerbeeinflussungen im Vorfeld der Wahlen gewesen sein (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20.02.2002 und 14.10.2003).

2.4.2. Die Gefahr der politischen Verfolgung von in Äthiopien aktiven AAPO-Mitgliedern wird von den verschiedenen Auskunft gebenden Stellen wie folgt beurteilt:

In seinem Lagebericht vom 15.08.2001 teilt das Auswärtige Amt mit, neuer Parteivorsitzender der AAPO sei im Jahre 2000 nach schwierigen Diskussionen Heilu Shawel geworden. Generell sei festzustellen, dass Oppositionsgruppen wie die AAPO in ihrer Parteiarbeit erheblich, etwa durch Schließung bzw. Nichtbewilligung von lokalen Parteibüros, Verhaftung und Einschüchterung von Funktionären und Kandidaten bis hin zur Ermordung von Funktionären, Benachteiligung von Oppositionsanhängern bei der Vergabe von Wohnungen, Arbeitsplätzen, Agrarland und Düngemitteln behindert würden. Die Regierung begründe ihre Schritte regelmäßig mit strafrechtlichen Bestimmungen wie z. B. jenen zur Verhinderung terroristischer Aktivitäten oder der Nichtzahlung von Steuern. Im April/Mai 2001 seien in Addis Abeba 150 Mitglieder der Oppositionsparteien AAPO und EDP, darunter viele Kommunalwahlkandidaten verhaftet worden. Anfang Juni 2001 sei die Mehrzahl von ihnen noch immer ohne Anklageerhebung und anwaltliche Betreuung an unbekanntem Ort in Haft gewesen. Insgesamt seien nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes in seinem neuesten Lagebericht vom 14.10.2003 noch fünf AAPO/AEUP-Mitglieder in Haft.

Amnesty international führt seit einigen Jahren aus, Mitglieder und Funktionäre der AAPO müssten in Äthiopien sowohl mit Strafverfolgungsmaßnahmen als auch mit politischer Verfolgung rechnen (amnesty international, Auskünfte vom 14.11.1996 an VG Würzburg und vom 13.08.2001 an OVG Magdeburg). Die äthiopische Regierung betrachte die AAPO als politischen Gegner, und die Mitglieder würden dementsprechend als Feinde des Regimes behandelt. Die Ausschaltung oppositioneller Kräfte erfolge nicht nur durch die Verhaftung von Führungsmitgliedern, sondern auch durch Festnahmen weniger bedeutender Mitglieder, Funktionäre und Personen, die es wagten, Opposition oder Kritik gegenüber der Regierung zu üben (amnesty international, Auskunft vom 14.11.1996 an VG Würzburg). Vor dem Hintergrund neuerer Berichte über die Behinderung der Aufstellung von Kandidaten für die Wahlen im Mai 2000 könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Vorfeld dieser Wahlen wieder Mitglieder von Oppositionsparteien in größerem Umfang verhaftet würden, um den Machterhalt der EPRDF zu sichern (amnesty international, Auskunft vom 25.09.2002 an VG Aachen). Die äthiopische Regierung sehe Kritik an ihrer Politik und Regierungsführung als eine Kampfansage und als Aufforderung zum Umsturz an. Am 17. und 18. April 2001 sei es in Addis Abeba zu den heftigsten Ausschreitungen seit vielen Jahren gekommen. In diesem Zusammenhang seien auch 30 Mitglieder der AAPO verhaftet worden, von denen sechs AAPO Mitglieder nach wie vor inhaftiert worden seien (amnesty international, Auskunft vom 13.08.2001 an OVG Magdeburg).

Das Institut für Afrika-Kunde führt aus, Teilnehmer von Demonstrationen und Kundgebungen, die ohne offizielle Genehmigung nach den äthiopischen gesetzlichen Bestimmungen abgehalten würden, müssten mit ihrer Verhaftung rechnen, dies gelte insbesondere auch für AAPO-Mitglieder (Auskunft vom 16.11.1998 an VGH Kassel und vom 04.03.2002 an VG Aachen). Die vorliegenden Informationen wiesen darauf hin, dass sowohl einfache Mitglieder als auch Funktionäre der AAPO mit politisch begründeten Maßnahmen zu rechnen hätten, wobei einfache Mitglieder und örtliche Aktivisten anscheinend eher von außergerichtlichen als von gerichtlichen Maßnahmen betroffen seien. Alles deute darauf hin, dass die AAPO in Äthiopien trotz ihres offiziell legalen Status Ziel staatlicher Maßnahmen der EPRDF-Regierung sei (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 17.09.1996 an VG Würzburg).

2.4.3. Die im vorliegenden Fall bedeutsame Frage der Verfolgungsgefahr von nach Äthiopien zurückkehrenden Mitgliedern oder Unterstützern der am 01.05.1993 offiziell in Deutschland gegründeten Exil-AAPO wird von den Auskunft gebenden Stellen unterschiedlich beurteilt.

Das Auswärtige Amt berichtet in seiner Auskunft an den Senat vom 08.02.2001, die Betätigung für eine oppositionelle Exilorganisation - wie die Auslandsorganisation der AAPO - führe bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht automatisch und in jedem Fall zu staatlichen Repressionen. Grundsätzlich komme es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Behörden als terroristisch eingestuft werde und welcher Grad exilpolitischer Aktivitäten festgestellt werde; Von Bedeutung sei auch, ob und wie sich eine Person bei Rückkehr nach Äthiopien dort weiterhin betätige (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 15.08.2001, 20.01.2002). Gefährdet könnten demnach führende Exilpolitiker sein, aber auch Personen, denen ein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werde (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 03.04.2000). Einfache Mitglieder der AAPO, die sich im Ausland für die Partei engagierten, müssten bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien demgegenüber nicht mit politischer Verfolgung rechnen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 20.11.1996 an VG Ansbach).

Den bisher vorliegenden Stellungnahmen von amnesty international lässt sich eine eindeutige Einschätzung zur Rückkehrgefährdung von AAPO-Mitgliedern und -Unterstützern nicht entnehmen. So wird einerseits ausgeführt, die äthiopische Regierung sei offenbar sehr daran interessiert, sich der im Exil befindenden Opponenten zu bemächtigen; sie dulde keinerlei Opposition, Oppositionelle und Kritiker der EPRDF seien staatlicher Verfolgung ausgesetzt, was auch für exilpolitische Opposition und Kritik, die im Ausland geäußert werde, gelte (amnesty international, Auskunft vom 14.11.1996 an VG Würzburg). An anderer Stelle heißt es, ein AAPO-Mitglied, dessen oppositionelle Einstellung durch seine exilpolitischen Aktivitäten bekannt geworden sei, werde bei Rückkehr nach Äthiopien mit Sicherheit unter Beobachtung gestellt; falls der Betreffende dann weiterhin politische Aktivitäten für die AAPO entfalte, müsse er mit seiner Inhaftierung rechnen (amnesty international, Jahresbericht 1995, S. 100 ff.). In seiner Stellungnahme vom 13.08.2001 an den Senat führt amnesty international aus, je umfangreicher sich die exilpolitischen Aktivitäten von Oppositionellen gestalteten, desto größer werde die Gefahr, dass die äthiopischen Behörden Kenntnis davon erhielten. Sämtliche Mitglieder der Exil-AAPO seien dem äthiopischen Sicherheitsdienst wahrscheinlich nicht bekannt. Falls jedoch die Mitgliedschaft schon in Äthiopien bestanden habe, sei es möglich, dass sich der Name auf Listen befunden habe, welche der Sicherheitsdienst in AAPO-Büros bei Durchsuchungen beschlagnahmt habe. Auch könne die Funktion eines Sekretärs einer AAPO-Gruppe und die Mitgliedschaft in der AAPO bei Rückkehr nach Äthiopien zur Inhaftierung führen; insbesondere wenn diese Personen öffentlich Kritik an der EPRDF-Regierung geübt hätten.

Auch das Institut für Afrika-Kunde trifft in seiner Auskunft vom 19.01.2001 an den Senat keine eindeutige Aussage zum Verfolgungsrisiko von nach Äthiopien zurückkehrenden AAPO-Mitgliedern und Aktivisten. Es könne zwar nicht von einer allgemeinen Verfolgungsgefährdung für einfache Parteimitglieder ausgegangen werden, eine solche sei jedoch in einzelnen Fällen nicht auszuschließen. Die Funktion eines Sekretärs der Partei in Sachsen-Anhalt oder eine Parteimitgliedschaft an sich dürfte keine erhöhte Verfolgungsgefahr begründen, wenn sie nicht von besonders öffentlichkeitswirksamen Aktionen begleitet wäre, beispielsweise durch Publikationen oder die Organisation von Protestveranstaltungen oder die aktive Teilnahme an solchen Veranstaltungen.

Im Ergebnis ist danach festzuhalten, dass die dargestellten Stellungnahmen der auskunftsgebenden Stellen zur Rückkehrgefährdung von AAPO-Mitgliedern und -Unterstützern eine sichere Prognose nicht zulassen. Es kann aber festgestellt werden, dass jedenfalls eine beachtlich wahrscheinliche Gefährdung niederer Funktionäre und einfacher Parteimitglieder den Stellungnahmen der genannten auskunftsgebenden Stellen im Sinne einer eindeutigen Prognose nicht entnommen werden kann. Die sachkundigen Äußerungen weisen vielmehr nur auf die bloße Möglichkeit von Verfolgungsmaßnahmen wegen untergeordneter exilpolitischer Betätigung für die AAPO hin.

Bei der vorliegend festgestellten Gefährdungslage hängt die Reaktion des äthiopischen Staates weiterhin von Art und Umfang der Kenntniserlangung der jeweiligen exilpolitischen Aktivitäten ab.

Hinsichtlich der Auslandsüberwachung exilpolitischer Aktivitäten durch die äthiopischen Behörden ist festzustellen, dass das Bekanntwerden öffentlichkeitswirksamer, hervorgehobener exilpolitischer Tätigkeit überwiegend wahrscheinlich ist: Zu Art und Umfang der Auslandsüberwachung der exilpolitischen Tätigkeiten äthiopischer Staatsangehöriger stellt das Auswärtige Amt fest, dass der äthiopische Geheimdienst die exilpolitischen Aktivitäten seiner Staatsangehörigen grundsätzlich beobachte. Über Art und Umfang der Beobachtung von Auslandsgruppen lägen allerdings keine Erkenntnisse vor. Auch seien der äthiopischen Regierung nicht schlechthin alle Mitglieder der AAPO bekannt, da Mitgliederlisten nicht beschlagnahmt oder gewaltsam eingesehen würden. Bei Tätigkeiten von herausgehobener Bedeutung, bei Auftreten an leitender Stelle von Organisationseinheiten der AAPO oder bei sonstigen Führungstätigkeiten für die Partei sei aber mit einem Bekanntwerden einer Mitgliedschaft in oder einer Unterstützung für die AAPO zu rechnen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 08.02.2001 an OVG Magdeburg). Amnesty international äußert sich dahingehend, dass der äthiopische Geheimdienst sehr genau die exilpolitischen Aktivitäten seiner Staatsangehörigen in Deutschland beobachte, wozu auch gegen die Regierungspolitik gerichtete Demonstrationen und Veranstaltungen gehörten (amnesty international, Auskunft vom 13.08.2001 an OVG Magdeburg). Das Institut für Afrika-Kunde geht davon aus, dass äthiopische Regierungsstellen bemüht seien, Informationen über im Exil aktive Anhänger der Partei zu erlangen, besonders wenn diese sich an öffentlichkeitswirksamen Aktionen beteiligen. Denkbar sei auch, dass in derselben Region in Deutschland lebende Anhänger der Regierungspartei Informationen über oppositionelle Aktivitäten an äthiopische Behörden weiterleiteten (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 19.01.2001 an OVG Magdeburg). Schließlich ist nach Einschätzung des UNHCR vor dem Hintergrund der als vom Ausland gesteuert wahrgenommenen Opposition anzunehmen, dass äthiopische Behörden die Aktivitäten der hauptsächlich im Ausland aktiven Oppositionsparteien sehr genau verfolgen. Deshalb müsse gefolgert werden, dass die äthiopischen Behörden jedenfalls von den Aktivitäten einer Person Kenntnis erlangten, die sich in höherer Funktion an mehreren öffentlichen Veranstaltungen einschließlich Demonstrationen vor der Äthiopischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt und Informationsmaterial verteilt hätte (UNHCR, Auskunft vom 23.02.1996 an OVG Koblenz).

Angesichts dieser Situation der AAPO gelangt der Senat bei der Beurteilung der Verfolgungswahrscheinlichkeit nach Äthiopien zurückkehrender Mitglieder der AAPO nach zusammenfassender Würdigung aller vorliegenden Erkenntnisquellen zu dem Ergebnis, dass die EPRDF-Regierung nur diejenigen Mitglieder und Unterstützer der AAPO als gefährliche Gegner einstufen wird, die auch nach außen erkennbar auf eine Beseitigung der EPRDF-Regierung hinarbeiten und dafür wesentliche Beiträge leisten. Rechtlich erhebliche Verfolgungsmaßnahmen bei exilpolitischen Aktivitäten, durch die sich ein Rückkehrer nicht durch hervorgehobene Tätigkeiten oder sonst öffentlichkeitswirksam als Regimegegner exponiert hat, sind hingegen nicht gänzlich auszuschließen, jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich.

2.5. Im Falle des Klägers liegt eine besondere Konstellation, die nach den vorstehenden Ausführungen die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung begründet, nicht vor.

Das Innehaben einer nominell herausgehobenen Stellung - hier des Sekretärs der AAPO-Gruppe Sachsen - in einer Exilorganisation begründet für sich genommen keine beachtliche Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsmaßnahmen im Falle der Rückkehr nach Äthiopien; denn für die in Äthiopien zu befürchtenden Repressionen kommt es - wie oben erläutert - nicht auf den Rang innerhalb einer Organisation, sondern in erster Linie auf den Grad der politischen Aktivitäten und die damit verbundene Gefährdung der äthiopischen Regierung an. Die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers zeichnen sich aber weder inhaltlich noch von ihrem Umfang her durch spektakuläre Aktionen aus, die über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden sind. Seine Teilnahme an den Demonstrationen für die Freilassung von Prof. Asrat Woldeyes am 28.05.1998 in Bonn, gegen die Menschenrechtsverletzungen der äthiopischen Regierung am 28.05.1999 in Bonn und gegen das äthiopische Regime am 25.05.2002 in Berlin begründen keine Verfolgungsgefahr; denn unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers ist davon auszugehen, dass seine Aktivitäten bei diesen Veranstaltungen über die Anwesenheit als Teilnehmer und Verteiler von Flugblättern nicht hinausgegangen sind. Er hat sich mithin auf den Veranstaltungen in keiner Weise von den übrigen Teilnehmern unterschieden oder sonst in irgendeiner Weise profiliert. Der Kläger hebt sich mithin durch diese parteilichen Aktivitäten in keiner Weise von dem Kreis einfacher Parteimitglieder der AAPO oder von der Vielzahl der ansonsten in der Bundesrepublik Deutschland lebenden und politisch aktiven Exil-Äthiopier ab. Auch die Organisation des Sport- und Hoffestes der Jugendwerkstatt Bauhof in Halle am 28.09.2000 begründet keine besondere Gefährdungssituation für den Kläger, weil nicht ersichtlich ist, dass der Kläger auf dieser Veranstaltung öffentlichkeitswirksam Kritik an der äthiopischen Regierung und der von ihr vertretenen Politik geübt hat. Ausweislich der vorgelegten Bestätigung der Jugendwerkstatt Bauhof vom 09.10.2000 stand im Vordergrund des Festes vielmehr u. a. das Vorführen traditioneller äthiopischer Tänze, das Anbieten des traditionellen Nationalgerichts und das Erklären äthiopischer Bräuche; das Fest diente damit eher der Begegnung und dem Kennenlernen von ausländischen und deutschen jungen Menschen, nicht aber der kritischen Würdigung des äthiopischen Regimes.

Auch die - gemessen an den bisher genannten - einzige spektakuläre Aktion des Klägers, seine Teilnahme an der Protestaktion am 28.02.1998 in der äthiopischen Botschaft begründet weder allein noch im Zusammenhang mit den anderen Aktivitäten eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für Verfolgungen bei Rückkehr. Zwar ist es nach der Auskunft des Instituts für Afrika-Kunde vom 19.01.2001 an den Senat nicht auszuschließen, dass der Kläger aufgrund seiner Teilnahme an dieser Protestveranstaltung den äthiopischen Behörden als Anhänger der AAPO bzw. als Oppositioneller gegen die EPRDF-Regierung bekannt geworden ist und die Störung der Regierungsveranstaltung als gewaltsamer Akt nach seiner Rückkehr geahndet wird. Den Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erlangt die Verfolgungsgefahr aber schon deswegen nicht, weil der Kläger sich nicht in besonderer Weise von den übrigen Demonstranten abgehoben hat. Zwar hat er nach seinen Angaben in der Berufungsverhandlung vor dem Senat eine Rede vom Podium aus gehalten. In dieser hat er aber in erster Linie die Einladungspraxis der äthiopischen Praxis kritisiert und dargelegt, dass durch die Veranstaltung nicht ganz Äthiopien repräsentiert werde. Erst auf gezielte Nachfrage behauptete er, sich auch regierungskritisch geäußert zu haben; welchen Inhalt seine Rede im Einzelnen hatte, blieb allerdings offen, so dass angesichts der vagen Angaben des Klägers davon auszugehen ist, dass er jedenfalls keine Rede gehalten hat, die die Regierung Äthiopiens als Bedrohung ihres Herrschaftsanspruchs ansehen könnte. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Konsul Salew den Kläger unter den achtzig Demonstranten überhaupt erkannt hat. Letztlich haben die Demonstranten das Botschaftsgebäude friedlich, wenn auch erst nach Erscheinen der Polizei, wieder verlassen, so dass zur Überzeugung des Senats von einer gewaltsamen Aktion, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Äthiopien zu Verfolgungsmaßnahmen führen wird, nicht ausgegangen werden kann. Gleiches gilt für die von dem Kläger in der Oppositionspresse veröffentlichten Leserbriefe bzw. Diskussionsbeiträge. Zwar berichtet das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 14.10.2003, dass auch 2002 und 2003 in Äthiopien Journalisten verhaftet worden seien, darunter Chefredakteure privater äthiopischer Zeitungen, die meist oppositionell ausgerichtet seien. Dieser Personenkreis ist aber deswegen in besonderer Weise betroffen, weil er sich fortwährend mit der äthiopischen Regierung kritisch auseinander setzt und deren Politik verurteilt, so dass die Regierung diese Form der Kritik durchaus als Bedrohung ihres Machtanspruchs auffassen kann und muss. Die von dem Kläger durch gelegentliche Leserbriefe geübte Kritik an der Politik der äthiopischen Regierung oder die Berichterstattung aus Deutschland erreicht allerdings diesen Grad der Gefährlichkeit für den Herrschaftsanspruch der äthiopischen Regierung nicht, so dass auch diese oppositionellen Aktivitäten nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien begründen.

Letztlich hebt sich der Kläger durch seine parteilichen Aktivitäten in keiner Weise von dem Kreis einfacher Parteimitglieder der AAPO oder von der Vielzahl der ansonsten in der Bundesrepublik Deutschland lebenden und politisch aktiven Exil-Äthiopier ab. Es kann insofern nicht angenommen werden, dass der Kläger aufgrund seiner parteipolitischen Orientierung in das Blickfeld der äthiopischen Sicherheitskräfte geraten wäre.

II. Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes AuslG liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG fragt nicht danach, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird; die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ohne Rücksicht darauf ab, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324, 330). Eine Aussetzung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kommt jedoch nicht in Betracht, wenn die geltend gemachten Gefahren nicht landesweit drohen und der Ausländer sich ihnen durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324, 330). Für die Annahme einer "konkreten" Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG genügt ebenso wenig wie im Asylrecht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr ist der Begriff der "Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift im Ansatz kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" angelegte, wobei allerdings das Element der "Konkretheit" der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation statuiert. Die besondere Schwere eines drohenden Eingriffs in geschützte Rechtsgüter ist auch bei § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Rahmen der gebotenen "qualifizierenden" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung, Abwägung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes vermittels des Kriteriums, ob die Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutverletzung "beachtlich" ist, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24, 26 im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 05.11.1991, BVerwGE 89, 162; BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324, 330). Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Durchführung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht vor. Eine dem Kläger drohende individuell-konkrete Gefahr im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist nicht glaubhaft gemacht; insbesondere drohen dem Kläger bei einer Abschiebung nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu § 51 Abs. 1 AuslG Bezug genommen. Auch ist nach den vorliegenden Erkenntnissen von einer allgemeine "extremen Gefahrenlage", bei welcher der Ausländer im Falle seiner Abschiebung grundsätzlich sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324, 328; Urt. v. 29.03.1996, NVwZ-Beilage 1996, 57, 58 und v. 19.11.1996, NVwZ 1997, 685, 687f.) oder der extremen Gefahr ausgesetzt würde, mangels ausreichender Existenzmöglichkeiten an Hunger oder Krankheit zu sterben (BVerwG, Urt. v. 02.09.1997 - BVerwG 9 C 40.96 -, [juris]) und die daher in verfassungskonformer Auslegung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG - ausnahmsweise - ein zwingendes Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz1 AuslG begründet (vgl. BVerwG, Urteile v. 17.10.1995, 29.03.1996, 19.11.1996 und 02.09.1997, a .a. O.), nicht auszugehen.

Zwar sind die Existenzbedingungen in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, für große Teile, insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart und bei Ernteausfällen potentiell lebensbedrohend; denn nach zwei guten Erntejahren sind 2002 und 2003 dürrebedingt wieder bis zu 14 Millionen Äthiopier von Nahrungsmittelknappheit und regional, insbesondere im Osten und Norden des Landes, von Hungersnot bedroht. Allerdings wird Äthiopien in derartigen Fällen von internationalen Hilfsorganisationen unterstützt, die eine Grundversorgung mit den zum Überleben notwendigen Grundnahrungsmitteln weitestgehend, wenn auch nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit, sicherstellen. Dies mag für besondere Personengruppen eine Rückkehr in ihr Heimatland erschweren (vgl. für den Personenkreis der minderjährigen Asylbewerber: HessVGH, Urt. v. 23.01.2003, a. a. O.). Der Kläger ist indes nicht zu diesem Personenkreis zu zählen, da seine Familie in Äthiopien lebt und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass diese ihn nicht unterstützen kann. Auch bietet sich dem Kläger schon mit geringem Startkapital die Möglichkeit zu einer bescheidenen Existenzgründung (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 14.10.2003).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylVfG; die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil aus Anlass dieses Falls keine weitere Klärung grundsätzlicher Fragen des Bundesrechts oder des Verwaltungsverfahrensrechts zu erwarten ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Senat von keiner Entscheidung im Instanzenzug abweicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und Verfahrensfehler nicht ersichtlich sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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