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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: 2 S 127.05
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 | |
VwGO Abs. 4 Satz 3 | |
VwGO Abs. 5 Satz 1 | |
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn am 9. Dezember 2005 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 1. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 200,- EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit Bescheid vom 20. April 2004 gab der Antragsgegner der Antragstellerin auf, eine offene Garage und eine offene Einfriedung auf dem Grundstück S. in L. zu beseitigen. Für den Bescheid wurde eine Gebühr von 400,- Euro erhoben. Den Widerspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2004, für den er wiederum eine Gebühr von 400,- Euro erhob, zurück. Die Antragstellerin hat gegen die Bescheide Anfechtungsklage erhoben. Ihren Antrag, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Gebührenentscheidungen in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. April 2004 und in dem Widerspruchsbescheid vom 18. August 2004 anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht Potsdam mit Beschluss vom 1. Juli 2005 abgelehnt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Gebührenentscheidungen in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. April 2004 und in dem Widerspruchsbescheid vom 18. August 2004 anzuordnen, zu Recht abgelehnt, weil bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit der Klage angegriffenen Verwaltungsakte bestehen und die Vollziehung für die Antragstellerin keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
Soweit die Beschwerde geltend macht, bei der streitigen Gebühr handele es sich nicht um eine sofort fällige Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, rechtfertigt dies schon deshalb keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, weil in diesem Fall der auch im Beschwerdeverfahren ausdrücklich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Gebührenforderungen anzuordnen, mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig wäre. Ein anderes Ergebnis ergäbe sich jedoch auch dann nicht, wenn die Antragstellerin - wie ursprünglich auch in der Antragsschrift - beantragt hätte, festzustellen, dass die gegen die Bescheide des Antragsgegners erhobene Klage auch hinsichtlich der jeweiligen Kostenfestsetzungen aufschiebende Wirkung entfaltet. Denn eine Kostenanforderung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch dann nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar, wenn sie - wie hier - als Nebenentscheidung zu einer noch nicht bestandskräftigen Sachentscheidung ergangen ist (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. Dezember 1994, NVwZ-RR 1995, 433, 434; OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 B 252/01.Z -; VGH Kassel, Beschluss vom 13. März 1997, NVwZ-RR 1998, 463). Die Annahme der von der Antragstellerin zitierten Gegenansicht in Rechtsprechung und Literatur (vgl. die umfänglichen Nachweise bei OVG Berlin, a.a.O., und Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80 Rn. 62), die Anwendbarkeit des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sei auf selbständige Abgaben- und Kostenanforderungen beschränkt, findet im Wortlaut der Regelung keine Grundlage und ist auch mit dem Regelungszeck nicht zu vereinbaren. Dieser besteht darin, im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und einer sinnvollen Haushaltsplanung den steten Zufluss der zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben bestimmten Mittel sicherzustellen. Die Vorschrift soll verhindern, dass sich die Verpflichteten allein durch die Einlegung von Rechtsbehelfen, die sich möglicherweise später als unbegründet erweisen könnten, der Leistung vorerst entziehen; die erforderlichen Einnahmen sollen der öffentlichen Hand vielmehr zur kontinuierlichen Erfüllung ihrer Aufgaben zunächst einmal zur Verfügung stehen (vgl. OVG Berlin, a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Mai 1992, NVwZ-RR 1993, 279). Hiervon ausgehend kann es auch keine Rolle spielen, ob einem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung zur Hauptsache - wie im vorliegenden Fall - aufschiebende Wirkung zukommt oder nicht. Denn bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen durchbricht die Ausnahmeregelung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO und nicht umgekehrt. Zudem dient die zügige Beitreibung auch solcher Verwaltungskosten, die zur Abgeltung eines der Behörde für den Erlass der Sachentscheidung entstandenen Aufwandes erhoben werden, dem mit § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verfolgten Zweck der finanziellen Sicherung öffentlicher Aufgabenerfüllung. Hinzu kommt, dass im Rahmen eines dann gegen die Vollziehung einer solchen Kostenanforderung gegebenenfalls zu führenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch die Erfolgsaussicht des gegen die Sachentscheidung gerichteten Rechtsbehelfs und möglicherweise auch die Frage der sofortigen Vollziehbarkeit der Sachentscheidung zu berücksichtigen ist (vgl. VGH Kassel, a.a.O.; ähnlich OVG Berlin, a.a.O.; a.A.: Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Juli 2005, § 80 Rn. 119, mit Nachweisen zur Gegenansicht).
Ebenfalls ohne Erfolg macht die Antragstellerin ferner geltend, die angefochtenen Bescheide seien wegen ihrer Inanspruchnahme als Zustandsstörerin rechtswidrig. Wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren trägt sie hierzu vor, dass sie nicht alleinige Eigentümerin des Grundstücks sei, sondern dieses vielmehr seit dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 2001 zur Hälfte der aus ihr selbst und ihrer Tochter bestehenden ungeteilten Erbengemeinschaft gehöre und der Antragsgegner deshalb von seinem Auswahlermessen hätte Gebrauch machen müssen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die Heranziehung der Antragstellerin als zustandsverantwortliche Miteigentümerin des Grundstücks und zugleich Handlungsstörerin unter dem insoweit in erster Linie maßgeblichen Gesichtspunkt des effektiven Gesetzesvollzugs ermessensgerecht sei, da der Bauherr der fraglichen baulichen Anlagen - wie hier - für die Behörde ohne Schwierigkeiten erreichbar sei und an dessen uneingeschränkter Handlungsfähigkeit kein Zweifel bestehe. Soweit die Beschwerdebegründung demgegenüber darauf verweist, dass Handlungsstörer nicht die Antragstellerin, sondern ihr inzwischen verstorbener Ehemann gewesen sei, stellt dies den Kern der Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass die Störerauswahl unter dem Gesichtspunkt des effektiven Gesetzesvollzugs nicht zu beanstanden sei, nicht in Frage. Kann die Ordnungsverfügung nicht an den Handlungsstörer gerichtet werden, weil dieser verstorben ist, ist es erst recht ermessensgerecht, den Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen. Ob die Antragstellerin nicht nur als zustandsverantwortliche Miteigentümerin des Grundstücks, sondern darüber hinaus auch als Handlungsstörerin in Anspruch zu nehmen war, spielt deshalb keine entscheidende Rolle. Der Senat vermag schließlich auch nicht der Auffassung der Antragstellerin zu folgen, die nachträgliche "Ergänzung" der Ermessenserwägungen sei im vorliegenden Fall nicht zulässig gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -; der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Entscheidung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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