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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: OVG 1 K 70.06
Rechtsgebiete: VwGO, RVG
Vorschriften:
VwGO § 151 | |
VwGO § 162 Abs. 1 | |
VwGO § 162 Abs. 2 S. 1 | |
VwGO § 165 | |
RVG § 46 |
2. Ablichtungen aus Behördenakten sind aus der Sicht eines gewissenhaften Rechtsanwalts für die sachgerechte, dem Sparsamkeitsgebot verpflichtete Wahrnehmung der Rechte seines Auftraggebers immer dann notwendig (und erstattungsfähig), wenn das abgelichtete Schriftgut dem Anwalt ständig zur Verfügung stehen muss, es ihm also nicht zugemutet werden kann, sich die erforderliche Kenntnis notfalls durch mehrfache Akteneinsicht zu verschaffen.
OVG 1 K 70.06
In der Kostensache
hat der 1. Senat durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Blumenberg und den Richter am Verwaltungsgericht Kaufhold am 18. September 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 27. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe:
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 27. Juni 2006 ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 165, 151 VwGO zulässig, aber nicht begründet.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 18. Januar 2006 den Normenkontrollantrag der Erinnerungsgegner gegen zwei Bebauungspläne der Stadt Oranienburg zurückgewiesen und ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren gem. § 164 VwGO hat die Erinnerungsführerin beantragt, die ihr durch die anwaltliche Vertretung im Normenkontrollverfahren entstandenen Kosten als erstattungsfähig festzusetzen. Die Urkundsbeamtin hat mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt, neben den zu erstattenden Gebühren des beauftragten Rechtsanwalts auch dessen Auslagen in Höhe von 1904,87 € für die Anfertigung einer vollständigen Kopie der Verwaltungsvorgänge der Erinnerungsführerin festzusetzen, weil diese Aufwendungen nicht notwendig gewesen seien. Diese Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Erstattungsfähig für den im Verwaltungsprozess obsiegenden Beteiligten sind gem. § 162 Abs.1 VwGO u. a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung "notwendigen" Aufwendungen. Dazu gehören stets die (gesetzlichen) Gebühren eines Rechtsanwalts und dessen Auslagen (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Zu den Auslagen, die der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber ersetzt und dieser vom kostenpflichtigen Prozessgegner erstattet verlangen kann, gehören auch die zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit "erforderlichen" Aufwendungen des Rechtsanwalts im Sinne von § 46 RVG und Teil 7 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die gesetzliche Begrenzung des Erstattungsanspruchs auf die "notwendigen" bzw. "erforderlichen" Auslagen bringt den das Kostenrecht allgemein beherrschenden Sparsamkeitsgrundsatz und das daraus folgende Gebot sparsamer Prozessführung zum Ausdruck.
Nach diesen kostenrechtlichen Maßstäben kann die Erinnerungsführerin eine Erstattung der Kosten in Höhe von 1904,87 €, die durch die von ihren Prozessbevollmächtigten in Auftrag gegebene Herstellung eines vollständigen, originalgetreuen Doppels von zwölf Bänden Verwaltungsvorgängen nebst 6 Broschüren (Kopien aller Vorlagen DIN A 4 / A3 in Farbe oder schwarz/weiß incl. Schneiden, Falten, Binden, in Ordner konfektionieren und sonstiger Tätigkeiten) entstanden sind, nicht beanspruchen. Ob die Erinnerungsführerin ihren Prozessbevollmächtigten diese Aufwendungen ersetzen muss, richtet sich nach den Umständen des zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages (§§ 675, 670 BGB); ein Erstattungsanspruch gegenüber den Erinnerungsgegnern besteht mangels Notwendigkeit der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung jedenfalls nicht. Denn Ablichtungen aus Behördenakten sind aus der Sicht eines gewissenhaften Rechtsanwalts für die sachgerechte, dem Sparsamkeitsgebot verpflichtete Wahrnehmung der Rechte seines Auftraggebers immer dann notwendig (und damit erstattungsfähig), wenn das abgelichtete Schriftgut dem Anwalt ständig zur Verfügung stehen muss, es ihm also nicht zugemutet werden kann, sich die erforderliche Kenntnis notfalls durch mehrfache Akteneinsicht zu verschaffen (vgl. BVerwG, NJW 1971, 209; OVG Lüneburg, OVGE 27, 471 m. w. N.). Auch bei insoweit gebotener Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist dafür aber eine -wie hier- undifferenzierte Auswahl der abzulichtenden Schriftstücke oder gar eine pauschale Ablichtung der gesamten Behördenakte nach -soweit ersichtlich- einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (VGH Mannheim, Justiz 1984, 32; OVG Hamburg, AnwBl. 1987, 290; OVG Münster, Beschluss vom 6. August 2001 -10a D 180/98.NE- m. w. N., juris; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 162 Rn. 7 m. w. N.; Neumann in Sodan/Zikow, VwGO, 2. Aufl., § 162 Rn. 72 m. w. N.) regelmäßig nicht erforderlich. Dies entspricht auch der Auffassung des beschließenden Senats.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Erinnerungsführerin neben den Originalvorgängen, die dem Gericht vorzulegen waren (§ 99 Abs.1 VwGO), nach dem unwidersprochenen Vortrag der Erinnerungsgegner als Retent über einen zweiten Satz Akten verfügte. Dieses Retent, das eine prozessführende Behörde regelmäßig vorsorglich im Rahmen ihrer nicht erstattungsfähigen Generalunkosten (Eyermann, a. a. O.) anfertigt, hat sie in aller Regel dem bevollmächtigten Rechtsanwalt für die Dauer des Prozesses oder zeitweilig zur Verfügung zu stellen, falls sie das Verwaltungsstreitverfahren nicht selbst, sondern -was ihr freisteht- mit anwaltlicher Vertretung führen will. Entscheidet sich die Behörde aber für die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Prozessführung, gebietet ihr die Pflicht zu sparsamer Prozessführung, nicht ein weiteres Exemplar zumal umfangreicher Verwaltungsvorgänge, jedenfalls nicht auf Kosten des gegnerischen Verfahrensbeteiligten herstellen zu lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung bedurfte es nicht, weil für das Erinnerungsverfahren Gerichtsgebühren nicht vorgesehen sind.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO).
Ende der Entscheidung
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