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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 16.11.2009
Aktenzeichen: OVG 1 S 137.09
Rechtsgebiete: GewO, VwVG, SpielV


Vorschriften:

GewO § 15 Abs. 2 Satz 1
GewO § 33i
GewO § 144 Abs. 1 Nr. 1d
VwVG § 6 Abs. 2
SpielV § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 1 S 137.09

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hoock und den Richter am Verwaltungsgericht Bierbaum am 16. November 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

1. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Schließung ihres Spielhallenbetriebs. Mit Bescheid vom 30. September 2002 wurde ihr die unbefristete Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Betreiben einer Spielhalle mit einer für den Spielbetrieb zur Verfügung stehenden Grundfläche von 225 qm erteilt, wobei der beigefügte Lageplan Bestandteil des Bescheids sein sollte. Nachdem am 26. Februar 2009 festgestellt worden war, dass der Betrieb der Spielhalle aus zwei eigenständigen Spielhallen bestand, die nicht miteinander verbunden waren und zwei getrennte Eingangstüren hatten, schloss das Ordnungsamt des B_____die Räume und versiegelte sie. Am 5. März 2009 wurden die Räume ausschließlich zum Umbau der Spielhalle, insbesondere zur Entfernung einer zuvor errichteten Trennwand, wieder entsiegelt. Nachdem bei einer Überprüfung am 25. Mai 2009 festgestellt worden war, dass in der Spielhalle der Antragstellerin Spielbetrieb stattfand, wobei die beiden Einzelflächen nunmehr wieder zu einem Raum zusammengeführt worden waren, schloss und versiegelte das Ordnungsamt die Räumlichkeiten erneut. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Schließung und Versiegelung der Räume der Antragstellerin seien bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Die Maßnahmen hätten gemäß § 6 Abs. 2 VwVG ohne vorausgehenden Verwaltungsakt im Wege unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden dürfen. Die Fortsetzung des Betriebes habe nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO verhindert werden dürfen, weil die Antragstellerin nicht über die nach § 33i GewO erforderliche Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle verfügt habe. Die ihr mit Bescheid vom 30. September 2002 erteilte Erlaubnis sei bereits durch die am 26. Februar 2009 festgestellten Umbaumaßnahmen erloschen; sie lebe durch den Rückbau der Räumlichkeiten in ihren ursprünglichen Zustand nicht wieder auf. Die Schließung sei auch verhältnismäßig. Der sofortige Vollzug in Form der Versiegelung sei zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat erforderlich gewesen. Durch den Betrieb der Spielhalle ohne Erlaubnis sei der Bußgeldtatbestand des § 144 Abs. 1 Nr. 1 d) GewO erfüllt gewesen, zudem habe der Fortgang der bereits andauernden rechtswidrigen Tat gedroht.

2. Die hiergegen erhobene Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das für die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Beschwerdevorbringen der Antragstellerin (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigt eine Änderung des angegriffenen Beschlusses nicht. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Schließung und Versiegelung der Räumlichkeiten der Antragstellerin sowie die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen, zu Recht abgelehnt. Die von der Beschwerde erhobenen Einwände greifen demgegenüber nicht durch.

a) Soweit die Beschwerde geltend macht, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einem Erlöschen der mit Bescheid vom 30. September 2002 erteilten Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle ausgegangen, überzeugt das nicht. Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, ist die Erlaubnis nach § 33i GewO persönlicher und sachlicher Natur, d.h. sie ist an eine bestimmte Person, an bestimmte Räume und an eine bestimmte Betriebsart gebunden. Sie erlischt grundsätzlich, wenn sich in Bezug auf diese Umstände eine wesentliche Änderung ergibt; wesentliche Änderungen sind solche, die sich auf die für die Erlaubniserteilung maßgeblichen Verhältnisse auswirken (vgl. Heß, in: Friauf, GewO, § 33i Rn. 59). Diese Voraussetzungen liegen nach der gegenwärtigen Erkenntnislage vor.

Die vom Antragsgegner bei einer Überprüfung der Spielhalle der Antragstellerin am 26. Februar 2009 festgestellten räumlichen Veränderungen stellen wesentliche Änderungen im aufgezeigten Sinne dar. Nach den aktenkundigen Feststellungen des Ordnungsamts bestand der Betrieb der Antragstellerin am 26. Februar 2009 aus zwei eigenständigen Spielhallen, die nicht miteinander verbunden waren und die jeweils über eine eigene Eingangstür verfügten; die vormals vorhandene 225 qm große Spielhalle war durch eine neu errichtete Mauer in getrennte Einzelflächen von 148 qm und 66 qm geteilt worden. Dass es zu derartigen Umbauten gekommen war, wird auch durch die Begleitumstände anlässlich der Entsiegelung der Spielhalle Anfang März 2009 bestätigt: sie erfolgte lediglich zum Zwecke von Umbauarbeiten durch eigene Handwerker der Antragstellerin mit dem Ziel, "die Spielhalle so herzurichten, wie es dem genehmigten Urzustand" entsprach (vgl. Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin an das Ordnungsamt vom 3. März 2009); im Protokoll über die Entsiegelung ist ausdrücklich vermerkt, dass die Entsiegelung "ausschließlich zum Umbau der Spielhalle, d.h. zur Entfernung einer Trennwand" erfolge. Dass es sich bei den vorgenommenen baulichen Änderungen u.a. um die Einfügung einer auf Dauer angelegten Trennwand handelte, lässt sich schließlich den vom Antragsgegner angefertigten und im Verwaltungsvorgang enthaltenen Fotos vom 18. Dezember 2008 entnehmen; schon zu diesem Zeitpunkt, also gut zwei Monate vor der erstmaligen Schließung der Spielhalle, waren die baulichen Veränderungen vorgenommen worden. Demnach stellt sich der Sachverhalt dergestalt dar, dass die Antragstellerin die Umbauten, wie sie auf dem Lageplan, den ihre Geschäftsführerin zusammen mit Erlaubnisanträgen für zwei Spielhallen im Dezember 2008 eingereicht hat, dokumentiert sind, bereits im Dezember 2008 in die Tat umgesetzt und den Spielbetrieb in zwei Spielhallen aufgenommen hatte, ohne die Entscheidung über die beantragten Erlaubnisse abzuwarten. Die von der Beschwerde vermisste (weitere) "Sachverhaltsaufklärung" durch das Verwaltungsgericht war im Rahmen des hier allein zu beurteilenden vorläufigen Rechtsschutzverfahrens weder möglich noch geboten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass in diesem Verfahren - wie von der Beschwerde behauptet -, eine Beurteilung der Frage ob die der Antragstellerin mit Bescheid vom 30. September 2002 erteilte Erlaubnis durch die Umbaumaßnahmen erloschen ist, nicht möglich sein sollte.

Auch der Einwand der Beschwerde, das Verwaltungsgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass die Zahl der Räume einer Spielhalle für die Prüfung der Erlaubniserteilung unter anderem deshalb relevant sei, weil sie sich auf die Aufstellung der Geldspielgeräte auswirke, greift im Ergebnis nicht durch. Ungeachtet der Frage, ob die Aussage des Verwaltungsgerichts nach ihrem Kontext überhaupt in dem von der Antragstellerin verstandenen Sinne interpretiert werden kann, ist der Beschwerde zwar einzuräumen, dass § 3 SpielV nur die höchstzulässige Anzahl von Gewinnspielgeräten regelt, nicht aber deren Verteilung auf der zur Verfügung stehenden Fläche (vgl. Hahn, in: Friauf, GewO, Anhang 1 zu §§ 33c bis 33 i, § 3 SpielV, Rn. 17). Allerdings wirkt sich der hier in Rede stehende Umbau von einer Spielhalle mit 225 qm Grundfläche in zwei separate Spielhallen von 148 qm und 66 qm Grundfläche auf die Anzahl der zulässigen Geldspielgeräte aus. Während im ersten Fall die höchstzulässige Zahl der Geldspielgeräte nach § 3 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SpielV 12 beträgt, wären im letzteren Falle insgesamt 17 (12 plus 5) Geräte zulässig. Darüber hinaus ist die von der Antragstellerin durchgeführte bauliche Veränderung für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 33i Abs. 1 GewO, die an bestimmte Räume gebunden ist, im Rahmen des § 33i Abs. 2 GewO von Bedeutung. Denn für das Vorliegen dieses Versagungsgrundes ist zu prüfen, ob die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume u.a. wegen ihrer Beschaffenheit den polizeilichen Anforderungen genügen. Schon deshalb wirkt sich der Umbau von einer Spielhalle in zwei getrennte, nicht miteinander verbundene Spielhallen mit separaten Eingängen auf die für die Erteilung der Erlaubnis maßgeblichen Verhältnisse aus, so dass das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgehen durfte, dass die am 30. September 2002 erteilte Erlaubnis durch die von der Antragstellerin ins Werk gesetzten Umbaumaßnahmen erloschen ist und durch Rückbau auch nicht wieder auflebt.

Die Schließung der Spielhalle erweist sich auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil ihr Betrieb ohne die erforderliche Erlaubnis nach Auffassung der Beschwerde "nur" formell rechtswidrig sei (vgl. hierzu Heß, in: Friauf, a.a.O., § 15 Rn. 27). Unabhängig davon, ob der Betrieb der Antragstellerin genehmigungsfähig wäre, gilt das insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin im Vorfeld bereits mehrfach darauf hingewiesen worden war, dass die Aufnahme des Betriebes der Spielhalle nur nach vorheriger Erteilung einer Erlaubnis zulässig sei.

b) Entgegen der Auffassung der Beschwerde waren die Voraussetzungen für Verwaltungszwangsmaßnahmen nach § 6 Abs. 2 VwVG gegeben. Danach kann Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt u.a. angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. Ein sofortiges Eingreifen in die Rechte des Bürgers nach § 6 Abs. 2 VwVG ist nur zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme nicht durch den Erlass eines Verwaltungsaktes und der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erreicht werden kann. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf diese von dem üblichen Weg des Erlasses eines Verwaltungsaktes mit der Anordnung sofortiger Vollziehung abweichende Maßnahme nur in besonderen Ausnahmefällen durchgeführt werden. Die Notwendigkeit des Verwaltungszwangs unterliegt umfassender gerichtlicher Nachprüfung, ein Beurteilungsspielraum kommt der Behörde nicht zu (vgl. schon OVG Berlin, Beschluss vom 3. Oktober 1980 - 2 B 4.79 - juris Rn. 4; Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 8. Aufl. 2008, § 6 VwVG Rn. 24 m.w.N.).

Eine für sofort vollziehbare erklärte Schließungsanordnung an die Antragstellerin hätte vorliegend nicht zu einer vergleichbar effektiven und schnellen Beendigung der mit Verwirklichung des Bußgeldtatbestands nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 d) GewO bereits eingetretenen Störung der öffentlichen Sicherheit geführt. Die Antragstellerin war anlässlich der Entsiegelung ihrer Spielhalle Anfang März 2009 (nach erstmaliger Schließung im Februar 2009) auf das Erfordernis einer Erlaubnis nach § 33i GewO ausdrücklich hingewiesen worden; die Entsiegelung erfolgte ausschließlich und unmissverständlich nur zum Zwecke der beabsichtigten Umbaumaßnahmen. Das hat auch der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin in seinem Schreiben an das Ordnungsamt vom 3. März 2009 zum Ausdruck gebracht. Darin wurde anwaltlich versichert, der Antragstellerin sei bekannt, dass die zum Um- bzw. Rückbau notwendige Entsiegelung der Spielhalle einzig und allein zu diesem Zweck erfolge, daraus lasse sich kein Spielbetrieb herleiten; überdies sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass sie am 5. März 2009 einen Antrag auf Neuerteilung einer Gewerbegenehmigung gemäß § 33i GewO stellen werde. Daraufhin wurde ein von der Geschäftsführerin der Antragstellerin Ende 2008 gestellter Antrag auf Erteilung von Erlaubnissen für den Betrieb zweier Spielhallen am 5. März 2009 zurückgenommen, zugleich stellte die Antragstellerin einen neuen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle. Bei diesem Geschehensablauf bestand auch für die Antragstellerin kein Zweifel daran, dass das erneute Betreiben einer Spielhalle nach den Vorgängen im Februar/März 2009 die vorherige Erteilung einer - von ihr im Übrigen selbst beantragten - Erlaubnis voraussetzte. Gleichwohl hat sie sich durch die faktische Inbetriebnahme der Spielhalle, wie sie bei der behördlichen Überprüfung im Mai 2009 festgestellt wurde, über das Erfordernis der Erlaubnis hinweggesetzt und damit zu erkennen gegeben, dass sie nicht bereit war, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten. Für die Behauptung der Beschwerde, die Antragstellerin habe sich stets rechtstreu verhalten wollen, bestehen in diesem Zusammenhang hingegen keinerlei Anhaltspunkte. Jedenfalls bei dieser Sachlage begegnet es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken, dass der Antragsgegner im Wege unmittelbaren Zwangs vorgegangen ist.

c) Schließlich ist die von der Beschwerde angegriffene Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Antragstellerin verkennt die grundlegende Wertung des Gesetzes, wonach Rechtsbehelfen keine aufschiebende Wirkung zukommt, soweit sie sich gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung richten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO). Von diesem rechtlichen Ansatz ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 3, § 52 Abs. 1 GKG; zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts (Seite 6 des Beschlussabdrucks), die der Streitwertfestsetzung auch im Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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