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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: OVG 1 S 143.06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 S 143.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht, den Richter am Oberverwaltungsgericht und die Richterin am Oberverwaltungsgericht am 16. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. November 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 24. Oktober 2006, durch den das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) die vom Antragsteller angemeldete Versammlung bestätigt und zugleich mehrere Auflagen angeordnet hat. Die vom Antragsteller mit Schreiben vom 17. November 2003 für den 18. November 2006 in der Zeit von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr angemeldete Demonstration zu dem Thema "Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten und den europäischen Freiwilligen" mit ca. 500 bis 1000 Teilnehmern sollte am Bahnhof Halbe beginnen, mit einem Trauermarsch zum Friedhof Halbe führen, eine Zwischenkundgebung auf dem Parkplatz vor dem Friedhof und eine Kranzniederlegung auf oder vor dem Friedhof umfassen und als Trauermarsch zurück zum Bahnhof führen, wo die Abschlusskundgebung stattfinden sollte. Am 20. Juni 2006 änderte der Antragsteller die Anmeldung dahin ab, dass Treffpunkt und Auftaktkundgebungsort der Versammlung nicht mehr der Bahnhof von Halbe, sondern der Bereich Lindenstraße - Bereich Kirchstraße 01 - Lindenstraße 47 und 48 sein sollte. Die - in diesem Verfahren allein noch angefochtene - Auflage zu II 2.a) lautet wie folgt:

"Die Versammlung nimmt folgenden von Ihrer Anmeldung abweichenden Verlauf: Die Versammlungsteilnehmer versammeln sich am 18. November 2006 ab 12.00 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz in Halbe, wo die Kundgebung bzw. Kundgebungen stattfinden. Die Versammlung darf sich auf der Bahnhofstraße nicht weiter als bis zu den Einmündungen der Löptener Straße ausdehnen."

Gegen den Auflagenbescheid hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und bei dem Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels beantragt. Gegen den vorläufigen Rechtsschutz versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Vorbringen der Beschwerde, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss aufzuheben oder zu ändern.

Maßstab der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine umfassende Interessenabwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse und dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Hat die Behörde - wie hier - die sofortige Vollziehung angeordnet, ist zu prüfen, ob sie zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens oder des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens von dem Verwaltungsakt verschont zu bleiben. Im Rahmen der Abwägung ist auch von Belang, ob sich der Verwaltungsakt als rechtmäßig erweist.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der zum Versammlungsort verfügten Auflage besteht, die sich - bei summarischer Prüfung - als materiell rechtmäßig erweist. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei gegenläufigen Versammlungen sei zu bedenken, dass Artikel 8 GG das Grundrecht der Versammlungsfreiheit als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe garantiere. Komme es zu einer Rechtsgüterkollision, könne das Selbstbestimmungsrecht des Grundrechtsträgers über Ort, Zeit und Inhalt der Versammlung durch Rechte anderer beschränkt sein. Die Versammlungsbehörde habe sich nicht allein am Prioritätsgrundsatz zu orientieren; vielmehr sei bei konkurrierenden Nutzungswünschen eine praktische Konkordanz bei der Ausübung der Grundrechte unterschiedlicher Grundrechtsträger herzustellen, wobei die Behörde aus hinreichend gewichtigen Gründen unter strikter Berücksichtigung des Grundsatzes inhaltlicher Neutralität von der zeitlichen Reihenfolge der Anmeldungen abweichen könne. Die Ausrichtung allein am Prioritätsgrundsatz könnte im Übrigen dazu verleiten, Versammlungen an bestimmten Tagen und Orten frühzeitig - ggf. auf Jahre hinaus auf Vorrat - anzumelden und damit anderen potentiellen Veranstaltern die Durchführung von Versammlungen am gleichen Tag und Ort unmöglich zu machen, was dem Anliegen, die Ausübung der Versammlungsfreiheit grundsätzlich allen Grundrechtsträgern zu ermöglichen, widerspräche. Der Prioritätsgrundsatz sei dagegen allein maßgebend, wenn die spätere Anmeldung allein oder überwiegend zu dem Zweck erfolge, die zuerst angemeldete Versammlung an diesem Ort zu verhindern. Die zeitlich nachrangig angemeldete Veranstaltung habe allerdings nicht schon deshalb zurückzutreten, weil die geplante Versammlung des Erstanmelders einen Anstoß zur Durchführung der später angemeldeten Versammlung gegeben habe. Gemessen an diesen Grundsätzen habe der Antragsgegner dem Antragsteller für die geplante Versammlung den Bahnhofsvorplatz und Teilbereiche der Bahnhofstraße zuweisen dürfen. Durch seine Anmeldung der Versammlung schon vor einigen Jahren erwachse dem Antragsteller kein Vorrang vor der späteren Anmeldung des Beigeladenen. Die Anmeldung von Versammlungen "auf Vorrat" bis in das Jahr 2020 relativiere gleichermaßen den Gesichtspunkt der Priorität. Der Antragsteller könne damit nicht die Grundrechtsausübung anderer dauerhaft blockieren. Die Behörde müsse auch konkurrierende Versammlungen in die Abwägung einbeziehen, die dann nicht mehr grundsätzlich nachrangig seien. Die von dem Beigeladenen später angemeldete Versammlung diene nicht allein oder überwiegend dem Zweck, die Versammlung des Antragstellers an diesem Ort zu verhindern. Die zuerst angemeldete Versammlung habe nur den Anstoß zur Durchführung der weiteren Versammlung gegeben. Der Antragsgegner habe auch nicht aus dem Motto der Gegenveranstaltung "Lass Nazi-Träume platzen!" folgern müssen, dass der überwiegende Zweck der Versammlung des Beigeladenen die Verhinderung der Versammlung des Antragstellers sei. Denn dieses Motto sei mehrdeutig und aus der Versammlungsanmeldung des Beigeladenen vom 15. Dezember 2005 und aus weiteren Verlautbarungen im Internet und dem gesamten Programmablauf ergebe sich eine Vielzahl von Elementen und Beiträgen, die der Versammlung eine eigene "Botschaft" gäben, die sich nicht darin erschöpfe, die Versammlung des Antragstellers zu negieren. Soweit es dem Beigeladenen darauf ankomme, zu zeigen, dass er mehr Teilnehmer aufbieten könne als der Antragsteller, dürfte es gerade auch im Sinne des Beigeladenen sein, dass die Versammlung des Antragstellers tatsächlich stattfinde; denn nur so könne die Öffentlichkeit den offenbar angestrebten Vergleich der Zahl der Versammlungsteilnehmer vornehmen. Wenn der Versammlung des Antragstellers nicht von vornherein der Vorrang zukomme, sei gegen den vom Antragsgegner vorgenommenen Ausgleich der gegenläufigen Interessen nichts einzuwenden. Dabei habe der Antragsgegner insbesondere berücksichtigen dürfen, dass entsprechende Versammlungen des Beigeladenen oder der Veranstalter eines vergleichbaren Versammlungsanliegens zu den beiden letzten Anlässen (am Sonnabend vor dem Volkstrauertag, 12. November 2005, sowie am 11. März 2006) für den angemeldeten Versammlungsort keine Bestätigung erhalten habe und dass die Versammlungen im Ergebnis auch nicht an den gewünschten Orten abgehalten worden seien. Es sprächen auch sonst keine gewichtigen Gründe dafür, nicht die Versammlung des Antragstellers, sondern die des Beigeladenen zu verlegen. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner nicht allein in der Versammlung des Antragstellers, die einen engen Bezug zu den in den letzten Kriegstagen in Halbe und seiner Umgebung zu Tode Gekommenen insbesondere durch das Niederlegen von Kränzen zum Ausdruck bringen wolle, sondern auch in der Versammlung des Beigeladenen einen engen thematischen Bezug zur Kriegsgräberstätte gesehen habe. Die dem Antragsteller in diesem Jahr zugewiesene Örtlichkeit des Bahnhofsvorplatzes und seiner näheren Umgebung stelle sich nicht als grundlegend untauglicher Versammlungsort dar. Der Antragsteller sei nicht gehindert, seine Versammlung öffentlichkeitswirksam im sehr kleinen, für sein Anliegen aber bedeutsamen Ort durchzuführen, bei dem schon allein der Ortsname Halbe als Synonym für die opferreiche "Kesselschlacht" im April 1945 stehe. Es sei für den Antragsteller auch nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar, den Bahnhof als seinerzeit strategisch wichtigen Punkt des Ortes, in dessen Umgebung verlustreiche Kämpfe stattgefunden hätten, in den Blickpunkt der diesjährigen Veranstaltung zu stellen und gegebenenfalls dort Kränze niederzulegen.

Zur Begründung der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor: An der Richtigkeit des teilweise angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts bestünden ernstliche Zweifel. Das Verwaltungsgericht habe zwar zutreffend festgestellt, dass das Grundrecht aus Artikel 8 GG die Versammlungsfreiheit als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe schütze, jedoch übersehen, dass die Veranstaltung des Beigeladenen durchaus einen staatlichen Charakter trage, weil sie auch von staatlichen Stellen und Trägern der staatlich-politischen Macht gefördert und unterstützt werde. Dies habe zu einer mangelhaften und fehlerbehafteten Ausübung des Ermessens geführt. Erst als er als Repräsentant der politischen Rechten damit begonnen habe, zeitnah zum Volkstrauertag eine Veranstaltung in Halbe anzumelden, hätten die "staatsnahen Kräfte" und andere politische Gruppierungen nachgezogen. Zwar könne es ein legitimes Anliegen sein, wenn der jeweilige politische Gegenpol und andere Kräfte nachzögen, wenn ein politischer Gegner öffentlich auftrete. Dies sei im Regelfall auch unschädlich, weil an den meisten Orten, an denen Demonstrationen stattfinden, genügend Platz vorhanden sei, um beiden Veranstaltungen einen öffentlichen Raum zu verschaffen und die Demonstrationen voneinander zu trennen. In Halbe sei dies jedoch - wie das Gericht zutreffend erkannt habe - nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend dargelegt, dass es dem konkurrierenden Veranstalter nicht darum gehe, dass seine Veranstaltung gar nicht stattfinden könne, weil sonst der angestrebte Vergleich der jeweiligen Teilnehmerzahlen nicht möglich wäre. Wenn der konkurrierende Veranstalter die Veranstaltung des Antragstellers auch nicht vollständig verhindern wolle, läge es doch in seinem Interesse diese zu behindern und weniger attraktiv zu machen. Die Zahl der Teilnehmer hänge von der Attraktivität der Veranstaltung ab und das nach der Auflage nicht mehr mögliche Niederlegen von Kränzen auf dem Friedhofsvorplatz mache einen beträchtlichen Teil der Attraktivität seiner Veranstaltung aus. Weiter rügt die Beschwerde, der angefochtene Beschluss weiche von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab, nach der die Allgemeinheit ein Recht auf Zugang zu Gedenkstätten habe. Die Rechtssache habe auch grundsätzliche Bedeutung, weil die mit seiner Versammlung konkurrierende Veranstaltung mit der aktiven Unterstützung der Regierung des Landes Brandenburg auftrete.

Die Beschwerdebegründung kann nicht zu einer von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abweichenden Beurteilung führen.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Ausführungen des Antragstellers zur Begründung seines Rechtsmittels in dem Schriftsatz vom 10. November 2006 den an eine Beschwerdebegründung nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu stellenden Anforderungen schon deshalb nicht genügen, weil sie nach Art eines Antrages auf Zulassung der Beschwerde aufgebaut und abgefasst sind. Eine Zulassung der Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist nach dem seit dem 1. Januar 2002 geltenden Prozessrecht (vgl. Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001(BGBl. I S. 3987) nicht mehr vorgesehen. Die Darlegung eines Zulassungsgrundes im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO ist grundsätzlich nicht gleichbedeutend mit der Begründung einer Beschwerde, die nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Darlegung der Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung enthalten muss. Die Auflagenverfügung des Antragsgegners begegnet, soweit sie den Versammlungsort betrifft, bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung jedenfalls auch dann keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn man den Inhalt der gegebenen Begründung als formell ausreichend betrachtet.

Das Verwaltungsgericht hat das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts zu Recht höher bewertet als das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Voraussetzungen für die unter II.a.) des Bescheides des Antragsgegners vom 24. Oktober 2006 verfügte Auflage hinsichtlich des Ortes der Versammlung des Antragstellers ihre Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 VersG findet und sich bei summarischer Prüfung als materiell rechtmäßig erweist.

Soweit der Antragsteller dagegen einwendet, das Verwaltungsgericht habe bei der erforderlichen Abwägung verkannt, dass die Gegenveranstaltung einen staatlichen Charakter habe, weil sie von staatlichen Stellen unterstützt und gefördert werde, kann dies zu keiner anderen Entscheidung führen. Der Antragsteller räumt ausdrücklich ein, dass in Halbe am 18. November 2006 nicht genügend Raum vorhanden ist, um der von ihm angemeldeten Versammlung und der Veranstaltung des Beigeladenen einen angemessenen öffentlichen Raum zu geben und die Veranstaltungen wirksam voneinander zu trennen. Infolgedessen hatte der Antragsgegner im Rahmen des Kooperationsgespräches, zu dem der Antragsteller jedoch nicht erschienen ist, oder durch Auflagen eine Entscheidung herbeizuführen, welcher der beiden Veranstaltungen bei der Nutzung insbesondere der Lindenstraße in Halbe der Vorrang einzuräumen ist. Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, über Ort und Zeitpunkt der geplanten Versammlung zu entscheiden, wird in Fällen der Rechtsgüterkollision durch die Rechte anderer beschränkt. In solchen Fällen ist für eine wechselseitige Zuordnung der betroffenen Rechtsgüter mit dem Ziel ihres jeweils größtmöglichen Schutzes zu sorgen. Wenn bei Durchführung der geplanten Versammlung den gegenläufigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit nicht hinreichend Rechnung getragen würde, kann die praktische Konkordanz zwischen den betroffenen Rechtsgütern durch versammlungsrechtliche Auflagen hergestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2005 - 1 BvR 961/05 - NVwZ 2005, 1055 (1056) unter Hinweis auf BVerfGE 104, 92 (111)). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn Staatsorgane handeln, die sich nicht auf Grundrechte berufen können (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2005, a.a.O.). Insbesondere ist bei von staatlichen Stellen initiierten und veranstalteten Versammlungen zu berücksichtigen, dass durch die staatliche Beteiligung der grundrechtliche Schutz der Bürger, die an diesen Versammlungen teilnehmen wollen, in gleicher Weise gegeben ist wie bei einer ausschließlich durch Private angemeldeten und getragenen Versammlung. Daher kommt auch dem Umstand, dass die Gegenveranstaltung zu der Versammlung des Antragstellers von staatlichen Stellen unterstützt und gefördert wird oder sogar - wie der Antragsteller behauptet - einen staatlichen Charakter haben soll, im Rahmen der praktischen Konkordanz keine Bedeutung zu.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner der vom Antragsteller geplanten Versammlung nicht allein deshalb den Vorrang bei der Nutzung des Versammlungsortes eingeräumt hat, weil der Antragsteller die Versammlung im November 2003, mit dem geänderten Ort des Treffpunktes und der Auftaktkundgebung im Bereich der Lindenstraße am 20. Juni 2006, und damit zeitlich vor der Anmeldung der Gegenveranstaltung angemeldet hat. Durch eine formale Anknüpfung an den Zeitpunkt der Anmeldung und die grundsätzliche Einräumung einer zeitlichen Priorität für den Erstanmelder wird dem Grundsatz der staatlichen Neutralität gegenüber den Inhalten der Versammlungszwecke Rechnung getragen; auf diese Weise wird auch sichergestellt, dass die zuerst angemeldete Versammlung nicht allein deshalb zurückzutreten hat, weil ein anderer Veranstalter mit dem Ziel der Verhinderung der zuerst angemeldeten Versammlung für den vorgesehenen Zeitpunkt ebenfalls eine Versammlung anmeldet (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2005, a.a.O.). Der Prioritätsgrundsatz wird aber für die Entscheidung maßgebend, wenn die spätere Anmeldung allein oder überwiegend zu dem Zweck erfolgt, die zuerst angemeldete Versammlung an diesem Ort zu verhindern. Die zeitlich nachrangig angemeldete Veranstaltung hat dagegen nicht schon deshalb zurückzustehen, weil die geplante Versammlung des Erstanmelders den Anstoß zur Durchführung der später angemeldeten Versammlung gegeben hat, weil Aufrufe zu Versammlungen häufig auf aktuelle Anstöße reagieren (BVerfG, a.a.O.).

Der Antragsteller stimmt in der Beschwerdebegründung den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ausdrücklich zu, dass es dem mit seiner Versammlung konkurrierenden Veranstalter nicht darum gehen könne, dass die Veranstaltung des Antragstellers gar nicht stattfinden könne, da sonst der von dem Veranstalter der konkurrierenden Versammlung beabsichtigte direkte Vergleich der Teilnehmerzahlen beider Veranstaltungen nicht möglich wäre; der konkurrierende Veranstalter wolle sicherlich die Versammlung des Antragstellers nicht vollständig verhindern, es liege aber in seiner Absicht, diese zu behindern, sie weniger attraktiv zu machen und ihr den Raum zu nehmen. Offen bleiben kann, ob der Antragsteller damit nicht schon selbst einräumt, dass die Anmeldung der Gegenveranstaltung nicht das alleinige oder überwiegende Ziel hat, die Veranstaltung des Antragstellers zu verhindern. Denn bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung liegt es jedenfalls nicht auf der Hand, dass die Gegenveranstaltung das Ziel der Verhinderung der Versammlung des Antragstellers an demselben Ort hat. Allein das vom Antragsteller in den Vordergrund der Betrachtung gestellte und - worauf schon das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - mehrdeutige Motto der Gegenveranstaltung gibt dieser jedenfalls kein Gesamtgepräge, das ausschließlich oder überwiegend auf eine Verhinderungsabsicht hinweist. Dabei ist insbesondere auch die Versammlungsanmeldung des Beigeladenen vom 15. Dezember 2005 zu berücksichtigen, in der deutlich zum Ausdruck kommt, dass der Versammlungsort in Halbe gewählt wurde, um sich an dieser "zentralen Straße in Halbe" an einem Ort zu versammeln, "an dem die schrecklichen Folgen der letzten Tage des Zweiten Weltkrieges festgemacht werden können" und um "das Andenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wach zu halten und aus den Ereignissen der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft zu lernen". Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend festgestellt, dass zwar ein Anstoß für die Veranstaltung des Beigeladenen von den Versammlungsplänen des Antragstellers ausgegangen ist, dass aber kein Anhalt für die Annahme besteht, diese Veranstaltung am 18. November 2006 sei vom Beigeladenen allein oder überwiegend zur Verhinderung der Versammlung des Antragstellers initiiert worden.

Wenn der Versammlungsanmeldung des Antragstellers somit nicht schon wegen der Verhinderungsabsicht der Veranstalter der Gegendemonstration ein Vorrang zukommt, ist der vom Antragsgegner vorgenommene Ausgleich der gegenläufigen Interessen nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist - in diesem Fall - das Prioritätsprinzip nicht das allein maßgebende Kriterium bei der Auswahl unter mehreren zeitlich und örtlich miteinander konkurrierenden Veranstaltungen. So kann sich eine Abweichung vom Prioritätsprinzip etwa aus dem Zahlenverhältnis der Teilnehmer der betroffenen Veranstaltungen oder dem unterschiedlich starken Bezug der Veranstaltungsthemen zu dem gewählten Versammlungsort rechtfertigen (Beschlüsse vom 29. April 2005 - OVG 1 S 37.05 -, vom 4. Mai 2005 - OVG 1 S 38.05 - und vom 7. Juli 2006 - OVG 1 S 65.06 -). Dass es danach nicht zu beanstanden ist, wenn der Antragsgegner den Veranstaltern der Gegenveranstaltung den Vorrang vor dem Aufzug des Antragstellers eingeräumt hat, wurde in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts zutreffend dargelegt; dies wird durch die Beschwerde nicht substantiiert in Frage gestellt. Soweit der Antragsteller vorträgt, das Verwaltungsgericht habe es versäumt, sich mit der Entwicklung der gegebenen Konkurrenzsituation auseinanderzusetzen, geht diese Rüge fehl. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr ausgeführt, dass dem Antragsteller nicht aus der Anmeldung seiner Versammlung schon vor einigen Jahren ein Vorrang vor der Veranstaltung des Beigeladenen zukomme, weil bei solchen Versammlungsanmeldungen "auf Vorrat" für die Jahre bis 2020 der Gesichtspunkt der Priorität relativiert wird. Dem Antragsteller steht es nicht zu, auf diese Weise die Grundrechtsausübung anderer am selben Ort und zur gleichen Zeit dauerhaft zu blockieren. Vielmehr habe die Verwaltungsbehörde in diesem Fall auch konkurrierende Versammlungen in die Abwägung einzubeziehen, die nicht - wie bei uneingeschränkter Anwendung des Prioritätsprinzips - als nachrangig zu betrachten sind. Diesen Ausführungen, die in vollem Umfang der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, schließt sich der Senat an.

Sofern die Rüge des Antragstellers, das Verwaltungsgericht sei mit dem angefochtenen Beschluss von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, dahingehend ausgelegt werden kann, dass damit auch die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht werden soll, kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Der Vortrag des Antragstellers ist insoweit in der Sache nicht nachvollziehbar. Die von ihm zitierten Erwägungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 1989 - BVerwG 7 C 50.88 - (BVerwGE, 82, 34 [40]) dienen der näheren Begründung der Rechtsauffassung, dass § 29 Abs. 2 StVO für öffentliche Versammlungen wegen des Vorrangs der §§ 14, 15 VersG nicht anzuwenden sei. Irgendeine Aussage über den "Zugang der Allgemeinheit zu einer Gedenkstätte" ist dem vom Antragsteller als Divergenzentscheidung genannten Urteil nicht zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da dieser mangels Antragstellung kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat hat den Streitwert für die Beschwerde des Antragstellers mit dem wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache ungekürzten Auffangwert bemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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