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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 30.03.2007
Aktenzeichen: OVG 1 S 31.07
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfG, StVG, FeV
Vorschriften:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 | |
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 | |
VwVfG § 52 | |
StVG § 3 Abs. 2 S. 2 | |
FeV § 47 Abs. 1 S. 2 |
OVG 1 S 31.07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Blumenberg und die Richterin am Verwaltungsgericht Tänzer am 30. März 2007 beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 5. Februar 2007 wird teilweise geändert. Der Antrag des Antragstellers wird insgesamt abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf unter 300 EUR festgesetzt.
Gründe:
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 5. Februar 2007 den Antrag des Antragstellers abgelehnt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage -2 K 1084/06- gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2006 wiederherzustellen, soweit die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen worden war. Hinsichtlich der zugleich angeordneten Pflicht, binnen 5 Tagen den Führerschein beim Antragsgegner abzuliefern, hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage festgestellt, weil insoweit die sofortige Vollziehung im Bescheid vom 24. August 2006 nicht angeordnet worden sei. Hiergegen richtete sich die vorliegende Beschwerde des Antragsgegners.
Die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
Der Antragsgegner beanstandet mit der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe im angegriffenen Beschluss unzutreffend festgestellt, dass der Klage des Antragstellers gegen die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins aufschiebende Wirkung zukomme. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei, wenn -wie hier- die Entziehung der Fahrerlaubnis im öffentlichen Interesse von der Behörde sofort vollziehbar angeordnet worden sei; einer zusätzlichen Vollziehungsanordnung auch der Ablieferungspflicht bedürfe es deshalb nicht. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 der Fahrerlaubnisverordnung -FeV- bestehe nämlich die gesetzliche Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG auch dann, wenn die Entziehungverfügung angefochten worden sei, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet habe. Dementsprechend habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV als einen besonderen Fall des gesetzlichen Sofortvollzuges im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO interpretiert. Wenn die Behörde die Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis verfügt bzw. hierzu nachträglich Auflagen angeordnet habe, folge aus der sofortigen Vollziehbarkeit dieses "Grundverwaltungsakts", dass eine darauf aufbauende Verfügung, die die Ablieferung oder Vorlage des Führerscheins gebiete, nicht mehr gesondert für sofort vollziehbar erklärt werden müsse.
Mit dieser Berufung auf obergerichtliche Rechtsprechung hat der Antragsgegner hinreichende Gründe dargelegt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), um die weitere Prüfung nach den allgemeinen Prüfungsmaßstäben des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auszulösen, ob sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts als richtig erweist. Das ist im Ergebnis nicht der Fall. Der Senat folgt zwar der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 9. Juni 2005 (- 11 Cs 05.478 - VRS 109, 141; juris Rn. 50) vertretenen Auslegung des § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV nicht; der Beschluss des Verwaltungsgericht Cottbus kann aber mit dem von der Beschwerde beanstandeten Ausspruch keinen Bestand haben, weil das Verwaltungsgericht (und offenbar auch der Antragsgegner selbst) verkannt hat, dass sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Ausgangsbescheid auch auf die darin enthaltene Regelung zur Ablieferung des Führerscheins bezieht.
Das Verständnis des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV als einer die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO ausschließenden Norm überzeugt schon deshalb nicht, weil § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entsprechend seinem Wortlaut und der Bedeutung für die Rechtsschutzgarantie gem. Art. 19 Abs. 4 GG nach allgemeiner Ansicht ein Gesetz im formellen Sinn erfordert (OVG Münster, Beschluss vom 30. August 1999 -8 B 902/99-, DVBl. 1999 S. 1671, nur LS; Schoch in Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 53; Bader, VwGO, 2. Aufl., § 80 Rn. 32, jeweils m. w. N.). Eine derartige Rechtsnormqualität kommt den Bestimmungen der FeV als einer bundesrechtlichen Verordnung nicht zu. Die bundesgesetzliche Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, die die Ablieferungs-/Vorlagepflicht des Führerscheins nach Entzug der Fahrerlaubnis bestimmt, enthält ihrerseits keine § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV entsprechende Regelung zur sofortigen Vollziebarkeit. Die Entscheidung der mithin bundesgesetzlich nicht geregelten Frage, ob die aufschiebende Wirkung der Anfechtung einer behördlichen Verfügung über die Ablieferung des Führerscheins (wegen deren Akzessorietät zur Entziehung der Fahrerlaubnis und der bloßen Beweisfunktion des Führerscheins) dann entfällt, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis im öffentlichen Interesse gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt worden ist, hat der Gesetzgeber zu treffen.
Im Übrigen fehlte es der Vorschrift des § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV entgegen des Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs selbst dann nicht an einem sinnvollen Gehalt, wenn deren Bedeutung nur darin bestünde klarzustellen, dass die Ablieferungspflicht des Führerscheins nur die Vollziehbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis, nicht aber deren Unanfechtbarkeit voraussetzt. Dies ist nämlich im Rahmen der allgemein die Rückforderung von Urkunden nach Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts regelnden, hier freilich nicht einschlägigen Vorschrift des § 52 VwVfG nicht unbestritten, wohl aber herrschende Auffassung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 15. Mai 1990 -5 A 1692/89-, NVwZ 1990, 1183; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 52 Rn. 7; a.A. Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 52 Rn.16). Selbst wenn aber die Bedeutung des § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV nur darin besteht, die Akzessorietät des auf Herausgabe des Dokuments gerichteten Verwaltungsakts zu betonen und klarzustellen, dass auch die nur vorläufige Durchsetzbarkeit der Fahrerlaubnisentziehung die gesetzliche Ablieferungspflicht nicht entfallen lässt, behält der die gesetzliche Ablieferungsverpflichtung konkretisierende Herausgabeverwaltungsakt, den auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zutreffend zur zwangsweisen Durchsetzung der Ablieferungspflicht nach verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Grundsätzen für erforderlich hält, trotz seiner Akzessorietät zur Entziehung der Fahrerlaubnis aber seinen eigenständigen Charakter (vgl. zu § 52 VwVfG: Ziekow, VwVfG, § 52, Rn. 5), d.h. auch er kann im Fall der Anfechtung nur vollzogen werden, wenn die (auch) gegen ihn eingelegten Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. zur parallelen Problematik bei § 8 Abs. 3 FahrlG: Koch, Das neue Fahrlehrerrecht, § 8 Rn. 59). Deshalb ist es für behördliche Ordnungsverfügungen, in denen mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zugleich die Ablieferungsanordnung hinsichtlich des Führerscheins ausgesprochen wird, rechtlich erforderlich, die sofortige Vollziehung auch hinsichtlich der Ablieferungspflicht anzuordnen, wenn diese zeitgleich mit der für vollziehbar erklärten Entziehungsverfügung durchgesetzt werden soll.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts kann aber, soweit sie die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Ablieferungspflicht feststellt, gleichwohl keinen Bestand haben. Denn die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. August 2006 bezieht sich bei Würdigung ihres Inhalts aus Sicht des Adressaten auch auf die darin konkret getroffene Regelung, nach der der Antragsteller den Führerschein innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung abzugeben habe. Diese die gesetzliche Ablieferungspflicht konkretisierende Regelung befindet sich im Bescheid allerdings an unzutreffender Stelle, nämlich nicht im verfügenden Teil des Bescheides, sondern im Ausspruch zur Anordnung der sofortigen Vollziehung; dieser Aufbau des Bescheides könnte nahe legen, die Ablieferungsanordnung gleichsam als Folge der sofortigen Vollziehbarkeit allein der Fahrerlaubnisentziehung zu begreifen. Mit der Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wird aber die sofortige Vollziehung "dieser" Verfügung angeordnet; das kann aus Sicht eines verständigen Adressaten nur dahin verstanden werden, dass die mit "Entziehung der Fahrerlaubnis, Ordnungsverfügung mit Anordnung der sofortigen Vollziehung" überschriebene Verfügung insgesamt und damit auch die Regelung zur Ablieferung des Führerscheins gemeint ist. Etwa noch verbleibende Zweifel werden jedenfalls durch den letzten Absatz der Begründung der Vollziehungsanordnung ausgeräumt, wenn dort die Wirkungen beschrieben werden, die die Behörde mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung "dieser Verfügung" auslösen will und dazu nicht nur ausgeführt wird, dass "ein eventuell gegen die Verfügung erhobener Widerspruch keine aufschiebende Wirkung" habe und der Betroffene keine fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuge mehr führen dürfe, sondern auch, dass er den Führerschein innerhalb von fünf Tagen abzugeben habe.
Ist hiernach auch die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Konkretisierung der Ablieferungspflicht ohnehin sofort vollziehbar, kann der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung insgesamt keinen Erfolg haben. Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheindokuments findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV. Die Voraussetzungen für den Erlass einer konkretisierenden Verfügung zur Abgabe des Führerscheins gegenüber dem Antragsteller liegen vor, nachdem ihm die Fahrerlaubnis sofort vollziehbar entzogen worden ist. Gründe, aus denen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse, das in der Beseitigung des durch den Führerschein vermittelten Rechtsscheins über eine bestehende Fahrerlaubnis besteht und dessen missbräuchlicher Verwendung vorbeugen soll, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Antrag war deshalb unter teilweiser Änderung des angefochtenen Beschlusses insgesamt abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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