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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: OVG 1 S 89.06
Rechtsgebiete: StGB, VwGO, ASOG Bln, BVerfGG


Vorschriften:

StGB § 284
StGB § 284 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 146
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO § 147
ASOG Bln § 17 Abs. 1
BVerfGG § 31 Abs. 1
BVerfGG § 31 Abs. 2
BVerfGG § 35
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 S 89.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht, den Richter am Oberverwaltungsgericht und die Richterin am Verwaltungsgericht am 17. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. August 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 12.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller betreibt seit einiger Zeit ohne Erlaubnis deutscher Behörden eine Annahmestelle für Sportwetten, in der er aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit der in Gibraltar ansässigen Firma D_____ mit festen Gewinnquoten an diese vermittelt. Die Firma ist von der Regierung in Gibraltar als Anbieter von Sportwetten mit der "Gaming Licence No. _____" für das "Offshore-Buchmachergeschäft" lizenziert.

Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin untersagte dem Antragsteller mit Verfügung vom 21. April 2005 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung jegliche Art der Vermittlung von Sportwetten, weil es sich bei Sportwetten um Glücksspiele handele, deren Veranstaltung ohne behördliche Erlaubnis verboten sei und zudem den Straftatbestand der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels erfülle. Den gegen diese Verfügung erhobenen Widerspruch hat der Antragsgegner zwischenzeitlich durch Widerspruchsbescheid vom 6. September 2006 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Klage vom 7. September 2006 wird beim Verwaltungsgericht Berlin unter dem Geschäftszeichen VG 35 A 248.06 geführt.

Der Antragsteller hat beim Verwaltungsgericht Berlin beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 17. August 2006 mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller betreibe unerlaubtes Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB. Er halte in seinem Wettbüro Unterlagen zum Abschluss von Sportwetten bereit und veranstalte somit entweder selbst Glücksspiele oder stelle zumindest Einrichtungen hierfür bereit. Weil er hierfür keine Erlaubnis besitze, stelle seine Tätigkeit einen Verstoß gegen § 284 StGB und damit gleichzeitig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Die in Gibraltar erteilte Konzession gelte nicht in Berlin. Aus Gemeinschaftsrecht ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die Untersagungsverfügung stelle weder einen rechtswidrigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG dar, noch könne er sich mit Erfolg auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten gem. Art. 43 und 49 EG-Vertrag berufen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei auch durch überwiegende öffentliche Interessen im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gerechtfertigt. Unabhängig von einer Strafbarkeit der unerlaubten Vermittlung gewerblich veranstalteter Sportwetten, seien diese als ordnungsrechtlich verboten anzusehen. Dieses Verbot begründe bereits ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung. Gleichrangige private Interessen des Antragstellers stünden dem nicht gegenüber.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die nach §§ 146 und 147 VwGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor: Er sei kein Veranstalter von Sportwetten, sondern lediglich als Vermittler tätig. Das Vermitteln von Glücksspielen sei jedoch straflos. Dafür spreche auch die Tatsache, dass die Annahmestellen der Deutschen Klassenlotterie Berlin Spielverträge vermittelten, ohne im Besitz einer Erlaubnis zu sein. Die Untersagungsverfügung hätte nicht auf die polizeirechtliche Generalklausel gestützt werden dürfen, sondern auf spezialgesetzliche Vorschriften des Lotteriestaatsvertrages. Die D_____ sei im Besitz einer staatlichen Konzession, die auch in Deutschland wirksam sei. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit des § 284 StGB mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG-Vertrag. Hiervon gehe auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften aus, die in ihrem Schreiben vom 4. April 2006 an die Bundesregierung als Gegenstand ihrer Kritik an den gemeinschaftswidrigen Zuständen in Deutschland die Vorschrift des § 284 StGB in den Mittelpunkt rücke und in dieser eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sehe. Gleiches sei den Schlussanträgen des Generalanwalts Colomer in den verbundenen Rechtssachen Placanica u.a. zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass das Gemeinschaftsrecht Übergangszeiten nicht kenne, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 vorsehe. Auch könne die Umsetzung der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts an dem verfassungs- und gemeinschaftswidrigen Zustand der einschlägigen Rechtsvorschriften nichts ändern. Zudem sei nicht wirklich erkennbar, dass die staatlichen Lotterie- und Wettunternehmen ernsthaft etwas an ihrem Geschäftsgebaren ändern wollten. Dies belege auch der Beschluss des Bundeskartellamts vom 23. August 2006. An der Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehe, da eine Verletzung einer Strafrechtsnorm nicht vorliege, mangels einer konkreten Gefahr für das Wohl der Allgemeinheit kein überwiegendes öffentliches Interesse.

Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, das das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Die Klage des Antragstellers gegen die Untersagungsverfügung vom 21. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2006 hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Die mit dem angegriffenen Bescheid verfügte Untersagung der Vermittlung jeglicher Sportwetten stellt sich nach der im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar.

a) Zutreffend hat der Antragsgegner die angegriffene Untersagungsverfügung auf die Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG Bln gestützt, wonach die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um die im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (zur Ermächtigungsgrundlage vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 -6 C 19/06-, NVwZ 2006, 1175 ff., juris Rn. 35 ff.). Eine solche Gefahr ist stets zu bejahen, wenn die Verwirklichung von Straftatbeständen oder andere Verstöße gegen Rechtsvorschriften drohen. Ob die Untersagungsverfügung daneben auch auf die für (erlaubte) Lotterien anderer Veranstalter und deren Vermittler geltenden Bestimmungen der §§ 12 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 3 Satz 2 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland hätten gestützt werden können, erscheint zweifelhaft, bedarf hier aber keiner näheren Untersuchung. Jedenfalls wird die ordnungsrechtliche Generalklausel durch diese Vorschriften nicht verdrängt.

b) Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Vermittlung von Sportwetten durch den Antragsteller eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 17 Abs. 1 ASOG Bln darstellt. Denn die unerlaubte Vermittlung von Sportwetten erfüllt den objektiven Straftatbestand des § 284 StGB und verletzt landesrechtliche Normen der Erlaubnispflicht für das Sportwettenangebot Privater.

Entgegen seinem Beschwerdevorbringen veranstaltet der Antragsteller mit seinem Wettbüro selbst Glücksspiele im Sinne von § 284 StGB oder stellt zumindest Einrichtungen hierfür bereit. Veranstalter von Glücksspielen ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Durchführung eines Glücksspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermöglicht. Das ist bereits dann der Fall, wenn zur Durchführung des Spielbetriebs unter einer Firmenbezeichnung Räume angemietet werden und dort die erforderliche Ausstattung bereitgestellt wird, Programme ausgelegt, Einzahlungen der Spieler entgegengenommen und Gewinne ausgezahlt werden. Der Umstand, dass die Wettdaten an einen Dritten weitergeleitet werden und an diesen der Gewinnsaldo bis auf die Provision zu überweisen ist, ändert daran nichts. Dass der Betroffene mit einem eigenen finanziellen Interesse am Ergebnis der Sportwette tätig wird, setzt der Begriff des "Veranstaltens" nicht zwingend voraus (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O., juris Rn. 47, unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 28. November 2002 -4 StR 260/02-, GewArch 2003, 332 ff.). Die Tätigkeit des Antragstellers erfüllt jedenfalls aber die Tatbestandsalternative des Bereitstellens von Einrichtungen für die unerlaubte öffentliche Veranstaltung eines Glücksspiels. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Gegenstände über eine spieltypische Eignung oder Bestimmtheit verfügen. Es genügt, dass sie dafür tatsächlich genutzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006, a.a.O. Rn. 48.). Die Bereitstellung eines Raumes, von Wettangeboten mit Tippscheinen und technischer Übermittlungsgeräte -wie hier der Fall- reicht für die Bejahung dieser Tatbestandsalternative aus (OVG Berlin, Beschluss vom 10. Juli 2002, Seite 4 des Umdrucks).

Der Antragsteller selbst verfügt unstreitig über keine Erlaubnis zur Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten im Land Berlin. Eine Erlaubnis im Sinne von § 284 StGB kann nur eine nach dem im Land Berlin geltenden Recht erteilte Erlaubnis sein. Denn § 284 StGB nimmt entsprechend der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland hin, dass die Veranstaltung von Glücksspielen von Land zu Land unterschiedlich zu beurteilen sein kann, nämlich danach, ob überhaupt eine Erlaubnis erteilt wird oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006, a.a.O. Rn. 49; VGH München, Urteil vom 10. Juli 2006 -22 BV 05.457-, juris Rn. 38; OVG Münster, Beschluss vom 28. Juni 2006 -4 B 961/06-, NVwZ 2006, 1078 ff., juris Rn.8). Nach dem Berliner Gesetz zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 26. März 2004 (GVBl. S. 141) i.V.m. § 5 Abs. 2 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland, ist das Veranstalten von Glücksspielen dem Land Berlin, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften mit maßgeblicher öffentlicher Beteiligung vorbehalten. Dementsprechend ist die Durchführung von behördlich erlaubtem Glücksspiel einschließlich Lotterien, Sporttoto und Ausspielungen sowie aller damit zusammenhängenden sonstigen Geschäfte allein Aufgabe der Deutschen Klassenlotterie Berlin, einer Anstalt öffentlichen Rechts (§§ 1 und 2 des Gesetzes über die Deutsche Klassenlotterie Berlin vom 7. Juni 1974 [GVBl. S. 1338], zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 1996 [GVBl. S. 179]). Privaten Veranstaltern oder Vermittlern von Glücksspielen wird wegen dieses auch im Lande Berlin bestehenden sog. staatlichen Glücksspielmonopols die gem. § 284 StGB erforderliche Erlaubnis nicht erteilt. Der Einwand des Antragstellers, die Vermittlung von Sportwetten sei für Private ebenso wie für die Lotterieannahmestellen des staatlichen Anbieters erlaubnisfrei, überzeugt demgegenüber nicht. Denn letztere werden im Gegensatz zum Antragsteller im Auftrage der staatlichen Deutschen Klassenlotterie Berlin tätig.

Die der Firma D_____ durch staatliche Stellen in Gibraltar erteilte Konzession hat für die erlaubnispflichtige Tätigkeit des Antragstellers keine Bedeutung. Abgesehen von der Frage der gemeinschaftsrechtlichen Wirkung dieser Wettspielerlaubnis vermag diese nach ausländischem Recht erteilte Konzession die im Land Berlin erforderliche Erlaubnis auch unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze nicht zu ersetzen (vgl. dazu unter 3.).

Damit erfüllt die Tätigkeit des Antragstellers objektiv den Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne der Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG Bln dar, unabhängig davon, ob die weiteren Voraussetzungen für die Strafbarkeit des Antragstellers gegeben sind. Auf die vom Bundesverfassungsgericht offen gelassene und der Entscheidung der Strafgerichte zugewiesene Frage, ob in der Übergangszeit "eine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben ist" (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 -1 BvR 1054/01-, NJW 2006, 1261 ff., Rn.159), kommt es für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung nicht an (zur Unmaßgeblichkeit der Erfüllung des subjektiven Tatbestandes: VGH München, Beschluss vom 14. September 2006 -24 CS 06.2132-, Seite 6 des Umdrucks; OVG Münster, a.a.O. Rn. 24). Deshalb bedarf es keiner vertiefenden Auseinandersetzung mit der Frage, welche Wirkung Maßgabeentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über die übergangsweise Fortgeltung verfassungswidrigen Rechts auf das Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitserfordernis verwaltungsakzessorischer Strafbestimmungen zukommt (vgl. Widmaier, Strafrechtliche Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - für die Zeit bis zur Neuregelung des Rechts der Sportwetten, Rechtsgutachten im Auftrag des Verbandes Europäischer Wettunternehmer; Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand März 2006, § 31 Rn. 227; Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand April 2006, § 183 Fn. 89). Selbst wenn die Auslegung der Strafgerichte ergeben sollte, § 284 StGB sei auch für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mangels der durch Art. 103 Abs. 2 GG gebotenen Bestimmtheit des Straftatbestandes nicht anwendbar, hätte dies für die Rechtmäßigkeit der hier umstrittenen Untersagungsverfügung keine Bedeutung. Denn auch die Verletzung der landesrechtlichen Vorschriften über das staatliche Wettmonopol stellt - wegen sich aus der Motiven des Strafgesetzgebers ergebenden Gefahren für das Gemeinwohl (Beschaffungskriminalität, Spielmanipulationen, soziale Folgekosten der Spielsucht) - eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Folglich könnten die Behörden auch unabhängig von der Frage der Strafbarkeit in der Übergangszeit ordnungsrechtlich gegen die Wettvermittlung vorgehen. Es bedarf daher auch keines Eingehens auf die Frage, welche Bedeutung den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 16. Mai 2006 in den verbundenen Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und C-360/04 für die Beurteilung der Strafbarkeit der vom Antragsteller betriebenen Wettvermittlung beizumessen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2006 -2 BvR 2033/06, , Rn 20). Aus demselben Grund kann es dahingestellt bleiben, welche Auswirkungen das Schreiben der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 4. April 2006 auf die Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten hat.

2. Die Untersagungsverfügung des Antragsgegners verletzt den Antragsteller nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit.

a) Die gewerbliche Veranstaltung und Vermittlung von Oddset-Wetten unterfällt ungeachtet der bundesrechtlichen Strafsanktion des § 284 StGB und den genannten landesrechtlichen Regelungen über das staatliche Wettmonopol dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. Rn. 80). In seiner derzeitigen normativen Ausgestaltung ist das im Land Berlin bestehende staatliche Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit aber nicht vereinbar. Der Senat legt insoweit die Feststellungen und Bewertungen des Bundesverfassungsgerichts in dessen Urteil vom 28. März 2006 zur Rechtslage nach dem Bayerischen Staatslotteriegesetz zugrunde, die auf die in Berlin geltende Rechtslage in allen wesentlichen Punkten übertragbar sind.

b) Die das staatliche Monopol für Sportwetten bestimmenden landesgesetzlichen Regelungen sind in ihrer gegenwärtigen Fassung allerdings nach "Maßgabe der Gründe" der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zu der dem Gesetzgeber aufgegebenen Neuregelung weiter anwendbar. Die trotz ihrer Unvereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG vom Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage von § 35 BVerfGG gestattete übergangsweise weitere Anwendung der landesrechtlichen Regelungen über das staatliche Sportwettenmonopol "nach Maßgabe der Gründe" bezieht sich zwar formell lediglich auf die Rechtslage im Freistaat Bayern; eine inhaltlich entsprechende Maßgabe wird das Bundesverfassungsgericht aber ggf. auch für die ein staatliches Wettmonopol enthaltenen Sportwettengesetzte anderer Bundesländer treffen (für Baden-Württemberg: BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2006 -1 BvR 138/05-, juris Rn. 10; für Nordrhein-Westfalen: BVerfG, Beschluss vom 2. August 2006 -1 BvR 2677/04-, , Rn. 16). In der Übergangszeit bis zur gesetzlichen Neuregelung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 darf das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, a.a.O. Rn. 58; Beschluss vom 19. Oktober 2006 a.a.O.).

c) Soweit das Bundesverfassungsgericht die übergangsweise Weitergeltung landesrechtlicher Vorschriften zum staatlichen Sportwettenmonopol an die Maßgabe geknüpft hat, unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Wettmonopols andererseits herzustellen, indem bereits in der Übergangszeit damit begonnen werden müsse, das bestehende Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und Wettleidenschaft auszurichten, ist dieser Maßgabe im Land Berlin genügt.

Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die fernmündliche Anweisung der Senatsverwaltung für Finanzen an die Deutsche Klassenlotterie Berlin vom 31. März 2006, deren Leitlinien über ihr zukünftiges Handeln vom 10. April 2006 und die Dokumentation der Deutschen Klassenlotterie Berlin vom 18. Mai 2006 über die getroffenen Maßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im einzelnen zutreffend dargestellt, dass das Land Berlin die Maßgaben in Rn. 160 des Urteils vom 28. März 2006 hinsichtlich Vermarktung, Werbung und Aufklärung in Bezug auf das staatliche Sportwettenangebot zeitnah und konsequent umgesetzt hat. Mit dieser Begründung des Verwaltungsgerichts setzt sich das Beschwerdevorbringen entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO schon nicht auseinander.

Soweit sich die Beschwerdeschrift statt dessen nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen des Landes Berlin, sondern mit denen anderer Bundesländer oder mit einer allgemeinen Einschätzung der Maßgaben des verfassungsgerichtlichen Urteils und deren konkreter Umsetzung beschäftigt, verkennt sie bereits den vom Verwaltungsgericht zutreffend auf den Bereich des Landes Berlin begrenzten Kontrollmaßstab (ebenso: VGH München, Beschluss vom 3. August 2006 -24 CS 06.1365-, Seite 11 des Umdrucks). Angesichts des landesrechtlich ausgestalteten staatlichen Sportwettenmonopols kommt es für die Frage, ob bis zur gesetzlichen Neuregelung den Maßgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entsprochen ist, allein auf die Verhältnisse des jeweiligen Bundeslandes an. Daran ändert auch der angeblich unveränderte Vertrieb der Sportwette ODDSET über ein "ubiquitäres Netz" von Wettannahmestellen oder das Internet ohne aktive Aufklärung über die Gefahren des Wettens nichts. Dass das im Land Berlin gültige Sportwettangebot aller staatlichen Lotteriegesellschaften derzeit nicht den genannten verfassungsgerichtlichen Maßgaben Rechnung trägt, ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundeskartellamtes vom 23. August 2006, Az.: B 10-92713-Kc148/05, auf den die Beschwerde als Beleg verweist: Abgesehen davon, dass sich der Beschluss in erster Linie mit den wettbewerbsrechtlichen Fragen der im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossenen Lotteriegesellschaften aller Bundesländer und mit von diesen veranstalteten Lotterien befasst, ist hinsichtlich der Zweifel des Bundeskartellamtes an der Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht nicht erkennbar, auf welchen Zeitraum sich die dort mitgeteilten Erkenntnisse über Vertriebswege, Höchstwettsummen und Suchtprävention bezieht und ob sie auch für das hier streitgegenständliche Sportwettenangebot gelten. Zwar mag es zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundeskartellamtes - zumal im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft - auch in Berlin noch zu übermäßigen Werbemaßnahmen für das staatliche Sportwettenangebot gekommen sein. Das Verwaltungsgericht hat jedoch eingehend und überzeugend begründet, dass es vielfach wegen der Kürze der Zeit, mit Rücksicht auf vertragliche Verpflichtungen und wegen des Umfangs der zu erledigenden Aufgaben nur bedingt möglich gewesen ist, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ohne Einräumung einer Übergangsfrist in vollem Umfang umzusetzen. In verschiedenen Bereichen womöglich festzustellende Vollzugsdefizite sprechen auch nach Auffassung des Senats nicht gegen das ernstliche Bestreben des Landes, bis zur verfassungskonformen Neuregelung des staatlichen Wettmonopols das gebotene Mindestmaß an Konsistenz zwischen Monopol und dessen innerer Rechtfertigung im Sinne der Maßgabeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeitnah herzustellen und konsequent durchzusetzen.

3. Auch das Gemeinschaftsrecht vermag dem Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das strafbewehrte Verbot der Vermittlung von privaten Sportwetten beschränkt zwar die Dienstleistungsfreiheit des Wettvermittlers, ist aber im Ergebnis gerechtfertigt. Obwohl anzunehmen ist, dass die Vermittlung von Sportwetten eines EG-ausländischen Wettanbieters zur gemeinschaftsrechtlichen Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gehört, scheitert die Anwendung des innerstaatlichen Rechts nicht am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts.

a) Der Senat geht zugunsten des Antragstellers davon aus, dass die Vermittlung der von EG-ausländischen Buchmachern veranstalteten Sportwetten der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 ff. EG-Vertrag unterfällt, ohne jedoch der weiteren Frage nachgegangen zu sein, ob die dem Wettanbieter erteilte Konzession diesen auch in Gibraltar zu entsprechendem Tätigwerden berechtigt. Sollte dies - wie der Antragsgegner behauptet - nicht der Fall sein, ist bereits fraglich, ob überhaupt ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug besteht. Denn ein Inhaber einer derart beschränkten Erlaubnis könnte sich nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, da diese nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH voraussetzt, dass der Dienstleistende in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt (vgl. EuGH, Urteil vom 29. November 2001 -C-17/00 [De Coster]-, http://curia.europa.eu/de, Rn. 29; Urteil vom 24. März 1994 -C275/92 [Schindler]-, NJW 1994, 2013 Rn. 43). Daran dürfte es fehlen, wenn dem Konzessionsinhaber ein Tätigwerden im Ausstellerstaat untersagt ist. Ungeachtet dessen wird der grenzüberschreitende Bezug der Tätigkeit des Wettvermittlers auch mit der Erwägung in Frage gestellt, dass das Verhältnis zwischen Wettvermittler und -kunde rein innerstaatlich zu qualifizieren sei. Auf die von EG-ausländischen Wettanbietern (Buchmachern) gegenüber den Wettkunden wahrgenommene Dienstleistungsfreiheit könne sich der Wettvermittler nicht berufen; er könne deren Grundfreiheiten nicht in eigenem Namen geltend machen (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 28. September 2006 -6 B 10895/06-, juris Rn. 15 bis 18 m.w.N.). Aus der Sicht des Senats spricht demgegenüber vieles dafür, dass auch die im Inland stattfindende Vermittlung von im EG-Ausland ansässigen Buchmachern veranstalteten Sportwetten die erforderliche grenzüberschreitende Dimension aufweist und daher an der Dienstleistungsfreiheit teilnimmt. In der Rechtssache Zenatti (Urteil vom 21. Oktober 1999 -C-67/98 -, GewArch 2000, 19 Rn. 24, 25) hat der EuGH dargelegt, dass eine Tätigkeit, die die Teilnahme an einem Glücksspiel ermöglicht, in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit falle, sobald wenigstens einer der Leistungsanbieter in einem anderen Staat als dem niedergelassen sei, in dem die Leistung angeboten werde. Die Leistungen, die der Veranstalter der Wetten und seine Bevollmächtigten erbrächten, wiesen einen grenzüberschreitenden Charakter auf. Diese Ausführungen lassen sich (nur) in dem Sinne verstehen, dass nicht nur die im EG-Ausland ansässigen Wettanbieter, sondern auch ihre im Inland tätigen Vermittler die Dienstleistungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen können. Jedenfalls differenziert der EuGH für den grenzüberschreitenden Charakter der Leistung, der Bereitstellung von Gewinnchancen, nicht zwischen den beiden Erbringern dieser Leistung. Dass der EuGH in der Rechtssache Gambelli (Urteil vom 6. November 2003 -C-243/01-, NJW 2004, 139 Rn. 58) die Rechtsstellung des Wettvermittlers in Bezug auf die Grundfreiheiten nicht ausdrücklich gewürdigt hat, obwohl sich das strafrechtliche Ausgangsverfahren gegen Sportwettvermittler richtete, kann keine hinreichende Grundlage für die Annahme bieten, die Vermittler kämen nicht auch selbst in den Genuss der Dienstleistungsfreiheit. Die vom Wettvermittler kraft Vertrages mit dem Veranstalter zu erbringende Leistung in Gestalt der Weiterleitung der Sportwetten hat grenzüberschreitenden Bezug (vgl. Korte, NVwZ 2004, 1449 [1451]).

b) Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts löst vorliegend nicht die Verpflichtung aus, das landesrechtliche Monopol für Sportwetten und den dieses flankierenden Straftatbestand des § 284 StGB unangewendet zu lassen. Die Nichtanwendungspflicht mitgliedstaatlichen Rechts setzt voraus, dass bei der Anwendung von gemeinschafts- und innerstaatlichem Recht auf denselben Sachverhalt eine Normenkollision auftritt. Daran fehlt es, nachdem das Bundesverfassungsgericht durch das Urteil vom 28. März 2006 eine inhaltlich modifizierte und bis Ende 2007 befristete Weitergeltung des als verfassungswidrig erkannten staatlichen Wettmonopols angeordnet hat.

Das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die unmittelbar innerstaatlich wirkenden Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten zeichnen sich durch einen Anwendungsvorrang gegenüber entgegenstehendem innerstaatlichen Recht aus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. März 1978 -106/77 [Simmenthal]-, NJW 1978, 1741; Urteil vom 22. November 2005 -C-144/04 [Mangold/Helm]-, NJW 2005, 3695 Rn. 77; BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2005 -2 C 14/04-, NVwZ 2005, 1080 [1081] m.w.N.). Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dieser gemeinschaftsrechtliche Anwendungsvorrang im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht suspendiert werden kann (dazu OVG Münster, a.a.O., Rn. 36 ff.; Vorlagebeschluss des VG Köln vom 21. September 2006 -1 K 5910/05-), kommt es nicht an. Denn die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit einerseits und die Anwendung des vom Bundesverfassungsgericht aufgrund der modifizierten Weitergeltungsanordnung geschaffenen Übergangsrechts lässt einen Normenkonflikt in Bezug auf die nicht erlaubte und strafbewehrte Wettvermittlung des Antragstellers nicht entstehen (im Ergebnis ebenso: VGH Mannheim, Beschluss vom 28. Juli 2006, -6 S 1987/05-, juris Rn. 7; VGH München, Urteil vom 10. Juli 2006, a.a.O. Rn. 42; OVG Bremen, Beschluss vom 7. September 2006 -1 B 273/06-, S. 9 des Umdrucks; VGH Kassel, Beschluss vom 25. Juli 2006 -11 TG 1465/06-, juris Rn. 42).

Nach der Rechtsprechung des EuGH können mitgliedstaatliche Vorschriften zur Beschränkung von Glücksspielen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Störungen der sozialen Ordnung gerechtfertigt sein. Dabei ist es dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen zu beurteilen, ob und welche einschränkenden Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele notwendig sind. Die Beschränkungen, die auf solche Gründe gestützt sind, müssen aber geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Auch eine begrenzte Erlaubnis von Glücksspielen im Rahmen von Ausschließlichkeitsrechten, die den Vorteil bietet, die Spiellust und den Spielbetrieb zu kanalisieren, die Risiken der Betrugs- und sonstigen Begleitkriminalität auszuschalten und die sich ergebenden Gewinne gemeinnützigen Zwecken zuzuführen, dient der Verwirklichung der am Allgemeininteresse ausgerichteten Ziele. Eine solche Begrenzung ist aber nur zulässig, wenn sie in erster Linie wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und wenn die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe der Erlöse nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist. Ermuntern die Mitgliedstaaten die Verbraucher zur Teilnahme an Glücksspielen im Interesse der Einnahmenerzielung, können sie sich zur Rechtfertigung von Glücksspielbeschränkungen nicht auf die öffentliche Sozialordnung und die darin begründete Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spielen zu vermindern, berufen. Die Aufgabe zu prüfen, ob die nationalen Rechtsvorschriften angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten wirklich den Zielen dienen, die sie rechtfertigen könnten, und ob die in ihnen enthaltenen Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen, obliegt den nationalen Gerichten (Urteil vom 6. November 2003 [Gambelli], a.a.O. Rn. 62, 67, 69 und 75; Urteil vom 21. Oktober 1999 [Zenatti], a.a.O. Rn. 35 - 37). Dass der EuGH von dieser Rechtsprechung abrücken könnte, legt auch der Schlussantrag des Generalanwalts vom 16. Mai 2006 in der Rechtssache Placanica u.a. (C-338/04, 359/04 und 360/04; http://curia.europa.eu/de) nicht nahe; danach sei die italienische Strafandrohung, eine bis zu dreijährige Freiheitsstrafe, für die ungenehmigte Wettvermittlung unverhältnismäßig.

Gemessen an diesen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen stellt sich das staatliche Wettmonopol in der Gestalt, die es durch die mit einer Maßgabe versehene befristete Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts erhalten hat, als gerechtfertigte Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit dar. Die den Mitgliedstaaten vom EuGH zugestandene Einschätzungsprärogative im Hinblick auf die Notwendigkeit nationaler Beschränkungen für Sportwetten hat das Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich ausgeübt. Es hat seiner Entscheidung aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zum Suchtpotenzial von Sportwetten zugrunde gelegt, womit auch der Forderung des EuGH, dass Rechtfertigungsgründe von einer Untersuchung zur Zweck- und Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Maßnahmen begleitet sein müssten (vgl. Urteil vom 13. November 2003 -C-42/02 [Lindman]-, http://curia.europa.eu/de, Rn. 25), genüge getan sein dürfte. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht das Bayerische Staatslotteriegesetz deswegen für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG erklärt, weil das staatliche Wettmonopol nicht konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren ausgerichtet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat damit gerade auch ein normatives Regelungsdefizit in Bezug auf materielle und strukturelle Vorkehrungen zur Suchtbekämpfung und zur Begrenzung der Wettleidenschaft beanstandet. Zugleich hat es als Ergebnis seiner verfassungsrechtlichen Ausführungen die Parallelität der verfassungsrechtlichen und der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben festgestellt. Danach entsprechen die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts an die Rechtfertigung eines staatlichen Monopols denen des Grundgesetzes (Rn. 144 des Urteils). Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass sich das staatliche Wettmonopol bis zu einer landesrechtlichen Neuregelung im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht befinde und deswegen unangewendet bleiben müsse, weil dem Europarecht Übergangsfristen zur Erreichung eines europarechtskonformen Zustandes fremd seien (so aber etwa VG Potsdam, Beschluss vom 11. September 2006 -3 L 312/06-, S. 6 ff. des Umdrucks; VG München, Urteil vom 21. Juni 2006 -M 16 K 05.2229-, S. 22 des Umdrucks m.w.N.; Vallone/Dubberke, GewArch 2006, 240 [241]) .

Vielmehr genügt das landesrechtliche Wettmonopol bei Beachtung der in den Gründen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts niedergelegten Maßgabe für die weitere Anwendbarkeit der landesrechtlichen Vorschriften zum Lotteriewesen in seiner konkreten Anwendung - und damit in der Diktion des EuGH: angesichts seiner konkreten Anwendungsmodalitäten - den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben an eine kohärente und systematische Begrenzung der Wetttätigkeiten. Die vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit ausgesprochene inhaltlich modifizierte Weitergeltung der landesrechtlichen Vorschriften trägt den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen in der Sache Rechnung und bindet als gesetzesvertretendes Übergangsrecht kraft § 31 Abs. 1 BVerfGG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

Inhaltlich verlangt die verfassungsgerichtliche Maßgabe, dass unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits herzustellen ist (Rn. 157 des Urteils). Mit dieser - nach den obigen Ausführungen im Land Berlin umgesetzten - Maßgabe wird zugleich dem vordringlichen Anliegen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, dass die Erzielung von Einkünften für fiskalische, soziale und karitative Zweck nicht der Hauptzweck der Wettbeschränkung sein darf, entsprochen. Der von der staatlichen Lotteriegesellschaft und der Aufsichtsbehörde getroffene und eingeleitete Maßnahmenkatalog begründet keine durchgreifenden Zweifel daran, dass während der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung eine konsequente Ausrichtung der vom Land veranstalteten Sportwetten am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Wettsucht stattfinden soll und wird.

Die mit der Maßgabe versehene verfassungsgerichtliche Weitergeltungs-anordnung, der für den Freistaat Bayern gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zukommt (vgl. dazu die Veröffentlichung der Entscheidungsformel in BGBl. I, 1161), bildet während der verfassungsgerichtlich eingeräumten Übergangszeit als gesetzesvertretendes Übergangsrecht die Rechtsgrundlage für das staatliche Wettmonopol auch in den übrigen Bundesländern, auf deren Rechtslage die verfassungsrechtliche Bewertung gleichermaßen zutrifft. Mit der Weitergeltungsanordnung hat das Bundesverfassungsgericht die durch die Unvereinbarkeitserklärung ausgelöste Anwendungssperre für das Bayerische Staatslotteriegesetz aufgehoben. Es wird angenommen, dass in einem solchen Falle die verfassungsgerichtliche Weitergeltungsanordnung bis zu einer gesetzlichen Neuregelung die Rechtsgrundlage für die Realisierung des mit der für verfassungswidrig erklärten Norm verfolgten Anliegens darstellt (vgl. Bethge, a.a.O., § 35 Rn. 46 unter Bezugnahme auf BVerfGE 98, 169 [215]). Nach anderer Lesart erteilt das Bundesverfassungsgericht einer verfassungswidrigen Norm mit der Anordnung ihrer weiteren Geltung keinen eigenen Normanwendungsbefehl, sondern ermöglicht, indem es von der Nichtigerkärung absieht, nur die befristete Fortgeltung (vgl. M. Graßhof, in Umbach/Clemens/Dollinger [Hrsg.], BVerfGG, 2. Auflage, § 78 Rn. 38). Auf die Unterschiede in der dogmatischen Begründung der Rechtsnatur des Übergangsrechts kommt es in dem vorliegenden Zusammenhang nicht an, da nach dem einen wie dem anderen Verständnis die fragliche Norm trotz ihrer Verfassungswidrigkeit anwendbar bleibt. Diese vorübergehende Anwendbarkeit ist allerdings mit einer inhaltlichen Modifizierung "nach Maßgabe der Gründe" verbunden, wodurch das Bundesverfassungsgericht der Sache nach als Ersatzgeber gesetzesvertretendes Übergangsrecht geschaffen hat (vgl. Bethge, a.a.O., § 35 Rn. 29; Heusch, in Umbach/Clemens/Dollinger [Hrsg.], a.a.O., § 31 Rn. 82). Sämtliche in § 31 Abs. 1 BVerfGG genannten staatlichen Stellen haben aufgrund ihrer Bindung die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts einschließlich der sie tragenden Gründe in Bezug auf die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes auch in Parallelfällen zu beachten. Ein Parallelfall ist anzunehmen, wenn ein im Wesentlichen gleichgelagerter Sachverhalt auf der Grundlage der bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine abweichende verfassungsrechtliche Bewertung rechtfertigt (vgl. Heusch, a.a.O., § 31 Rn. 68). Stellt sich, wie im Land Berlin, die gesetzliche Ausgestaltung des Wettmonopols ebenso wie im Freistaat Bayern dar, entfaltet das Urteil vom 28. März 2006 im Hinblick auf die weitere, aber inhaltlich modifizierte Anwendung des landesrechtlichen Monopols für Sportwetten Bindungswirkung auch für die hiesigen staatlichen Stellen.

4. An der sofortigen Vollziehung der gegen den Antragsteller ergangenen Untersagungsverfügung besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse.

Aus dem Umstand, dass die Vermittlung von unerlaubten Sportwetten nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Übergangszeit trotz der festgestellten Unvereinbarkeit des staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG als ordnungsrechtlich verboten angesehen werden kann, folgt - unabhängig von der Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung dieses Tatbestandes - zugleich ein besonderes öffentliches Interesse an der Vollziehung, da nur so die mit dem Verbot verfolgten Schutzzwecke auch während der Übergangszeit sichergestellt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2006 -1 BvR 2399/06-, www.bverfg.de Rn. 10 m.w.N.). Eines Nachweises besonderer Gefahren für die Allgemeinheit bedarf es nicht (vgl. VGH Kassel, a.a.O. Rn. 49).

Diesen die sofortige Vollziehung rechtfertigenden öffentlichen Interessen stehen keine gleichrangigen privaten Interessen des Antragstellers an der Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit gegenüber. Die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens darauf, dass er sein Gewerbe im Hinblick auf die Vermittlung privater Sportwetten weiterhin ungehindert betreiben kann, ist schon deshalb eingeschränkt, weil er diese Tätigkeit aufgenommen hat, obwohl er bereits im September 2004 (noch vor der Anmeldung seines Gewerbes) mehrfach auf das Verbot der Veranstaltung privater Wetten und die sich daran anknüpfenden ordnungs- und strafrechtlichen Konsequenzen hingewiesen worden war. Seine unternehmerische Entscheidung ein Wettbüro zu eröffnen war von vornherein risikobehaftet und verdient kein Vertrauen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und Ziffern 54.2.1, 1.5, 1.6.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung Juli 2004 (NVwZ 2004,1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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