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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 22.07.2005
Aktenzeichen: OVG 10 S 2.05
Rechtsgebiete: VwGO, BO Bln 1958, BauNVO 1990, VwVfG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 80 a Abs. 3 Satz 2
BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 173 Abs. 3 a.F.
BauGB § 212 a Abs. 1
BO Bln 1958 § 7 Nr. 5
BO Bln 1958 § 7 Nr. 8
BO Bln 1958 § 8 Nr. 14 Satz 1 Buchstabe a)
BO Bln 1958 § 62 Abs. 5
BauNVO 1990 § 4 Abs. 2 Nr. 3
VwVfG § 38
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG Beschluss

OVG 10 S 2.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgerichts , die Richterin am Oberverwaltungsgericht und die Richterin am Oberverwaltungsgericht am 22. Juli 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderungen des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und die Befreiungen anzuordnen, zu Recht abgelehnt.

Bei der nach § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen überwiegen das Interesse der Allgemeinheit und dasjenige des Beigeladenen an der unverzüglichen Ausnutzung der Baugenehmigung für die Erweiterung der Schule das Interesse der Antragstellerin, von der - nach § 212 a Abs. 1 BauGB als Regelfall vorgesehenen - sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung vorerst ausnahmsweise verschont zu bleiben, weil die gegen die Baugenehmigung Nr. vom 3. November 2004 mit dem in der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2005 vor dem Verwaltungsgericht geänderten Inhalt und die Befreiung Nr. vom 3. November 2004 eingelegten Widersprüche und eine sich hieran etwa anschließende Klage weder offensichtlich noch mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben werden. Auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten sowie nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge ist bei summarischer Prüfung eine Verletzung von - bei Rechtsschutzgesuchen von Nachbarn allein relevanten - Nachbarrechten durch die angefochtene Baugenehmigung (nebst Befreiungen) nicht zu erkennen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt die Baugenehmigung nicht gegen - auch - dem Schutz der Antragstellerin dienende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Auf die Vereinbarkeit mit solchen Vorschriften sind im vorliegenden Verfahren nicht nur die mit der angegriffenen Baugenehmigung zugelassene, die vorhandenen und bereits früher genehmigten Bauten der Schule erweiternde Bausubstanz und deren zugelassene Nutzung, sondern Bausubstanz und Nutzung der gesamten Schule zu prüfen. Angesichts des organisatorischen Zusammenhangs kommt es nicht darauf an, ob die Gesamtanlage in einem Zuge errichtet oder ob sie erst nachträglich erweitert werden soll (BVerwG, Urteil vom 15. November 1991 - 4 C 17.88 - NVwZ-RR 1992, 402).

Der umstrittene Erweiterungsbau ist auf Grund seiner räumlichen und funktionalen Zuordnung erkennbar als ein - unselbständiger - Teil des Schulbetriebs konzipiert. Zwar führt das Vorhaben zu keiner wesentlichen Änderung, soweit es um die Auslastung mit Schülern geht. Denn in der Baubeschreibung wird ausdrücklich festgestellt, dass der Erweiterungsbau nicht auf eine Erhöhung der Schülerzahl zielt. Der Senat hat keinen Anlass, an den in der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2005 gemachten Angaben des Antragsgegners zum aktuellen Stand der Nutzung durch 734 Schüler zu zweifeln, zumal auch in der Baubeschreibung als Durchschnittswert bei voller Auslastung der Schule eine Schülerzahl von 770 bzw. 740 angegeben ist. Im Übrigen ist nach der im vorläufigen Rechtsschutz allein gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass auch die Mitte der 80er Jahre deutlich höher - mit über 800 Schülern - liegende Auslastung der Schule von einer bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt war. Mangels Anhaltspunkten für eine formelle Baurechtswidrigkeit des bisherigen Schulbetriebs sieht sich der Senat auch nicht verpflichtet, dieser Frage im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes etwa durch Beiziehung aller die Schule betreffenden Bauakten nachzugehen. Durch Rücknahme seines eigenen Widerspruchs und Verzicht auf Rechtsbehelfe gegen die von dem Antragsgegner verfügte Abänderung der im vorliegenden Verfahren angegriffenen Baugenehmigung hat sich der Beigeladene nunmehr auf eine Schülerzahl von 785 festlegen lassen. Damit verzichtet er - mit Eintritt der Bestandskraft der angefochtenen Baugenehmigung ihm gegenüber - auf eine "volle" Ausnutzung der - soweit ersichtlich - eine höhere Auslastung mit Schülern deckenden bestandskräftigen früheren Baugenehmigungen.

Die Nutzungsintensität einer Schule wird jedoch nicht allein über die Schülerzahl, sondern auch über die Lage, Größe und Anzahl der Schulgebäude bzw. Klassenräume bestimmt. Dass der Erweiterungsbau hinsichtlich der räumlichen Gegebenheiten zu einer wesentlichen Änderung der Schule führt, liegt auf der Hand. Deshalb würde - ungeachtet des der vorhandenen Bausubstanz und ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung zukommenden Bestandschutzes - die angegriffene Baugenehmigung die Antragstellerin unter anderem dann in ihren Rechten verletzten, wenn der unter Berücksichtigung auch der angegriffenen Baugenehmigung nunmehr als genehmigt anzusehende Betrieb der gesamten Schule sie in ihren Rechten verletzen würde. Dies ist aber nicht der Fall.

Die Grundstücke der Antragstellerin und des Beigeladenen sind im Baunutzungsplan von Berlin i.d.F. vom 28. Dezember 1960 (ABl. 1961 S. 742), der gemäß § 173 Abs. 3 BauGB a.F. als übergeleiteter Bebauungsplan fort gilt, als allgemeines Wohngebiet mit der Baustufe II/2 ausgewiesen. Planungsrechtlich ist das Vorhaben mit Blick auf diese Festsetzung nach § 7 Nr. 8 der Bauordnung für Berlin i.d.F. vom 21. November 1958 - BO Bln 1958 - (GVBl. S. 1087/1104) zu beurteilen. Danach "können" im allgemeinen Wohngebiet Gebäude für kulturelle Zwecke "zugelassen werden". Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Erweiterung der seit Jahrzehnten von dem Beigeladenen betriebenen Privatschule durch den Bau der so genannten "Hofspange" als gebietsverträglich anzusehen ist. Der von der Antragstellerin geltend gemachte (nachbarschützende) Gebietserhaltungsanspruch wird nicht verletzt. Das Vorhaben führt weder zur Entstehung noch zur "Verfestigung" einer materiell rechtswidrigen Situation (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. November 1991 - 4 C 17.88 - NVwZ-RR 1992, 402).

Der Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner habe nicht beachtet, dass nach § 7 Nr. 8 BO Bln 1958 eine Schule nur ausnahmsweise ("können ... zugelassen werden") im allgemeinen Wohngebiet zulässig sei, und insofern verkannt, dass Ermessen auszuüben gewesen wäre, trifft nicht zu. Dem die angefochtene Baugenehmigung betreffenden Verwaltungsvorgang lässt sich entnehmen, dass der Antragsgegner - wie die Stellungnahmen der Stadtplanung belegen - erkennbar die Frage der Gebietsverträglichkeit abgewogen hat. Von einem Ermessensausfall kann keine Rede sein. Hinzu kommt, dass der Plangeber zum Zeitpunkt des Erlasses des Baunutzungsplans die Nutzung des Grundstücks durch die (damals schon vorhandene) Schule in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Bestand an Wohngebäuden in offener Bauweise vorgefunden und mit der Ausweisung des Gebiets als allgemeines Wohngebiet sanktioniert hat.

Der Einwand der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe des weiteren nicht beachtet, dass Grundstücke, die - wie ihr Grundstück - im einem allgemeinen Wohngebiet mit villenartigem Charakter liegen, besonders schutzwürdig seien und es daher "allein auf die Bautypologie und gerade nicht auf die Festsetzung im übergeleiteten Bebauungsplan" ankomme, greift nicht. Der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin lag eine "besonders strukturierte städtebauliche Gemengelage" zugrunde, da dort das grundsätzlich in einem beschränkten Arbeitsgebiet zulässige Vorhaben unmittelbar gegenüber dem als allgemeines Wohngebiet ausgewiesenen klägerischen Nachbargrundstück belegen war (OVG Berlin, Beschluss vom 16. Mai 2000 - 2 S 1.00 - OVGE 23, 185). Ein solcher Fall einer besonderen "Gemengelage" liegt hier nicht vor. Abgesehen davon beziehen sich die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin nicht auf die planungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzungsart, sondern auf das in § 7 Nr. 5 BO Bln 1958 verankerte Gebot der Rücksichtnahme. Ebenso wenig führt der Verweis auf die so genannte Dahlemer Last weiter, weil das Grundstück der Antragstellerin eben nicht in einem reinen Wohngebiet liegt. Das gilt auch für den Hinweis der Antragstellerin auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 18. Mai 1984 (- 2 B 151.83 -, OVGE 17, 91). Auch in diesem Fall, in dem es um die Erteilung einer Ausnahme von der festgesetzten Bebauungstiefe ging, waren die betroffenen Grundstücke als reines Wohngebiet ausgewiesen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1990 als "sachverständige Konkretisierung allgemeiner städtebaulicher Grundsätze" darauf abgestellt, dass die mit einer allgemein bildenden Schule verbundenen Beeinträchtigungen jedenfalls in der Regel dann als gebietsverträglich anzusehen sind, wenn sich die Schülerzahlen im Rahmen der Ortsüblichkeit halten. Als Maßstab zur Bestimmung der Ortsüblichkeit kann die Auslastung von vergleichbaren Schulen mit Klassenstufen von 1 bis 13 einschließlich Vorschule bzw. schulischer Eingangsstufe herangezogen werden. Mit einer Belegung von lediglich zwei Klassen pro Jahrgangsstufe liegt die Auslastung - wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt hat - erkennbar im Mittelfeld. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schule nicht lediglich als "klassisches" Gymnasium konzipiert ist, sondern auch die Grundschulklassen umfasst. Bereits die Schülerzahl der in der Nähe im Bachstelzenweg gelegenen Grundschule mit 519 Schülern zeigt, dass sich die Gesamtauslastung der von dem Beigeladenen betriebenen Schule eher im unteren Mittelfeld bewegt. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Schülerzahlen an den beiden "kleineren" Oberschulen - die A.-Oberschule, ein Gymnasium mit 431 und die W.-Oberschule, eine Realschule mit 612 Schülern -, die zum Grundschulbetrieb hinzuzurechnen sind. Vor diesem Hintergrund dürfte auch die Auslastung in den 80er Jahren mit mehr als 800 Schülern - bei der auch das allgemeine Phänomen der früheren geburtenstarken Jahrgänge zu berücksichtigen wäre - als ortsüblich und damit gebietsverträglich anzusehen sein. Jedenfalls bei einer Beschränkung auf maximal 785 Schüler ist die dreizehn Klassenstufen einschließlich Eingangsstufe umfassende Schule - auch unter Berücksichtigung des durch die Nachbargrundstücke geprägten Standorts - als gebietsverträglich und damit als bauplanungsrechtlich zulässig anzusehen.

Die Befürchtung der Antragstellerin, die Schule werde sich wegen der zusätzlichen Räumlichkeiten im Erweiterungsbau und der Einführung des zweistufigen Klassensystems zu einer "Großschule" mit über 1000 Schülern entwickeln, ist angesichts der verbindlichen Festlegung auf eine absolute Schülerzahl von 785, d.h. eine Schülerbelegung, die unabhängig von den baulich-räumlichen Gegebenheiten ist, unbegründet. Auf der Grundlage der angefochtenen Baugenehmigung wäre eine Auslastung mit mehr als 785 Schülern unzweifelhaft unzulässig; die Zahl bietet keinesfalls Anhaltspunkte für eine Auslegung im Sinne einer "Marge". Der Antragsgegner hätte ggf. mit geeigneten Maßnahmen auf eine von der Baugenehmigung nicht gedeckte Ausnutzung zu reagieren. Das gilt auch, soweit die Antragstellerin auf Belastungen durch außerschulische Veranstaltungen verweist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, erlaubt die hier allein im Streit stehende Baugenehmigung außerschulische Veranstaltungen wie etwa die von der Antragstellerin angeführte "Freie Musikschule" nicht. Ob eine solche Nutzung möglicherweise von einer dem Beigeladenen bereits erteilten Baugenehmigung gedeckt sein könnte, bedarf im vorliegenden Verfahren, in dem Streitgegenstand nur die angefochtene Baugenehmigung Nr. 2385/04 nebst Befreiungen ist, keiner Klärung. Ebenso wenig ist der Betrieb des Kindergartens Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, der Beigeladene könne nach Errichtung des Erweiterungsbaus jederzeit einen Antrag auf Erhöhung der Schülerzahl zur Beseitigung der dann bestehenden räumlichen Unterauslastung stellen, wird der angefochtenen Baugenehmigung eine präjudizierende Wirkung beigelegt, die ihr nicht zukommt.

Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen das in § 7 Nr. 5 BO Bln 1958 bzw. § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme. Eine gleichsam erdrückende, das Nachbargrundstück der Antragstellerin unzumutbar beeinträchtigende Wirkung geht von dem Erweiterungsbau des Beigeladenen nicht aus.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die eigene Zurückhaltung eines Grundstückseigentümers bei der Ausnutzung des zulässigen Nutzungsmaßes eine erhöhte Schutzwürdigkeit gegenüber Nachbarbebauungen nicht zu vermitteln vermag (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2003 - 2 B 18.99 -, UPR 2003, 237).

Da der Erweiterungsbau dem Grundstück der Antragstellerin gegenüber die erforderlichen Abstandflächen wahrt, sind Beeinträchtigungen ihres Grundstücks durch den Baukörper als solchen grundsätzlich als unbeachtlich anzusehen. Denn die Regelungen über Abstandflächen bezwecken nach der ihnen zugedachten Schutzfunktion eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung von Nachbargrundstücken sowie die Wahrung einer sozialen Distanz zwischen den Gebäuden und deren Bewohnern, sodass darüber hinaus für ein drittschützendes Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf diese nachbarlichen Belange grundsätzlich kein Raum ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, BauR 1999, 615). Eine etwa auf Grund der Überschreitung der Bebauungstiefe eingetretene Verletzung des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots kommt nur in solchen Ausnahmefällen in Betracht, in denen die Schutzfunktion der Abstandflächen die mit dem Bauvorhaben einhergehenden Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks nicht erfasst (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 - 4 C 34.85 -, NVwZ 1987, 128; OVG Berlin, Urteil vom 17. Oktober 2003 - 2 B 8.01 -, BRS 66 Nr. 189). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Riegelwirkung oder ein Einmauerungseffekt, wie im vorliegenden Fall von der Antragstellerin unter Hinweis auf die Unzulässigkeit der (erstmaligen) Hinterlandbebauung und die Sichtverhältnisse geltend gemacht wird, das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzen kann (vgl. nur BVerwG vom 13. März 1981 - 4 C 1.78 -, DVBl 1981, 928; BayVGH, Urteil vom 14. November 2002 - 14 N 00.227 - BRS 65 Nr. 15).

Das Bauvorhaben entfaltet nach Aktenlage wie auch unter Berücksichtigung des von der Antragstellerin vorgelegten Bildmaterials jedoch keine solche erdrückende Riegelwirkung gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin. Zwar weist das Vorhaben mit einem Baukörper von 36,55 m Länge und einem weiteren Baukörper von 49,72 m Länge, die mit einer 7,40 m langen Schallschutzwand verbunden sind, eine Gesamtlänge von über 90 m auf. Auch muss berücksichtigt werden, dass hinsichtlich der Höhe nicht allein auf die Traufhöhe von (überwiegend) 3,37 m bzw. (beim so genannten Kopfgebäude) 4,20 m abgestellt werden darf, sondern sich die optische Wirkung durch die aufgesetzten bandartig parallel zum First sich hinziehenden Lichtschächte für die Dachfenster um ungefähr einen Meter erhöht. Gleichwohl bilden die aus Lärmschutzgründen fensterlos gestalteten, nicht untergliederten Gebäuderückwände einschließlich der Schallschutzwand keine hermetische Wand mit Einmauerungseffekt. Das liegt zum einen daran, dass das Vorhaben 10 m von der Grundstücksgrenze entfernt ist. Durch die Entfernung wird insbesondere die Höhe des Vorhabens in der Wahrnehmung relativiert. Auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, der der Senat auf der Grundlage der vorliegenden Pläne folgt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Zum anderen wird die Wirkung einer "stehenden" Wand durch die in den Plänen ausgewiesenen Anböschungsmaßnahmen und zu bepflanzenden Rankgerüste an den Gebäuderückwänden, durch die in der Baugenehmigung unter Benennung der einzelnen Pflanzarten und damit hinreichend bestimmten so genannten intensiven Begrünungsmaßnahmen in dem von Nutzung freizuhaltenden 10 m tiefen Abstand zum Grundstück sowie durch die extensive Begrünung der Dächer, die im überwiegenden Teil des Vorhabens eine Firsthöhe von lediglich 5,70 m erreichen, erheblich gemildert. Insbesondere die Beschreibung der Außenanlagengestaltung, die Bestandteil der angefochtenen Baugenehmigung ist, macht deutlich, dass die rückwärtigen Wände mit einer Begrünung gleichsam "überzogen" werden, der ihnen den Charakter einer massiven, den Blick brechenden und einengenden Mauer nimmt. Das Vorhaben wird durch die verbindlichen Anpflanzungsmaßnahmen an und vor der dem Grundstück der Antragstellerin zugewandten Seite der Baukörper in besonderer Weise der natürlichen Umgebung angepasst, so dass die Gebäuderückwände in der optischen Wirkung sowohl hinsichtlich der Länge als auch hinsichtlich der Höhe in den Hintergrund treten. Dieser Anpassungseffekt wird dadurch verstärkt, dass sich auf dem Baugrundstück auf der dem Grundstück der Antragstellerin zugewandten Seite - ungeachtet der genehmigten Fällung von Bäumen - ein nach der Baumschutzverordnung zu schützender "alter" Baumbestand befindet. Das ergibt sich aus den Lageplänen und den Auflagen des Grünflächenamts. Angesichts der gärtnerischen Gesamtgestaltung des Vorhabens - durch Anböschung, Bepflanzung und vorhandenen Baumbestand - kann von einer "Scheuklappensituation" und erdrückenden Riegelwirkung der Baukörper nicht ausgegangen werden.

Das Vorhaben erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rücksichtslos. Eine Verschattung des Grundstücks der Antragstellerin ist angesichts der Lage und Ausrichtung der Grundstücke, des Abstands des Erweiterungsbaus von der Grenze und der Dimensionierung der Baukörper nicht zu befürchten. Das Vorhaben hat auch keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen auf Grund der räumlichen Ausdehnung des Schulbetriebs zur Folge. Bereits bei laienhafter Betrachtung ist zu erkennen, dass die abschirmende Lage des Erweiterungsbaus zwischen den bestehenden Schulgebäuden bzw. den Freiflächen und den angrenzenden Nachbargrundstücken vielmehr zu einer Minderung des durch den bisherigen Schulbetrieb verursachten Lärms führen dürfte. Diese Einschätzung wird bestätigt durch das von dem Beigeladenen vorgelegte Schallschutzgutachten, in dem auf der Grundlage entsprechender Berechnungen eine Verringerung der Lärmbelastung prognostiziert wird. Soweit die Antragstellerin Einwände gegen das Gutachten erhebt und es als "Gefälligkeitsgutachten" kritisiert, fehlt es an nachvollziehbarem Vortrag, der einen greifbaren Anhaltspunkt für den behaupteten Vorwurf bieten könnte. Das ist - angesichts der Begrenzung der Schülerzahl auf die aktuelle Auslastung - offensichtlich bei den Einwänden, mit denen gerügt wird, das Gutachten gehe von einer unveränderten Schülerzahl aus und berücksichtige nicht die von der Antragstellerin befürchtete Steigerung der Schülerzahl. Der Vortrag zur Nutzung der Dachfenster hat ein Verhalten der Lehrkräfte oder Schüler zum Gegenstand, das der abgegriffenen Baugenehmigung zuwider läuft. Denn in der angefochtenen Baugenehmigung ist mit hinreichender Bestimmtheit verfügt, dass die Dachfenster geschlossen zu halten sind. Ein Öffnen der Dachfenster wäre also von der Baugenehmigung nicht gedeckt. Der Lärm durch sich außerhalb des Schulgeländes aufhaltende Schüler wie auch die Immissionen durch den An- und Abfahrtsverkehr stellt keine "zusätzliche" erst durch diese Genehmigung ermöglichte unzumutbare Belastung dar, sondern hält sich im Rahmen der Belastungen durch den im bisherigen Umfang genehmigten Schulbetrieb. Im Übrigen enthält die angefochtene Baugenehmigung die (vollstreckbare) Auflage, dass der 10 m tiefe Grundstücksstreifen zwischen den Rückwänden des Erweiterungsbaus und der Grenze zum Nachbargrundstück nicht genutzt werden darf. Das bedeutet zugleich, dass auch der als "H." zwischen den Grundstücken F. 7 und 9 liegende und an die F. angrenzende schmale Grundstücksstreifen - mit Bestandskraft der angefochtenen Baugenehmigung - nicht als Zugang zur Schule oder zum Aufenthalt genutzt werden darf.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass es sich bei dem Vorhaben um zwei Einzelhäuser i.S.d. § 8 Nr. 14 Satz 1 Buchstabe a) BO Bln 1958 handelt. Die Verbindung der beiden Gebäude mit der Schallschutzwand führt - unabhängig von der Frage des Nachbarschutzes - nicht zu einer in der offenen Bauweise unzulässigen Längenüberschreitung. Da eine Bebauungstiefe in dem - nach übergeleitetem Recht -einfachen Bebauungsplan nicht festgesetzt ist, greift Nachbarschutz nur im Rahmen des im Begriff des Einfügens gemäß § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Gebots der Rücksichtnahme, das - wie dargelegt - nicht verletzt wird.

Ebenso wenig ist offensichtlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die angefochtenen Befreiungen - für die über die bisherige Überschreitung hinausgehende weitere Überschreitung der zulässigen GFZ um 0,07 auf 0,57 und die ebenfalls weitere Überschreitung der zulässigen GRZ um 0,07 auf 0,33 - Rechte der Antragstellerin verletzen. Die Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung sind grundsätzlich nicht unmittelbar nachbarschützend, wenn nicht dem für das Grundstück geltenden Bebauungsplan eine spezifische Schutzwirkung einzelner Festsetzungen zu entnehmen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1995 - 4 B 52.95 -, BauR 1995, 823; OVG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2003 - 2 B 18.99 -, BauR 2004, 823). Das gilt auch für das übergeleitete Berliner Planungsrecht (vgl. Wilke u.a., Bauordnung für Berlin, 5. Aufl., 1999, Anh., Rn. 53). Ein Verstoß kann insoweit nur nach den Grundsätzen zum Rücksichtnahmegebot Nachbarrechte verletzen. Für die Annahme der Verletzung von Nachbarrechten bedarf es der Feststellung einer spürbaren Beeinträchtigung im Einzelfall (OVG Berlin, Urteil vom 11. Februar 2003 - 2 B 16.99 -). Dabei kommt es darauf an, ob die von dem genehmigten Bauvorhaben und seiner Nutzung ausgehenden, auf die umliegenden Grundstücke einwirkenden Beeinträchtigungen für die davon handgreiflich betroffenen Grundstücksnachbarn unter Berücksichtigung der Gesamtsituation, der Interessenlage und der Schutzwürdigkeit der betroffenen Grundstücke unzumutbar sind. Solche qualifizierenden Umstände sind im vorliegenden Fall angesichts der weiteren auf den Erweiterungsbau bezogen vergleichsweise geringfügigen Überschreitungen jedenfalls bei der im vorliegenden Verfahren nur angebrachten summarischen Würdigung nicht erkennbar.

Soweit sich die Antragstellerin auf den vor dem Kammergericht geschlossenen Vergleich vom 2. Juli 1963 beruft und auf das von anderen Nachbarn angestrengte zivilgerichtliche Vollstreckungsverfahren verweist, wird nicht beachtet, dass die Baugenehmigung gemäß § 62 Abs. 5 BO Bln unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Bauaufsichtbehörden, im Baugenehmigungsverfahren über private Rechtsverhältnisse, durch die keine öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte begründet werden, zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 10. November 1998 - 4 B 107.98 -, NVwZ 1999, 413). Die Antragstellerin verkennt die Reichweite des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes, wenn sie meint, der Vergleich wäre "in die Abwägung betreffend die Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme mit einzubeziehen".

Die von der Antragstellerin genannte Auflage zur Baugenehmigung vom 20. Juli 1977 (GA Bd. I Bl. 44) hat lediglich die Untersagung der Nutzung des 20 m tiefen Streifens als Schulhof bzw. als Spiel- und Sportplatz zum Gegenstand und ist im Übrigen in zulässiger Weise von der angefochtenen Baugenehmigung, die - wie ausgeführt - Nachbarrechte der Antragstellerin nicht handgreiflich verletzt, ersetzt worden.

Das Schreiben des Bezirksamts vom 1. August 2003 stellt gegenüber der Antragstellerin schon deshalb keine Zusicherung i.S.d. § 38 VwVfG dar, weil es lediglich an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller 2) bis 8) im erstinstanzlichen Verfahrens gerichtet war (GA Bd. I Bl. 140).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen, entsprach der Billigkeit, weil er sich mit ausführlichen und umfangreichen Stellungnahmen zum Beschwerdevortrag um Förderung des Verfahrens bemüht hat.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 3 GKG. Der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung auch für das Beschwerdeverfahren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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