Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 22.09.2006
Aktenzeichen: OVG 10 S 2.06
Rechtsgebiete: BauGB, BbgBO 2003, BbgBO 1998


Vorschriften:

BauGB § 17 Abs. 2
BauGB § 17 Abs. 3
BauGB § 30
BauGB § 146 Abs. 4 Satz 2
BbgBO 2003 § 69 Abs. 1 Satz 1
BbgBO 2003 § 83 Abs. 4 letzter Halbsatz
BbgBO 1998 § 76 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 10 S 2.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Krüger und die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn und Dr. Bumke am 22. September 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 11.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Das Verwaltungsgericht untersagte der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung, das Flurstück 5_____, in seinem baulichen Zustand zu verändern, insbesondere Befestigungsmaterial zu entnehmen bzw. Maßnahmen durchzuführen, die die Tragfähigkeit des Flurstücks verringern, bis über die Klage der Antragstellerin (3 K 1176/05) rechtskräftig entschieden worden ist, und drohte der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld an.

Die im Streit stehende Befestigung der Wegstrecke auf dem Flurstück 5_____ steht im Zusammenhang mit der von der Antragstellerin beantragten Genehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Flurstück 6_____. Das Genehmigungsverfahren, das die Antragstellerin - unter Bezugnahme auf einen unanfechtbaren Vorbescheid vom 12. November 2001 - mit Schreiben vom 11. November 2004 an die untere Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Spree-Neiße eingeleitet hat und das nunmehr zuständigkeitshalber vom Landesumweltamt Brandenburg unter dem Aktenzeichen 4_____ bearbeitet wird, ist noch nicht abgeschlossen.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht aus den von der Antragsgegnerin dargestellten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 2 beschränkt ist, zu beanstanden. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.

Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, spricht Überwiegendes dafür, dass der ursprünglich bei der unteren Bauaufsichtsbehörde gestellte, nun beim (inzwischen zuständigen) Landesumweltamt Brandenburg anhängige Antrag auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Windenergieanlage auf dem Flurstück 6_____ positiv zu bescheiden sein dürfte und daher die Rückbauforderung und die Androhung der Antragsgegnerin, den Rückbau selbst vorzunehmen, sich als rechtsmissbräuchlich erweisen, mithin die Antragstellerin einen Anspruch auf vorläufige Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes glaubhaft gemacht hat.

Mit dem - wie im erstinstanzlichen Verfahren - im Beschwerdeverfahren letztlich allein geltend gemachten Einwand, das Vorhaben befinde sich außerhalb des festgesetzten Windeignungsgebietes W_____ "A_____" dringt die Antragsgegnerin nicht durch.

Wie sich aus der beigezogenen Verfahrensakte des Landesumweltamtes Brandenburg ergibt, liegt nunmehr die landesplanerische Stellungnahme der gemeinsamen Landesplanungsabteilung der Länder Brandenburg und Berlin vom 16. Juni 2006 vor, in der ausdrücklich festgestellt wird, dass "sich der vorgeschlagene Anlagenstandort für die beantragte Windkraftanlage sowohl im regionalplanerisch ausgewiesenen Windeignungsgebiet W 6_____ (hier: Anlagenstandort am südöstlichen Rand des Windeignungsgebietes) als auch im dargestellten gemeindlichen Sondergebiet II 'Windenergie' (hier: Entwurf des B-Planes '_____'_____ mit Stand November 2005)" befindet (Klammerzusätze im Original). Auch die Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald kommt in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2006 an das Landesumweltamt Brandenburg zu dem Ergebnis, dass die "beantragte raumbedeutsame Windkraftanlage ... am Standortbereich A_____ ... sich gemäß sachlichem Teilregionalplan III 'Windkraftnutzung' innerhalb des Windeignungsgebietes W_____ Süd" befindet. Angesichts der ausdrücklichen Benennung des Windeignungsgebietes mit dem Zusatz "A_____" geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Bezeichnung "W_____" um einen Schreibfehler handelt und offensichtlich das Windeignungsgebiet W_____ gemeint ist.

Mit Blick auf die Führung des Raumordnungskatasters (ROK) des Landes Brandenburg bei der Landesplanungsbehörde - entsprechend der Verwaltungsvorschrift des Ministers für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung vom 6. April 1993 (ABl. vom 7. Mai 1993, S. 720) - ist davon auszugehen, dass die gemäß Art. 18 des Landesplanungsvertrags für das ROK zuständige gemeinsame Landesplanungsabteilung über hinreichend aussagekräftige, auf den Aufstellungsunterlagen beruhende Unterlagen verfügt und daher auch kein Anlass besteht, an der Feststellung zum Standort der Windenergieanlage zu zweifeln (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Juli 2006 - OVG 10 S 6.06 -). Hinzu kommt, dass auch die für die regionalplanerische Festsetzung des Windeignungsgebietes zuständige Regionale Planungsgemeinschaft ihrerseits mit der gebotenen Eindeutigkeit den Standort der Windenergieanlage innerhalb des Windeignungsgebietes verortet hat. Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren ein Schreiben der Regionalen Planungsgemeinschaft vom 7. November 2005 vorgelegt hat, wird damit die Aussagekraft der zeitlich nachfolgenden Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft nicht relativiert. Zum einen bezieht sich das Schreiben vom 7. November 2005 nur auf den von der Antragsgegnerin ausgearbeiteten Bebauungsplan "A_____". Abgesehen von der allgemeinen Feststellung, dass das Windeignungsgebiet W_____ in einem Abstand von etwa 100 m zur Kohlebahntrasse liege und sich eine "entsprechende Verschiebung der Flächenkulisse" ergebe, enthält das Schreiben vom 7. November 2005 keine konkreten Angaben zum Standort der streitigen Windenergieanlage. Zum anderen wird mit der Stellungnahme vom 22. Juni 2006 die räumliche Zuordnung des Vorhabens präzisiert und ausdrücklich klargestellt, dass das Vorhaben innerhalb des Enteignungsgebiets W_____ liegt. Insofern erscheint die als Anlage 4 von der Antragsgegnerin vorgelegte Karte "überholt". Abgesehen davon erscheint zweifelhaft, ob sich der Karte - ohne Erläuterung der mit Hand eingezeichneten Rotmarkierung - überhaupt eine verlässliche Aussage entnehmen lässt. Darüber hinaus dürfte die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, dass selbst bei einer Abweichung die Grundzüge der Planung nicht berührt seien, zumal die so genannte Tabuzone zur Wohnbebauung eingehalten wird (BA S. 4), nicht zu beanstanden sein. Der Einwand der Antragsgegnerin, das Vorhaben befinde sich in einem Bereich, der im Bebauungsplan als Sondergebiet für Erholung festgesetzt werden solle, ist angesichts der Feststellung der gemeinsamen Landesplanungsabteilung hinsichtlich des Standorts des Vorhabens "im Sondergebiet II Windenergie" nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt hat - der in der Aufstellung befindliche Bebauungsplan "A_____" noch keine Planreife erlangt haben dürfte.

Soweit die Antragsgegnerin mit der Beschwerde auf einen bevorstehenden Beschluss über eine (erneute) Veränderungssperre verweist, die zwischenzeitlich am 21. Februar 2006 beschlossen wurde, wird nicht beachtet, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BauGB auch dann vorliegen müssen, wenn die Gemeinde in Anwendung des § 17 Abs. 3 BauGB eine Veränderungssperre erneut beschließt. Besondere Umstände im Sinne des § 17 Abs. 2 BauGB liegen nur vor, wenn ein Planverfahren durch eine Ungewöhnlichkeit gekennzeichnet ist, die sich von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abhebt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. April 2006 - OVG 2 S 132.05 -; BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121). Solche besonderen Umstände für die Verzögerung der Planung hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich die Planung hinsichtlich des Umfangs, des Schwierigkeitsgrades oder des Verfahrensablaufes als atypisch darstellt. Im Übrigen drängt es sich dem Senat auf, dass die Satzung über die (erneute) Veränderungssperre auch deswegen nicht hätte erlassen werden dürfen, weil der künftige Inhalt des Bebauungsplans nicht in dem gebotenen Mindestmaß konkretisiert und absehbar ist. Nach dem vorgelegten Entwurf reduziert sich das Konzept des Bebauungsplans angesichts der Ausweisung eines mit Blick auf die Gesamtfläche des Plangebietes ausgesprochen kleinen Sondergebiets II "Windenergie" und der Festsetzung der maximalen Anzahl von nur zwei Windenergieanlagen mit einer - technisch überholten - Nabenhöhe von bis 35 m letztlich auf die "negative" Festlegung, keine Windkraftanlagen zulassen zu wollen. Ein positives Plankonzept lässt sich dem vorgelegten Kartenmaterial nicht entnehmen (vgl. dazu nur OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 6. Mai 2005 - 3 B 200/04.NE -).

Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass das Flurstück 5_____ als Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung festgesetzt werden soll, ist dieser Vortrag nicht nachvollziehbar, da es in dem von der Antragsgegnerin als Anlage 1 vorgelegten Bebauungsplanentwurf - hinsichtlich des Flurstücks - an der in der Zeichenerklärung enthaltenen Schraffur fehlt. Nach der Zeichenerklärung ist vielmehr davon auszugehen, dass eine öffentlich gewidmete Straßenverkehrsfläche festgesetzt werden soll. Insofern greift auch ihr in diesem Zusammenhang erhobener Einwand gegen den von der Antragstellerin angebotenen Erschließungsvertrag nicht. Für die Annahme, dass die Erschließung i.S.d. § 30 BauGB gesichert ist, kommt es nicht ausschlaggebend darauf an, dass die Gemeinde bereits Erschließungsmaßnahmen ergriffen oder der Bauinteressent die Erschließungsaufgabe vertraglich übernommen hat. Vielmehr genügt es, das der Gemeinde ein zumutbares Erschließungsangebot vorgelegen hat. Ein solches Angebot hat eine Ersetzungsfunktion (BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1993 - 4 B 65.93 -, juris-Ausdruck S. 5; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. November 1987 - 8 C 4.86 -, BVerwGE 78, 266 <juris-Ausdruck S. 7). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - angesichts der Ausgestaltung des Vertragsentwurfs nicht zu erkennen, warum das Erschließungsangebot für die Antragsgegnerin unzumutbar sein könnte. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass das Angebot nicht geeignet wäre, die Erschließung tatsächlich und rechtlich verlässlich zu sichern (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 4 B 88.01 -, NVwZ-RR 2002, 413).

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Rechtsmißbräuchlichkeit auch mit widersprüchlichen Verhalten der Antragsgegnerin mit Blick auf den Vorbescheid vom 12. November 2001 begründet. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, beträgt die Geltungsdauer eines Vorbescheides gemäß des im vorliegenden Fall zugrunde zu legenden § 69 Abs. 1 Satz 1 BbgBO 2003 vier Jahre. Diese gegenüber § 76 Abs. 1 Satz 2 BbgBO 1998 günstigere Regelung gilt hier gemäß § 83 Abs. 4 letzter Halbsatz BbgBO 2003. Im Übrigen dürfte auch die Drei-Jahres-Frist mit Blick auf die Antragstellung am 11. November 2004 gewahrt worden sein, denn die geänderte Zuständigkeit (nunmehr des Landesumweltamtes) trat erst mit Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes zum 1. Juli 2005 in Kraft.

Der Anordnungsgrund ist auch nicht dadurch entfallen, dass - wie die Antragsgegnerin vorträgt - nur noch 90 m der Befestigung vorhanden sind. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin ihrerseits - ungeachtet des anhängigen erstinstanzlichen Verfahrens - durch den teilweisen Rückbau versucht hat, "vollendete" Tatsachen zu schaffen, genügt auch die Befestigung (nur) eines Viertels der Wegstrecke, um einen Anordnungsgrund zu bejahen. Denn auch bei dieser Wegstrecke ist es der Antragstellerin nicht zuzumuten, den weiteren Rückbau hinzunehmen, um den Wegteil dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder befestigen zu müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.Vm. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück