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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: OVG 11 B 12.05
Rechtsgebiete: BaumSchVO 1982, NatSchGBln, ASOG


Vorschriften:

BaumSchVO 1982 § 3 Abs. 1
BaumSchVO 1982 § 4
BaumSchVO 1982 § 5
BaumSchVO 1982 § 5 Abs. 1
BaumSchVO 1982 § 5 Abs. 1 Satz 1
BaumSchVO 1982 § 5 Abs. 2 Satz 1
BaumSchVO 1982 § 6
BaumSchVO 1982 § 6 Abs. 1
BaumSchVO 1982 § 6 Abs. 1 Satz 1
BaumSchVO 1982 § 6 Abs. 1 Satz 3
NatSchGBln § 14 Abs. 7
NatSchGBln § 18 Abs. 1
NatSchGBln § 22 Abs. 2 Nr. 3
NatSchGBln § 22 Abs. 3
NatSchGBln § 22 Abs. 4
ASOG § 9 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 11 B 12.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht, den Richter am Oberverwaltungsgericht, die Richterin am Oberverwaltungsgericht, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks in Berlin-Spandau. Auf ihren zur Durchführung eines Bauvorhabens gestellten Antrag erteilte ihnen das Bezirksamt Spandau von Berlin durch Bescheid vom 23. August 2000 die Genehmigung, vier im Aushubbereich der Baugrube befindliche Bäume, nämlich eine Wald-Kiefer mit einem Stammumfang von 150 cm, zwei Spitz-Ahorne mit Stammumfängen von 96 und 112 cm sowie eine Birke mit einem Stammumfang von 100 cm, zu fällen. Gleichzeitig gab die Behörde den Klägern auf, ersatzweise eine Wald-Kiefer mit einer Höhe von 200 - 225 cm zu pflanzen und zusätzlich eine Ausgleichszahlung in Höhe von 8720,- DM zu entrichten. Zur Begründung führte sie aus: Als Ausgleich für Baumfällungen seien Ersatzpflanzungen nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 der hier in der Fassung von 1982 zur Anwendung gelangenden Berliner Baumschutzverordnung - BaumSchVO 1982 - vorzunehmen. Nach den Ausführungsvorschriften zur BaumSchVO 1982 sei im Regelfall pro angefangene 15 cm Stammumfang der zu fällenden Bäume ein Laubbaum mit einem Stammumfang von 12-14 cm oder ein Nadelbaum mit einer Höhe von 175-200 cm als Ersatz zu pflanzen. Wiesen die zu fällenden Bäume Mängel auf, könnten Abschläge bei den errechneten Ersatzpflanzungen gewährt werden. Danach ergebe sich folgende Berechnung:

 Nr. BaumartStamm umfang in cmQuotient (+15)Mängel des BaumesMängelabschläge in %Mängelabschläge absolutAnzahl ErsatzbäumeEinzelwert in DMGesamtwert in DM
1Wald-Kiefer15010,00altersbedingt leicht verminderte Vitalität20-2,008325,002600,00
2Spitz-Ahorn96 6,40in Konkurrenz zur Birke Nr.3, nur noch bedingte Standsicherheit an der auseinander brechenden Stützmauer90-5,761310,00310,00
3Birke100 6,67in Konkurrenz zum Ahorn Nr. 2, nur noch bedingte Standsicherheit an der auseinander berechenden Stützmauer90-6,001230,00230,00
4Spitz-Ahorn1127,47Frostriss im Stamm kann die Lebenserwartung verkürzen (Fäulnisgefahr)20-1,496310,001860,00
        Summe5000,00

Aus Platzgründen könne auf dem Grundstück jedoch nur ein Baum nachgepflanzt werden. Um einen möglichst großen Teil bei der errechneten Ersatzpflanzsumme in Neupflanzungen umzusetzen, sei eine Wald-Kiefer mit einer Höhe von 200-225 cm, viermal verpflanzt, mit einem Einzelpreis von 640,- DM zu pflanzen. Dieser Wert sei von dem Gesamtwert der errechneten Ersatzbäume (5000.- DM) abzuziehen. Aus dem verbleibenden Wertansatz von 4360.- DM und einem Zuschlag in gleicher Höhe für Pflanz- und Pflegekosten für zwei Jahre resultiere die Ausgleichsabgabe von 8720.- DM.

Zur Begründung ihres gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs machten die Kläger geltend: Die Wald-Kiefer habe lediglich einen Stammumfang von 149 cm. Zudem seien die Mängelabschläge bei diesem Baum zu gering, weil er auf Grund erheblicher Standsicherheitsprobleme und toter Äste eine Gefahr darstelle. Das gleiche gelte für den Spitz-Ahorn zur laufenden Nr. 4 (Stammumfang 112 cm).

Das Bezirksamt Spandau von Berlin wies den Widerspruch durch Bescheid vom 13. Juni 2001 zurück. Zur Begründung führte es unter anderem aus, dass etwaige Gefahren, die von den Bäumen ausgingen, nur ein weiterer Grund für die Fällungen, für den Umfang der Ersatzpflanzungen oder die Höhe der Ausgleichszahlungen aber nicht relevant seien. Weitere als die im Ausgangsbescheid festgelegten Ersatzpflanzungen seien nicht möglich, weil die Kläger hierfür keine in ihrer Verfügungsgewalt liegenden Grundstücke nachgewiesen hätten.

Die Kläger haben am 12. Juli 2001 bei dem Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Die Festsetzung der Ausgleichsabgabe verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Weder das Berliner Naturschutzgesetz noch die BaumSchVO 1982 enthielten eine Bemessungsgrundlage für die festzusetzende Ausgleichsabgabe. Darüber hinaus sei die Ausgleichsabgabe unverhältnismäßig, denn sie entspreche einer Eratzpflanzung von 16 Bäumen, die über das Ausmaß des entstehenden Verlustes für die Natur und das Landschaftsbild deutlich hinausgehe. Das zeige sich auch daran, dass nach der Berechnungsweise des Beklagten ohne Mängelabschläge sogar 29 Bäume neu zu pflanzen gewesen wären.

Durch Urteil vom 11. Februar 2004 hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit den Klägern darin die Zahlung einer Ausgleichsabgabe in Höhe von 8720.- DM auferlegt wurde. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle für die Erhebung der Ausgleichsabgabe an einer rechtlichen Grundlage, weil § 6 BaumSchVO 1982 mit den Prinzipien der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht vereinbar und deshalb nichtig sei. § 6 Abs. 1 Satz 3 BaumSchVO 1982 bemesse die Höhe der Ausgleichsabgabe nach Umfang, Art und Schwere der Bestandsminderung unter Berücksichtigung der Kosten einer vergleichbaren Ersatzpflanzung. Die Norm biete keine für den Betroffenen vorhersehbaren und für die Gerichte nachprüfbaren Kriterien, die den Umfang der geforderten Zahlungsverpflichtung in etwa vorausberechenbar machten. So bleibe offen, nach welchen Maßstäben sich Umfang, Art und Schwere der Bestandsminderung beurteile und wie sich diese Gesichtspunkte zueinander verhielten. Der Präzisierung bedürfe sodann, welchen Umfang angemessene und zumutbare Ersatzpflanzungen hätten. Insoweit zeige ein Blick auf die untergesetzlichen Baumschutzregelungen anderer Länder, wie groß die diesbezügliche Regelungsspanne sein könne. Zwar enthielten die Ausführungsvorschriften zur BaumSchVO 1982 nähere Berechnungsvorgaben, doch hätten sie mangels Außenwirkung nicht die Qualität einer Rechtsgrundlage. Dies habe offenbar auch der Verordnungsgeber so gesehen, als er 2002 die Bemessungsmaßstäbe der Ausführungsvorschriften in die Baumschutzverordnung integriert habe.

Zur Begründung seiner vom Oberwaltungsgericht Berlin zugelassenen Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend: §§ 5 und 6 BaumSchVO 1982 seien hinreichend bestimmt und genügten auch dem verfassungsrechtlich abgeleiteten Gebot der Normenklarheit. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und deren untergesetzliche Konkretisierung durch Verwaltungsvorschriften sei gerade im Bereich des Naturschutzes angesichts der Besonderheiten der Materie durchaus üblich und gerechtfertigt. Bei den Ausführungsvorschriften zur BaumSchVO 1982 handele es sich um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, die wegen ihrer Bedeutung für die Öffentlichkeit im Amtsblatt bekannt gemacht worden seien.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Februar 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Streitakte sowie des vom Beklagen vorgelegten Verwaltungsvorganges Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der - nach entsprechender Klarstellung - nur die Ausgleichsabgabe erfassenden Anfechtungsklage zu Recht stattgegeben. Es hat zutreffend angenommen, dass die isolierte Anfechtung der Ausgleichsabgabe zulässig ist. Selbst wenn es sich hierbei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts um eine Nebenbestimmung zu der den Klägern erteilten Baumfällgenehmigung handeln sollte, wäre die Frage, ob diese Nebenbestimmung isoliert aufgehoben werden kann, die Genehmigung also ohne sie "sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann" (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 4 C 70.80 -, NvWZ 1984, 366), der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des mit der Anfechtungsklage verfolgten Aufhebungsbegehrens zuzuordnen, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 31/87 -, BVerwGE 81, 185; Urteil vom 22. November 2000 - 11 C 2/00 -, BVerwGE 12, 221; Beschluss vom 18. Februar 1997 - 4 B 199/96 -, NvWZ - RR 1997, 530), was hier nicht der Fall ist (vgl. zur regelmäßig selbständigen Anfechtbarkeit von Zahlungsauflagen bereits BVerwG, Urteil vom 12. März 1982 - 8 C 23.80 -, BVerwGE 65, 139, 141).

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Die Ausgleichsabgabe ist in vollem Umfang rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die Erhebung der Ausgleichsabgabe fehlt es bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage, sodass sie auch isoliert aufgehoben werden kann.

Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist folgendes Normengefüge: Gemäß § 18 Abs. 1 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege von Berlin in der hier anzuwendenden Fassung vom 30. Januar 1979 (GVBl. Seite 183) - NatSchGBln - können durch Rechtsverordnung des für den Naturschutz und die Landschaftspflege zuständigen Mitglieds des Senats Teile von Natur und Landschaft zum geschützten Landschaftsbestandteil erklärt werden. Als geschützte Landschaftsbestandteile kommen gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 3 NatSchGBln insbesondere Einzelbäume, Baumreihen und Baumgruppen in Betracht. Die Beseitigung eines geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung eines geschützten Landschaftsbestandteiles führen können, sind gemäß § 22 Abs. 3 NatSchGBln verboten. Das Nähere regelt die Rechtsverordnung zur Festsetzung. Gemäß § 22 Abs. 4 NatSchGBln legt diese Rechtsverordnung die Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzungen oder zweckgebundenen Ausgleichsabgaben im Falle von Bestandsminderungen fest. Von diesen Ermächtigungen hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz durch Erlass der Verordnung zum Schutze des Baumbestandes in Berlin vom 11. Januar 1982 (GVBl. Seite 250) - BaumSchVO 1982 -, die hier einschlägig ist, Gebrauch gemacht und in deren § 1 sämtliche Einzelbäume im Land Berlin, deren Stammumfang in einer Höhe von 130 cm über dem Erdboden mindestens 60 cm beträgt, zum geschützten Landschaftsbestandteil erklärt. § 3 Abs. 1 BaumSchVO 1982 verbietet die Beseitigung geschützter Bäume. Von diesem Verbot lässt § 4 BaumSchVO 1982 unter anderem dann Ausnahmen zu, wenn eine sonst zulässige Nutzung des Grundstücks nicht oder nur unter wesentlichen Beschränkungen verwirklicht werden kann oder eine solche Nutzung unzumutbar beeinträchtigt wird. Wird die Beseitigung eines geschützten Baumes genehmigt, so ist der Antragsteller gemäß § 5 Abs. 1 BaumSchVO 1982 zu standortgerechten Ersatzpflanzungen für den zu beseitigenden Baum verpflichtet, soweit dies angemessen und zumutbar ist (Satz 1). Die Verpflichtung wird im Einzelfall von der zuständigen Behörde festgelegt (Satz 2). Sie gilt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BaumSchVO 1982 erst dann als erfüllt, wenn der Baum nach Ablauf von zwei Jahren zu Beginn der folgenden Vegetationsperiode angewachsen ist. Soweit Ersatzpflanzungen nach § 5 nicht möglich oder untunlich sind, ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BaumSchVO 1982 eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Die Höhe der Ausgleichsabgabe ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BaumSchVO 1982 nach Umfang, Art und Schwere der Bestandsminderung unter Berücksichtigung der Kosten einer vergleichbaren Ersatzbepflanzung zu bemessen.

Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die als Rechtsgrundlage der angefochtenen Ausgleichsabgabe allein in Betracht kommende Vorschrift des § 6 Abs. 1 BaumSchVO 1982 unwirksam ist, weil sie mit den höherrangigen Rechtsstaatsgeboten (Art. 20 Abs. 3 GG) der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht vereinbar ist. Auch wenn die die Einwirkungsmöglichkeiten auf den Berliner Baumbestand grundsätzlich beschränkenden Vorschriften der Baumschutzverordnung eine verfassungsrechtlich zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz enthalten (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 17. Oktober 2003 - OVG 2 B 15.00 -, UPR 2004, 234; Urteil vom 16. August 1996 - OVG 2 B 26.93 -, NvWZ - RR 1997, 530; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Februar 1996, - 4 B 303/95 -, NVwZ 1996, 1487), unterliegen sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Bestimmtheit und Normenklarheit. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, verlangt das Rechtsstaatsprinzip, dass Ermächtigungen zum Erlass belastender Verwaltungsakte nach Inhalt, Gegenstand und Ausmaß hinreichend bestimmt sind, so dass die Eingriffe messbar und für den Bürger hinreichend voraussehbar und berechenbar sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1988 - 1 BvR 278/88 -, BB 1988, 1716; BVerfGE 31, 255, 264). Zwar schließt dies nicht die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe aus; die Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer Vorschrift noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (BVerfG, a.a.O.). Ein Verstoß gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Erfordernis hinreichender Bestimmtheit einer Norm bei Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe liegt aber dann vor, wenn es nicht mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden und Gerichte ausschließen. Vielmehr muss sich aus dem Inhalt der Rechtsvorschrift mit ausreichender Bestimmtheit ermitteln lassen, was von der pflichtigen Person verlangt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. April 2000 - 11 B 61/99 -, bei Juris; Urteil vom 16. Juni 1994 - 4 C 2/94 -, NvWZ 1994, 1099, jeweils m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird § 6 Abs. 1 BaumSchVO 1982 nicht gerecht, soweit er in Satz 3 die Bemessung der Ausgleichsabgabe regelt. Zwar nennt diese Vorschrift mit den Merkmalen "Umfang, Art und Schwere der Bestandsminderung" objektive Kriterien, die insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Ausmaßes der ökologischen Schädigung mit herkömmlicher juristischer Methodik einer Auslegung zugänglich sein mögen. Sie knüpft diese Bemessungskriterien jedoch an die zu berücksichtigenden Kosten einer vergleichbaren Ersatzbepflanzung, die ihrerseits nicht hinreichend bestimmt werden. Zwar ist diese Anknüpfung im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden, sondern erscheint im Gegenteil sogar geboten, denn sie entspricht der Systematik der Nachrangigkeit der Ausgleichsabgabe gegenüber einer Ersatzbepflanzung. Diese Nachrangigkeit folgt ausdrücklich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 BaumSchVO 1982, wonach eine Ausgleichsabgabe nur zu entrichten ist, soweit Ersatzpflanzungen nach § 5 nicht möglich oder untunlich sind. Sie entspricht im Übrigen allgemeiner naturschutzrechtlicher Systematik, wonach Eingriffe in Natur und Landschaft in erster Linie zu unterlassen, hilfsweise im Sinne einer Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts auszugleichen, weiter hilfsweise in sonstiger Weise zu kompensieren und als ultima Ratio durch Ausgleichszahlungen abzugelten sind (vgl. § 19 BNatSchG n.F.; § 8 BNatSchG a. F.; § 14 NatSchGBln). Jedoch fehlt es abgesehen davon, dass § 6 Abs. 1 Satz 3 BaumSchVO 1982 nicht zu entnehmen ist, in welcher Weise die Kosten einer vergleichbaren Ersatzbepflanzung zu berücksichtigen sind, an handhabbaren Kriterien für die Bemessung dieser Kosten. Insoweit nämlich regelt § 5 Abs. 1 Satz 1 BaumSchVO 1982 lediglich, dass der Antragsteller, dem die Beseitigung eines geschützten Baumes genehmigt wird, zu standortgerechten Ersatzpflanzungen für den zu beseitigenden Baum verpflichtet ist, soweit dies "angemessen und zumutbar" ist. Damit beschränkt sich diese Norm auf die wörtliche Wiederholung der bereits in der Verordnungsermächtigung des § 22 Abs. 4 NatSchGBln abstrakt vorgegebenen Kriterien, lässt es aber an deren näherer Konkretisierung und Ausgestaltung fehlen. Zwar kann § 5 Abs. 1 Satz 1 BaumSchVO 1982 bei grammatikalischer Auslegung noch entnommen werden, dass der Verordnungsgeber für einen zu beseitigenden Baum mehrere Ersatzpflanzungen für erforderlich gehalten hat. Die Vorschrift entbehrt aber jeglicher Hinweise zu Anzahl und Größe der Ersatzpflanzen und der Abhängigkeit dieser Parameter zu Quantität und Qualität des beseitigten Baums. Insbesondere lässt sich die in den Ausführungsvorschriften zur Baumschutzverordnung vom 5. August 1992 (Abl. S. 2537) - AV-BaumSchVO - unter Ziffer 14 Abs. 2 und Ziffer 15 Abs. 1 getroffene Festlegung, wonach sich das angemessene und zumutbare Ausmaß der Ersatzpflanzung und damit auch der Ausgleichsabgabe in der Regel derart bestimmt, dass je angefangene 15 cm Stammumfang des zu entfernenden Baumes, gemessen 1.30 m über dem Erdboden, ein Ersatzbaum mittlerer Gehölzsortierung handelsüblicher Baumschulware zu pflanzen ist (Laubbäume: Hochstamm, je nach Gehölzart 10 bis 12 cm oder 12 bis 14 cm Stammumfang; Koniferen: 175 bis 200 cm Höhe), § 5 Abs. 1 Satz 1 BaumSchVO 1982 auch nicht ansatzweise als durch diese Rechtsvorschrift vorgegeben entnehmen.

Das Verwaltungsgericht weist mit Recht darauf hin, dass allein die aus der veröffentlichten Rechtsprechung ersichtlichen Baumschutzregelungen aus anderen Bundesländern hinsichtlich der Relation zwischen entfernten Bäumen und Anzahl und Größe der Ersatzpflanzen eine derart weite Spanne denkbarer Regelungen aufzeigen, dass eine nähere Konkretisierung innerhalb der Berliner Baumschutzverordnung zwingend erscheint. So lag dem Beschluss des OVG Münster vom 3. Februar 1997 - 7 A 3778/94 - (bei Juris) eine Baumschutzsatzung zugrunde, der zufolge für jeden angefangenen Meter Stammumfang des entfernten Baumes ein weiterer Baum mit einem Stammumfang von mindestens 20 cm in ein Meter Höhe zu pflanzen war. Das Urteil des OVG Schleswig vom 2. November 1994 - 1 L 21/94 - (NuR 1995, 377) betraf eine Baumschutzsatzung, die bei einem Stammumfang des zu ersetzenden Baumes über 150 cm - gemessen in ein Meter Höhe - drei Ersatzbäume mit mindestens 20 cm Stammumfang und ein Meter Höhe vorsah. Demgegenüber wären nach den zitierten Ausführungsvorschriften des Beklagten bei einem Stammumfang von mehr als 135 cm, gemessen 1.30 Meter über dem Erdboden, bereits zehn Ersatzbäume zu pflanzen. Dieses Verhältnis lässt im Übrigen Zweifel aufkommen, ob die in den Ausführungsvorschriften getroffene Entscheidung des Beklagten zugunsten einer hohen Anzahl von Ersatzpflanzen tendenziell jüngeren Alters dem durch die BaumSchVO 1982 immerhin vorgegebenen Prinzip des Vorrangs der - nach der Intention des Verordnungsgebers "in der Regel ohne Schwierigkeiten durchführbar(en)" (vgl. Abghs-Drs. 9/345, S. 4) - Ersatzbepflanzung noch gerecht wird, weil eine Vielzahl von Ersatzpflanzungen mit dem gebotenen Pflanzabstand auf dem betroffenen Grundstück oftmals nicht realisierbar sein wird, was zwangsläufig auf die Erhebung einer Ausgleichsabgabe hinausliefe.

Dass die notwendige Konkretisierung nicht der Verwaltung überlassen bleiben darf, sondern vom Verordnungsgeber zu treffen ist, ergibt sich schon aus dem Berliner Naturschutzgesetz. Denn § 22 Abs. 4 NatSchGBln, wonach die Rechtsverordnung zur Festsetzung (der geschützten Landschaftsbestandteile) die Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzungen oder zweckgebundenen Ausgleichsabgaben im Falle von Bestandsminderungen "festlegt", muss so verstanden werden, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber die nähere Konkretisierung der Kriterien "angemessen und zumutbar" aufgegeben hat. Blickt man darüber hinaus auf § 14 Abs. 7 NatSchGBln, wonach der Verordnungsgeber die dort vorgesehene Ausgleichsabgabe und das Verfahren zu ihrer Erhebung regelt, dabei bestimmen kann, dass die Ausgleichsabgabe je nach Dauer des Vorteils einmalig oder laufend erhoben wird, und die Höhe nach Dauer und Schwere des Eingriffs zu bemessen hat, so wird abermals deutlich, dass der Gesetzgeber die Ausgleichsabgabe als ein Instrumentarium angesehen hat, dessen nähere Ausgestaltung durch den Verordnungsgeber zu erfolgen hat und nicht der Verwaltung vorbehalten bleiben darf.

Letzteres gilt insbesondere für das auch die Höhe der Ausgleichsabgabe bestimmende Verhältnis der Bestandsminderung zur Anzahl der erforderlich werdenden Ersatzpflanzungen. Zwar ist der Verordnungsgeber, wie die Begründung zu § 5 Abs. 1 BaumSchVO (Abghs-Drs 9/345, Seite 4) zeigt, davon ausgegangen, dass sich der Umfang der Ersatzpflanzungen, deren Zahl nicht zwingend an die Zahl der beseitigten Bäume gebunden sei, an dem ökologisch und ästhetisch notwendigen Ausgleich orientieren sollte. Dieser ökologische Ausgleich ist jedoch nicht statisch, sondern ändert sich, auch wenn man eine gewisse Ausfallquote in Rechnung stellt, mit dem Heranwachsen der Ersatzpflanzen. Daher erfordert die im Spannungsfeld von Art 14 GG und Art 20 a GG vorzunehmende Festlegung, welche Anzahl Ersatzpflanzen den durch die Bestandsminderung eingetretenen ökologischen Schaden kompensiert, über dieses Ziel aber auch nicht hinausgeht, eine Wertung, die zwingend durch den Normgeber selbst zu treffen ist. Das hat, worauf ebenfalls bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, letztlich auch der Verordnungsgeber selbst so gesehen, als er die Bemessungsmaßstäbe der Ausführungsvorschriften durch die 2. Änderungsverordnung zur Baumschutzverordnung vom 21. August 2002 (GVBl. Seite 271) "aus Gründen der besseren Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit für die Betroffenen" in die Verordnung übernommen hat (Begründung der Vorlage der 2. Änderungsverordnung Abghs-Drs 15/729 i.V.m. Verordnung Nr. 15/72 sowie Beantwortung der kleinen Anfrage vom 27. April 2004, Abghs-Drs 15/11 537). Diese hier noch nicht zur Anwendung gelangende Neufassung der Baumschutzverordnung enthält im Übrigen auch Regelungen zur Erhebung eines in die Ausgleichsabgabe einfließenden Pflege- und Risikozuschlages, der nach der Begründung der Baumschutzverordnung 1982 (a.a.O.) zwar gewollt gewesen sein mag, im Wortlaut der Verordnung aber keinen expliziten Niederschlag gefunden hat. Sollte der Verordnungsgeber die Kosten eines zweijährigen Pflegeaufwandes in § 6 Abs. 1 Satz 3 BaumSchVO 1982 mit dem Hinweis auf die Berücksichtigungspflicht der Kosten einer vergleichbaren Ersatzbepflanzung als miterfasst angesehen haben, fehlt jedenfalls eine gebotene Vorgabe für die hier vorgenommene Pauschalierung der Kosten unter Ansatz der Kosten für die Ersatzpflanzen in voller Höhe.

Entgegen der Auffassung des Beklagten machten die Ausführungsvorschriften zur Baumschutzverordnung 1982 die fehlenden normativen Regelungen zur Bemessung der Ausgleichsabgabe auch für eine Übergangszeit nicht deshalb entbehrlich, weil diese Ausführungsvorschriften als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften anzusehen wären. Die Besonderheit so genannter, insbesondere im Umwelt- und Technikrecht erlassener normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften, die der Ausfüllung eines der Verwaltung eingeräumten Beurteilungsspielraums dienen, besteht darin, dass sie, anders als Verwaltungsvorschriften sonst, unter bestimmten Voraussetzungen auch für Gerichte verbindlich und wie Normen auszulegen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 8 C 16.96 -, BVerwGE 107, 338, 340 f., m.w.N.). Normkonkretisierende Wirkung kann einer Verwaltungsvorschrift aber nur unter bestimmten, eng begrenzten Voraussetzungen zukommen. Dazu gehört unter anderem, dass dem Erlass der Verwaltungsvorschrift ein umfangreiches Beteiligungsverfahren vorangeht, dessen Zweck es ist, vorhandene Erfahrungen und den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auszuschöpfen (vgl. BVerwG, a.a.O. zu der von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift). Diese Voraussetzung erfüllen die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz aufgrund des § 9 Abs. 3 ASOG erlassenen Ausführungsvorschriften zur BaumSchVO 1982 ersichtlich nicht. Insoweit mag dahinstehen, ob normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften über ihre oben beschriebene Wirkung überhaupt die Funktion zukommen kann, Bestimmtheitsmängel der zu konkretisierenden Norm zu überwinden, oder ob sie nicht vielmehr eine Rechtsvorschrift voraussetzen, die zwar unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, ihrerseits aber dennoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Bestimmtheit und Normenklarheit genügt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO benannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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