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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 12.06.2007
Aktenzeichen: OVG 11 N 23.07
Rechtsgebiete: VwGO, BbgNatSchG


Vorschriften:

VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 87 b Abs. 3
VwGO § 104 Abs. 3 Satz 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
BbgNatSchG § 17 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 11 N 23.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 12. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25. Januar 2007 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Bescheid vom 7. August 2006 forderte der Beklagte die Klägerin u.a. auf, eine von ihr genutzte Bootssteganlage am Lübbesee bis zum 25. September 2006 vollständig zu beseitigen. Die von der Klägerin gegen diesen Bescheid in der Fassung des bestätigenden Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 21. September 2006 erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht Potsdam durch Urteil vom 25. Januar 2007 als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag ist nicht begründet, denn das den Prüfungsumfang des Senats bestimmende Antragsvorbringen rechtfertigt es nicht, die von der Klägerin geltend gemachten Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO als erfüllt anzusehen.

1. Die Klägerin hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufgezeigt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfGE, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163 f.) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 , Buchholz 310 § 124 Nr. 33; st. Senatsrechtsprechung., Beschluss vom 24. Mai 2007 - OVG 11 N 1.07 -, n.V.).

Hiervon ausgehend begründet das Rechtsmittelvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Ordnungsverfügung nach § 17 Abs. 6 Brandenburgisches Naturschutzgesetz - BbgNatSchG - als gerechtfertigt angesehen, weil die Klägerin den in Rede stehenden Bootssteg 1989 neu errichtet habe, ohne die erforderlichen Genehmigungen einzuholen, zu denen auch eine landschaftsschutzrechtliche Genehmigung gehört habe. Die Klägerin berufe sich ohne Erfolg auf Bestandsschutz, denn sie habe weder eine Genehmigung vorweisen können noch sei substantiiert dargelegt oder offensichtlich, dass die Steganlage bei ihrer vollständigen Neuerrichtung mit Blick auf die erforderliche Baugenehmigung, die wasserrechtliche Zustimmung der staatlichen Gewässeraufsicht, die Zustimmung des Rates der Gemeinde sowie die notwendige landschaftsschutzrechtliche Genehmigung genehmigungsfähig gewesen sei. Hiergegen macht die Klägerin geltend: Sie habe nach Abschluss der mündlichen Verhandlung erfahren, dass die am Lübbesee im Schilfgürtel errichteten Bootsstege vor 1989 genehmigungsfähig gewesen seien und auch durch die zuständigen Behörden der DDR genehmigt worden seien, sofern ein Antrag gestellt worden sei. Da diese Genehmigungen vielfach nur mündlich gegenüber den Antragstellern erteilt worden seien, könnten sie naturgemäß nicht vorgelegt werden. Dies könne durch die Vernehmung des Zeugen F. bewiesen werden, der sich an die mündliche Erteilung einer Genehmigung im Jahre 1969/70 sehr gut erinnern könne und zudem angegeben habe, dass im Bereich des Lübbesees mehrere Bootsstege von ihm genehmigt worden seien, da diese bis zum Jahr 1989 alle genehmigungsfähig gewesen seien.

Mit diesen Einwendungen kann die Klägerin nicht durchdringen. Sie rechtfertigen insbesondere nicht den Schluss, die Vernehmung des Zeugen F. in einem Berufungsverfahren werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erbringen, dass der in Rede stehende Bootssteg bestandsgeschützt sei, so dass seine Beseitigung von der Klägerin nicht verlangt werden dürfe.

a) Für einen formellen Bestandsschutz ist schon im Ansatz nichts ersichtlich. Der Beklagte hat die Klägerin bereits Anfang 2003 dazu angehört, ob die Errichtung des Steges genehmigt worden sei. Sie hat darauf mit Schreiben vom 6. März 2003 geantwortet, dass ihr die geforderten Genehmigungen nicht vorlägen. Auch hat sie nicht angegeben, dass ihr die nach eigenem Vorbringen 1989 erfolgte vollständige Neuerrichtung des Steges mündlich genehmigt worden sei oder dass sie die Genehmigung auch nur beantragt habe. Daher kommt es auch nicht darauf an, in welchen behördlichen Unterlagen etwaige mündliche Genehmigungen anderer Stege vermerkt und ob diese Unterlagen durch den Beklagten vernichtet worden sein könnten.

Ob der vormals an gleicher Stelle befindliche und von der Klägerin vor der Neuerrichtung restlos beseitigte Steg, einmal genehmigt war, ist rechtlich unerheblich, weil der so genannte passive Bestandsschutz (vgl. dazu Gehrke, Brehsan, NVwZ 1999, 932) entfällt, wenn der ursprünglich legale Bestand in seiner Substanz nicht mehr vorhanden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 1996, - 4 B 231/96 -, NVwZ-RR 1997, 521; Beschluss vom 24. Mai 1993, - 4 B 77/93 -, bei Juris).

b) Auch unter dem Gesichtspunkt des materiellen (passiven) Bestandsschutzes rechtfertigt das Vorbringen der Klägerin es nicht, die Berufung (zur Durchführung einer Beweisaufnahme) zuzulassen. Dabei lässt der Senat offen, ob sich die Klägerin im Rahmen des Naturschutzrechts auf den von ihr geltend gemachten materiellen Bestandsschutz überhaupt berufen kann, obgleich § 17 Abs. 6 BbgNatSchG lediglich an die formelle Illegalität des Eingriffs in Natur und Landschaft anknüpft und sich auch die Bestandsschutzregelung des § 7 Abs. 1 der hier betroffenen Biosphärenreservatsverordnung Schorfheide-Chorin darauf beschränkt, von den Verboten des § 6 Abs. 1 die bei Inkrafttreten dieser Verordnung "durch behördliche Einzelentscheidung" rechtmäßig zugelassenen Nutzungen, ausgeübten Befugnisse sowie rechtmäßigen Anlagen und Betriebe einschließlich ihrer Unterhaltung auszunehmen (vgl. dazu entsprechend OVG Greifswald, Beschluss vom 16. Juni 2005, - 1 M 38/05 -, NordÖR 2005, 467). Jedenfalls handelt es sich bei der Frage, ob die Errichtung des Steges durch die Klägerin im Jahre 1989 materiell rechtmäßig erfolgte, in erster Linie um eine Rechtsfrage und keine der Beweiserhebung zugängliche Tatsachenfrage. Rechtliche Ausführungen zur Genehmigungsfähigkeit der Steganlage nach dem bei ihrer Errichtung im Jahr 1989 geltenden DDR-Recht enthält die Begründung des Zulassungsantrags nicht. Da nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts für die Neuerrichtung der Steganlage 1989 insgesamt vier Genehmigungen bzw. Zustimmungen erforderlich waren, nämlich eine Baugenehmigung, eine wasserrechtliche Zustimmung der staatlichen Gewässeraufsicht, eine Zustimmung des Rates der Gemeinde sowie eine landschaftsschutzrechtliche Genehmigung, kann die pauschale Behauptung, die Bootsstege seien "alle genehmigungsfähig" gewesen, keinesfalls ausreichen, um anzunehmen, der Klägerin wären sämtliche Genehmigungen erteilt worden, wenn sie sie nur beantragt hätte.

2. Die Klägerin zeigt auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Fall weist nicht deshalb besondere tatsächliche Schwierigkeiten auf, weil, wie die Klägerin meint, noch zu ermitteln wäre, in welchen anderen Fällen Bootsstege am Lübbesee während der DDR-Zeit genehmigt wurden. Derartige Ermittlungen sind, wie bereits ausgeführt, nicht veranlasst, weil die Klägerin selbst nicht behauptet, dass die Neuerrichtung ihres Steges genehmigt worden sei, und weil die Frage, ob eine solche Genehmigung hätte erteilt werden müssen, in erster Linie eine rechtliche Durchdringung der einschlägigen DDR-Vorschriften erfordert, die die Begründung des Zulassungsantrages nicht ansatzweise enthält.

3. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht dargelegt. Hierfür genügt nicht der Hinweis auf etwaige Parallelfälle. Vielmehr hätte die Klägerin eine entscheidungserhebliche konkrete Tat- oder Rechtsfrage von fallübergreifender Bedeutung aufwerfen und in Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils deren obergerichtliche Klärungsbedürftigkeit darlegen müssen. Dies hat sie nicht getan.

4. Schließlich hat die Klägerin keinen potenziell entscheidungserheblichen Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts aufgezeigt (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Soweit sie geltend macht, das Verwaltungsgericht habe das Vorbringen in ihrem nach Abschluss der mündlichen Verhandlung nachgereichten Schriftsatz vom 29. Januar 2007 fehlerhaft nach § 87 b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen, verkennt sie, dass sich das Verwaltungsgericht, wie die Formulierung "zudem" erkennen lässt, hierauf nur hilfsweise gestützt, in erster Linie aber das nachgereichte Vorbringen in der Sache zurückgewiesen hat.

b) Soweit die Klägerin des Weiteren eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung des Verwaltungsgerichts rügt, lässt sich ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht feststellen. Zwar besteht nach § 86 Abs. 1 VwGO eine Pflicht des Gerichts zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts. Diese Pflicht verletzt das Gericht jedoch grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein von einem Rechtsanwalt vertretener Beteiligter nicht beantragt hat (st. Rspr., BVerwG, vgl. Beschlüsse vom 26. Juni 1975 - VI B 4.75 - Buchholz, 232 § 26 BBG Nr. 17 und vom 22. Februar 1988 - 7 B 28/88 - NVwZ 1988, 1019 f.; OVG Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 1999 - 4 A 207/97 -, ZfB 1999, 127, 128; Senatsbeschluss vom 21. November 2006 - OVG 11 N 34.06 -, n.V.). So liegt der Fall hier. Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die bereits erstinstanzlich anwaltlich vertreten gewesene Klägerin, zumal nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage, einen Beweisantrag nicht gestellt. Auch hat die Klägerin mit ihrem nachgereichten Schriftsatz vom 29. Januar 2007 nicht beantragt, die mündliche Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 3 VwGO wieder zu eröffnen.

c) Soweit die Klägerin schließlich rügt, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Bootssteg der Klägerin vor 1989 genehmigungsfähig gewesen sei, wird damit kein Verfahrensfehler dargelegt. Abgesehen davon, dass es auf die Genehmigungsfähigkeit vor 1989 schon deshalb nicht ankommen kann, weil die Klägerin den Steg erst im Jahre 1989 errichtet hat, spricht die Klägerin hiermit nicht eine Verfahrensfrage, sondern lediglich eine Frage der rechtlichen Würdigung an, zu der auf die oben stehenden Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verwiesen wird. Diesen ist im Hinblick auf die in den Kontext des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gestellten Ausführungen der Klägerin lediglich hinzuzufügen, dass deren Auffassung, es sei nicht ihre Aufgabe, die behauptete ursprüngliche Genehmigungsfähigkeit des von ihr errichteten Steges darzulegen, jedenfalls für das Berufungszulassungsverfahren nicht zutrifft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit ihm wird das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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