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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 02.02.2007
Aktenzeichen: OVG 11 N 3.06
Rechtsgebiete: AuslG, StGB, AufenthG, AsylVfG, BGB, StAG


Vorschriften:

AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 3
AuslG § 45 Abs. 1
AuslG § 46 Nr. 1
AuslG § 46 Nr. 2
AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2
StGB § 271
StGB § 276 a
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1a
AufenthG § 5 Abs. 1a Nr. 1
AufenthG § 28 Abs. 1 Nr. 3
AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
AsylVfG § 63
BGB § 1592 Nr. 2
BGB § 1594 Abs. 1
BGB § 1594 Abs. 4
StAG § 3 Nr. 1
StAG § 4 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 11 N 3.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 2. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Oktober 2005 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 10.000,--EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin reiste mit ihrer Mutter - nach deren Angaben - im Jahr 1990 aus dem Libanon kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. In dem am 11. Juli 1988 in Beirut ausgestellten Laissez-Passer ihrer Mutter, deren Staatsangehörigkeit als "A. L'Étude" bezeichnet war, wurde sie als F_____ aufgeführt. Der Asylantrag wurde mit dem - sie sowie ihre Mutter und weitere fünf Geschwister betreffenden - Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 21. April 1994, in dem die Antragsteller als im Libanon ständig ansässige Kurden ungeklärter Staatsangehörigkeit bezeichnet wurden, abgelehnt. In der Folge des Asylverfahrens erhielt die Klägerin unter dieser Identitätsbezeichnung Aufenthaltsgestattungen nach dem Asylverfahrensgesetz, zuletzt am 21. Juli 2003 mit Geltungsdauer bis zum 21. Januar 2004. Mit Schreiben vom 20. Mai 2003 hatte das Bundesamt dem Beklagten die am 24. April 2003 eingetretene Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Februar 2003 - VG 34 X 8.02 - mitgeteilt, mit dem die Klagen gegen den Bescheid vom 21. April 1994 abgewiesen worden waren, wobei die Klägerin im Rubrum des Urteils zugleich mit dem alias-Namen N_____, aufgeführt und im Tatbestand darauf hingewiesen worden war, dass die Kläger von der zuständigen Ausländerbehörde als türkische Staatsangehörige erfasst worden seien. Bereits im Juni 2001 lag dem Beklagten ein türkischer Personenstandsregisterauszug vor, in dem die Klägerin nebst weiteren 13 Geschwistern als Tochter des H_____, und der A_____ aufgeführt war.

Am 4. September 2003 verfügte der Beklagte für die Klägerin unter dem Namen N_____ die Erteilung einer zunächst bis zum 6. Oktober 2003 gültigen Duldung, die am 5. November 2003 verlängert wurde, wobei die Klägerin schriftlich zu ihrer Staatsangehörigkeit "staatenlose Kurdin aus dem Libanon" angab. Mit Bescheid vom 6. April 2004 lehnte der Beklagte für die Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der sog. Altfallregelung ab. In der Folge wurden ihr Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt.

Auf das Anhörungsschreiben vom 12. August 2004 zur beabsichtigten Ausweisung teilte die Klägerin unter Hinweis auf die dem Beklagten bereits angezeigte Schwangerschaft (das Kind ist am 1. Dezember 2004 zur Welt gekommen) mit, dass die Vaterschaft von dem deutschen Staatsangehörigen H_____, mit ihrer Zustimmung am 10. September 2004 anerkannt worden sei und sie somit als Mutter eines künftigen deutschen Staatsbürgers einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Zugleich legte die Klägerin einen am 10. September 2004 von der libanesischen Botschaft in Berlin auf den Namen F_____ ausgestellten Pass vor.

Am 8. September 2004 hatte das türkische Generalkonsulat in Berlin für die Klägerin unter dem Namen N_____ ein Passersatzpapier mit dem Hinweis ausgestellt, die türkische Staatsbürgerschaft "will be verified upon arrival at the Turkish Border".

Mit Bescheid vom 1. Oktober 2004 wies der Beklagte die Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 45 Abs. 1, § 46 Nr. 2 AuslG aus und lehnte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung ab. Zur Begründung führte der Beklagte an, die Klägerin sei ausweislich des vorliegenden Personenstandsregisterauszugs sowie mit Blick auf das von dem türkischen Generalkonsulat ausgestellte Passersatzpapier zweifellos türkische Staatsangehörige und verfüge offensichtlich auch über die libanesische Staatsangehörigkeit. Sie habe aber jahrelang gegenüber der Ausländerbehörde ihre tatsächliche Staatsangehörigkeit verschwiegen und sich der mittelbaren Falschbeurkundung gemäß § 271 Strafgesetzbuch strafbar gemacht, indem sie ihre Staatsangehörigkeit als ungeklärt angegeben habe. Jedenfalls seit ihrem 18. Geburtstag am 12. Juni 2002 hätte sie ihre wahre Staatsbürgerschaft gegenüber den deutschen Behörden offen legen können und müssen. Sie habe jedoch bei ihrer Vorsprache am 5. November 2003 noch behauptet, staatenlose Kurdin aus dem Libanon zu sein. Damit habe sie zugleich mit Abschluss des Asylverfahrens den Straftatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt. Auch die vor ihrer Volljährigkeit begangenen Täuschungshandlungen müsse sie sich nach dem Grundsatz der Repräsentationsverantwortung vorwerfen lassen. Bei den Täuschungen handele es sich weder um vereinzelte, noch um geringfügige Verstöße gegen Strafgesetze. Aufgrund des wiederholten Täuschungsverhaltens gegenüber den Behörden über einen langen Zeitraum hinweg sei die beabsichtigte Ausweisung nicht unverhältnismäßig. Auf Artikel 6 Abs. 1 GG könne sie sich nicht allein aufgrund der Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Staatsangehörigen berufen, da ihr Kind noch nicht geboren sei, weshalb sie unabhängig von der Sperrwirkung der Ausweisung auch noch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG beanspruchen könne.

Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei bereits nicht ersichtlich, dass die Klägerin eine mittelbare Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB begangen habe, indem sie die deutschen Behörden über ihre wahre Staatsangehörigkeit getäuscht habe. Als einzige konkrete Handlung sei nur die Erklärung der Klägerin vom 5. November 2003 genannt worden. Insoweit käme jedoch allenfalls der Versuch einer mittelbaren Falschbeurkundung in Betracht, wobei nicht ersichtlich sei, dass der am 5. November 2003 ausgestellten Duldung auch bezüglich der Staatsangehörigkeitsangabe ein erhöhter Beweiswert zukäme. Dementsprechend seien die Angaben der Klägerin am 5. November 2003 auch nicht nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG strafbar, wobei im übrigen nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin vor der Abgabe der Erklärung ausdrücklich auf die Rechtsfolgen falscher oder unrichtiger Angaben im Sinne von § 46 Nr. 1 AuslG hingewiesen worden sei. Soweit die Klägerin im Übrigen in einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der Altfallregelung vom 30. Juni 2000 ihren Namen mit F_____ bezeichnet habe, stehe zur Zeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass dieser falsch sein. Der entsprechende libanesische Reisepass sei jedenfalls nicht gefälscht. Hiernach besitze die Klägerin nunmehr nach Geburt des Kindes deutscher Staatsangehörigkeit am 1. Dezember 2004 auch einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Schließlich stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auch nicht § 5 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegen, da jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die Klägerin türkische Staatsangehörige mit der entsprechend dem Passersatzpapier nachgewiesenen Identität sei.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten angegriffen wird und im Ergebnis eine gegenteilige als die angegriffene Entscheidung ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164).

Der Beklagte geht mit der Begründung des Zulassungsantrags weiterhin davon aus, dass die Klägerin sich nach § 271 StGB sowie nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG strafbar gemacht habe und dies ihre Ausweisung nach §§ 45 Abs.1, 46 Nr. 2 AuslG gerechtfertigt habe. Die Annahme des strafbaren Verhaltens der Klägerin hält der Senat bereits für zweifelhaft, die verfügte Rechtsfolge und Versagung der Aufenthaltserlaubnis jedenfalls nicht mehr mit den Wertungen des Grundgesetzes vereinbar und deshalb ermessensfehlerhaft.

Hierzu im Einzelnen:

Nach § 271 StGB wird bestraft, wer die Beurkundung eines unwahren Sachverhalts in einer öffentlichen Urkunde gleichsam als mittelbarer Täter herbeiführt. Beurkundet in diesem Sinne sind diejenigen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, d.h. die volle Beweiswirkung für und gegen jedermann, bezieht. Welche Angaben dies im einzelnen Fall sind, kann sich, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, mittelbar unter Beachtung der Anschauung des Rechtsverkehrs aus den gesetzlichen Bestimmungen ergeben, die für Errichtung und Zweck der Urkunde maßgeblich sind. Bei der Prüfung, ob es hiernach gerechtfertigt ist, die erhöhte Beweiskraft der öffentlichen Urkunde auf eine darin angeführte Tatsache zu beziehen, ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen. Insofern ist mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16. April 1996 - 1 StR 127/96 -, BGHSt 42, 131 ff. = NJW 1996, 2170, 2171; OLG Karlsruhe NStZ 1994, 135; a. A. noch zur Bescheinigung nach § 20 AsylVfG aF der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 12. Oktober 1995 - 4 StR 259/95 -, in Juris) jedoch davon auszugehen, dass die Bescheinigung nach § 63 AsylVfG als solche eine öffentliche Urkunde darstellt und sich der öffentliche Glaube auch auf die Beurkundung der Identität des Antragstellers erstreckt. Dem Gesetz ist zu entnehmen, dass die Urkunde einem bestimmten Asylbewerber die befristete Aufenthaltsgestattung deklaratorisch bescheinigt und ihm als Ausweispapier dient (§ 64 AsylVfG). Der öffentliche Glaube bezieht sich im Falle der Nutzung der vorrangigen Ausweisfunktion der Bescheinigung damit auch auf die Identität der Person, denn darin liegt nach der Verkehrsauffassung der Sinn von Ausweispapieren. So ist auch aus § 276 a StGB zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die aufenthaltsrechtlichen Papiere, zu denen die asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsgestattung wie auch die Duldung gehören, als amtliche Ausweispapiere einstufen wollte (BT-Drucks. 12/6853 S. 29 f.; vgl. zur Duldung als Urkunde i. S. v. § 271 StGB: AG Bremen, Urteil vom 23. Januar 2003 - 87 (72) Ds 290 Js 15959/02 -, in Juris).

Hinsichtlich der Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin ist im vorliegenden Zusammenhang folgendes zu bemerken: Soweit der Beklagte in der angegriffenen Ausweisungsverfügung angenommen hat, dass die Klägerin im Hinblick auf den libanesischen Pass der Klägerin vom 10. September 2004 "ersichtlich" auch über die libanesische Staatsangehörigkeit verfüge, hält er hieran wohl mit seiner Zulassungsbegründung nicht mehr fest. Nach den Erkenntnissen des Beklagten zur Praxis der Ausstellung von libanesischen Reisepässen an Personen aus dem Libanon, von denen die libanesische Botschaft in Berlin von einem Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, kann nach den nunmehr mit dem Zulassungsantrag geäußerten Zweifeln von dieser Staatsbürgerschaft und der bescheinigten Identität der Klägerin nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Der Beklagte geht bei solchen Pässen unter Hinweis auf Auskünfte der Klärungsstelle für Passbeschaffung und Abschiebung Rheinland-Pfalz vom 30. Januar und 29. April 2004 vielmehr berechtigt davon aus, dass zudem eine Rückkehrberechtigung vorliegen müsste und erst in diesem Verfahren der Erteilung der entsprechenden Bescheinigung die Identität durch den Libanon verbindlich geklärt wird.

Soweit der Beklagte entsprechend der Begründung der Ausweisungsverfügung weiterhin davon ausgeht, dass die Klägerin "zweifellos" türkische Staatsangehörige sei, entspricht dies so wiederum nicht der dokumentierten Einschätzung des türkischen Generalkonsulats in Berlin, das bei Ausstellung das Passersatzpapiers am 8. September 2004 ihre Staatsangehörigkeit mit dem Hinweis "will be verified upon arrival at the Turkish Border" gerade für überprüfungsbedürftig hielt. Allerdings bestehen durchaus gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die türkische Staatsangehörigkeit mit der Geburt erworben hat. Denn nach der türkischen Personenstandsregistereintragung für ihre Eltern sind diese in der Türkei geboren und türkische Staatsangehörige (jedenfalls gewesen). Nach türkischem Staatsangehörigkeitsrecht hätte die Klägerin danach mit der Geburt die türkische Staatsangehörigkeit erworben (vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei S. 6, 9; zu dem Bruder Mehmet der Klägerin vgl. Beschluss des Senats vom 25. Januar 2007 - OVG 11 S 5.06 -). Als abschließend geklärt kann dies jedoch nicht angesehen werden, zumal auch das Verwaltungsgericht Berlin im rechtskräftigen Urteil vom 7. Februar 2003 - VG 34 X 8.02 - keine abschließende Feststellung zur Identität der Klägerin getroffen hat.

Zur Beurteilung des strafbaren Verhaltens in Bezug auf die in den Aufenthaltsgestattungen nach dem Asylverfahrensgesetz aufgenommenen Personalien der Klägerin, ist zunächst zu bemerken, dass der Beklagte nach Einlassung im Zulassungsverfahren die Klägerin nicht zu einer Erklärung über ihre Staatsbürgerschaft aufgefordert hatte. Mit der Ausweisungsverfügung hat er der Klägerin konkret die schriftliche Angabe am 5. November 2003 "staatenlose Kurdin aus dem Libanon" im Zusammenhang mit der Verlängerung der am 4. September 2003 - ohne entsprechende Angaben der Klägerin - ausgestellten Duldung vorgeworfen. Es bestehen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit bislang jedoch, wie dargestellt, keine hinreichend verlässlichen Erkenntnisse, nach denen die Angabe einer ungeklärten Staatsangehörigkeit bereits als falsche Angabe im Sinne von § 271 StGB gewertet werden könnte. Darüber hinaus ist es hinsichtlich der Namensangabe zweifelhaft, ob gegen die Klägerin, die vermutlich als sechsjähriges Mädchen mit ihrer Großfamilie unter dem im Laissez-Passer ihrer Mutter vermerkten Namen F_____ Staatsangehörigkeit ungeklärt, eingereist war, der subjektive Vorwurf einer mittelbaren Falschbeurkundung im Zusammenhang mit der Ausstellung der Aufenthaltsgestattungen gemacht werden könnte; zumal das Asylverfahren von ihrer Mutter unter diesen Personalien für die Klägerin eingeleitet worden war und die Klägerin nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin 7. Februar 2003 - VG 34 X 8.02 - einer Karmanci sprechenden kurdischen Familie angehört. Wenn der Beklagte in diesem Zusammenhang von einer Repräsentationsverantwortung spricht, übersieht er, dass hier strafrechtsrelevant nur eigenes Verschulden der Klägerin wäre.

Soweit der Beklagte die strafrechtliche Relevanz konkret aus der Erklärung der Klägerin vom 5. November 2003 zur Verlängerung der bereits am 5. September 2003 ausgestellten Duldung ableitet, kann zunächst nicht von einem vollendeten Delikt ausgegangen werden, weil der Beklagte diese Angabe nicht übernommen hat. Auch von dem Versuch einer mittelbaren Falschbeurkundung kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, da ihre Staatsangehörigkeit, wie dargestellt, in dem türkischen Passersatzpapier gerade als noch nicht abschließend geklärt gekennzeichnet wird. Als bislang nicht hinreichend aufgeklärt muss auch angesehen werden, inwieweit die Klägerin als kleines Mädchen mit ihrer Großfamilie aus dem Libanon kommend hinreichend von ihren Eltern über ihre wahre Abstammung und Identität aufgeklärt worden ist. Problematisch erscheint auch, inwiefern die Klägerin als in einer karmanci-sprechenden kurdischen Familie aufgewachsenes Mädchen in der Lage gewesen wäre, sich zu einer türkischen Identität gegenüber dem Beklagten gegebenenfalls zu offenbaren.

Von einem insoweit unzweifelhaften Sachverhalt, wie ihn der Beklagte seiner Ausweisungsverfügung zugrunde gelegt hat, kann hiernach keinesfalls ausgegangen werden. Gerade dies hat aber für eine sachgemäße Ausübung des Ausweisungsermessens mit Blick auf die Frage der Schwere und Vorwerfbarkeit des Handelns der Klägerin wesentliche Bedeutung. Für den vom Beklagten weiterhin herangezogenen Ausweisungstatbestand nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG unter Hinweis auf die Personalangaben im Rahmen der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis nach der sog. Altfallregelung ergibt sich hiernach nichts anderes unabhängig davon, dass der Beklagte auch mit dem Zulassungsantrag die für eine Ausweisung nach § 46 Nr. 1 AuslG geforderte Belehrung über die Rechtsfolgen unrichtiger Personalangeben - wie bereits vom Verwaltungsgericht bemerkt - nicht nachgewiesen hat.

Maßgeblich kommt jedoch im vorliegenden Zusammenhang hinzu, dass die Klägerin dem Beklagten bereits im Rahmen der Anhörung zur Ausweisung die bevorstehende Geburt ihres Kindes, das dann am 1. Dezember 2004 auch geboren wurde, sowie den für die Frage von dessen Staatsangehörigkeit gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1594 Abs. 1, 4 BGB i. V. m. § 3 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG wesentlichen Umstand der vorliegenden notariellen Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Staatsangehörigen mitgeteilt hat. Diesem Umstand hat der Beklagte für die zu treffende Entscheidung keine Bedeutung beigemessen, weil das Kind vor Erlass des angegriffenen Bescheides noch nicht geboren war. Dies wird der verfassungsrechtlichen Bedeutung dieses Umstandes nicht gerecht. Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung ( Art 2 Abs 2 S 1, Art 1 Abs 1 GG). Die Schutzpflicht des Staates verbietet dabei nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das sich entwickelnde Leben, sondern gebietet dem Staat auch, sich schützend vor dieses Leben zu stellen (BVerfG, Urteil vom 25. Februar 1975 - 1 BvF 1/74, 1 BvF 2/74 -, u.a., BVerfGE 39,1ff = NJW 1975, 573 ff.; zum verfassungsrechtlichen Schutzauftrag insbesondere dem Schutz der Schwangeren vor Druck und Bedrängung aus ihrem sozialen Umfeld vgl. BVerfG Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 -, BVerfGE 88, 203, 296 f.). Diese vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit den Regeln über den Schwangerschaftsabbruch allgemein formulierte Schutzpflicht des Staates hat nach Auffassung des Senats auch im vorliegenden Zusammenhang Bedeutung und führt zu der Wertung, dass der Beklagte dem Schutz des künftigen deutschen Staatsbürgers verpflichtet ist. Damit kommt der künftigen Geburt eines Kindes mit voraussichtlich deutscher Staatsangehörigkeit eine aufenthaltsrechtlich beachtliche Vorwirkung für die ausländischen Mutter zu (vgl. hierzu auch OVG Bbg, Beschluss vom 22. Februar 2001 - 4 B 2/01 -; VG Greifswald, Beschluss vom 24. Juni 1994 - 2 B 910/94 -, NVwZ-RR 1995, 543; zum Anspruch auf Schutz und Fürsorge der werdenden Mutter aus Art 6 Abs. 4 GG vgl. BVerfG, Urteil vom 06. Februar 2001 - 1 BvR 12/92 -, BVerfGE 103, 89 ff. = NJW 2001, 957 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 f.) drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, weiterhin auch einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es ist nach Auffassung des Senats hiermit schon nicht vereinbar, es hinzunehmen, dass das Kind im Ausland geboren wird, sofern die Mutter es in der Bundesrepublik zur Welt bringen will. Denn das Kind hat mit der Geburt einen unmittelbaren Freizügigkeitsanspruch für das Gebiet der Bundesrepublik, den es nur schwerlich umgehend durchsetzen könnte, wenn die Mutter zuvor ausreisen muss, was keiner weiteren Ausführung bedarf. Darauf, dass zudem die Versorgungslage für das Kind in der Türkei voraussichtlich ungünstiger wäre, zumal von einer Kurdin aus einer karmanci-sprechenden Familie geboren, kommt es hiernach nicht mehr an.

Bei dieser Sach- und Rechtslage steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG auch nicht die Regelung von § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG entgegen. Unabhängig von der Frage der weiteren Klärungsbedürftigkeit der Identität der Klägerin ist hier mit Blick auf die Schutzwirkung von Art. 6 Abs. 1, 2 GG für deren Beziehung zu ihrem nunmehr ca. 2 Jahre altem Kind von einem Ausnahmefall im Sinne der Vorschrift auszugehen und die Versagung der Aufenthaltserlaubnis aus diesem Grund mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen nicht vereinbar (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 27. August 1996 - 1 C 8.94 -, BVerwGE 102, 12, 17 = NVwZ-RR 1997, 567, 568 zum Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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