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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: OVG 11 S 18.06
Rechtsgebiete: VwGO, AufenthG, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 7
VwGO § 80 Abs. 7 S. 2
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 4
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 27 Abs. 3 S. 2
AufenthG § 28 Abs. 2
AufenthG § 30 Abs. 1
AufenthG § 30 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 31 Abs. 2
AufenthG § 81
AufenthG § 81 Abs. 3
AufenthG § 81 Abs. 4
AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 102 Abs. 1 S. 3
AuslG § 69
AuslG § 69 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 11 S 18.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 25. April 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der 1982 geborene Antragsteller, türkischer Staatsangehöriger, erhielt wegen der am 30. August 2001 mit einer deutschen Staatsangehörigen eingegangenen Ehe, die am 21. April 2003 wieder geschieden wurde, nach zwischenzeitlicher Ausreise aufgrund vergleichsweiser Regelung vor dem Verwaltungsgericht vom 30. Januar 2002 im Verfahren VG 11 A 330 und 331/02 am 23. August 2002 zum Zwecke der Familienzusammenführung eine bis zum 22. Mai 2003 gültige Aufenthaltserlaubnis. Deren Verlängerung beantragte er mit Schreiben vom 16. Mai 2003 und stützte das Aufenthaltsbegehren mit Schreiben vom 13. September 2004 auf Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei - ARB -. Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 12. Mai 2005 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, weil der Antragsteller allenfalls eine Kurzehe geführt, kein eigenständiges Aufenthatsrecht erworben habe und auch keine Rechte aus Art. 6 ARB ableiten könne. Mit seinem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage - VG 11 A 369/05 - gegen den Bescheid vom 12. Mai 2005 anzuordnen, räumte der Antragsteller ein, keine Aufenthaltsrechte aus §§ 28 Abs. 2 und 31 Abs. 2 AufenthG herleiten zu können, jedoch eine Aufenthaltserlaubnis gemäß Art. 6 Abs.1 ARB als Arbeitnehmer beanspruchen zu können. Der vorläufige Rechtsschutzantrag blieb vor dem Verwaltungsgericht (Beschluss vom 30. Juni 2005 - VG 11 A 368.05 -) und dem Senat (Beschluss vom 7. Dezember 2005 - OVG 11 S 22.05 -) ohne Erfolg.

Mit seinem erneuten vorläufigen Rechtsschutzantrag vom 24. Januar 2006 begehrt der Antragsteller, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Juni 2005 sowie des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2005 die aufschiebende Wirkung der Klage - VG 11 A 369/05 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Mai 2005 anzuordnen, hilfsweise dem Antragsgegner im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu untersagen, den Antragsteller vor einer Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 13. Dezember 2005 abzuschieben. Hierzu beruft er sich auf einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der am 8. Dezember 2005 mit einer türkischen Staatsangehörigen eingegangenen Ehe.

Dieses Begehren hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss mit der Begründung abgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Abänderung der Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht vorlägen und im übrigen auch ein sicherungsfähiger Duldungsanspruch wegen des hier gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 27 Abs. 3 S. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 4, § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bezüglich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eröffneten Ermessens nicht gegeben sei.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Das für die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts allein maßgebliche Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt eine Änderung des angegriffenen Beschlusses nicht (vgl. § 146 Abs. 4 S. 3 und 6 VwGO).

Zum Einen hat das Verwaltungsgericht zutreffend die Voraussetzungen für die Abänderung der Ablehnung seines vorläufigen Rechtsschutzbegehrens mit den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts vom 30. Juni 2005 und des Oberverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2005 gemäß § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO verneint. Die Abänderungsbefugnis wegen veränderter oder ohne Verschulden im früheren Verfahren nicht geltend gemachter Umstände setzt voraus, dass der Streitgegenstand - abgesehen von der zusätzlichen Frage, ob die Voraussetzungen gemäß § 80 Abs. 7 S. 2 für die Änderungen gegeben sind und Anlass zu einer erneuten Sachprüfung besteht - derselbe wie im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist, als dessen Fortsetzung sich das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO darstellt ( vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, Rn. 196). Mit seinem erneuten vorläufigen Rechtsschutzbegehren hat der Antragsteller jedoch den Streitgegenstand geändert, in dem er nunmehr aufgrund eines neuen Antrags die Aufenthaltserlaubnis auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wegen der auch erst am 8. Dezember 2005 mit einer Landsfrau eingegangenen Ehe begehrt. Hierzu bedarf es zunächst einer Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde und das Gericht kann nicht erstmals im Rahmen des Abänderungsverfahrens über die Frage entscheiden, ob einem Ausländer ein bestimmter Aufenthaltstitel im Hinblick auf den nunmehr geltend gemachten Aufenthaltszweck zuzubilligen ist, der überhaupt noch nicht in Gegenstand der Prüfung und der Entscheidung durch die für den Antrag primär zuständige Ausländerbehörde war (vgl. hierzu VGH Mannheim, Beschluss vom 12. September 2002 - 11 S 636/02 -, NVwZ-RR 2003,236 f. m. w N.).

Soweit der Antragsteller mit dem Hilfsantrag ein vorläufiges Rechtsschutzbegehren gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO verfolgt und hierfür einen Duldungsanspruch wegen eines behaupteten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 Abs. 1 AufenthG geltend macht, hat das Verwaltungsgericht auch dieses Begehren im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Insofern verkennt der Antragsteller bereits, dass die Regelungen des § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG über die Rechtswirkungen der Beantragung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich abschließend sind. Dort ist normiert, unter welchen Voraussetzungen ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dazu führt, dass der Aufenthalt als erlaubt, die Abschiebung als ausgesetzt oder der Aufenthaltstitel als fortbestehend gilt. Eine Fiktionswirkung hatte jedoch lediglich sein Antrag auf Verlängerung der bis zum 22. Mai 2003 befristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 69 Abs. 3 Ausländergesetz ausgelöst, wobei nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes die Wirkungen der Antragstellung nach § 69 Ausländergesetz gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 AufenthG weiter galten. Nach Ablehnung dieses Antrags hat jedoch der erneute Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 13. Dezember 2005 mit Blick auf die vollziehbar eingetretene Ausreisepflicht nicht erneut gemäß § 81 AufenthG eine den Antragsteller begünstigende Fiktionswirkung ausgelöst.

Hiernach bleibt für eine Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller eine Duldung zur Sicherung des behaupteten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, regelmäßig kein Raum. Ließe man neben den gesetzlich geregelten Fällen eines fingierten Aufenthaltsrechts beziehungsweise einer fingierten Duldung, die gegebenenfalls gemäß § 80 Abs. 5 VwGO durchzusetzen sind, eine im Wege einstweiliger Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zu erstreitende Duldung mit dem Ziel der Sicherung eines Aufenthaltsrechts generell zu, so würde dies eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Erweiterung des § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG bedeuten (vgl. OVG Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 - 7 S 65.05 -; VGH Kassel, Beschluss vom 22. Mai 1996, EZAR 622 Nr. 28; OVG Münster, Beschluss vom 28. März 1998, Juris; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 81 AufenthG Rn. 35). Ein nicht gemäß § 81 Abs. 3 bzw. Abs. 4 AufenthG geschützter Ausländer - wie der Antragsteller - muss also grundsätzlich ausreisen und die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Visumverfahren verfolgen.

Bei dieser Rechtslage kommt der Erlass einer Duldung im Wege einer einstweiligen Anordnung nur bei Vorliegen von Abschiebungshindernissen in Betracht. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller eine solche Duldung wegen tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung zu erteilen (§ 60 a Abs. 2 AufenthG), ist jedoch nicht ersichtlich. Es sind mit der Beschwerde keinerlei Umstände dargetan, die die Durchführung des geforderten Visumverfahrens für den Antragsteller von vornherein rechtlich oder tatsächlich als völlig unzumutbar erscheinen ließen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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