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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: OVG 11 S 40.05
Rechtsgebiete: AuslG, EMRK, VwVfG, AufenthG, VwGO, BlnVwVfG


Vorschriften:

AuslG § 45
AuslG § 46 Nr. 2
AuslG § 47
AuslG § 53 Abs. 4
AuslG § 55 Abs. 2
EMRK Art. 3
VwVfG § 48
VwVfG § 49
VwVfG § 51
AufenthG § 11
AufenthG § 11 Abs. 1 Satz 4
AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 6
AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60a Abs. 2
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
BlnVwVfG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 11 S 40.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 10. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. September 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1972 in Berlin geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Nachdem er sich als Kind einige Jahre in der Türkei aufgehalten hatte, kehrte er 1979 in das Bundesgebiet zurück und erhielt im Juni 1988 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Wegen verschiedener Betäubungsmitteldelikte wurde er im März 1993 zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von zwei Jahren (Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln), im September 1999 (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln - Haschisch und Marihuana - in nicht geringer Menge) und Februar 2004 (Beihilfe zur unerlaubten Veräußerung von Betäubungsmitteln - Kokain) zu Freiheitsstrafen von vier Jahren bzw. 4 Monaten, jeweils ohne Bewährung, verurteilt. Wegen der dem Urteil von 1993 zugrunde liegenden Straftat wurde der Antragsteller mit Urteil vom 6. Juni 2002 vom Staatssicherheitsgericht in Istanbul in Abwesenheit wegen gemeinschaftlicher Ausfuhr von Heroin aus der Türkei zu 15 Jahren Zuchthaus und einer hohen Geldstrafe verurteilt.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2002 wurde der Antragsteller wegen der Verurteilung vom September 1999 ausgewiesen; zugleich wurde ihm die Abschiebung angedroht. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Berlin mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 28. Mai 2004 zurück.

Mit an den Antragsgegner gerichtetem Schreiben vom 26. April 2005 beantragte der Antragsteller eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung vom 5. Juni 2002 "auf den jetzigen Zeitpunkt". Da er unter den Schutzbereich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei (i.F. ARB 1/80) falle, sei die allein auf § 47 AuslG gestützte Ausweisung unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2004 nicht mehr haltbar. Bei der gerichtlichen Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung sei diese neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht bekannt gewesen. Die Ausweisungsentscheidung stelle sich im Nachhinein als rechtswidrig dar und es könne auch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass von ihm bei weiterem Verbleib in Deutschland noch eine konkrete Gefahr drohe.

Am 9. Mai 2005, dem vorletzten Tag seiner Strafhaft, kehrte der Antragsteller von einem Freigang nicht in die Haftanstalt zurück und wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Die für den 11. Mai 2005 vorbereitete Abschiebung scheiterte. Nachdem der Antragsteller sich unter Ankündigung seiner unmittelbar bevorstehenden Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen und anschließender freiwilliger Ausreise beim Antragsgegner gemeldet hatte, wurde er zur Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe von einem Tag erneut festgenommen und am 20. Mai 2005 aus der Strafhaft entlassen. Am 3. Juni 2005 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Anschließend reiste er entgegen seiner Ankündigung nicht aus, sondern beantragte mit an den Antragsgegner gerichtetem Schreiben vom 6. Juni 2005 unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts die Aufhebung der Ausweisungsverfügung vom 5. Juni 2002 gem. §§ 48, 49 VwVfG oder ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. § 51 VwVfG und die Erteilung einer Duldung.

Ebenfalls am 6. Juni 2005 beantragte er beim Verwaltungsgericht, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, keine Abschiebungsmaßnahmen gegen ihn einzuleiten und ihn "für zunächst drei Monate" zu dulden. Dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung stehe auch nicht entgegen, dass der Antragsteller möglicherweise nur das Wiederaufgreifen des Verfahrens und nicht eine für ihn positive Ermessensentscheidung erreichen könne. Denn solange die erforderliche Ermessensentscheidung nicht getroffen sei, sei dem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht Genüge getan und der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei auch bei noch offenem Ermessen möglich.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 16. September 2005 abgelehnt. Dem Antragsteller stehe kein Duldungsanspruch zu, denn es seien weder rechtliche noch tatsächliche Gründe gegeben, die die Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG unmöglich machten. Die dem Antragsgegner gem. § 51 bzw. § 48 VwVfG obliegende Ermessensentscheidung könne unabhängig vom weiteren Aufenthalt des Antragstellers ergehen und bedürfe deshalb nicht der Sicherung durch eine einstweilige Anordnung. Der Antragsteller verkenne, dass der Inhalt der von ihm begehrten einstweiligen Anordnung nicht auf die Sicherung seines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gerichtet sei, sondern das Ergebnis der Ermessensentscheidung in dem von ihm gewünschten Sinne vorweggenommen werden solle. Die einstweilige Sicherung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung könne im Einzelfall zwar zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten sein, wenn - wie etwa im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit - ohne Sicherung des bestehenden Zustandes die nachträgliche Ermessensausübung sinnlos würde. Eine solche prozessuale Lage liege indes nicht vor, denn eine Entscheidung über den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung werde schon deshalb nicht sinnlos, weil hierdurch ein Anspruch auf Wiedereinreise begründet werde. Die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers folge auch nicht daraus, dass aufgrund der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung der ausstehenden Ermessensentscheidung ersichtlich wäre, dass die Behörde ihr Ermessen fehlerfrei nur in der vom Antragsteller gewünschten Weise ausüben könne. Der Antragsteller habe keinerlei tatsächliche Umstände glaubhaft gemacht, die für eine Rücknahme sprächen. Zur Beseitigung der rechtlich fehlerhaften bestandskräftigen Ausweisung könne die Behörde im Interesse der materiellen Gerechtigkeit nur dann gezwungen sein, wenn die rechtlichen Folgen der vorhandenen Ausweisungsentscheidung nicht auch in rechtmäßiger Weise hätten herbeigeführt werden können. Es spreche viel dafür, dass die Ausweisung des Antragstellers aufgrund seiner erheblichen Straffälligkeit auch gem. §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG rechtmäßig hätte verfügt werden können. Die rechtliche Möglichkeit der Abschiebung werde schließlich auch nicht durch die gegen den Antragsteller in seinem Heimatland verhängte Freiheitsstrafe beeinflusst. Auf die diesbezügliche Begründung im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Mai 2004 werde insoweit verwiesen.

Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde führt der Antragsteller insbesondere aus, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass es der begehrten einstweiligen Anordnung zur Sicherung der geforderten ermessensfehlerfreien Entscheidung nicht bedürfe, weil diese Entscheidung unabhängig vom weiteren Aufenthalt des Antragstellers ergehen könne. Für den Fall, dass seinem Antrag "auf Befristung" im Nachhinein stattgegeben würde, drohe ihm bei Durchsetzung der Ausreisepflicht eine massive Verletzung seiner Grundrechte. Er werde auf unabsehbare Zeit von seiner deutschen Ehefrau getrennt, da er in der Türkei nicht nur einen Militärdienst von drei Jahren ableisten müsse, sondern ihm auch die Verbüßung der gegen ihn verhängten fünfzehnjährigen Zuchthausstrafe drohe. Im Übrigen drohe ihm durch die Ausreise der endgültige Verlust seines Status in der Bundesrepublik Deutschland, denn es sei fraglich, ob er bei einer Befristung der Wirkungen der Ausweisung die Voraussetzungen für eine Wiedereinreise werde erfüllen können. Eine Abschiebung auf dem Hintergrund eines nach jetziger Rechtslage offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit den daraus resultierenden gravierenden Folgen für den Beschwerdeführer und seine deutsche Ehefrau stelle auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Zwar sei es formaljuristisch richtig, wenn das Verwaltungsgericht darauf verweise, dass der Antragsteller "derzeit zur Ausreise verpflichtet" sei. Es werde jedoch verkannt, dass die Ausreiseverpflichtung auf einer offensichtlich falschen Gesetzesanwendung beruhe. Die Abschiebung beruhe auf einer Ausweisungsverfügung, die den heutigen Anforderungen aus Art. 14 ARB 1/80 offenkundig nicht genüge. Sowohl die Anwendung des § 47 AuslG als auch das Fehlen des Widerspruchsverfahrens begründeten nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Rechtswidrigkeit der gegen ihn ergangenen Ausweisung. Ob - wie das Verwaltungsgericht meine - viel dafür spreche, dass die Ausweisung in rechtmäßiger Weise gem. §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG hätte verfügt werden könne, sei insoweit unerheblich. Im Übrigen müsse bei einer Ermessensentscheidung nicht der Antragsteller beweisen, dass keine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von ihm ausgehe. Der Antragsgegner habe eine solche Prüfung vorzunehmen und eine auf Tatsachen gestützte Entscheidung zu treffen. Tatsachen, die erwarten ließen, dass der Antragsteller nach seiner Strafverbüßung erneut eine solche schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen könnte, gebe es nicht. Wäre die Ausweisungsverfügung zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt, würde sie aus formalen und aus inhaltlichen Gründen keinen Bestand haben können.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) allein maßgeblichen, innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Beschwerdevortrages in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu untersagen, Abschiebungsmaßnahmen gegen den Antragsteller einzuleiten, denn der Antragsteller hat auch mit seinem Beschwerdevorbringen nicht mit dem erforderlichen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit dargetan und glaubhaft gemacht, dass seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die den geltend gemachten Anspruch auf vorläufige Duldung begründen könnten.

1. Soweit das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf "die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache" eine diese rechtfertigende hohe Obsiegenswahrscheinlichkeit als maßgeblich angesehen hat, ist dies entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller mit seinem Begehren die Hauptsache mindestens teilweise vorwegnimmt. Zwar würde mit einer positiven Bescheidung des Eilantrages nicht das Ergebnis der vom Antragsteller gestellten, den Bestand bzw. die (auf den April 2005 zurückwirkende) Befristung der bestandskräftig gewordenen Ausweisung vom 5. Juni 2002 betreffenden und eine Ermessensentscheidung des Antragsgegners erfordernden Begehren vorweggenommen. Diese sind indes auch nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens. Denn der für das hiesige Verfahren maßgebliche Anordnungsanspruch - d.h. derjenige materielle Anspruch, für den der vorläufige Rechtsschutz begehrt wird - ist weder der dem Antragsgegner gegenüber mit Schreiben vom 26. April 2005 an den Antragsgegner geltend gemachte Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung vom 5. Juni 2002 "auf den jetzigen Zeitpunkt" noch sind es die mit Schreiben vom 6. Juni 2005 beantragte Aufhebung der Ausweisungsverfügung vom 5. Juni 2005 gem. §§ 48, 49 des gem. § 1 BlnVwVfG anwendbaren Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (i.F. nur: VwVfG), das mit gleichem Schreiben beantragte Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. § 51 VwVfG oder Ansprüche des Antragstellers auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Antragsgegners über diese Anträge. Der in diesem Eilverfahren erstinstanzlich gestellte und mit der Beschwerde weiter verfolgte Antrag, "den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, keine Abschiebemaßnahmen gegen ihn einzuleiten und ihn zunächst für drei Monate zu dulden", zielt vielmehr allein auf die vorläufige Erfüllung des dem Antragsgegner gegenüber mit Schreiben vom 6. Juni 2005 geltend gemachten, vom Antragsgegner bisher (soweit ersichtlich) nicht beschiedenen Anspruchs auf Duldung. Dass der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch auf einstweilige Duldung maßgeblich mit der noch ausstehenden Bescheidung seiner die rechtskräftig gewordene Ausweisung betreffenden Anträge begründet, ändert daran nichts und macht diese Anträge auch nicht zu selbständigen Gegenständen des anhängigen Eil- und Beschwerdeverfahrens.

Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung (S. 2 des Schriftsatzes vom 28. September 2005) als Ziel des Verfahrens eine Aussetzung der Abschiebung (nur) "bis zu einer Entscheidung des Antragsgegners über den Antrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung" bezeichnet, geht der Senat angesichts der weiteren, letztlich auf das gleiche Ziel - die Beseitigung der sich aus der bestandskräftig gewordenen Ausweisung für ihn ergebenden Konsequenzen - gerichteten und vom Antragsteller bisher unbeschiedenen Anträge, seines diese einbeziehenden erstinstanzlichen Vorbringens sowie seines weiteren schriftsätzlichen Vorbringens zu seinen Gunsten davon aus, dass damit keine Beschränkung auf die Bescheidung gerade des Befristungsantrags beabsichtigt war. Im Folgenden geht der Senat deshalb davon aus, dass trotz dieser Formulierung auch für das Beschwerdeverfahren an der Bedeutung der weiteren, erstinstanzlich bereits zur Begründung des Duldungsbegehrens angeführten Anträge auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens und die Aufhebung der Ausweisung festgehalten werden soll.

2. Dass seine Abschiebung - was hier als Duldungsgrund allein in Betracht kommt - im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, hat der Antragsteller auch mit seinem Beschwerdevorbringen nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

Eine rechtliche Unmöglichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich aus einfachem Gesetzesrecht (einschließlich des in nationales Recht transferierten Völkervertragsrechts), diesem vorgehenden Völkergewohnheitsrecht oder Verfassungsrecht ein zwingendes Abschiebungshindernis ergibt (Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand April 2005, § 60a Rn 75). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten oder zwingenden Abschiebungshindernissen aufgrund einfachgesetzlicher Normen, insbesondere der § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG, hat der Antragsteller nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat vielmehr - unter Berufung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. Februar 2005 (Az. 6 E 421/05, InfAuslR 2005, 186 ff.) - ausgeführt, dass der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlich sei, da ihm ohne einstweiligen Rechtsschutz für den Fall eine massive Verletzung seiner Grundrechte drohe, dass im Nachhinein seinem Antrag auf "Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf den jetzigen Zeitpunkt" (so wörtlich im Schriftsatz vom 28. September 2006, Seite 2) stattgegeben werden sollte. Darauf, ob er eine für ihn positive Bescheidung seiner Begehren mit Sicherheit erreichen könne, komme es nicht an, denn der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch bei noch offenem Ermessen möglich.

Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung vermag dies die erforderliche rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung nicht mit der gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit zu begründen.

a. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Hamburg, wonach es der Annahme eines Anordnungsanspruchs nicht entgegenstehe, dass das hinsichtlich der Aufhebung der Ausweisung noch auszuübende Ermessen nicht auf Null reduziert sei, weil auch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung grundsätzlich ein durch eine einstweilige Anordnung sicherungsfähiges Recht darstelle und die vorzunehmende Interessenabwägung zu einem Überwiegen der Interessen des (dortigen) Antragstellers an seinem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland führten, verkennt, dass der für das Verfahren auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung maßgebliche Anordnungsanspruch nicht die ausstehende Ermessensentscheidung über die Aufhebung der Ausweisungsverfügung ist, sondern der gem. § 60a Abs. 2 AufenthG vom Vorliegen eines der Abschiebung zwingend entgegenstehenden rechtlichen Hindernisses abhängige Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung. Für eine die Hauptsache mindestens teilweise vorwegnehmende Verpflichtung der Behörde zur Erteilung einer Duldung kommt es deshalb maßgeblich darauf an, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bereits ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung der Ausweisung eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung begründen kann.

Davon ausgehend dürfte zwar die Abschiebung eines Ausländers, dessen Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG im Rahmen der sich daraus ergebenden Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung auch das Recht auf Aufenthalt in der Bundesrepublik umfasst und dessen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen zudem eine Beachtung des Interesses beider Ehepartner daran, ihre durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland zu führen, gebietet (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973, 1 BvR 23/73 und 1 BvR 155/73, NJW 1974, 227 ff.), im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG rechtlich unmöglich sein, wenn ihm ein gebundener Anspruch auf Aufhebung der rechtskräftig gewordenen, aber rechtswidrigen Ausweisung und der damit verbundenen Abschiebungsandrohung zustünde (i.d.S. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. April 2006 - OVG 7 S 13.06 -, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Denn angesichts des damit absehbaren und allein noch von einer entsprechenden Entscheidung der Behörde abhängigen Wiederauflebens eines durch die Ausweisung entfallenen Aufenthaltstitels - oder eines Anspruchs auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels - dürfte die bis zu dieser förmlichen Aufhebung an sich noch mögliche Vollziehung der aufgrund der aufzuhebenden Ausweisung angedrohten Abschiebung jedenfalls als rechtsmissbräuchlich und unverhältnismäßig anzusehen sein. Dafür, dass eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung - wie der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts (Beschluss v. 20. April 2006 - 7 S 13.06 -) meint - nur in einem solchen Fall der Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden kann, dürfte insbesondere sprechen, dass die Vollziehung der bestandskräftigen Ausweisung nur dann eine Verletzung von Rechten des Antragstellers begründen könnte, wenn die Ausweisungsverfügung nachträglich tatsächlich aufgehoben würde. Würde die Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung oder die Befristung ihrer Wirkungen auf einen Zeitpunkt vor der Ausreise ermessensfehlerfrei abgelehnt, so wäre die auf der Grundlage dieser Ausweisung durchgeführte Abschiebung nicht geeignet, Rechte des Antragstellers zu verletzen.

Letztlich kann dies hier jedoch offen bleiben. Denn selbst wenn man annehmen wollte, dass es zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit geboten sein könnte, die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Aufhebung der Ausweisung jedenfalls dann zu verringern, wenn im konkreten Einzelfall besonders schwerwiegende und im Fall einer nachträglichen positiven Bescheidung nicht mehr adäquat zu beseitigende Folgen einer Abschiebung drohen - wie sie sich im Fall des Antragstellers daraus ergeben könnten, dass insbesondere wegen der Verurteilung zu einer 15jährigen, noch nicht verbüßten Zuchthausstrafe durch ein türkisches Gericht eine alsbaldige Rückkehr in die Bundesrepublik und zu seiner deutschen Ehefrau nach erfolgter Abschiebung selbst bei Aufhebung der Ausweisung oder nachträglicher Befristung ihrer Wirkungen unmöglich sein könnte -, könnte von einer sich daraus ergebenden rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit nur dann ausgegangen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Folgen dem Erlass einer Ausweisung aus heutiger Sicht voraussichtlich entgegenstünden (ähnlich wohl Hess.VGH, Beschluss v. 29. Juli 2005 - 12 TG 1987/05 -, AuAS 2005, 254 f.). Davon ist nach dem Beschwerdevorbringenn indes nicht auszugehen.

Die auf das bisherige, durch mehrfache Betäubungsmitteldelikte von zum Teil erheblichem Gewicht und hoher Sozialschädlichkeit gekennzeichnete persönliche Verhalten des Antragstellers gestützte, auch mit der Beschwerdeerwiderung aufrechterhaltene Prognose des Antragsgegners, dass vom Antragsteller auch gegenwärtig noch eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe, wird durch das diesbezügliche, wenig substantiierte Beschwerdevorbringen des Antragstellers nicht erschüttert. Allein die Tatsachen, dass der Antragsteller während der Strafhaft und der seitdem vergangenen relativ kurzen Zeit nicht erneut strafrechtlich verfolgt worden ist - das vom Antragsgegner erwähnte neue staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 2005 wurde offenbar eingestellt - und nach seiner Haftentlassung eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hat, dürften für eine günstige Sozialprognose nicht genügen, zumal der Antragsteller ausweislich der Verfahrensakte des Antragsgegners zwar zum Freigang zugelassen, aber nicht vorzeitig auf Bewährung entlassen wurde, sondern die auf den Verurteilungen vom 8. September 1999 und 20. Februar 2004 beruhenden Strafen in vollem Umfang verbüßt hat (zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts vgl. z.B. OVG Berlin, Beschluss v. 30. September 2003 - 8 B 5.02 -, zit. nach juris, dort Rn 31; OVG Hamburg, Beschluss v. 2. August 1995 - Bs V 68/95 -, zit. nach juris). Dadurch, dass er am Tag vor Ablauf seiner Strafhaft von einem Freigang nicht in die Anstalt zurückgekehrt ist, sich so seiner bereits vorbereiteten Abschiebung entzogen hat und zur Fahndung ausgeschrieben werden musste, hat der Antragsteller vielmehr gezeigt, dass ein rechtstreues Verhalten von ihm auch zukünftig nicht mit der erforderlichen Sicherheit erwartet werden kann. Der Antragsteller hat im Übrigen auch nichts vorgetragen, was darauf schließen ließe, dass sich seine Aussichten auf Erzielung eines zufriedenstellenden Einkommens auf legalem Wege verbessert hätten, wie etwa ein während der Haft nachgeholter Schulabschluss oder eine Berufsausbildung. Es sprechen deshalb auch heute noch überwiegende Gründe dafür, dass er wegen der dort zu erzielenden hohen Gewinne erneut in Versuchung geraten könnte, seine früheren Kontakte zur Drogenszene zu nutzen.

Gründe, die einer Ausweisung und Abschiebung des Antragstellers trotz dieser fortbestehenden Wiederholungsgefahr aktuell entgegenstehen könnten, sind ebenfalls nicht dargelegt.

Die Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung begründet gem. § 60 Abs. 6 AufenthG als solche kein Abschiebungshindernis. Dass dies hier deshalb anders sein könnte, weil die Verurteilung des Antragstellers durch das Staatssicherheitsgericht Istanbul mit Urteil vom 6. Juni 2002 eines der in § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG geregelten Abschiebungshindernisse begründet, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit bereits im Urteil vom 28. Mai 2004 (S. 6 f.) ausgeführt, dass die 2002 durch ein türkisches Gericht erfolgte Verurteilung des Antragstellers zu einer langjährigen Zuchthausstrafe als solche seiner Ausweisung und Abschiebung nicht entgegen steht, da es sich nicht um eine übermäßig harte, ein Abschiebungshindernis gem. § 55 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 4 AuslG und Art. 3 EMRK begründende Strafe handelt (ebenso OVG Niedersachsen, Beschluss v. 4. Juni 2002 - 11 ME 159/02 -, juris, zu einem tatsächlich ähnlich gelagerten Fall, in dem der dortige Antragsteller vom Staatssicherheitsgericht in Istanbul in Abwesenheit wegen gemeinschaftlichen Ausführens von Heroin aus der Türkei zu 17 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden war). Diese für § 60 Abs. 2 AufenthG entsprechend geltenden Ausführungen, auf die das Verwaltungsgericht in den Gründen seines mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses ausdrücklich Bezug genommen hat, werden durch das Beschwerdevorbringen nicht substantiiert in Frage gestellt. Soweit der Antragsteller behauptet, er habe keine Möglichkeit gehabt, sich gegen das in seiner Abwesenheit gegen ihn verhängte Urteil zur Wehr zu setzen, erscheint dies angesichts der in der vom Antragsteller selbst vorgelegten Übersetzung des Urteils ausdrücklich erwähnten Möglichkeit, "Rechtsmittel zur Revisionsgerichtshof" einzulegen, nicht nachvollziehbar und hätte jedenfalls näherer Substantiierung bedurft.

Hinsichtlich der vom Antragsteller betonten und für eine etwaige Unverhältnismäßigkeit der Folgen der Abschiebung erheblichen Dauer der gegen ihn verhängten Strafe ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass das türkische Strafvollstreckungsrecht sowohl die Anrechnung einer im Ausland wegen dieser Straftat etwa erfolgten Inhaftierung (einschließlich Untersuchungshaft) vorsieht als auch die vorzeitige Haftentlassung wegen guter Führung kennt und dass davon regelmäßig Gebrauch gemacht wird. So müssen zu Freiheitsstrafen verurteilte Straftäter in der Türkei regelmäßig nur etwa 40 % ihrer Strafe verbüßen (so OVG Niedersachen, Beschluss v. 4. Juni 2002 - 11 ME 159/02, juris; Hess. VGH, Beschluss v. 11. März 1992, EZAR 032 Nr. 3).

Erst recht kann die vom Antragsteller für den Fall der Abschiebung in die Türkei befürchtete Heranziehung zur Ableistung des ihm als türkischem Staatsbürger nach dem Recht seines Heimatlandes obliegenden, inzwischen nur noch 15monatigen Wehrdienstes die Ausweisung und Abschiebung in die Türkei nicht als unzumutbar erweisen. Davon ausgehend wäre der Antragsteller, der sich wegen der der Verurteilung zugrunde liegenden Tat ausweislich der Verwaltungsakte vom 24. Januar 1992 bis 14. Mai 1993 in Untersuchungshaft befand, aus den beiden genannten Gründen keineswegs - wie von ihm unterstellt - 18 Jahre oder gar dauerhaft, sondern voraussichtlich für ca. sieben Jahre an einer Rückkehr in die Bundesrepublik gehindert.

Angesichts der vom Antragsteller - wie dargelegt - auch aktuell noch ausgehenden erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erscheint eine derartige Dauer der Abwesenheit des Antragstellers aber auch mit Rücksicht auf die nach Ausweisung und Haftentlassung mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossene Ehe noch nicht als unverhältnismäßig. Zwar wäre die Ehe des Antragstellers durch dessen Abschiebung zweifelllos schwerwiegenden Belastungen ausgesetzt, da die Abschiebung des ausländischen Ehegatten seine deutsche Ehefrau zwingt, entweder ihr Heimatland zu verlassen und ihm in die Türkei zu folgen oder eine mehrjährige Trennung hinzunehmen. Die Ehe mit einem deutschen Partner schützt einen ausländischen Staatsangehörigen jedoch nicht schlechthin vor einer Abschiebung (BVerfG, Urteil v. 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 -, NJW 1974, 227 ff.; vgl. auch OVG Thüringen, Beschluss v. 25. Mai 2005 - 3 EO 114/05 -, ThürVBl. 2005, 207 ff., m.w.N.). Bei der gebotenen Abwägung des Interesses beider Ehepartner daran, ihre durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland zu führen, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Fernhaltung eines Ausländers, von dem (noch) eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgeht, ist hier zunächst festzustellen, dass die aufenthaltsrechtliche Situation des damals bereits bestandskräftig ausgewiesenen Antragstellers zum Zeitpunkt der Eheschließung beiden Ehepartnern bekannt war und beide wegen dieser Kenntnis einer zumindest nicht unwahrscheinlichen längeren Abwesenheit des Antragstellers aus Deutschland in der Lage waren, diese Situation bei ihrer Lebensplanung zu berücksichtigen. Kinder, für die eine längere Abwesenheit des Vaters wesentlich schwerer erträglich wäre, haben der Antragsteller und seine Ehefrau nicht. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Ehefrau des Antragstellers etwa in besonderem, die normalen Betreuungsleistungen weit übersteigenden Maße auf dessen persönliche Anwesenheit und Fürsorge angewiesen wäre. Da Frau N_____ den Antragsteller weniger als einen Monat nach dessen Entlassung aus einer mehr als vierjährigen Strafhaft in der Bundesrepublik geheiratet hat, ist vielmehr davon auszugehen, dass sie _____ auch vor ihrer noch kein Jahr währenden Ehe ihr Leben selbständig gemeistert und den Kontakt zum Kläger über Briefe, Telefonate oder gelegentliche Besuche gepflegt hat. Derartige Kontakte wären aber auch dann möglich, wenn der Antragsteller nach einer Abschiebung in die Türkei dort inhaftiert oder zum Wehrdienst eingezogen werden sollte. Die Situation der Ehefrau würde sich in einem solchen Fall letztlich nicht wesentlich von derjenigen einer Ehefrau unterscheiden, deren deutscher Ehemann wegen der Verbüßung einer Strafhaft oder Ableistung des Wehrdienstes in Deutschland abwesend und an der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gehindert ist. Schließlich spricht zwar einiges dafür, dass die im Fall einer Abschiebung des Antragstellers wegen der genannten Umstände zu erwartende Dauer seiner Abwesenheit voraussichtlich länger wäre als sie es im "Normalfall" einer Befristung der Wirkungen der Ausweisung wäre. Die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft würde dadurch aber jedenfalls nicht auf Dauer vereitelt.

b. Ergänzend ist festzustellen, dass dem - hierauf gerade nicht abstellenden - Beschwerdevorbringen des Antragstellers im Übrigen auch nicht zu entnehmen ist, dass diesem etwa ein gebundener Anspruch auf Aufhebung der zwar rechtskräftig gewordenen, aber rechtswidrigen und aufzuhebenden Ausweisung und der damit verbundenen Abschiebungsandrohung (i.d.S. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. April 2006 - OVG 7 S 13.06 -, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen) oder ein Anspruch auf Befristung "auf den jetzigen Zeitpunkt" zustünde.

Die im Unterschied zu § 51 VwVfG auch als Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne bezeichnete und - wie hier - auch bei Fehlen der dortigen, im Fall einer Änderung der Rechtsprechung nicht erfüllten (z.B. BVerwG, Beschluss v. 16. Februar 1993 - 9 B 241.92 -, NVwZ-RR 1994, 119) Voraussetzungen mögliche Entscheidung über die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts gem. § 48, § 49 VwVfG steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. Der Hinweis des Antragstellers auf den - weder vom Antragsgegner noch vom Verwaltungsgericht bestrittenen - Umstand, dass die Ausweisung vom 5. Juni 2002 nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung zur Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (BVerwG, Urteile vom 3. August 2004, 1 C 30.02 -, InfAuslR 2005, 18 ff., sowie vom 13. September und 6. Oktober 2005 - 1 C 7.04 und 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 110 ff., 114 ff.) zu Unrecht als Regelausweisung gem. § 47 AuslG und ohne erforderliches Widerspruchsverfahren ergangen ist, vermag eine Reduzierung des Ermessens des Antragsgegners auf eine Aufhebung der rechtskräftig gewordenen Ausweisung schon deshalb nicht zu begründen, weil die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche als notwendige Voraussetzung für die Anwendung des die Rücknahme bei anfänglicher Rechtwidrigkeit des Verwaltungsakts regelnden § 48 VwVfG das mit dieser Regelung eingeräumte Ermessen nicht generell verengen kann. Vielmehr sind im Rahmen des § 48 VwVfG die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit einerseits und der Rechtssicherheit andererseits als grundsätzlich gleich gewichtige Leitpunkte des Ermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil v. 30. Januar 1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 48 Rn 96). Welche Ermessenserwägungen von der Behörde anzustellen sind, ist eine Frage der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst dann anzunehmen, wenn die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung schlechthin unerträglich wäre, etwa weil eine Berufung der Ausländerbehörde auf die Unanfechtbarkeit dieser Verfügung einen Verstoß gegen Verfassungsrecht, die guten Sitten oder Treu und Glauben darstellen würde (z.B. BVerwG, Urteil v. 30. Januar 1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333 ff.; Beschluss vom 16. August 1989 - 7 B 57.89 -, NVwZ-RR 1990, 26 f.; Urteil v. 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 -, NVwZ 1995, 388 f.; Urteil v. 19. Januar 2006 - 3 C 11.05 - Rn 15 des U.A.; dem folgend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 20. April 2006 - 7 S 13.06 -).

Dass eine Aufrechterhaltung der aus heutiger Sicht unzweifelhaft rechtswidrigen Ausweisungsverfügung vom 5. Juni 2002 in diesem Sinne "schlechthin unerträglich" sein könnte, ist nicht ersichtlich. Es spricht einiges dafür, dass die Aufrechterhaltung der Ausweisung jedenfalls dann nicht schlechthin unerträglich ist, wenn die Ausweisung - gemessen an den sich aus der aktuellen Rechtsprechung ergebenden Anforderungen - seinerzeit rechtmäßig hätte verfügt werden können (i.d.S. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 20. April 2006 - 7 S 13.06 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 13. Juni 2000 - 13 S 1378/98 -, VBlBW 2001, 23 ff.). Davon ist für das Beschwerdeverfahren auszugehen. Denn der Antragsteller ist der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die rechtlichen Folgen der vorhandenen Ausweisungsentscheidung auch in rechtmäßiger Weise hätten herbeigeführt werden können, jedenfalls mit der fristgemäß eingegangenen Beschwerdebegründung nicht substantiiert entgegengetreten. Die unter Hinweis auf die diesbezügliche Beweislast des Antragsgegners aufgestellte Behauptung, es habe keine Tatsachen gegeben, die erwarten ließen, dass der Antragsteller nach seiner Strafverbüßung erneut eine hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen könnte, lässt jede Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss vermissen, die sich auf die im Urteil über die Ausweisung vom 28. Mai 2004 (S. 8 f.) bereits mit Blick auf die Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 festgestellte, die Gefahr der Begehung weiterer schwerer Straftaten begründende erhebliche Straffälligkeit des Antragstellers und das Fehlen hinreichender Anhaltspunkte für eine eingetretene oder zu erwartende Verhaltensänderung stützen kann.

Dass diese Prognose den Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80, wie sie sich insbesondere aufgrund der Vorgaben durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2004 (1 C 30.02 - NVwZ 2005, 220 ff.) ergeben, nicht genügt, ist auch angesichts der weiteren - lange nach Ablauf der Begründungsfrist vorgetragenen - Einwände des Antragstellers nicht erkennbar. Denn ausweislich der Urteilsbegründung war die Gefahrenprognose auf spezialpräventive, gerade das persönliche Verhalten des Antragstellers berücksichtigende Gründe gestützt und - wie das Urteil (S. 9) ausdrücklich festgestellt hat - auch unter Einbeziehung des Zeitraums bis zur mündlichen Verhandlung nicht zu beanstanden. Soweit der Antragsteller meint, dass von einer hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Antragsteller nicht gesprochen werden könne, weil er nach seiner Verurteilung nicht erneut straffällig bzw. verurteilt worden sei, übersieht er, dass - worauf im Urteil vom 28. Mai 2004 bereits ausdrücklich hingewiesen wurde - die letzte Verurteilung des Antragstellers vom Februar 2004 BTM-Delikte zum Gegenstand hatte, die dieser in Kenntnis der Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe und während des noch laufenden Revisionsverfahrens begangen hatte. Auch die Verurteilung des Antragstellers durch ein türkisches Gericht und seine persönlichen und familiären Verhältnisse standen einer Ausweisung ausweislich des Urteils, das diese Punkte ebenfalls gewürdigt hat, nicht zwingend entgegen. In diesem Zusammenhang kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob die Ausweisungsverfügung auch zum jetzigen Zeitpunkt noch in gleicher Weise ergehen könnte. Denn seit dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetretene tatsächliche Veränderungen (wie die zwischenzeitliche Heirat des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen) müssen für die Frage, ob die Ausweisung zum damaligen Zeitpunkt auch rechtmäßig hätte verfügt werden können, außer Betracht bleiben (i.d.S. zum maßgeblichen Zeitpunkt für nachgeschobene Ermessenserwägungen BVerwG, Urteil v. 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351 ff.). Ist danach aber davon auszugehen, dass dieselbe Entscheidung unter Berücksichtigung der heutigen Rechtsprechung seinerzeit auch in rechtmäßiger Weise hätte getroffen werden können, so vermag der Hinweis auf das nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2005 (- 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110 ff.) und 6. Oktober 2005 (- 1 C 5.04 -, InfAuslR 114 ff.) bei Ausweisung von dem ARB 1/80 unterfallenden türkischen Staatsangehörigen erforderliche und hinsichtlich der Ausweisung des Antragstellers vom 5. Juni 2002 nicht durchgeführte Widerspruchsverfahren ebenfalls keine absolute Unerträglichkeit des auch bei fehlerfreier Durchführung des Verwaltungsverfahrens möglichen Ergebnisses zu begründen.

Ein rechtlich gebundener Anspruch des Antragstellers auf Aufhebung der aufgrund unrichtiger Auslegung europäischen Rechts zustande gekommenen Ausweisung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem in Art. 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit. Nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil v. 13. Januar 2004 - C-453/00 -, NVwZ 2004, 459 f., "Kühne & Heitz NV") begründet dieser gemeinschaftsrechtliche Grundsatz nicht etwa in jedem Fall eine Verpflichtung zur Aufhebung der auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhenden behördlichen Entscheidung. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, ihre Entscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen. Inwieweit eine Verpflichtung zur Rücknahme der in Rede stehenden Entscheidung besteht, ist sodann anhand der Ergebnisse dieser Überprüfung zu entscheiden.

Dass derartige gemeinschaftsrechtliche Pflichten des Antragsgegners auch hinsichtlich der in ihrer konkreten Form nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbaren Ausweisungsverfügung vom 5. Juni 2002 bestehen, erscheint indes durchaus zweifelhaft. Denn die für die angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes maßgeblichen besonderen Umstände, zu denen u.a. gehörte, dass die auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhende Behördenentscheidung aufgrund des Urteils eines mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren und deshalb gem. Art. 234 EG bei Auslegungsfragen vorlagepflichtigen nationalen Gerichts bestandskräftig geworden war, liegen hier nicht vor. Da der Antragsteller auf Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Mai 2004 verzichtet hat, ist die Rechtskraft der Ausweisung vom 5. Juni 2002 nicht aufgrund der Entscheidung eines letztinstanzlich zuständigen und damit vorlagepflichtigen Gerichts eingetreten (gegen eine entsprechende Anwendbarkeit der in der Entscheidung des EuGH vom 13. Januar 2004 entwickelten Anforderungen auf derartige Fälle OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 20. April 2006 - 7 S 13.06 -; dafür: VG Hamburg, Beschluss v. 16. Februar 2005 - 6 E 421/05 -, InfAuslR 2005, 186 ff.; ebenso - ohne nähere Begründung - wohl auch Hessischer VGH, Beschluss v. 29. Juli 2005 - 12 TG 1987/05 -, AuAS 2005, 254 f.; insoweit unklar VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. September 2004 - 11 S 2771/03 -, zit. nach juris). Letztlich kann aber auch dies hier dahinstehen, denn eine gemeinschaftsrechtlich begründete Pflicht zur Aufhebung der Ausweisung kommt in diesem Fall jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil nicht ersichtlich ist, dass die Ausweisung des Antragstellers im Ergebnis nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar gewesen wäre. Wie bereits ausgeführt, ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die rechtlichen Folgen der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsentscheidung seinerzeit in rechtmäßiger - und das heißt: auch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechender - Weise hätten herbeigeführt werden können, durch das Beschwerdevorbringen des Antragstellers nicht nachhaltig in Frage gestellt worden.

Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller einen wegen Ermessensreduzierung gebundenen Anspruch auf Widerruf der Ausweisungsverfügung für die Zukunft (§ 49 Abs. 1 VwVfG) haben könnte, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Denn die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich und deshalb im Rahmen der Entscheidung über eine Befristung gem. § 11 AufenthG zu berücksichtigen sind (wie z.B. eine günstige Sozialprognose oder die Eheschließung mit einem deutschen Partner, vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 11 Rn 12), können einen Widerruf von vornherein nicht begründen, da die Anwendung des § 49 VwVfG insoweit durch die Befristungsregelung des Aufenthaltsgesetzes ausgeschlossen ist (so zu § 8 Abs. 2 AuslG: BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999 - 1 C 13.99 -, NVwZ 2000, 688 ff.; vgl. auch OVG Niedersachsen, Beschluss v. 4. Juni 2002 - 11 ME 159/02 -, zit. nach juris).

Auch ein Anspruch des Antragstellers auf Befristung der Wirkungen der rechtskräftig gewordenen Ausweisung "auf den jetzigen Zeitraum" ist mit dem Beschwerdevorbringen nicht dargelegt. Eine Befristung auf einen vor der Ausreise liegenden Zeitpunkt kommt wegen der in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorgeschriebenen Anknüpfung des Fristbeginns an die Ausreise grundsätzlich nicht in Betracht. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 7. Dezember 1999 - 1 C 13.99 -, NVwZ 2000, 688 ff.) im Fall eines freizügigkeitsberechtigten EU-Ausländers entschieden hat, dass die Beseitigung der Ausweisungswirkungen nach Fortfall der die Einschränkung der Freizügigkeit rechtfertigenden Ausweisungsgründe wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht von der vorherigen Ausreise abhängig gemacht werden kann, ist das Vorliegen entsprechender Voraussetzungen im Fall des Antragstellers jedenfalls nicht dargelegt. Insbesondere hat der erst im Mai 2005 aus der Haft entlassene Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht glaubhaft gemacht, dass die mit der Ausweisung verfolgten ordnungsrechtlichen Zwecke entgegen der Auffassung des Antragstellers in seinem Fall bereits entfallen sind (vgl. dazu bereits die Ausführungen oben unter 2. a.)

c. Dass er durch eine Abschiebung vor Entscheidung über seine an den Antragsteller gerichteten, die Ausweisung betreffenden Anträge in einer mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbaren Weise in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt sein könnte, hat der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht dargelegt und ist angesichts der auch insoweit bestehenden Vertretung durch seinen Prozessbevollmächtigten und der Möglichkeit, nach einer Abschiebung ggf. auch über seine Ehefrau mit diesem zu kommunizieren, auch nicht ohne weiteres ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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