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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 27.03.2006
Aktenzeichen: OVG 11 S 49.05
Rechtsgebiete: VwGO, PflSchG, Richtlinie 91/414/EWG, EGV


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 3
PflSchG § 11
PflSchG § 34 a
PflSchG § 15
PflSchG § 15 b
Richtlinie 91/414/EWG Art. 4
EGV Art. 28
EGV Art. 30
Zur Verkehrsfähigkeit von aus EG-Ländern importierten und mit hier zugelassenen Referenzmitteln angeblich identischen Pflanzenschutzmitteln. Zum Begriff der Identität von Pflanzenschutzmitteln.
OVG 11 S 49.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 27. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. November 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahrens auf 100.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin vertreibt Pflanzenschutzmittel aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Durch Bescheid vom 12. September 2005 bestätigte das Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung unter Berufung auf § 34 a PflSchG das der Antragstellerin anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle am 6. September 2005 mündlich erteilte Verbot, sechs nach Art und Menge im Einzelnen bezeichnete Pflanzenschutzmittel in den Verkehr zu bringen. Zur Begründung führte die Behörde aus, dass die bei Kontrollen festgestellten Pflanzenschutzmittel unter ihren Bezeichnungen nicht zugelassen und damit auch nicht verkehrsfähig seien. Für Parallelimporte von Pflanzenschutzmitteln nach Deutschland müsse eine eigene Zulassung im Ursprungsmitgliedstaat vorhanden sein, die sicherstelle, dass dieses Pflanzenschutzmittel nach den Vorgaben der Richtlinie 91/414/EWG geprüft worden sei, und dass eine Identitätsbescheinigung im Sinne der "Bekanntmachung über die Einfuhr und das in Verkehr bringen von Pflanzenschutzmitteln, die mit in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch sind" vom 23. Dezember 1993 erteilt werden könne. Solche Bescheinigungen hätten bei der Vor-Ort-Kontrolle am 6. September 2006 nicht vorgelegt werden können. Mit Bescheid vom 22. September 2005 ordnete die Behörde ergänzend die sofortige Vollziehung ihrer Untersagungsverfügung vom 12. September 2005 mit der Begründung an, es müsse davon ausgegangen werden, dass es sich um nicht nach den Vorgaben der Richtlinien 91/414/EWG geprüfte Pflanzenschutzmittel handele, deren Inverkehrbringen bis zur Feststellung der Verkehrsfähigkeit aus Gründen des vorbeugenden Anwender-, Verbraucher- und Umweltschutzes zu unterbinden sei.

Das Verwaltungsgericht hat es durch Beschluss vom 17. November 2005 abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 12. September 2005 wiederherzustellen, hilfsweise, die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 22. September 2005 aufzuheben. Zur Begründung ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, die von dem Vertriebsverbot erfassten Pflanzenschutzmittel seien verkehrsfähig, weil sie mit in Deutschland zugelassenen Referenzprodukten identisch seien; ferner genüge die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet, denn die von der Antragstellerin vorgetragenen und gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu ihren Gunsten vom Senat allein zu prüfenden Gründe rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

1. Die Antragstellerin hat mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht die mit ihrem Hauptantrag erstrebte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. September 2005 im Ergebnis zu Unrecht abgelehnt hat. Ihre Einwände gegen die im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigende Rechtmäßigkeit dieses Bescheides greifen nicht durch.

1.1. Die von der Antragstellerin angegriffene Untersagungsverfügung ist auf § 34 a PflSchG gestützt. Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes erlassener Rechtsvorschriften notwendig sind (Satz 1). Sie kann insbesondere das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Genehmigung nicht vorliegt (Satz 2 Nr. 2). Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel in der Formulierung, in der die Abgabe an den Anwender vorgesehen ist, nur in Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zugelassen sind. Über eine solche Zulassung verfügen die bei der Antragstellerin aufgefundenen und von der Untersagungsverfügung erfassten Pflanzenschutzmittel unstreitig nicht. Das gilt sowohl in Bezug auf eine reguläre Zulassung nach § 15 PflSchG als auch eine so genannte vereinfachte Zulassung nach § 15 b PflSchG, die voraussetzt, dass das Pflanzenschutzmittel in einem anderen Mitgliedstaat entsprechend den Anforderungen des Art. 4 der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Abl. EG L 230 vom 19. August 1991, Seite 1) bereits zugelassen ist. Letzteres ist bei den hier in Rede stehenden, aus den Herkunftsländern Belgien, Österreich und Ungarn eingeführten Pflanzenschutzmitteln unstreitig nicht der Fall.

1.2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist eine Zulassung dieser Pflanzenschutzmittel bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nur möglichen summarischen Prüfung nicht entbehrlich. Ohne Erfolg stützt sich die Antragstellerin insoweit auf die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vom 23. Dezember 1993 über die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die mit in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch sind (BAnz. Nr. 246, Seite 1154). Nach Ziffer 2 der Bekanntmachung bedürfen Pflanzenschutzmittel, die aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden und mit in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch sind, keiner erneuten Zulassung und sind in der Bundesrepublik Deutschland frei verkehrsfähig. Gemäß Ziffer 3 Satz 1 der Bekanntmachung stellt die Biologische Bundesanstalt (BBA) einem Vertriebsunternehmer oder Einführer von Pflanzenschutzmitteln auf Antrag eine Bescheinigung über die Identität des Pflanzenschutzmittels aus, sofern die Identität des Produkts mit dem zugelassenen Pflanzenschutzmittel nachgewiesen ist. Allerdings fordert die zuständige Bundesbehörde nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners in ihrer ständigen Verwaltungspraxis für die Verkehrsfähigkeit eines "identischen" Pflanzenschutzmittels im Sinne der Bekanntmachung sowie deren Bescheinigung zusätzlich, dass das Pflanzenschutzmittel bereits in einem anderen Land des Europäischen Wirtschaftsraums über eine Zulassung verfügt (vgl. zu einem entsprechenden Sachverhalt auch VG Köln, Beschluss vom 17. August 2005 - 13 L 815/05 - bei Juris AUR 2005, 368). Da es sich bei der Bekanntmachung lediglich um eine Verwaltungsvorschrift handelt, könnte die Antragstellerin aus ihr nur über Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. einer entsprechenden tatsächlichen Verwaltungspraxis einen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Maßgebend ist deshalb nicht der Wortlaut der Verwaltungsvorschrift, sondern ihre tatsächliche Anwendung in der Verwaltungspraxis (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15. November 2005 - 8 B 1575/05 -, bei Juris, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1996, - 11 C 5/95 -, NJW 1996, 1766).

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das in § 11 PflSchG verankerte ordnungsrechtliche Instrumentarium des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt unterlaufen würde, wenn es anstelle des gemäß Ziffer 3 Satz 1 der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vom 23. Dezember 1993 vorgesehenen Bestätigungsverfahrens ausreichen würde, ein mit einem hier zugelassenen Mittel angeblich identisches Mittel in den Verkehr zu bringen und die zuständigen Behörden sodann darauf verwiesen wären, derartige Fälle ausfindig zu machen und erforderlichenfalls die Nichtidentität nachzuweisen.

1.3. Die von der Antragstellerin behauptete Entbehrlichkeit eines Zulassungsverfahrens entspricht auch nicht dem Gemeinschaftsrecht. Das Erfordernis der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels in jedem Mitgliedstaat, in dem es in Verkehr gebracht werden soll, ist gemeinschaftsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG verankert. Danach schreiben die Mitgliedstaaten - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - vor, dass in ihrem Gebiet nur die Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und angewendet werden dürfen, die sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen haben. Diese Vorschrift sieht der Europäische Gerichtshof als mit dem gemeinschaftlichen Primärrecht vereinbar an (EuGH, 6. Kammer, Urteil vom 11.März 1999 - C - 100/96, EuZW 1999, 341). Zwar handelt es sich bei dem Zulassungserfordernis für aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft importierte Pflanzenschutzmittel um eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 28 EG, weil es über eine reine Vertriebsmodalität hinaus geht und geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 1974, Slg. 19974 I, 837 - Dassonville -, vom 20. Februar 1979, NJW 1979, 1766 - Cassis de Dijon - und 24. November 1993 - C-267/91 und C-268/91, NJW 1994, 121, - "Keck und Mithouard"). Die Beschränkung ist jedoch nach Art. 30 EG gerechtfertigt, weil sie zum Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen erforderlich ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 19. August 2003 - 4 S 1095/02 -, NVwZ 2004, 631; BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 3 C 38/03 - NVwZ 2004, 1258). Dabei beruht das aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG folgende Erfordernis getrennter nationaler Zulassungsverfahren auf der Erwägung, dass die für die Anwendung der Pflanzenschutzmittel maßgeblichen Voraussetzungen der Landwirtschaft, des Pflanzenschutzes und der Umwelt einschließlich der Witterungsverhältnisse in den jeweiligen Gebieten möglicherweise nicht vergleichbar sind (vgl. VGH Mannheim sowie BverwG, jeweils a.a.O).

1.4. Gemessen an den höherrangigen primärrechtlichen Vorschriften der Art. 28 ff. EG finden die Bestimmungen der Richtlinie 91/414/EWG über das Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings dann keine Anwendung, wenn ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat nach den Vorschriften dieser Richtlinie zugelassen wurde, in einem anderen Mitgliedstaat, in dem für das identische Pflanzenschutzmittel ebenfalls eine nach den Vorschriften der Richtlinie erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen vorliegt, parallel eingeführt werden soll. Bei einem solchen Parallelimport (vgl. dazu Schiwy, Deutsches Pflanzenschutzrecht, Kommentar, Bd. 1, § 11 PflSchG, Rdziff. 10) kann in dem Erfordernis einer erneuten Zulassung eine Handelsbeschränkung liegen, die das notwendige Maß überschreitet und deshalb nach Art. 30 EG nicht mehr gerechtfertigt ist. Denn liegen zwei Genehmigungen für das Inverkehrbringen vor, die gemäß der Richtlinie erteilt wurden, so bedürfen die mit ihr verfolgten Ziele des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt nicht in gleicher Weise der Berücksichtigung. Demgegenüber findet die Richtlinie auf das Inverkehrbringen eines aus einem Drittland importierten Pflanzenschutzmittels in einen Mitgliedstaat auch dann Anwendung, wenn dieses Mittel nach Ansicht der zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats mit einem Referenzmittel übereinstimmt, das bereits gemäß der Richtlinie zugelassen wurde. Ein solches Mittel bietet nämlich nicht die gleichen Garantien für den Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt wie ein Mittel, das aus einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft oder einem EWR-Staat importiert worden ist und dort bereits über eine gemäß der Richtlinie erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügt. Demnach darf die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines aus einem Drittland importierten Pflanzenschutzmittels, für das noch keine gemäß den Bestimmungen der Richtlinie in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen vorliegt, nur unter den in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen erteilen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt EuGH, Urteil vom 11. März 1999, a.a.O., Rdziff. 31, 32, 42, 47, 48). Das schließt es erst Recht aus, bei Drittlandsimporten auf jegliches Genehmigungsverfahren zu verzichten und den Vertrieb derartiger Mittel allein aufgrund der Behauptung zu dulden, sie seien mit im Importstaat zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch. Nichts anderes kann für die Verkehrsfähigkeit von Pflanzenschutzmitteln gelten, die zwar nicht aus einem Drittland, sondern einem EU-Mitgliedstaat importiert wurden, dort aber ebenfalls keine Zulassung im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG erlangt haben. Dass auch bei einem zugelassenen Referenzmittel die Möglichkeit der nachträglichen Nichteinhaltung der genehmigten Formulierung in der Produktion besteht, worauf die Antragstellerin hinweist, betrifft im Hinblick auf die Schutzfunktion des Zulassungsverfahrens eine andere Sachlage. Solchen Gefahren ist durch Überwachungsmaßnahmen zu begegnen, wie das ebenso bei zugelassenen Generika gefordert sein kann.

Die vom EuGH vorgenommene Differenzierung zwischen Pflanzenschutzmitteln, die in ihrem Herkunftsstaat nach der Richtlinie 91/414/EWG zugelassen sind, und solchen, die über diese Zulassung nicht verfügen, ist nach Auffassung des Senats jedenfalls deshalb gerechtfertigt, weil der EuGH zwei Pflanzenschutzmittel nicht nur dann als identisch ansieht, wenn sie in allen Punkten übereinstimmen. Vielmehr genügt es nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die Mittel zumindest nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt wurden und überdies die gleichen Wirkungen haben, wobei etwaige Unterschiede bei den für die Anwendung des Mittels relevanten Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt - einschließlich der Witterungsverhältnisse - zu berücksichtigen sind (Urteil vom 11. März 1999, a.a.O., Rdziff. 33 ). Ferner setzt der Begriff der Identität nach neuerer Rechtsprechung nicht notwendig einen gemeinsamen Hersteller voraus (vgl. EuGH, Urteil vom 1. April 2004 - C 112/02 -, EuZW 2004, 530; BVerwG, Urteil vom 29. April 2004; a.a.O.; BGH, Urteil vom 14. November 2002 - I ZR 134/00 - [Zulassungsnummer III], NJW-RR 2003, 327). Dürfen im rechtlichen Sinne identische Pflanzenschutzmittel in ihrer tatsächlichen Zusammensetzung in gewissem, nach den oben genannten Maßgaben tolerierbaren Grenzen voneinander abweichen, was auch die Antragstellerin für sich in Anspruch nimmt, so gewinnt der Umstand, dass ein Pflanzenschutzmittel im Herkunftsmitgliedstaat bereits zugelassen worden ist, im Hinblick auf den Gesundheits- und Umweltschutz erhebliche Bedeutung, weil dieses Pflanzenschutzmittel bereits einer Prüfung auf seine Unbedenklichkeit hin unterzogen worden ist. Außerdem lässt sich aus der im Ausland erteilten Zulassung die Zusammensetzung des Mittels ersehen, was einen Vergleich mit der Formulierung des im Inland zugelassenen Mittels erleichtert (vgl. OLG Frankfurt; Urteil vom 15. September 2005 - 6 U 75/05 - , bei Juris). Insoweit überzeugt auch die Auffassung des Antragsgegners, dass bei einem Pflanzenschutzmittel, welches bereits Gegenstand eines Zulassungsverfahrens nach den EU-Bestimmungen gewesen sei, eher davon ausgegangen werden könne, dass geringfügige Unterschiede in der Zusammensetzung, hinsichtlich der Beistoffe oder der Spezifikation des Wirkstoffes keine Relevanz hätten, während bei Pflanzenschutzmitteln, die nach der Richtlinie 91/414/EWG noch nicht zugelassen worden seien, einfache Laborberichte auf Grund der Komplexität der Pflanzenschutzmittel selten ausreichten, um die Identität des Imports mit einem Referenzmittel zu klären. Dies bestätigt auch die vom Antragsgegner eingereichte Stellungnahme des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vom 15. November 2005 (Gerichtsakte Bd. I, Bl. 138), wonach die genauen Zusammensetzungen der Pflanzenschutzmittel einschließlich aller Beistoffe, die unter Umständen selbst biozide Wirkung besitzen könnten, im Zulassungsverfahren festgehalten werden. Diese Informationen könne das BVL von den Mitgliedstaaten anfordern und vergleichen. Hingegen sei dies nicht möglich, wenn ein Import nirgends im EWR zugelassen sei.

1.5. Schließlich ist eine Zulassung der von der Antragstellerin vertriebenen Pflanzenschutzmittel entgegen ihrer Ansicht auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Erlaubnis von Pflanzenschutzmitteln produktbezogen sei. Dabei mag dahinstehen, ob unter dem von der Erlaubnis erfassten Produkt nicht lediglich das jeweilige Referenzmittel mit seiner konkreten Bezeichnung zu verstehen ist. Jedenfalls kann die Antragstellerin aus der von ihr angeführten wettbewerbsrechtliche Zivilrechtsprechung im vorliegenden ordnungsrechtlichen Kontext nichts für sich herleiten. Die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 1994 ( - I ZR 73/92 - , BGHZ 126,270, [Zulassungsnummer I]) sowie vom 30. November 1995 ( - I ZR 194/93 - , NJW-RR 1996, 419 [Zulassungsnummer II]) sind beide vor der Entscheidung des EuGH vom 11. März 1999 (a.a.O.) ergangen, wobei die Entscheidung Zulassungsnummer I den Fall eines Reimports betraf. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2002 ( - 1 ZR 134/00 - , NJW-RR 2003, 327, [Zulassungsnummer III]) betrifft zwar ein Mittel, für das weder in Deutschland noch in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums eine gesonderte Zulassung bestand, und führt insoweit aus, dass Art. 9 der Richtlinie 91/414/EWG keine Bestimmung enthalte, wonach der jeweilige Importeur eines Pflanzenschutzmittels aus einem Mitgliedstaat, das mit dem im Inland zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch ist, ein gesondertes Zulassungsverfahren zu betreiben habe, weil das importierte Mittel nicht aus derselben Produktionsstätte stamme und im Exportstaat nicht zugelassen sei, setzt sich im Hinblick auf den letztgenannten Umstand mit dem Urteil des EuGH vom 11. März 1999 jedoch nicht näher auseinander. Demgegenüber hat das OLG Frankfurt in seinem von der Antragstellerin angeführten Urteil vom 15. September 2005 (- 6 U 75/05 -, bei Juris sowie WRP 2006, 128 [Leitsatz]) die vom EuGH vorgenommene Differenzierung aufgegriffen und ausgeführt, dass bei einem Erzeugnis, das gerade nicht über eine speziell für dieses Mittel im Ausland erteilte Zulassung verfüge, nicht ohne weiteres von einer gewissen "Vermutung der Unbedenklichkeit" ausgegangen werden könne und auch keine Zulassungsunterlagen vorhanden seien, anhand derer die Identitätsprüfung vorgenommen werden könnte. Daher könne sich der Vertreiber eines im Inland nicht - gesondert - zugelassenen Pflanzenschutzmittels, dessen Identität mit einer bereits zugelassenen Formulierung von der Zulassungsbehörde noch nicht überprüft worden sei, in einem Zivilrechtsstreit grundsätzlich nur dann auf diese andere Zulassung berufen, wenn die Zusammensetzung seines Mittels in jeder Hinsicht mit derjenigen Formulierung übereinstimme, die Gegenstand der erteilten Zulassung sei. Dies schließe insbesondere auch eine Identität hinsichtlich der nach der Zulassung vorgesehenen Beistoffe und deren Gehalts ein. Denn nur unter dieser Voraussetzung sei es als eine im Hinblick auf die Wahrung der Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln entbehrliche Förmelei anzusehen, vom Vertreiber auch noch die Einholung einer Identitätsbescheinigung bei der Zulassungsbehörde zu verlangen.

Die Antragstellerin macht allerdings selbst nicht geltend, dass die von ihr vertriebenen, hier in Rede stehenden Pflanzenschutzmittel mit den jeweils angeführten Referenzmitteln in jeder Hinsicht identisch seien. Sie nimmt vielmehr den - weiteren - Identitätsbegriff des EuGH für sich in Anspruch und vertritt den Standpunkt, dass es auf die Identität der Formulierungshilfsstoffe bzw. Beistoffe, wie z.B. Frostschutzmittel, nicht ankomme. Hiervon abgesehen hat auch das BVL in seiner Stellungnahme vom 15. November 2005 die Auffassung vertreten, dass die von der Antragstellerin eingereichten Laborberichte nicht ausreichen, um eine 100-prozentige Identität zu bestätigen.

1.6. Scheitert die Verkehrsfähigkeit der von der Antragstellerin vertriebenen Pflanzenschutzmittel nach dem Vorstehenden bereits daran, dass diese Mittel in ihren Herkunftsmitgliedstaaten nicht zugelassen und zudem auch nicht in jeder Hinsicht mit den Referenzmitteln identisch sind, so bedarf es - zumal im vorliegenden Eilverfahren - schon deshalb keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, wie sie die Antragstellerin für erforderlich hält. Ebenso wenig kommt es aus diesem Grund auf die von der Antragstellerin erörterte Frage an, wer hinsichtlich einer Identität im Sinne der Rechtsprechung des EuGH darlegungspflichtig wäre und gegebenenfalls die Folgen der (materiellen) Beweislast zu tragen hätte. Insoweit weist der Senat allerdings darauf hin, dass die von der Antragstellerin angeführte wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung eine andere prozessuale Situation betrifft und dass insbesondere der von der Antragstellerin als beweispflichtig angesehene "Zulassungsinhaber" des Referenzprodukts hier nicht verfahrensbeteiligt ist.

2. Der auf Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichtete Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Begründung dieser Anordnung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt. Das Begründungserfordernis gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll die Behörde dazu anhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung mit Blick auf den grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsbehelf eintretenden Suspensiveffekt bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzugs sorgfältig zu prüfen. Zugleich soll der Betroffene über die für die Behörde maßgeblichen Gründe des von ihr angenommenen überwiegenden Sofortvollzugsinteresses informiert werden, damit darüber hinaus in einem möglichen Rechtsschutzverfahren dem Gericht die Erwägungen der Behörde zur Kenntnis gebracht und zur Überprüfung gestellt werden können (vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 4 B 228/04 -, ZfB 2005, 20, m.w.N.). Hiernach genügt zwar weder eine rein formelhafte Begründung noch die bloße Wiedergabe des Wortlautes der Ermächtigungsnorm für den Verwaltungsakt. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen, wenn die seinen Erlass rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen und die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar ist. Diesen Anforderungen wird die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Antragsgegners vom 22. September 2005 gerecht. Es liegt auf der Hand, dass die von Pflanzenschutzmitteln potenziell ausgehenden Gefahren kaum noch zu beherrschen sein dürften, wenn diese Mittel angewendet werden und gegebenenfalls in die Nahrungskette gelangen. Angesichts der hohen Bedeutung des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln für die Gesundheit von Mensch und Tier und den Naturhaushalt durfte der Antragsgegner die Begründung unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr knapp halten. Die Begründung der Anordnung lässt jedenfalls erkennen, dass der Antragsgegner Gesundheits- und Umweltschutz als öffentliche Belange von besonderer Dringlichkeit angesehen und diesen einen das - im Wesentlichen wirtschaftlich motivierte - Suspensivinteresse der Antragstellerin überragenden Stellenwert beigemessen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO)

Ende der Entscheidung

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