Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 26.08.2005
Aktenzeichen: OVG 12 A 1.05
Rechtsgebiete: LuftVG, LuftVZO, VwVfG, GG, VO (EWG) Nr. 2408/92


Vorschriften:

LuftVG § 6
LuftVG § 20
LuftVG § 21
LuftVZO § 44
LuftVZO § 45
LuftVZO § 48
VwVfG § 48
VwVfG § 49
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
VO (EWG) Nr. 2408/92 Art. 3
VO (EWG) Nr. 2408/92 Art. 8

Entscheidung wurde am 20.09.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein Leitsatz wurden hinzugefügt
1. Ein planfestgestellter Verkehrsflughafen kann durch Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung stillgelegt werden. Die Stillegung setzt auch dann eine behördliche Entscheidung voraus, wenn der Flugplatzunternehmer mit der Betriebsaufgabe einverstanden ist.

2. Die fehlende Dispositionsbefugnis des Flugplatzunternehmers über die luftrechtliche Genehmigung erstreckt sich nicht auf den Vertrauensschutz, den die Genehmigung ihm gegenüber entfaltet. Verzichtet er darauf, stellt sich der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung nicht als Eingriff dar. Einer Ermächtigungsgrundlage bedarf es daher nicht.

3. Dies gilt auch dann, wenn durch den Widerruf Rechte Dritter verletzt werden. Ihnen bleibt es unbenommen, im Wege der Drittanfechtung vorzugehen.

4. Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung für den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof, durch den die Unternehmen der Allgemeinen Luftfahrt auf den Verkehrsflughafen Schönefeld-Süd verwiesen werden, greift nicht in Rechte dieser Unternehmen ein. Dies gilt auch in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92. Mit Schönefeld-Süd steht ein angemessener Ersatzstandort zur Verfügung.

Gleiches gilt für die am Verkehrsflughafen Tempelhof operierenden Linienfluggesellschaften. Ihnen stehen mit den Flughäfen Tegel und Schönefeld ebenfalls angemessene Ersatzstandorte zur Verfügung.


OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 12 A 1.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts , den Richter am Oberverwaltungsgericht und den Richter am Verwaltungsgericht am 26. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist erstinstanzlich zuständig.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen nutzen den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof (THF) als Luftfahrtunternehmen. Sie wenden sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2004, mit dem er die Beigeladene von der Betriebspflicht für den Flughafen befreit und die Genehmigung (§ 6 LuftVG) widerrufen hat. Die Beigeladene rügt die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, soweit es um den Widerruf der Genehmigung geht. Sie hält insoweit das Bundesverwaltungsgericht für zuständig. Dem treten die Klägerinnen und der Beklagte entgegen.

II.

Die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, über die gemäß § 83 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab zu entscheiden ist, ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin - Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz (VerkPBG) - vom 19. Dezember 1991 (BGBl I S. 2174) liegen nicht vor. Danach entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für die Planung des Baus und der Änderung von Verkehrsflughäfen in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betreffen. Das ist der Fall, wenn ein Verwaltungsstreitverfahren einen unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 1 Abs. 1 VerkPBG hat. Ein derartiger Bezug besteht nicht nur bei Klagen unmittelbar gegen Planfeststellungsbeschlüsse oder Plangenehmigungen, sondern auch, wenn durch eine Maßnahme das Vorfeld eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens betroffen ist (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1994 - 7 VR 12.93 -, NVwZ 1994, 370; Beschluss vom 17. Oktober 1994 - 4 N 1.94 -, BVerwGE 97, 45, 47 ff.). Gleiches gilt, wenn darum gestritten wird, ob der (nicht planfestgestellten) Maßnahme ein Planfeststellungsverfahren hätte vorangehen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 1995 - 11 VR 11.95 -, NVwZ 1996, 393; Beschluss vom 11. Januar 2001 - 11 VR 16.00 -, NVwZ 2001, 566).

Gemessen daran liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 VerkPBG nicht vor. Hierbei kann offen bleiben, ob der Widerruf der nach § 6 LuftVG erteilten bzw. fingierten Genehmigung einen unmittelbaren und konkreten Bezug zu einem Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren aufweist. Selbst wenn dies der Fall wäre, müsste die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 5 VerkPBG, auf den das Bundesverwaltungsgericht bei seiner erweiternden Auslegung vorrangig abstellt, verneint werden. Dem Willen des Gesetzgebers zufolge bezweckt § 5 VerkPBG, den Ausbau der Verkehrswege und Verkehrsflughäfen in den neuen Ländern und Berlin sowie zwischen den alten und den neuen Ländern durch Verkürzung des Gerichtsverfahrens zu beschleunigen und divergierende Entscheidungen zu vermeiden (vgl. BT-Drs. 12/1092, S. 10). Dieses Motiv entfällt bei dem Rückbau oder der Stilllegung eines der in § 1 Abs. 1 VerkPBG genannten Vorhaben. Demnach erfordert die Stilllegung eines Verkehrsflughafens durch Widerruf der gemäß § 6 LuftVG erteilten Genehmigung nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz entscheidet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 83 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 17 a Abs. 3 GVG.

Ende der Entscheidung

Zurück