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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 05.03.2009
Aktenzeichen: OVG 12 B 56.07
Rechtsgebiete: ABKG


Vorschriften:

ABKG § 30
ABKG § 30 Abs. 2
ABKG § 41 Abs. 1 Nr. 2
ABKG § 41 Abs. 1 Nr. 3
ABKG § 41 Abs. 1 Nr. 4
ABKG § 41 Abs. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

OVG 12 B 56.07

Verkündet am 5. März 2009

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2009 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Merz und Plückelmann, die ehrenamtliche Richterin Böttcher und den ehrenamtlichen Richter Bork für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Pflichtmitgliedschaft in der Baukammer Berlin. Er ist Betriebswirt und von der Industrie- und Handelskammer Berlin öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken.

Mit Bescheid vom 16. März 2005 teilte die Baukammer Berlin dem Kläger mit, dass er aufgrund der Entscheidung des Eintragungsausschusses vom 14. März 2004 in das Verzeichnis der Pflichtmitglieder der Baukammer Berlin eingetragen worden sei.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 25. Juni 2007 statt und hob den angefochtenen Bescheid mit der Begründung auf, die im Berliner Architekten- und Baukammergesetz - ABKG - geregelten Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft in der Baukammer seien nicht erfüllt. Die Grundstücksbewertung sei kein Tätigkeitsbereich der im Bauwesen tätigen Ingenieure, da die Bestellung als Sachverständiger in diesem Bereich kein Ingenieurstudium voraussetze und dieses Aufgabengebiet in § 30 Abs. 2 ABKG nicht genannt sei. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liege im kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Bereich.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung. Sie ist der Ansicht, die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken gehöre zu den Berufsaufgaben eines im Bauwesen tätigen Ingenieurs, weil es sich bei der Gutachtertätigkeit um eine Übernahme von technischen und technisch-wissenschaftlichen Aufgaben im Sinne des § 30 ABKG handele. Dabei komme es weder darauf an, ob der Sachverständige Ingenieur sei, noch stehe entgegen, dass die Grundstücksbewertung in § 30 Abs. 2 ABKG nicht genannt werde. Der Gutachter habe bei der Bewertung eines bebauten Grundstückes u.a. den Zustand der Bausubstanz eines Gebäudes zu prüfen. Hierzu seien Kenntnisse der Bauphysik einschließlich der Akustik, der Baustoffkunde und der technischen Gebäudeausrüstung erforderlich. Die Beurteilung unbebauter Grundstücke erfordere Wissen auf dem Gebiet des Erd- und Grundbaus sowie der Umwelt- und Sicherheitstechnik, da z.B. zu untersuchen sei, ob auf dem Grundstück ein Keller errichtet werden könne und ob ggf. wegen des Grundwasserspiegels erhöhte bauliche Sicherungsmaßnahmen nötig seien. Des Weiteren müsse ein Gutachter in der Lage sein, eine etwaige Kontaminierung von Grundstücken festzustellen. Daher benötige ein im Bereich der Grundstücksbewertung tätiger Sachverständiger Kenntnisse aus mehreren Fachrichtungen des Bauingenieurwesens im Sinne von § 30 Abs. 2 ABKG.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege im kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Bereich. Die Würdigung technischer Aspekte beschränke sich auf die Beurteilung, ob und in welchem Umfang weitere gutachterliche Tätigkeiten von im Bauwesen tätigen Ingenieuren erforderlich seien oder ob sonstige Sondergutachten von Fachleuten eingeholt werden müssten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Baukammer Berlin vom 16. März 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken" ist der Kläger nicht Pflichtmitglied der Baukammer Berlin, da er nicht die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Nr. 4 des Berliner Architekten- und Baukammergesetzes - ABKG - vom 19. Juli 1994 (GVBl. S. 253, im Folgenden: a.F.) bzw. § 41 Abs. 1 Nr. 6 ABKG vom 6. Juli 2006 (GVBl. S. 720, im Folgenden: n.F.) erfüllt. Danach sind Pflichtmitglieder der Baukammer die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Tätigkeitsbereiche (a.F.) bzw. den Tätigkeitsbereich (n.F.) der im Bauwesen tätigen Ingenieure.

Ob diese Voraussetzung vorliegt, richtet sich nach Inhalt und Reichweite der jeweils in Rede stehenden Sachverständigenbestellung und ist durch einen Vergleich des Sachgebiets, für das die Bestellung ausgesprochen worden ist, mit dem Tätigkeitsbereich eines im Bauwesen tätigen Ingenieurs festzustellen. Letztere sind gemäß § 30 Abs. 2 ABKG Ingenieure, die in einer oder mehreren Fachrichtungen des Bauingenieur-, Vermessungs-, Wasserwirtschafts- oder Verkehrswesens, der Haustechnik (a.F.) bzw. der technischen Gebäudeausrüstung (n.F.), der Bauphysik einschließlich Akustik, der Baustoffkunde, der Bodenmechanik, des Erd- und Grundbaus sowie der Umwelt und Sicherheitstechnik für bauliche Anlagen und Baugrund tätig sind. Entspricht - wie hier - das Fachgebiet eines Sachverständigen nicht einer der in dem vorstehenden Katalog ausdrücklich genannten Fachrichtungen des Bauingenieurwesens bzw. kann es einer solchen nicht unzweifelhaft zugeordnet werden, ist zu untersuchen, wo der Schwerpunkt des Gebiets liegt, für das der Sachverständige bestellt worden ist. Grundlage einer solchen Prüfung können die jeweils einschlägigen fachlichen Bestellungsvoraussetzungen sein, sofern diese in allgemein gültiger Form vorliegen oder in sonstiger Weise bekannt sind. Ebenso kann der erforderliche, für das jeweilige konkrete Sachgebiet maßgebende Mindestinhalt eines Sachverständigengutachtens Anhaltspunkte für die gebotene vergleichende Betrachtung liefern. Sind derartige Unterlagen verfügbar, kommt es im Rahmen von § 41 Abs. 1 Nr. 4 ABKG a.F. bzw. § 41 Abs. 1 Nr. 6 ABKG n.F. weder auf die Art und Ausgestaltung der konkreten Sachverständigentätigkeit noch auf den Inhalt einzelner Gutachten an, denn Anknüpfungspunkt für die Kammerzugehörigkeit ist allein das Sachgebiet, für das der Sachverständige bestellt worden ist. Die Vorschrift gibt damit - anders als z.B. § 41 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ABKG a.F. bzw. § 41 Abs. 1 Nr. 3 und 4 ABKG n.F. - eine abstrakte Betrachtungsweise vor.

Die Auswertung der vom Institut für Sachverständigenwesen e.V. in Zusammenarbeit mit Fachleuten, Verbänden und den Kammern erarbeiteten sowie ständig aktualisierten und erweiterten fachlichen Bestellungsvoraussetzungen für das Gebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken" (Stand 02/2006) ergibt, dass der Schwerpunkt der Sachverständigentätigkeit in diesem Falle im wirtschaftlich-kaufmännischen Bereich liegt und sich nachhaltig von dem Tätigkeitsbereich im Bauwesen tätiger Ingenieure i.S.v. § 30 Abs. 2 ABKG unterscheidet.

Bereits die notwendige Vorbildung zeigt die kaufmännische Ausrichtung der Begutachtung, da deutlich mehr Möglichkeiten bestehen, auf diesem Gebiet ein Studium oder eine Berufsausbildung und die geforderte praktische Tätigkeit nachzuweisen, als im Bereich der Technik. Die fachlichen Anforderungen umfassen sechs Komplexe, von denen lediglich einer technische Kenntnisse betrifft. Selbst wenn man im vorliegenden Zusammenhang drei Komplexe außer Betracht ließe, weil sie sich teils spezifisch auf die Grundstücksbewertung (Pkt. 2.4: Wertermittlungsverfahren und ihre Anwendung), teils allgemein auf die Sachverständigentätigkeit beziehen (Pkt. 2.5.: Kenntnisse von Inhalt und Aufbau von Gutachten, Pkt. 2.6.: Kenntnisse der Grundsätze für die sachverständige Tätigkeit sowie zum Vertragsrecht und Datenschutz), sind die notwendigen wirtschaftlichen und rechtlichen Kenntnisse (Pkt. 2.1 und 2.3.) ersichtlich von größerer Bedeutung als die daneben verlangte Kompetenz in technischen Fragen. Nichts anderes ergibt eine Betrachtung des Stoffverzeichnisses für die Überprüfung der besonderen Sachkunde und der jeweils ausgewiesenen Vertiefungsgrade. So muss der Sachverständige bei technischen Fragen - ausgenommen DIN-Normen und technische Vorschriften - lediglich über Grundwissen oder vertiefte Kenntnisse verfügen, während er auf den übrigen Gebieten in jedem Fall vertiefte Kenntnisse sowie häufig Detailkenntnisse nachzuweisen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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