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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: OVG 12 N 224.07
Rechtsgebiete: WPO


Vorschriften:

WPO § 20 Abs. 2 Nr. 5
WPO § 130 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 12 N 224.07 OVG 12 L 102.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese am 15. Dezember 2008 beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. August 2007 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 15.000 Euro festgesetzt.

II. Auf die Beschwerde des Klägers wird die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. August 2007 geändert. Der Streitwert wird für die erste Rechtsstufe auf 15.000 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger zeigt nicht mit Erfolg auf, dass ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Es kann dahin stehen, ob das Verwaltungsgericht den Kläger tatsächlich nicht über die Beiziehung der in dem Zulassungsantrag angeführten Auskünfte und des gegen ihn ergangenen Strafbefehls informiert bzw. ihm insoweit keine (ausreichende) Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt und dadurch gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verstoßen hat. Jedenfalls fehlt es an einer Darlegung, inwieweit die angegriffene Entscheidung auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruhen kann. Hierzu hätte der Kläger ausführen müssen, was er bei ausreichender Gehörsgewährung vorgetragen und inwieweit dieser Vortrag zu einem für ihn günstigeren Ergebnis geführt hätte (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: März 2008, § 124 a Rn. 114 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Gemessen daran reicht der pauschale und im Einzelnen nicht nachvollziehbare Einwand des Klägers, der Insolvenzverwalter habe es unterlassen, bereits erfolgte Zahlungen in seine Forderungsaufstellung einzubeziehen, nicht aus.

2. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Rüge des Klägers, dass das Verwaltungsgericht den Begriff " anderer Personen" im Sinne von § 20 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer - Wirtschaftsprüferordnung - (WPO) in der bis zum Inkrafttreten des Berufsaufsichtsreformgesetzes vom 3. September 2007 (BGBl I S. 2178) gültigen Fassung unzutreffend ausgelegt habe, weil hiermit nicht jeder Dritte gemeint sein könne, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Dies gilt auch dann, wenn man mit dem Kläger unterstellt, dass es bei den Interessen Dritter nicht um die Interessen der Sozialversicherungsträger, der Steuerbehörden und der privaten Gläubiger geht. Das Verwaltungsgericht ist nämlich auch aufgrund einer Gesamtwürdigung des klägerischen Verhaltens und seiner Persönlichkeit zu dem Ergebnis gelangt, dass hier keine Ausnahme von dem Regelfall des § 20 Abs. 2 Nr. 5 WPO vorliegt.

Bei der Prüfung, ob der Widerruf der Bestellung trotz nicht geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse ausnahmsweise wegen fehlender Interessengefährdung unterbleiben kann, ist zu berücksichtigen, dass ein Wirtschaftsprüfer wichtige Kontrollfunktionen nicht nur gegenüber seinem Auftraggeber, sondern auch zugunsten der Öffentlichkeit, des Kapitalanlegerschutzes und des Gläubigerschutzes (und damit zugunsten von Kapitalanlegern oder Unternehmensgläubigern) übernimmt. Es bedarf daher - auch mit Rücksicht auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis - des Nachweises besonderer Umstände, um trotz nicht geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse eine Interessengefährdung ausschließen zu können. Hierbei ist eine Nichtgefährdung erst dann anzunehmen, wenn sie hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005, BVerwGE 124, 110, 123).

Gemessen daran durfte das Verwaltungsgericht aus den von ihm angeführten, gegen den Kläger sprechenden Umständen den Schluss ziehen, dass der Kläger die gesetzliche Vermutung, wonach durch die nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse Interessen Dritter (potentiell) gefährdet werden, nicht entkräftet hat. Dem angegriffenen Urteil zufolge beliefen sich die Forderungen während des Insolvenzverfahrens, das nicht der Kläger selbst, sondern ein Dritter eingeleitet hatte, auf die erhebliche Summe von rund 1,1 Mio Euro. Ferner war der Haftpflichtversicherungsschutz des Klägers zweimal unterbrochen, der Kläger hat Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt und ist deswegen zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt worden. Er hat Steuerrückstände über einen längeren Zeitraum hinweg erst nach Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen beglichen und war auch seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber privaten Gläubigern zumindest seit 2003 nicht mehr ordnungsgemäß nachgekommen. Zu dieser Situation hatte der Kläger den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zufolge auch durch eigenes Fehlverhalten beigetragen.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger den von ihm vorgelegten Anstellungsvertrag geschlossen hat, wonach er u.a. unter der Überwachung seines Arbeitgebers steht. Auch insoweit ist das Verwaltungsgericht im Hinblick auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Klägers und dessen Persönlichkeit, davon ausgegangen, dass eine Gefährdung der Interessen Dritter trotz der in dem Anstellungsvertrag vereinbarten Maßnahmen nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden könne. Mit dieser Würdigung, die auf die Gesamtumstände des Einzelfalles abstellt, setzt sich der Zulassungsantrag nicht in dem gebotenen Maße (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) auseinander. Er beruft sich allein auf die in dem Anstellungsvertrag vereinbarten Maßnahmen und behauptet lediglich pauschal, dass Steuer- und Sozialversicherungsrückstände sowie entfallener Versicherungsschutz, die letztlich zur Einleitung des Insolvenzverfahrens geführt hätten, in Zukunft keine Gefährdung mehr darstellen könnten.

Unabhängig davon wäre die Würdigung des Verwaltungsgerichts auch nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein in bestimmter Weise ausgestaltetes Anstellungsverhältnis und die effektive Überwachung zwar eine Ausnahme rechtfertigen können, jedoch auch weitere Umstände des Einzelfalles wie z.B. das Verhalten des betroffenen Wirtschaftsprüfers und die Ursache für die nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind (BVerwG, a.a.O., S. 123 f.).

Hier geht zu Lasten des Klägers, dass er sich während seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer strafbar gemacht hat, indem er als Arbeitgeber über einen Zeitraum von immerhin rund zwei Jahren einbehaltene Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von rund 26.000 Euro vorenthalten hat. Ferner war den nicht bezweifelten Feststellungen des Verwaltungsgerichts zufolge der Haftpflichtversicherungsschutz zweimal unterbrochen, und der Kläger hat der Entstehung nicht geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse nicht rechtzeitig entgegengewirkt. Angesichts dieses - zum Teil strafbaren - Fehlverhaltens ist die Annahme einer fortbestehenden Gefährdung Dritter trotz der in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Maßnahmen gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, als das Verwaltungsgericht von einem Fortbestand der nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse ausgegangen ist und der Kläger dies innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht mit Erfolg in Frage gestellt hat. Soweit der Kläger schließlich einwendet, dass er den Anstellungsvertrag rechtzeitig geschlossen habe, hat das Verwaltungsgericht hierauf letztlich nicht entscheidungserheblich abgestellt. Unabhängig davon ist der Anstellungsvertrag tatsächlich erst unter dem Druck des Widerrufsverfahrens geschlossen worden (vgl. insoweit zum Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Anwaltsgerichtshof Schleswig, Beschluss vom 2. Mai 2005, BRAK-Mitt. 2005, 193).

Entgegen der Auffassung des Klägers wäre es der Beklagten nicht möglich gewesen, vor der Verfügung des Widerrufs zunächst Auflagen zu verhängen. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 5 WPO ist der Widerruf im Fall nicht geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse zwingend vorgeschrieben, für andere - weniger belastende - Ordnungsmaßnahmen ist der gesetzlichen Konzeption der Wirtschaftsprüferordnung zufolge kein Raum (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005, BVerwGE 124, 110, 132). Diese Regelung ist auch mit Grundrechten des Wirtschaftsprüfers vereinbar (BVerwG, a.a.O., S. 126 ff.).

Soweit der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 7. Juli 2008 Umstände anführt, die zu einer erheblichen Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse geführt hätten, ist dies hier unbeachtlich. Eine Änderung der Sachlage kann im Berufungszulassungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn der Kläger die maßgeblichen neuen Tatsachen innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend macht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 2002, NVwZ 2003, 490, 491; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 124 Rn. 97). Das ist hier nicht der Fall.

II. Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die nach § 52 Abs. 1 GKG für die Wertbestimmung maßgebende Bedeutung der Sache für den Kläger ist - in Anlehnung an die entsprechende Empfehlung des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 14.1, Fassung 7/2004, NVwZ 2004, 1327) - mit dem dort genannten Mindestbetrag von 15.000 Euro zu veranschlagen. Eine darüber hinausgehende Pauschalierung, die sich an dem von Wirtschaftsprüfern oder vereidigten Buchprüfern generell erzielten zu versteuernden Einkommen orientiert, kommt in den Fällen eines Widerrufes nach § 20 Abs. 2 Nr. 5 WPO angesichts der regelmäßig bestehenden Überschuldung nicht in Betracht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 12 N 225.07-, Beschluss vom 17. März 2008 - OVG 12 N 25.08 -). Allerdings sieht sich der Senat im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht veranlasst, von dem - insoweit pauschalen - Mindestbetrag des Streitwertkataloges nach unten abzuweichen.

III. Die Kostenentscheidung folgt - soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung betroffen ist - aus § 154 Abs. 2 VwGO, in Bezug auf die Streitwertbeschwerde aus § 68 Abs. 3 GKG. Die Streitwertfestsetzung für das Verfahren zweiter Instanz beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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