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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 31.05.2007
Aktenzeichen: OVG 12 N 55.07
Rechtsgebiete: AGGVG, BRAO, BO, VwGO


Vorschriften:

AGGVG § 20
BRAO § 59 b
BRAO § 59 b Abs. 2 Ziff. 6 Buchst. c
BO § 20
BO § 20 Satz 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 12 N 55.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese am 31. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Juli 2006 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Allgemeine Verfügung der Senatsverwaltung für Justiz über die Amtstracht der Berliner Rechtspflegeorgane vom 3. Februar 2004 (ABl. Bln S. 706). Unter Ziff. I 1. Buchst. e ist bestimmt, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zum Tragen einer Amtstracht berechtigt und verpflichtet sind. Ziffer II legt fest, dass die Amtstracht aus einer Robe von schwarzer Farbe besteht, die bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten einen Besatz aus Seide aufweist. Soweit darüber hinaus bestimmt wird, dass Frauen zur Amtstracht eine weiße Bluse und ggf. eine weiße Schleife, Männer ein weißes Hemd und eine weiße Krawatte tragen, ist festgelegt, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte entsprechend gekleidet sein sollen, dabei jedoch statt der weißen eine andere unauffällige Farbe wählen können.

Die auf Aufhebung dieser Verfügung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 19. Juli 2006 abgewiesen. Es hat den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht als gegeben angesehen und zur Begründung ausgeführt, im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bilde § 20 AGGVG die Rechtsgrundlage, für die übrigen Gerichtsbarkeiten könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Gewohnheitsrecht zurückgegriffen werden. Die Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung stünden dem nicht entgegen. Insbesondere habe § 59 b Abs. 2 Ziff. 6 Buchst. c BRAO nichts an einer staatlichen Regelungskompetenz für die Berufstracht innerhalb der Normenkomplexe "Gerichtsverfassung" und "gerichtliches Verfahren" geändert.

Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger geltend macht, er wende sich nicht gegen die Verpflichtung zum Tragen einer Berufstracht, sondern nur dagegen, dass ihm diese Pflicht von staatlicher Seite auferlegt werde.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Solche sind nur dann gegeben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wenn also ein Erfolg der Berufung wahrscheinlicher erscheint als ein Misserfolg. Maßgebliche Zweifel in diesem Sinne setzen danach voraus, dass die Angriffe gegen die Entscheidungsgründe zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses begründen. Daran fehlt es hier.

Indem der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuordnung des anwaltlichen Berufsrechts vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) § 59 b in die Bundesrechtsanwaltsordnung eingefügt hat, hat er auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zustehenden Gesetzgebungskompetenz für das Gebiet der Rechtsanwaltschaft Gebrauch gemacht. Gemäß § 59 b Abs. 2 Ziff. 6 Buchst. c betrifft der Regelungskomplex auch das umstrittene Thema der Berufstracht für Rechtsanwälte, das nunmehr durch Satzung in einer Berufsordnung bestimmt werden soll. Dem haben die Organe der Anwaltschaft mit § 20 der Berufsordnung entsprochen. Danach ergibt sich die Pflicht für eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt, vor Gericht als Berufstracht die Robe zu tragen, unmittelbar aus § 20 Satz 1 der Berufsordnung. Für eine darüber hinausgehende normative Anordnung ist kein Raum (so Holl in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, Kommentar 2. Aufl. 2001 § 20 Berufsordnung, Rdnr. 20 ff.; Koch in Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar 2. Auflage 2004 § 59 b BRAO Rdnr. 9 ff.; Eylmann, AnwBl. 1996, S. 190; a.A. Braun, BRAK-Mitt. 1996, S. 181).

Hat der Bundesgesetzgeber - wie dargelegt - im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung einen Regelungsgegenstand - wie die anwaltlichen Berufspflichten - aufgegriffen, so entfaltet dieser Vorgang gemäß Art. 72 Abs. 1 GG Sperrwirkung für eine Gesetzgebungstätigkeit der Länder, solange und soweit der Bund einen Komplex erschöpfend geregelt hat. Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr hat das Tätigwerden des Bundesgesetzgebers mit der Einfügung des § 59 b BRAO und dem auf dieser Grundlage erlassenen § 20 der Berufsordnung lediglich dazu geführt, dass das Tragen einer Robe als Berufstracht, soweit das üblich ist, festgelegt worden ist. Dieser Verweis auf die Üblichkeit schließt es aus, von einer erschöpfenden Regelung im Sinne der von Art. 72 Abs. 1 GG ausgehenden Sperrwirkung zu sprechen. Folglich bleibt auf der Ebene unterhalb der Grundpflicht zum Tragen einer Berufstracht Raum für ergänzende Regelungen der Länder im Rahmen ihrer Justizhoheit (so auch Weber, NJW 1998 S. 1674). In diesen Zusammenhang ist die vom Kläger angefochtene Allgemeine Verfügung des Beklagten einzuordnen. Sie ist wegen der zuvor beschriebenen Sperrwirkung des Bundesrechts für das Tragen einer Robe nicht konstitutiv, doch bestimmt sie auf der Grundlage des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz und ergänzend des Gewohnheitsrechts die Üblichkeit im Sinne des § 20 der Berufsordnung. Solange weder der Bundesgesetzgeber noch die Satzungsorgane der Anwaltschaft insoweit eigene Festlegungen aufgestellt haben, bestehen die Regelungskompetenzen der Länder in diesem eingeschränkten Sinne fort.

2. Auch unter dem Gesichtspunkt besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann eine Zulassung der Berufung nicht erfolgen. Eine Rechtssache weist nur dann besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern. Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, wenn der Ausgang des Rechtsstreits auf Grund der summarischen Prüfung im Zulassungsverfahren als offen erscheint. An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Zwar hat der Bundesgesetzgeber mit dem zitierten Gesetz vom 2. September 1994 von seiner konkurrierenden Zuständigkeit auf dem Gebiet der Rechtsanwaltschaft Gebrauch gemacht, doch hat dies nicht zu einer erschöpfenden Regelung im Zusammenhang mit der Berufspflicht zum Tragen einer Berufstracht geführt. Eine ergänzende Regelungskompetenz des Landes Berlin ist deshalb erhalten geblieben.

3. Soweit der Kläger darüber hinaus die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist eine solche - von der im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht ausreichenden Darlegung des Zulassungsgrundes abgesehen - nicht gegeben. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger die ihm obliegenden Pflicht, als Rechtsanwalt vor Gericht eine Berufstracht zu tragen, ebenso wenig in Zweifel zieht wie die dazu in der Allgemeinen Verfügung der Senatsverwaltung für Justiz geregelten Einzelheiten. Allein der Wunsch nach Klärung, ob die Farbe der Robe, die Art des Besatzes auf der Robe und die Farbe von Hemd und Krawatte neben der Grundregel des § 20 der Berufsordnung landesrechtlich festgelegt werden kann, verleiht der Angelegenheit keine über den Einzelfall hinausgehende Klärungsbedürftigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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