Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: OVG 2 A 7.06
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, BImSchG, AGBauGB, VvB


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 21
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 24
BauGB § 9 Abs. 8
BauGB § 214 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 214 Abs. 1 Nr. 4
BauNVO § 23
BImSchG §§ 41 f.
BImSchG § 50
AGBauGB § 6 Abs. 3
AGBauGB § 6 Abs. 4
AGBauGB § 8 Abs. 1
AGBauGB § 8 Abs. 3
AGBauGB § 9
AGBauGB § 32
VvB Art. 64 Abs. 3
1. Die bei Bebauungsplänen von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung von der zuständigen Senatsverwaltung vorzunehmende Abwägung muss abschließend vor der erforderlichen Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin erfolgen

2. Die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes neben einem Kerngebiet kann bei einer Bestandsüberplanung im zentralen innerstädtischen Bereichen mit dem Trennungsgrundsatz und dem Gebot der Konfliktbewältigung vereinbar sein.

3. Eine Baukörperausweisung, die nur dem Zweck dient, ein vorhandenes Gebäude in seinem Bestand zu sichern, fehlt es an einer städtebaulichen Rechtfertigung.


OVG 2 A 7.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Günther und Bauer für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bebauungsplan I-202 c vom 29. August 2005 im Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte, verkündet am 16. September 2005 (GVBl. S. 472), ist unwirksam, soweit im allgemeinen Wohngebiet Baugrenzen, die zulässige Geschossfläche und die zulässige Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt werden.

Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin drei Viertel und der Antragsgegner ein Viertel mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen den Bebauungsplan I-202 c vom 29. August 2005, verkündet am 16. September 2005 (GVBl. S. 472), in Berlin-Mitte, Ortsteil Mitte.

Das Plangebiet ist ca. 2,6 ha groß und liegt im Übergangsbereich von der Friedrichstadt im Osten und dem Großen Tiergarten im Westen innerhalb der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme "Hauptstadt Berlin - Parlaments- und Regierungsviertel".

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des im Plangebiet liegenden 4390 m² großen Grundstücks W____straße 56-59. Dieses und die weiteren Grundstücke der Antragstellerin an der W____- und V____straße wurden in den Jahren 1987 bis 1992 mit sieben- bis achtgeschossigen Wohngebäuden in Plattenbauweise bebaut. Für das Grundstück der Antragstellerin weist der Bebauungsplan als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet aus. Das östlich angrenzende, mit zwei- bis siebengeschossigen Gebäuden bebaute Grundstück wird für Zwecke der Bundesverwaltung genutzt und ist im Bebauungsplan als Kerngebiet ausgewiesen. Südlich und westlich des Grundstücks der Antragstellerin wird eine 20 bis 22 m breite Verkehrsfläche festgesetzt, die der Verlängerung der Französischen Straße von der Mauerstraße im Osten bis zur Ebertstraße im Westen dient. Im Bereich zwischen der Ebertstraße und der W____straße ist die Straßentrasse als Hannah-Arendt-Straße zur Erschließung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas bereits fertig gestellt. Der zukünftige Straßenabschnitt zwischen Mauerstraße und W____straße ist in der Vergangenheit von einer Bebauung freigehalten worden. Südlich der geplanten Straßentrasse weist der Plan eine weitere Fläche als Kerngebiet aus. Auf dem bislang unbebauten Areal ist ein Erweiterungsbau des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geplant. Zur Reduzierung der Schallbelastungen der Freiflächen durch die geplante Verlängerung der Französischen Straße wird im Bebauungsplan durch eine textliche Festsetzung auf dem Grundstück der Antragstellerin die Errichtung einer mindestens sieben Meter hohen Lärmschutzwand, die auf der der Straße zugewandten Seite mindestens bis zu einer Höhe von fünf Metern als hochabsorbierende Wand auszuführen ist, festgesetzt.

Der Bebauungsplan setzt darüber hinaus auf dem Grundstück der Antragstellerin Baugrenzen fest, die den Grundriss des vorhandenen Wohngebäudes nachzeichnen. Das zulässige Maß der Nutzung wird durch die Festsetzung einer dem Bestand entsprechenden Geschossfläche von 11 000 m² und durch Traufhöhenfestsetzungen, die den Traufhöhen des vorhandenen Gebäudes entsprechen, bestimmt.

Anlass der Planung war das Erfordernis, nach der Vereinigung Berlins für den Bereich zwischen den früheren Ministergärten und dem Spreeufer wieder eine der historischen und stadträumlichen Bedeutung angemessene Bebauung und Nutzung einschließlich der hierfür erforderlichen Verkehrsverbindungen zu ermöglichen. Am 8. Dezember 1993 beschloss die damalige Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen die Aufstellung eines Bebauungsplans I-202 für das Gelände der ehemaligen Ministergärten zwischen der Behrenstraße, Wilhelmstraße, Voßstraße und Ebertstraße. Durch den Bebauungsplan sollten die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bau eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas, für die Errichtung von Ländervertretungen, Wohnungen sowie Sporteinrichtungen geschaffen werden.

Mit Beschluss vom 30. Oktober 1995 entschied die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen den räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans I-202 zu teilen und zwei Bebauungspläne I-202 a und I-202 b aufzustellen. Mit der Teilung werde dem Umstand Rechnung getragen, dass wegen kontrovers diskutierter Wettbewerbsergebnisse nicht absehbar sei, welche Gestalt das vorgesehene Denkmal für die ermordeten Juden Europas haben werde. Zur Ansiedlung der Vertretungen der Länder beim Bund sei jedoch die zügige Schaffung von Planungsrecht auf dem dafür vorgesehenen Areal zwingend erforderlich.

In der ersten Sitzung des aus Vertretern des Senats von Berlin bestehenden Ausschusses "Berlin 2000" wurde am 7. Mai 1996 eine weitere Änderung der Planbereiche der Bebauungspläne I-202 a und I-202 b und die Aufstellung eines eigenständigen Bebauungsplans I-202 c zur Realisierung der Verlängerung der Französischen Straße beschlossen und ein entsprechender Beschluss am 3. Juli 1996 durch die Senatsverwaltung gefasst. Hierdurch sollte das Planungsrecht für den Bau einer Straße durch die Ministergärten in Höhe der Französischen Straße gemäß der Beschlusslage des Senats und des gemeinsamen Ausschusses Bund/Berlin geschaffen werden.

Im Rahmen der frühzeitigen Bürger- und der Trägerbeteiligung und der öffentlichen Auslegung gingen zahlreiche den Straßenbau ablehnende Stellungnahmen ein. Das Abgeordnetenhaus sprach sich mit Beschluss vom 12. November 1998 ebenfalls gegen die Verlängerung der Französischen Straße aus. Ungeachtet dessen führte die zuständige Senatsverwaltung das Planungsverfahren weiter.

Im Laufe des Planungsverfahrens holte der Antragsgegner in den Jahren 1998 und 2001 mehrere auf den jeweils aktuellen Verkehrsprognosen für den Innenstadtbereich basierende schalltechnische Gutachten des Ingenieurbüros ACCON ein. Alle Untersuchungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass in weiten Bereichen des Plangebietes Grenzwertüberschreitungen hinsichtlich der 16. BImSchV vorliegen, und die Gesamtlärmbelastung der vorhandenen Wohngebäude sehr hoch ist. Als Spitzenbelastung wurde für das östlich der W____straße gelegene Wohngebäude der Antragstellerin ein Beurteilungspegel von bis zu 78 dB(A) ermittelt (Gutachten vom 31. März 1998 Nr. 6121_1 Teil 1).

Der Senat von Berlin beschloss in seiner Sitzung am 8. April 2003, den erarbeiteten Bebauungsplanentwurf mit Begründung dem Abgeordnetenhaus zur Zustimmung vorzulegen. Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat mit Beschluss vom 11. Dezember 2003 dem Bebauungsplan zugestimmt. Im nachfolgenden Festsetzungsverfahren ist der Bebauungsplanentwurf von der zuständigen Senatsverwaltung unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass eine Rechtsprüfung vor der Vorlage an das Abgeordnetenhaus nicht stattgefunden habe, nicht vorhersehbare verkehrliche Auswirkungen in den Nachbarplanbereichen bzw. Entscheidungen über Verkehrsmaßnahmen (Behrenstraße) abzuwarten gewesen seien, Unterlagen und Aussagen zur Beurteilung gefehlt hätten und die "nüchterne" bzw. missverständliche Begründung z.B. hinsichtlich der sehr wohl vorgesehenen Schallschutzmaßnahmen einer Ergänzung bedurft hätte, einer eingehenden Überarbeitung unterzogen worden. In diesem Rahmen wurde die Begründung des Bebauungsplans, einschließlich der Ausführungen zur Abwägung, umfassend überarbeitet sowie die Planurkunde geändert. Die Verfahrensbeschreibung in der Begründung zum Bebauungsplan erfuhr eine Erweiterung um die Wiedergabe der im Laufe des Verfahrens gemachten Anregungen und der diesbezüglichen Abwägung im Umfang von siebeneinhalb Seiten. Die Darstellung der Abwägung wurde hinsichtlich des Abwägungsverlaufs korrigiert. Die in der Planurkunde enthaltene Ausweisung der geschlossenen Bauweise für das allgemeine Wohngebiet und die Kerngebiete wurde mit der Begründung gestrichen, wegen der erweiterten Baukörperausweisung im Bebauungsplan erübrige sich eine Festsetzung der Bauweise. Wegen der Einzelheiten der Änderungen wird auf den Vermerk vom 9. August 2005 (VV Band 4, Bl. 945 - 946) sowie die sämtliche Änderungen kenntlich machende Fassung der Begründung vom 5. August 2005 (VV Band 4, Bl. 955 bis 1007) Bezug genommen.

Die Rechtsverordnung über den Bebauungsplan vom 29. August 2005 ist im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 16. September 2005 (GVBl. S. 472) verkündet worden.

Mit dem am 7. September 2006 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrag macht die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes geltend: Sowohl die öffentliche Auslegung als auch die Trägerbeteiligung seien fehlerhaft gewesen, da danach das Schallschutzgutachten von 1998 noch einmal überarbeitet worden sei. Weder die beteiligten Bürger noch die beteiligten Träger hätten sich damit ein zutreffendes Bild von der Immissionssituation machen können. Das Entwicklungsgebot sei verletzt worden. Die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes stehe mit dem Flächennutzungsplan nicht in Einklang. Das Abwägungsmaterial sei nicht zutreffend ermittelt worden. Das schalltechnische Gutachten vom 23. Juli 2001 berücksichtige nicht, dass die bislang unbebaute Fläche auf der dem Grundstück der Antragstellerin gegenüberliegenden Seite der Französischen Straße bebaut werden solle und dann den Schall reflektieren werde. Die Festsetzung der Lärmschutzwand sei nicht Ergebnis einer Abwägung, sondern sie sei dem Gutachter in das Gutachten hineindiktiert worden. Hinzu komme, dass die DIN 18005 nicht für die Bewertung des Straßenlärmes herangezogen worden sei. Eine sachgerechte Abwägung der von der geplanten Straße zu erwartenden Lärmemissionen habe nicht stattgefunden. Durch den Straßenneubau, die Festsetzung von Kerngebieten und eines unmittelbar angrenzenden allgemeinen Wohngebiets werde gegen die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse verstoßen.

Die Festschreibung der Wohnnutzung beruhe auf willkürlichen, der Sicherung des Plattenbaubestandes dienenden Überlegungen. Hinsichtlich der Verlängerung der Französischen Straße sei der ganze Abwägungsvorgang undurchsichtig. Es habe offensichtlich zunächst eine verbindliche politische Willensbildung zugunsten des Straßenneubaus stattgefunden und hieran habe der Antragsgegner trotz aller Einwände der Betroffenen festgehalten. Die Planung habe, wie sich aus den Unterlagen ergebe, offenbar unbeirrt durchgezogen werden sollen. Die Nutzung ihres Grundstücks werde durch die Festsetzung von am Bestand orientierten Baugrenzen erheblich beeinträchtigt. Die Baugrenzen seien städtebaulich nicht zu rechtfertigen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum gerade bei ihrem Grundstück von der geschlossenen Bauweise, die für die Friedrichstadt das städtebauliche Ziel sei, abgewichen werde. Es sei nicht ersichtlich, warum der Bestand gesichert werden solle. Offensichtlich spiele der Schutz der Wohnbevölkerung eine wesentliche Rolle. Die Schallschutzwand sei abwägungsfehlerhaft. Eine derartige monströse Konstruktion sei städtebaulich nur dann zulässig, wenn eine andere Möglichkeit der Konfliktlösung ausscheide. Eine solche habe sie während des Planverfahrens dem Antragsgegner mehrfach in Form einer Blockrandschließung angeboten.

Fehlerhaft sei auch die Teilung der Geltungsbereiche der Bebauungspläne. Sie führe dazu, dass der konfliktträchtige Straßenbau gleichsam aus dem übrigen Planwerk "herausoperiert" wurde. Dies sei städtebaulich widersinnig. Auffällig sei, dass sich die Planungsinhalte der neu geschaffenen Bebauungspläne I-202 a bis c vom Inhalt des ursprünglichen Plans I-202 kaum unterschieden. Es sei daher keineswegs so, dass die aufgeteilten Bebauungspläne jeweils noch in erheblichem Umfang weiterentwickelt worden wären.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bebauungsplan I-202 c im Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte, vom 29. August 2005, bekannt gemacht am 16. September 2005, für unwirksam zu erklären.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Der Antragsgegner beantragt,

den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Der Antrag sei rechtsmissbräuchlich, da die Antragstellerin im Rahmen einer 2004 geschlossenen Vereinbarung über die Ablösung des entwicklungsrechtlichen Ausgleichsbetrags den Bebauungsplanentwurf akzeptiert habe. Ein Verfahrensfehler bei der öffentlichen Auslegung liege nicht vor, da sich durch das später erstellte Gutachten die Planung nicht geändert habe. Der Flächennutzungsplan lasse im Einvernehmen mit dem Bund die Entwicklung von Wohn- und Mischnutzungen aus Sonderbauflächen - Hauptstadtfunktion zu. Die Teilung der Bebauungspläne sei ausschließlich aus zeitlichen Gründen erfolgt. Der erforderliche Zusammenhang der Bebauungspläne sei durch die Entwicklungsmaßnahme und die parallelen Aufstellungsverfahren sichergestellt gewesen.

Hinsichtlich der Lärmschutzwand seien vom Gutacher verschiedene Varianten geprüft worden. Die Lärmschutzwand sei erforderlich, weil eine Blockrandbebauung nur eine Angebotsplanung sei und daher nicht sichergestellt werden könne, dass im Zeitpunkt des Straßenbaus die Lärmschutzbebauung errichtet sei. Die DIN 18005 sei nicht anzuwenden gewesen, weil deren Grenzwerte an vielen Stellen nicht eingehalten werden könnte. Gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse würden gerade durch die vorgesehene Lärmschutzwand sichergestellt werden. Für das Kerngebiet sei auf eine Festsetzung eines Mindestanteils für Wohnnutzungen verzichtet worden, weil die Kerngebiete für eine Wohnnutzung wegen fehlender Freiflächen bzw. wegen der vorgesehenen Nutzung durch ein Bundesministerium hierfür nicht geeignet gewesen wären. Hingegen sei die Sicherung der vorhandenen Wohnnutzung eine gewichtige Forderung der Bürger im Vorfeld der Planungsüberlegungen gewesen. Die konkrete Abwägung sei nicht zu beanstanden. Entscheidend sei insoweit die Letztabwägung durch die Senatsverwaltung nach der Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus. Auf die ablehnende Stellungnahme des Abgeordnetenhauses aus dem Jahr 1998 komme es daher nicht an. Außerdem habe es dem Bebauungsplan 2003 zugestimmt. Das Verkehrskonzept werde ständig überdacht und sei zuletzt im Juli 2003 überarbeitet worden. Ein vierstreifiger Ausbau der Französischen Straße sei nicht möglich, da die zur Verfügung stehende Fahrbahnbreite von 20 m zwischen Mauer- und W____straße für einen solchen Ausbau nach den einschlägigen Vorgaben für Hauptverkehrsstraßen nicht genüge. Die Baukörperausweisung sei erforderlich gewesen, um den Bestand zu sichern. Eine Blockrandbebauung käme wegen des schon eingetretenen Verlusts an Freiflächen und der bei einem weiteren Heranrücken der Bebauung an die Straße erhöhten Lärmproblematik nicht in Betracht. Zudem sei die Grundstückssituation durch die Sicherung der Erschließung für das angrenzende Grundstück begrenzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag hat teilweise Erfolg.

I. Der Antrag ist zulässig.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie macht als Eigentümerin eines Grundstücks, das innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans an der W____straße liegt, in einer den Anforderungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genügenden Weise geltend, durch die planerischen Festsetzungen in subjektiven Rechten verletzt zu sein. Die Antragstellung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Der mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 27. September 2007 vorgelegte Vertrag vom 6. April 2004 zwischen der Antragstellerin und dem Land Berlin über die Ablösung eines entwicklungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nach § 154 Abs. 1 BauGB führt nicht zum Verlust des Antragsrechts. Aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt sich weder ein ausdrücklicher Verzicht der Antragstellerin, die Rechtmäßigkeit des künftigen Bebauungsplans gerichtlich überprüfen zu lassen, noch kann ein solcher indirekt den in dem Vertrag enthaltenen Bezugnahmen auf das Bebauungsplanverfahren, die allein dazu dienten, die Höhe des Ausgleichsbetrages auf Grundlage des damaligen Planungsstandes zu bestimmen, entnommen werden. Die Abgeltungsregelung in § 3 Abs. 4 des Vertrags beschränkt sich ausschließlich auf die sich aus der Entwicklungsmaßnahme ergebenden finanziellen Verpflichtungen.

Der Normenkontrollantrag wurde auch fristgemäß gestellt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung i.V.m. § 195 Abs. 7 VwGO). Inwieweit die Zulässigkeitsanforderungen des § 47 Abs. 2 a VwGO erfüllt sind, bedarf keiner abschließenden Klärung, da auf die Rechtsfolgen der durch Änderungsgesetz vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) in die VwGO eingefügten und am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Vorschrift nicht - wie darin gefordert - schon im Rahmen des Beteiligungsverfahrens hingewiesen worden ist, weil noch nicht darauf hingewiesen werden konnte.

II. Der Antrag ist teilweise begründet.

1. Da das Bebauungsplanverfahren vor dem 14. März 1999 förmlich eingeleitet worden ist, findet nicht § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB, sondern die allgemeine Regelung des § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB und demnach das im Zeitpunkt der förmlichen Einleitung des Verfahrens im Jahr 1996 durch amtliche Bekanntmachung des Teilungs- und Aufstellungsbeschlusses vom 3. Juli 1996 (Amtsblatt vom 26. Juli 1996, S. 2571) geltende BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253) - BauGB a.F. - , mit den jeweiligen Gesetzesänderungen, Anwendung, sofern der Antragsgegner nicht begonnene gesetzlich vorgeschriebene Verfahrensschritte wahlweise nach diesen Vorschriften durchgeführt hat (§ 233 Abs.1 Satz 2 BauGB). Die Frage der möglichen Planerhaltung beurteilt sich dagegen gemäß § 233 Abs. 2 BauGB nach den §§ 214, 215 BauGB in der jeweils neuesten Fassung.

Für das landesrechtliche Verfahrensrecht ist das Ausführungsgesetz zum Baugesetzbuch vom 11. Dezember 1987 (GVBl. S. 2731) in der Fassung des Gesetzes vom 7. November 1999 (GVBl. S 578), geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2004 (GVBl. S. 524) - AGBauGB -, maßgeblich.

2. Die Rüge der Antragstellerin, die frühzeitige Bürgerbeteiligung und die öffentliche Auslegung litten an einem Verfahrensfehler, weil die schalltechnischen Gutachten später noch einmal überarbeitet wurden, ohne dass eine neue Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat, ist zwar fristgemäß innerhalb von zwei Jahren gegenüber dem Antragsgegner erhoben worden (§ 214 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BauGB n.F. i.V.m. § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung des EAG vom 20. Juli 2004 - BauGB 2004 - i.V.m. § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB n.F.). Die Rüge ist aber unbegründet. Der Antragsgegner weist zutreffend darauf hin, dass eine Wiederholung der einzelnen Verfahrensschritte nur erforderlich ist, wenn durch neue Gutachten eine Änderung der Planung die Folge ist, § 3 Abs. 3 BauGB a.F., § 4 a Abs. 3 BauGB 2004. Dies ist hier aber nicht der Fall gewesen.

3. Einen beachtlichen Verfahrensfehler stellt es dagegen dar, dass die nach § 1 Abs. 6 BauGB a.F. in Verbindung mit den Vorschriften des Berliner Ausführungsgesetzes zum Baugesetzbuch in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578) von der zuständigen Senatsverwaltung vorzunehmende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange nicht abschließend vor der erforderlichen Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin erfolgt ist. Wie in dem gemeinsam mit dem vorliegenden Verfahren verhandelten und unter demselben Datum entschiedenen Normenkontrollverfahren OVG 2 A 1.07 hat auch im vorliegenden Planungsverfahren die zuständige Senatsverwaltung nach der Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus nicht nur die Begründung des Bebauungsplans in redaktioneller Hinsicht überarbeitet, sondern im so genannten Festsetzungsverfahren im Rahmen einer umfassenden Rechtsprüfung die abschließende Abwägungsentscheidung vorgenommen und begründet. Eine solche Verfahrensweise, die mit der Schlusszeichnung der zuständigen Senatorin zu der überarbeiteten Begründung des Bebauungsplans am 29. August 2005 ihren förmlichen Abschluss fand, steht mit der im Zeitpunkt der Festsetzung des Bebauungsplans geltenden Gesetzesfassung des AGBauGB vom 7. November 1999 nicht in Übereinstimmung.

Dieser Verfahrensfehler führt im vorliegenden Verfahren jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Denn der Verfahrensfehler ist nicht innerhalb der für den vorliegenden Bebauungsplan noch geltenden einjährigen Rügefrist des § 32 Abs. 2 AGBauGB unter Angabe des Sachverhalts, der die Verletzung begründen soll, geltend gemacht worden und daher im Ergebnis unbeachtlich. Im Einzelnen:

3.1. Gemäß § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB bestimmen die Länder Berlin und Hamburg, welche Form der Rechtsetzug an die Stelle der im BauGB vorgesehenen Satzungen tritt. Zielsetzung des § 246 Abs. 2 BauGB ist es, den Stadtstaaten aus Gründen föderativer Selbständigkeit einen möglichst großen Gestaltungsspielraum zu verschaffen, der nur inhaltlich durch die besonderen bauplanungsrechtlichen Erfordernisse begrenzt ist (BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 1990, NVwZ 1991,1074). Berlin hat von dieser Ermächtigung durch die entsprechenden Vorschriften des Ausführungsgesetzes zum Baugesetzbuch Gebrauch gemacht. Danach war hier die Zustimmung des Abgeordnetenhauses nach der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange durch die zuständige Senatsverwaltung einzuholen, was eine nachträgliche erneute Abwägung durch die Senatsverwaltung ausschließt.

Bei Bebauungsplänen von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung nach § 9 AGBauGB (§ 4 c AGBauGB 1994) ist gemäß dem entsprechend anwendbaren § 8 Abs. 1 2. Halbsatz AGBauGB i.V.m. § 9 Abs. 3 AGBauGB die Zustimmung des Abgeordnetenhauses erforderlich. Diese Zustimmung muss sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners auf den abschließend abgewogenen Bebauungsplanentwurf beziehen. Die Auffassung des Antragsgegners, dass nach der Zustimmung des Abgeordnetenhauses ohne erneute Befassung des Parlaments Änderungen oder eine erneute (ergänzende) Abwägung durch die zuständige Senatsverwaltung vorgenommen werden könnten, weil die Festsetzung des Bebauungsplans (vgl. § 6 Abs. 5 AGBauGB i.V.m. § 8 und § 9 AGBauGB) kein rein formaler Akt sei, sondern kurz vor der Festsetzung die letzte entscheidende Abwägung stattfinde, der dann noch ein Mitzeichnungsverfahren innerhalb der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung folge, findet im AGBauGB keine Stütze.

§ 6 Abs. 3 AGBauGB bestimmt für Bebauungspläne der Bezirke, dass die Abwägung vom Bezirksamt vorgenommen wird und dass das Bezirksamt den sich aus der Abwägung ergebenden Entwurf des Bebauungsplans der Bezirksverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorlegt. Nach der Beschlussfassung durch das Bezirksamt ist der Bebauungsplan der zuständigen Senatsverwaltung zur Durchführung eines auf eine Rechtskontrolle beschränkten Beanstandungsverfahrens anzuzeigen (vgl. § 6 Abs. 4 AGBauGB). Es handelt sich bei dieser Prüfung durch die Hauptverwaltung um eine Sonderform der Bezirksaufsicht (vgl. Musil/Kirchner, Das Recht der Berliner Verwaltung, 2. Auflage, 2007, Rn. 171). Nach Abschluss der Rechtsprüfung durch die zuständige Senatsverwaltung ist gemäß § 6 Abs. 5 AGBauGB der Bebauungsplan als Rechtsverordnung durch das Bezirksamt festzusetzen. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass nach der Beschlussfassung durch die Bezirksverordnetenversammlung eine weitere inhaltliche Prüfung, Abwägung oder sonstige Entscheidungsfindung auf der Bezirksebene nicht mehr stattfindet. Daraus folgt zugleich, dass die Beschlussfassung durch die Bezirksverordnetenversammlung die Letztentscheidung im Bebauungsplanverfahren darstellt (so auch Musil/Kirchner, Das Recht der Berliner Verwaltung, a.a.O.). Die Beschlussfassung ist damit auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Abwägung im Sinne des § 214 Abs. 3 BauGB. Wird nach der Beschlussfassung der Bebauungsplan aus Rechtsgründen von der zuständigen Senatsverwaltung beanstandet oder nur mit Maßgaben oder unter Auflagen genehmigt, bedarf es wiederum einer Befassung der Bezirksverordnetenversammlung, die - entsprechend der Rechtslage und Übung bei den Gemeinden in den Flächenstaaten - auch im Wege eines so genannten Beitrittsbeschlusses erfolgen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 1986, NJW 1987, 1340 = BauR 1987, 166; ausführlich auch: Birk, Bauplanungsrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2007, Rn. 245).

Wird ein Bebauungsplan von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung aufgestellt, werden die Aufgaben des Bezirksamts nach § 6 AGBauGB von der zuständigen Senatsverwaltung wahrgenommen (§ 9 Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 AGBauGB). Diese entwirft den Bebauungsplan, führt die Behörden- und Trägebeteiligung durch, legt den Entwurf des Bebauungsplans öffentlich aus und wägt ab. Danach legt sie den sich aus der Abwägung ergebenden Entwurf des Bebauungsplans dem Abgeordnetenhaus zur Zustimmung vor, § 6 Abs. 2 und 3 AGBauGB.

Ebenso wie die Beschlussfassung durch die Bezirksverordnetenversammlung für die bezirklichen Bebauungspläne ist die Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus, das insoweit nicht in seiner Funktion als Landesparlament, sondern als kommunale Vertretungskörperschaft tätig wird (Musil/Kirchner, a.a.O. Rn. 172), Voraussetzung für das Inkrafttreten der entsprechenden Rechtsverordnung. Dass der unterschiedlichen Formulierung "Beschlussfassung" bei der Bezirksverordnetenversammlung einerseits und "Zustimmung" beim Abgeordnetenhaus andererseits eine abweichende Verfahrensweise rechtfertigende Bedeutung zukommt, ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht ersichtlich. Hiergegen spricht im Übrigen auch, dass das Abgeordnetenhaus von Berlin seine Zustimmung in Form eines Beschlusses ausspricht und umgekehrt der Beschluss des Bezirksamtes die Zustimmung zu dem Bebauungsplanentwurf darstellt. In beiden Fällen wird von dem jeweiligen Beschlussorgan dem Ergebnis einer Planungsentscheidung, die von einer anderen Stelle erarbeitet wurde, zugestimmt.

Ein Anhaltspunkt dafür, dass nach der Zustimmung des Abgeordnetenhauses noch eine weitere interne Rechtsprüfung und eine abschließende Abwägung innerhalb der zuständigen Senatsverwaltung durchzuführen ist und durchgeführt werden darf, ist dem AGBauGB nicht zu entnehmen. Dies kann insbesondere nicht aus § 6 Abs. 4 und 5 Satz 1 AGBauGB hergeleitet werden. Denn diese Vorschriften sind - wie dargestellt - Ausprägungen der allgemeinen Bezirksaufsicht durch die übergeordnete Hauptverwaltung. Angesichts der Tatsache, dass bei Bebauungsplänen von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung die Hauptverwaltung selbst durch die Erstellung des Bebauungsplanentwurfs und die Vorlage dieses Entwurfs an das Abgeordnetenhaus tätig geworden ist, ist kein Raum für ein solches aufsichtliches Verfahren. Ein Grund, warum die vom Antragsgegner angeführte "Selbstkontrolle" innerhalb der Senatsverwaltung nicht vor der Vorlage des Bebauungsplansentwurfs an den Senat und das Abgeordnetenhaus erfolgen kann, ist nicht ersichtlich und konnte auch nicht durch die ergänzenden Ausführungen verschiedener Mitarbeiter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung dargetan werden. Dass die rechtliche Problematik der Vorgehensweise innerhalb der zuständigen Senatsverwaltung gesehen wurde, zeigt der Vermerk des Abteilungsleiters des Generalreferates vom 23. Juli 2005 zu dem Bebauungsplanverfahren I-202 c, indem bemängelt wird, dass die durchgeführte Prüfung nach dem Beschluss des Abgeordnetenhauses eine "verfahrensrechtliche Unsinnigkeit" darstelle, die zum Ausdruck bringe, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Abgeordnetenhauses offensichtlich noch nicht einmal festgestanden habe, "dass der Träger der Bauleitplanung seinen eigenen Plan jedenfalls für rechtmäßig hält".

3.2. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners lässt sich eine Letztabwägungsbefugnis der zuständigen Senatsverwaltung auch nicht aus Art. 64 Abs. 3 der VvB, wonach Rechtsverordnungen nach Art. 64 Abs. 1 VvB unverzüglich dem Abgeordnetenhaus vorzulegen sind, herleiten. Auch wenn man diese Vorlagepflicht trotz des zumindest für die bezirklichen Bebauungspläne nicht eindeutigen Wortlauts auf alle Rechtsverordnungen über Bebauungspläne ausdehnt (Michaelis-Merzbach, in: Driehaus, Verfassung von Berlin, 2. Aufl. 2005, Art. 64 Rn. 13; Pfennig/Neumann, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2000, Art. 64 Rn. 50), so lässt sich diesem allgemeinen Informationsrecht des Parlaments, das erkennbar auf den "Normalfall" einer vom Senat oder einem Senatsmitglied ohne vorherige Befassung des Parlaments zu erlassenden Rechtsverordnung zugeschnitten ist, nicht entnehmen, dass es die Exekutive berechtigte, nach der Zustimmung des Parlaments zu der erfolgten Abwägung zu einem Bebauungsplanentwurf eine ergänzende Letztabwägung vorzunehmen. Bei einem solchen Verständnis der Norm würde das Zustimmungserfordernis des Parlaments ausgehöhlt werden, zumal da die erneute Vorlage zur Kenntnisnahme erst nach der Veröffentlichung der Rechtsverordnung und damit nach dem In-Kraft-Treten des Bebauungsplan erfolgt. Da das Abgeordnetenhaus im Bereich der Bauleitplanung nicht selbst rechtsetzend tätig wird oder werden kann, würde ihm auch keine Möglichkeit zustehen, nachträglich korrigierend einzugreifen (zu dieser Möglichkeit bei Rechtsverordnungen im Allgemeinen: Pfennig/Neumann, a.a.O., Rn. 17).

3.3. Soweit der Antragsgegner zu Rechtfertigung seiner Verfahrensweise auf die Rechtsprechung des früheren 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin verweist, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Richtig ist insoweit lediglich, dass der 2. Senat des OVG Berlin in einer Entscheidung vom 14. Januar 1994 (OVG 2 A 9.91 - OVGE 21, 104, 110) den Zeitpunkt der Festsetzung des Bebauungsplans als den für die Abwägung maßgeblichen im Sinne des § 214 Abs. 3 BauGB angesehen hat. Dieses Urteil ist jedoch zu der Fassung des AGBauGB vom 11. Dezember 1987 (GVBl. S. 2731) und nicht zu derjenigen, die das AGBauGB erstmals durch das Gesetz vom 28. Juli 1994 (GVBl. S. 244) erhalten hat, ergangen. Nach der Fassung des AGBauGB 1987 hatte das zuständige Mitglied des Senats gemäß § 4 Abs. 6 AGBauGB nach der Zustimmung durch die Bezirksverordnetenversammlung "unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bezirksamtes zu den nicht berücksichtigten Anregungen und Bedenken" zu entscheiden "ob dieser Bebauungsplan festgesetzt werden soll". Damit kam dem zuständigen Mitglied des Senats das Letztentscheidungsrecht über die Festsetzung des Bebauungsplans zu. Es war nicht lediglich auf die Durchführung eines förmlichen Festsetzungsverfahrens beschränkt, sondern ihm stand die abschließende Abwägungsentscheidung zu. Folgerichtig konnte nicht nur bei rechtlichen, sondern auch bei "schwerwiegenden inhaltlichen Bedenken" von der Festsetzung des Bebauungsplans abgesehen werden. Eine solche Einwirkungsmöglichkeit des für die Bauleitplanung zuständigen Senatsmitglieds war, wie der 2. Senat des OVG Berlin in einem Urteil vom 16. Mai 2003 (OVG 2 B 23.98) dargelegt hat, nach der damaligen Verfassungslage erforderlich, um der parlamentarischen Ministerverantwortung gerecht werden zu können. Dies hat sich erst durch die Übertragung legislativer Befugnisse auf die Bezirke durch die Verfassungsreform im Jahre 1994 (Gesetz vom 6. Juli 1994, GVBl. S. 217) und die entsprechende Novellierung des AGBauGB geändert (OVG Berlin, Beschluss vom 16. Mai 2003, a.a.O.). In der weiteren vom Antragsgegner zitierten, in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidung vom 22. Oktober 1996 (OVG 2 A 7.96) hat der 2. Senat des OVG Berlin es dann auch ausdrücklich offen gelassen, ob für Bebauungspläne von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung an der bisherigen Auffassung über den maßgeblichen Zeitpunkt festzuhalten ist.

3.4. Dafür, dass die Zustimmung des Abgeordnetenhauses zu einem von der Hauptverwaltung aufgestellten Bebauungsplan einschließlich der Planbegründung und der vorgenommenen Abwägung die Letztentscheidung und damit auch den maßgeblichen Zeitpunkt für die Überprüfung der Abwägungsentscheidung im Sinne des § 214 Abs. 3 BauGB darstellen muss, spricht schließlich auch ein Vergleich mit der Rechtslage in den Flächenstaaten nach dem BauGB. Fehlt die Beschlussfassung der Gemeinde zu einem Bebauungsplan stellt dies gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einen stets beachtlichen und der Rügefrist des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht unterliegenden Verfahrensfehler dar. Ferner ist anerkannt, dass es einen beachtlichen Verfahrensmangel bedeutet, der zur Unwirksamkeit eines Bebauungsplans führt, wenn feststeht, dass die Planbegründung nicht von dem zuständigen Gemeindeorgan gebilligt wurde, es also an einer wirksamen Begründung für den Bebauungsplan fehlt (BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2002, NVwZ-RR 2002, 172). Eine nachträgliche Änderung der Begründung eines Bebauungsplans ist verfahrensfehlerhaft und kann dem völligen Fehlen einer Begründung im Sinne des § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB gleichstehen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Mai 2001, NVwZ-RR 2002, 98).

3.5. Der Verfahrensfehler führt im vorliegenden Verfahren jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans, da er nicht in der erforderlichen Weise gerügt wurde.

Nach 32 Abs. 2 AGBauGB in der im Zeitpunkt der Verkündung des Bebauungsplans noch geltenden Fassung war die Verletzung von Verfahrens- und Formfehlern innerhalb von einem Jahr - und nicht wie seit der Änderung durch das Gesetz vom 3. November 2005 (GVBl. S. 692) innerhalb von zwei Jahren - nach der Verkündung des Bebauungsplans unter Angabe des Sachverhalts, der die Verletzung begründen soll, schriftlich zu rügen. Ausgenommen hiervon waren und sind nur - hier nicht gegebene - Verstöße gegen Bekanntmachungs- oder Verkündungsvorschriften, § 32 Abs. 3 AGBauGB. Ob es über diese ausdrückliche Ausnahmen hinaus auch dann keiner Rüge bedarf, wenn z.B. eine Zustimmung des Abgeordnetenhauses vor der Festsetzung überhaupt nicht eingeholt wurde oder der Bebauungsplan in sonstiger Weise in wesentlichen Festsetzungen nachträglich in erheblicher Weise geändert wird, bedarf hier keiner Entscheidung, da eine solche Fallkonstellation nicht vorliegt.

Vorliegend ist der Bebauungsplan im Gesetz- und Verordnungsblatt am 16. September 2005 (GVBl. S. 471) verkündet worden. Es kommt mithin darauf an, ob die Antragstellerin mit ihrem Schriftsatz vom 7. September 2006 ihrer Rügeobliegenheit nachgekommen ist, wonach der die Verletzung begründende Sachverhalt so konkret und substantiiert darzustellen ist, dass es der Gemeinde ermöglicht wird, ein ergänzendes Verfahren zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 8.Mai 1995, NVwZ 1996, 373). Dies verneint der Senat. Die Antragstellerin rügt in ihrem Schriftsatz im Zusammenhang mit ihren Einwendungen gegen die Verlängerung der Französischen Straße, dass die Abwägung undurchsichtig und nicht erkennbar sei, "wer konkret unter Heranziehung welcher Unterlagen wann eine konkrete Abwägungsentscheidung getroffen" habe. Diese Rüge ist schon nicht hinreichend konkret, soweit eine unklare Tatsachengrundlage geltend gemacht wird. Es fehlt an einer Darlegung, in welchem Zusammenhang welche Unterlage von der Antragstellerin vermisst wurde oder fehlte. Es trifft aber auch nicht zu, dass nicht erkennbar wäre, wann eine Abwägungsentscheidung getroffen wurde. Sowohl vor der Vorlage an das Abgeordnetenhaus hat am 28. August 2002 eine Schlusszeichnung der damaligen Vorlage durch das zuständige Senatsmitglied stattgefunden als auch nach der ergänzenden Überarbeitung und Abwägung am 29. August 2005 durch die zuständige Senatorin. Beide Schlusszeichnungen sind in den Verwaltungsvorgängen dokumentiert bzw. im Original enthalten. Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung der Antragstellerin, es sei keine Abwägungsentscheidung "aus einer Hand" erkennbar, nicht geeignet, hinreichend konkret einen Verfahrensfehler des Antragsgegners darzulegen. Hierzu hätte es auch gehört, jedenfalls in groben Zügen, das vom BauGB abweichende Berliner Verfahrensrecht in den Blick zu nehmen und konkret hierauf die Verfahrensfehlerhaftigkeit aufzuzeigen. Schließlich vermag an dieser Beurteilung auch die "Verdeutlichung" der Verfahrensrüge im Schriftsatz vom 5. Februar 2007 durch die Antragstellerin nichts zu ändern. Der nicht weiter vertiefte oder anhand konkreter Regelungen erläuterte Hinweis in diesem Schriftsatz, das AGBauGB enthalte wohl keine vollständige Verlagerung der Abwägung auf das Abgeordnetenhaus, ist inhaltlich missverständlich und lässt für sich ebenfalls nicht erkennen, worin die Antragstellerin genau den Verfahrensfehler sieht.

3.6. Mangels rechtzeitiger Rüge bedarf es auch keiner Klärung, ob ein weiterer beachtlicher Verfahrensfehler darin liegt, dass der Antragsgegner die Planurkunde nach der Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus durch Streichung der Festsetzung über die geschlossene Bauweise geändert hat. Entgegen den Ausführungen in der überarbeiteten Planbegründung (S. 41) und den Erläuterungen der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung spricht allerdings vieles dafür, dass es sich bei dieser Änderung nicht nur um eine redaktionelle Berichtigung ohne Auswirkungen auf den Planinhalt handelt. Eine solche Berichtigungsmöglichkeit käme lediglich bei Schreibfehlern und ähnlichen offenbaren formellen oder redaktionellen Unrichtigkeiten in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. August 1989, DVBl. 1989, 1105). Um eine offenbare Unrichtigkeit in Form etwa eines falschen Planzeichens dürfte es sich bei der vorgenommenen Korrektur aber nicht handeln. Die vom Antragsgegner in der Begründung des Bebauungsplans auf Seite 41 gemachten Ausführungen, dass es wegen der erweiterten Baukörperfestsetzungen keiner Festsetzung der Bauweise bedürfe, da "die überbaubare Grundstücksfläche grundsätzlich sowieso vollständig überbaubar" sei, unterliegt ebenso Zweifeln wie der Hinweis in der mündlichen Verhandlung, die Festsetzung der geschlossenen Bauweise hätte im Widerspruch zu den Baukörperausweisungen gestanden, da die Baugrenzen eine Bebauung bis an die seitlichen Grundstücksgrenzen ausschlössen. Letzteres Argument überzeugt jedenfalls für das Kerngebiet nördlich der Verlängerung der Französischen Straße nicht, da hier die Baugrenzenfestsetzungen mit den seitlichen Grundstücksgrenzen einerseits und den Straßenbegrenzungslinien andererseits zusammenfallen.

4. Die Abwägung, bei der wegen des Unbeachtlichwerdens des Verfahrensfehlers maßgeblich auf die Abwägungsentscheidung durch die zuständige Senatsverwaltung im Festsetzungsverfahren vom 29. August 2005 abzustellen ist, ist überwiegend nicht zu beanstanden. Dies gilt nicht für die Festsetzungen von Baugrenzen im allgemeinen Wohngebiet. Der Plan ist daher insoweit unwirksam.

4.1. Die Bauleitplanung ist nach § 1 Abs. 3 BauGB a.F. städtebaulich gerechtfertigt ("erforderlich"). Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Maßgebend ist die planerische Konzeption der Gemeinde, wobei dieser ein sehr weites planerisches Ermessen zukommt (BVerwG, Urteil vom 19. September 2002, BVerwGE 117, 58). Ein Vorhaben ist erforderlich nicht erst, wenn es unausweichlich, sondern wenn es "objektiv vernünftigerweise geboten ist" (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1998, BVerwGE 72, 282, 284). Kommt den Belangen des Verkehrs (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB a.F.) im konkreten Einzelfall eine besondere Bedeutung zu, kann auch ein Bebauungsplan, der sich in der Festsetzung von Verkehrsflächen erschöpft (so genannte isolierte Straßenplanung), für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sein (vgl. Urteil des Senats vom 18. Januar 2006 - OVG 2 A 7.05 - m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Bebauungsplan dient, wie aus seiner Entstehungsgeschichte hervorgeht, der Verlängerung der Französischen Straße. Er stellt im Wesentlichen eine Straßenplanung dar, die lediglich im Bereich östlich der W____straße um die unmittelbar angrenzenden Grundstücke erweitert worden ist. In der Begründung des Bebauungsplans wird als städtebauliche Rechtfertigung die Notwendigkeit einer Verlängerung der Französischen Straße von der Mauerstraße im Osten bis zur Ebertstraße im Westen als örtliche Verkehrsverbindung für den städtebaulichen Entwicklungsbereich "Hauptstadt Berlin - Parlaments- und Regierungsviertel" sowie der Erschließung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas angeführt.

4.2. Der Bebauungsplan ist nicht unter Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB a.F. zustande gekommen. Der Antragsgegner hat in seiner Erwiderung auf die Rüge der Antragstellerin, dass das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB a.F. verletzt sei, dargelegt, dass die Ausweisung als allgemeines Wohngebiet dem Grundsatz Nr. 2 des Flächennutzungsplans entspricht, wonach aus Sonderbauflächen - Hauptstadtfunktion (H) - unter Beachtung des Vorrangs der Hauptstadtfunktionen und auf dafür geeigneten Teilflächen im Einvernehmen mit dem Bund auch Wohn- und Mischnutzungen entwickelt werden können. Dieser Grundsatz wurde - so der nicht bestrittene Vortrag des Antragsgegners - in Abstimmung mit dem Bund und im Interesse der Erhaltung der Wohnnutzung an diesem Standort angewandt.

4.3. Die dem Bebauungsplan zugrunde liegende Abwägung ist überwiegend nicht zu beanstanden.

Nach § 1 Abs. 6 BauGB a.F. (§ 1 Abs. 7 BauGB n.F.) sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Gebot gerechter Abwägung verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969, BVerwGE 34, 301, 309). Mängel im Abwägungsvorgang sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 BauGB).

4.3.1. Dass eine Abwägung stattgefunden hat, ergibt sich aus der überarbeiteten Begründung des Bebauungsplans vom 29. August 2005, in die die Ergebnisse der Abwägungsprotokolle vom 21. September 1998 und 14. Juni 1999 eingearbeitet worden sind. Im Einzelnen:

Soweit die Antragstellerin kritisiert, dass die gesamte Abwägungsentscheidung schwierig nachzuvollziehen sei, ist ihr zuzugeben, dass - auch auf Grund der Entstehungsgeschichte des Bebauungsplans - eine unübersichtliche Aktenlage entstanden ist. Die erforderliche zusammenfassende Bewertung und Abwägung der nach der frühzeitigen Bürgerbeteiligung und der öffentlichen Auslegung eingegangenen Äußerungen, Stellungnahmen und Hinweise ist jedoch unter dem 21. September 1998 und unter dem 14. Juni 1999 erfolgt. Eine erneute Abwägung hinsichtlich der bei der zweiten Beteiligung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 BauGB vorgebrachten Äußerungen findet sich in dem Abwägungsprotokoll vom 3. November 1999 und schließlich werden die wesentlichen Abwägungsüberlegungen, die bei der Letztentscheidung im Festsetzungsverfahren eine Rolle gespielt haben, in der Begründung zum Bebauungsplan vom 29. August 2005 zusammengefasst wiedergegeben.

4.3.2. Der Antragsgegner hat sich auch nicht unzulässig vorab gebunden und die Straßenplanung, ohne auf die Einwände und Widerstände zu achten und einem veralteten Verkehrskonzept folgend, "durchgezogen".

Bereits bei der Aufstellung des Bebauungsplans I-202, der später dann in die drei Bebauungspläne aufgespalten wurde, lag eine ausführliche Untersuchung über die Konzepte des Bundes und des Senats von Berlin über die Verkehrsführung in dem hier maßgeblichen Bereich vor. Diese hat sich auch ausdrücklich mit der Frage einer Verlängerung der Französischen Straße beschäftigt. Dass der Antragsgegner nicht von Anfang an auf eine dem Kfz-Verkehr dienende Straßentrasse festgelegt war, ergibt sich auch aus den Ausführungen zur Aufstellung des Bebauungsplans I-202 a und die dort dargestellte Variantenuntersuchung "Mittelallee als Baumhain". Auch in der Bebauungsplanbegründung im vorliegenden Verfahren wird dargestellt, dass erste öffentliche Überlegungen bestanden, die Mittelallee als öffentliche Parkanlage auszuweisen. Schließlich ergibt sich aus dem Beschluss über die Teilung des Bebauungsplans, dass seitens der planenden Verwaltung bis zum Jahre 1996 nach wie vor eine Variante "Mittelallee als Parkanlage" verfolgt worden ist. In der Planbegründung vom 29. August 2005 wird nachvollziehbar ausgeführt, dass auch Alternativen zur Verlängerung der Französischen Straße durch Umbauten der Knotenpunkte Cora-Berliner-Straße/Ecke Hanna-Arendt-Straße und Cora-Berliner Straße/Ecke Beerenstraße geprüft, aber wegen zu enger Kurvenverhältnisse verworfen worden seien.

Der Umstand, dass im Laufe des Planungsverfahrens von zahlreichen Anwohnern und Trägern öffentlicher Belange und auch vom Abgeordnetenhaus gegen diese Straßenverbindung votiert worden ist, lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, der Antragsgegner sei Einwendungen gegenüber ignorant gewesen und habe sein Planung unbeirrt "durchziehen" wollen. Die Antragstellerin verkennt insoweit, dass es gerade in der Entscheidungsfreiheit des Plangebers liegt, sich trotz erhobener Einwände für die eine und damit notwendig gegen die andere Alternative zu entscheiden. Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Antragsgegner ohne Rücksicht auf die Einwendungen an seinem Konzept festgehalten hat. Er hat vielmehr in den Abwägungsprotokollen wie auch in der Planbegründung zutreffend und überzeugend auf das innerstädtische Verkehrskonzept hingewiesen. Danach wird nicht an dem Konzept einer Verkehrsaufteilung von 80:20 zugunsten des Öffentlichen Personennahverkehrs "gerüttelt", sondern die Durchbindung der Französischen Straße ist zur Erreichung dieses Konzepts bei der prognostizierten und im Jahre 2000 aktualisierten Verkehrsentwicklung notwendig. Daher vermag auch das Argument, durch den Neubau einer Entlastungsstraße für die Leipziger Straße werde die Attraktivität der Innenstadt für den Individualverkehr steigen, keinen Abwägungsausfall aufzuzeigen. Dass der Antragsgegner bei seiner Planung die Verkehrssituation- und Entwicklung nicht hinreichend genau untersucht und die Belange der betroffenen Bewohner des Gebietes nicht erkannt hätte, wird im Übrigen von der Antragstellerin nicht substantiiert behauptet und findet auch keine Stütze in den Planunterlagen. Die Prüfung und Abwägung der Anregungen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung wie sie in den Abwägungsprotokollen vom 21. September 1998 und den Hinweisen nach der öffentlichen Auslegung vom 14. Juni 1999 enthalten und in der Begründung des Bebauungsplans vom 29. August 2005 insbesondere unter den Gliederungspunkten "Verkehr", "Lärmschutz" und "Verfahren" enthalten ist, zeigt vielmehr, dass der Antragsteller die Auswirkungen im Einzelnen aufgenommen und berücksichtigt hat.

4.3.3. Der Antragsgegner hat auch alles an Belangen in die Abwägung eingestellt, was nach Lage der Dinge in sie einzustellen war.

4.3.3.1. Durch die Teilung der Bebauungspläne hat der Antragsgegner keine für die Abwägung maßgeblichen Belange rechtsfehlerhaft aus dem Bebauungsplanverfahren ausgeklammert. Die Antragstellerin erkennt insoweit an, dass es dem Plangeber nicht untersagt ist, nach Einleitung eines ursprünglich großflächigen Bebauungsplanverfahrens eine Teilung des Plangebiets in mehrere Bereiche vorzunehmen. Soweit sie rügt, infolge der Aufteilung der Bebauungsplangebiete, für die es an einer tragfähigen städtebaulichen Begründung fehle, sei eine vollständige, alle Konflikte umfassende Abwägung nicht möglich gewesen, trifft dies nach Überzeugung des Senats nicht zu.

Die Notwendigkeit einer Teilung des ursprünglichen Bebauungsplans I-202 in die Bebauungspläne I-202 a und I-202 b ist städtebaulich hinreichend begründet. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Geltungsbereich des Bebauungsplans I-202 im Laufe des Verfahrens in östlicher Richtung um die vorhandene Wohnbebauung der Antragstellerin erweitert worden ist. Die dann erfolgte erste Teilung ist hinreichend damit begründet worden, dass im Zeitpunkt des Aufteilungsbeschlusses nicht absehbar war, welche Gestalt das im Geltungsbereich des ursprünglichen B-Plans I-202 vorgesehene Denkmal für die ermordeten Juden Europas annehmen werde, die Ansiedlung der Vertretungen der Länder beim Bund im südlich davon gelegenen Areal jedoch die zügige Schaffung von Planungsrecht erfordere.

Die Aufteilung ist auch nicht willkürlich erfolgt, sondern nach einer genauen Bestandsaufnahme und einer von dem damaligen Planungsbüro vorgenommenen Variantenuntersuchung, die insbesondere fünf Vorschläge für die geänderten Planbereiche enthielt. Auch die Beschlussfassung über die zweite Aufteilung enthält eine nachvollziehbare städtebauliche Begründung. Aus dem Protokoll der ersten Sitzung des Ausschusses "Berlin 2000" vom 8. Mai 1996 ergibt sich, dass bis zu diesem Zeitpunkt zwischen den beteiligten Senatsverwaltungen unterschiedliche Auffassungen über die Möglichkeit und Notwendigkeit einer "Durchbindung" der Französischen Straße bis zur Mauerstraße bestanden und im Ergebnis eine Entscheidung zugunsten der Variante Straßenneubau gefallen ist. Die Problematik einer isolierten Straßenplanung wurde dabei erkannt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Gesamtermittlung aller abwägungserheblicher Belange unterblieben wäre. Insbesondere sind die Auswirkungen der geplanten neuen Straßen in den jeweiligen Planverfahren auch in Bezug auf die angrenzende Bebauung untersucht worden (vgl. schalltechnisches Gutachten von 1998). Die Antragstellerin zeigt über den pauschalen Vorwurf einer unzulässigen Salamitaktik auch nicht konkret auf, welche Belange im Einzelnen unzureichend berücksichtigt worden wären.

4.3.3.2. Der Antragsgegner hat die Abwägungsdirektive des § 50 BImSchG nicht verkannt und ausweislich der Planbegründung vom 29. August 2005 insbesondere das in der Abgeordnetenhausvorlage noch nicht erwähnte Lärmschutzkonzept der §§ 41 f. BImSchG hinreichend berücksichtigt.

Bei der Festsetzung von Straßen durch Bebauungspläne (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) gehört der Verkehrslärmschutz zu dem Kreis der nach § 1 Abs. 6 BauGB a.F. (jetzt § 1 Abs. 7 BauGB) abwägungsrelevanten Belange. Die Gemeinde hat sich unter diesem Blickwinkel Klarheit darüber zu verschaffen, ob und in welchem Ausmaß das Vorhaben Maßnahmen des aktiven oder passiven Schallschutzes nach sich zieht. Dies folgt aus §§ 50 und 41 BImSchG, die von der Gemeinde bereits bei der Aufstellung eines Bebauungsplans zu beachten sind. Durch den Bau von Straßen dürfen grundsätzlich keine Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden, die als schädliche Umwelteinwirkungen zu qualifizieren sind. Die Gemeinde hat sich daher bei der Abwägung unter dem Gesichtspunkt der Abwehr von Lärmbeeinträchtigungen an dem Schutzmodell des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auszurichten. Der Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche richtet sich nach den in § 2 der 16. BImSchV vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036) baugebietsbezogen festgelegten Immissionsgrenzwerten (BVerwG, Beschluss vom 30. November 2006 - 4 BN 14/06 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1999, BVerwGE 108, 248, 253). Diese Grenzwerte beanspruchen auch für die Festsetzung von Straßen durch Bebauungspläne Geltung. Nach diesen Grenzwerten beurteilt sich nicht nur, bis zu welchem Lärmniveau Straßenverkehrslärm ohne Schutzmaßnahmen oder eine angemessene Entschädigung in Geld (§§ 41, 42 BImSchG) von der Nachbarschaft als zumutbar hinzunehmen ist. Auch eine Verkehrslärmbelästigung, die unterhalb dieser Erheblichkeitsschwelle bleibt, ist auf der Grundlage der konkreten Verhältnisse des Einzelfalls in der Abwägung zu berücksichtigen. In diesem Rahmen kann auch die DIN 18005 berücksichtigt werden, die eine Orientierung für die Bauleitplanung sein kann, von der aber auch abgewichen werden darf. Entscheidend ist, ob die Abweichung im Einzelfall noch mit dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB vereinbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2007, ZfBR 2007, S. 580 und Beschluss vom 22. März 2007 - Bundesbaublatt 2007, Heft 10, 63)

Die Direktive des § 50 BImSchG bedeutet jedoch nicht, dass eine Straßenplanung stets unterbleiben müsste, wenn aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse schädliche Umwelteinwirkungen nicht oder nur eingeschränkt zu vermeiden sind. Der Trennungsrundsatz stößt insbesondere bei Planungen in dicht besiedelten Gebieten an Grenzen vor denen auch der Gesetzgeber nicht die Augen verschließt. So soll nach § 1 a Abs. 2 Satz 1 BauGB mit Grund und Boden sparsam umgegangen werden, wobei in diesem Zusammenhang unter anderem die Nachverdichtung sowie andere Maßnahmen der Innenentwicklung hervorgehoben werden. In dicht besiedelten Gebieten wird es häufig nicht möglich sein, allein durch die Wahrung von Abständen zu vorhandenen Bebauungen schädliche Umwelteinwirkungen auf Wohngebiete zu vermeiden (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben gilt für die Gemeinde Folgendes: Plant sie eine neue Straße, muss sie sich insbesondere vor Augen führen, welche Dimension der Lärmkonflikt hat, den sie auslöst. Kommen aktive Lärmschutzmaßnahmen aus technischen und/oder finanziellen Gründen nicht in Betracht, hat die Gemeinde zu prüfen, ob hinreichend gewichtige Verkehrsbelange ihre Verkehrsplanung gleichwohl rechtfertigen. Bejaht sie das, muss sichergestellt sein, dass die Betroffenen durch Maßnahmen des passiven Lärmschutzes vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen bewahrt werden. Dies gilt auch für bereits vorhandene Bebauung an der Straße (BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 1995, NJW 1995, 2572, 2573; BVerwG, Beschluss vom 30. November 2006, a.a.O.). In diesem Fall haben die betroffenen Anlieger einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Durchführung der erforderlichen (passiven) Schallschutzmaßnahmen am Gebäude sowie gegebenenfalls einen Anspruch auf angemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigung der Nutzung ihres Außenwohnbereichs (BVerwG, Beschluss vom 7. September 1988 - BVerwGE 80, 184, 192).

Das Schutzmodell des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und die Grenzwerte der 16. BImSchV stellen in der Regel sicher, dass die mit der Festsetzung von Straßen durch Bebauungspläne verbundenen Lärmimmissionen auf ein Maß zurückgeführt werden, das die menschliche Gesundheit nicht gefährdet (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) oder einen Eingriff in die Substanz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht darstellt. Können Eingriffe in die Gesundheit oder das Eigentum auch durch passive Schutzvorkehrungen und Ausgleichsansprüche nicht vermieden werden und scheiden Planungsalternativen oder eine vollständige Umplanung nach der städtebaulichen Konzeption der Gemeinde und/oder angesichts der örtlichen Verhältnisse aus, muss die Gemeinde von der beabsichtigten Straßenplanung Abstand nehmen (BVerwG, Beschluss vom 30. November 2006 - 4 BN 14/06 -juris).

Gemessen hieran ist die Planung des Antragsgegners über die Verlängerung der Französischen Straße nicht zu beanstanden.

4.3.3.2.1. Der Antragsgegner hat die bei einer Straßenplanung erforderlichen Überlegungen über Varianten der Straßenführung angestellt. Ausweislich der Planbegründung vom 29. August 2005 hat eine Prüfung stattgefunden, ob der zu erwartende Verkehr mit Touristenbussen über die Cora-Berliner-Straße und die Hannah-Arendt-Straße gelenkt werden kann. Dies ist wegen der zu engen Kurvenradien verneint worden. Weitere Variantenuntersuchungen hinsichtlich der Verlängerung der Französischen Straße selbst musste der Antragsgegner nicht vornehmen. Eine andere Trassenführung scheidet nach den örtlichen Verhältnissen, insbesondere angesichts der dichten Umgebungsbebauung und der Lage des Denkmals für die ermordeten Juden, das durch die verlängerte Französische Straße erschlossen werden soll, ersichtlich aus. Hinzu kommt, dass die zukünftige Trasse in der Vergangenheit von einer Bebauung freigehalten wurde, so dass sich die Trassenwahl auch deswegen aufdrängt.

4.3.3.2.2. Das Ausmaß der für die Grundstücke im Plangebiet durch die Verwirklichung der Straßenplanung zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen ist im Bebauungsplanverfahren ausreichend ermittelt worden. Der Antragsgegner ist sich bewusst gewesen, dass die Grundstücke im Plangebiet durch Verkehrslärm bereits stark belastet sind und durch die Verlängerung der Französischen Straße künftig an einer weiteren Straße mit hohem Verkehrsaufkommen liegen werden. Zur Ermittlung des zukünftigen Straßenlärms hat er die Strukturdatenprognosen geprüft und aktualisiert. Auf der Grundlage von Netzbelastungsberechnungen für den Prognosehorizont 2015 hat er in den Jahren 1998 und 2001 durch das Ingenieurbüro ACCON schalltechnische Gutachten erstellen lassen. Das Gutachten vom 30. Juli 2001 - Bebauungsplanverfahren I-202 a (Bericht Nr. 6121_4) hat dabei den westlichen Bereich zwischen Ebertstraße und W____straße zum Gegenstand, während die Gutachten vom 31. März 1998 (Bericht 6121_1(Teil 1) und 6121-2 (Teil 2) und vom 23. Juli 2001 (Bericht 6121_3) die Auswirkungen auf die vorhandene Bebauung im Bereich der W____straße entlang der zukünftigen Trasse zum Gegenstand haben. Alle Untersuchungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass in weiten Bereichen Grenzwertüberschreitungen hinsichtlich der 16. BImSchV vorliegen.

Als Emissionspegel der Straßenabschnitte wurden im Gutachten vom 31. März 1998 im Bereich westlich der W____straße unter Berücksichtigung von Zuschlägen für die lichtzeichengeregelte Kreuzung 66,6 dB(A) tags und 56,3 dB(A) nachts, östlich der W____straße von 67,5 dB(A) tags 57,3 dB(A) nachts errechnet. Nach dem gleichen Gutachten sind bei einer Berechnung nach der 16. BImSchV an den Fassaden des Gebäudes der Antragstellerin tags in Teilbereichen Beurteilungspegel von mehr als 69 dB(A) zu erwarten. Bei einer Berechnung der Geräuschemissionen aller durch den Untersuchungsraum führenden und/oder angrenzenden gemäß RSL-90 wurden für die an der W____straße und der zukünftigen Verlängerung der Französischen Straße gelegenen Fassadenbereiche des Gebäudes der Antragstellerin Beurteilungspegel von über 70 dB(A) mit Spitzenwerten bis zu 78 dB(A.) tags gemessen. Für die Rückfassaden des Gebäudes lagen die Beurteilungspegel überwiegend unter 66 dB(A) tags und nachts unter 56 dB(A).

Bei den auf einzelne Geschosse und Wohnungen bezogenen Berechnungen nach der 16. BImSchV in dem Gutachten vom 23. Juli 2001 (Anhang B 1 zu Wohnquartier I) wurden für das Wohngebäude der Antragstellerin für eine Reihe von Immissionsmesspunkten im rückwärtigen Fassadenbereich keine Überschreitungen der Grenzwerte errechnet, im südlichen, zur Verlängerung der Französischen Straße gelegenen Bereich dagegen Beurteilungspegel von bis zu 69,3 dB(A) tags und 61,1 dB(A) nachts als Spitzenwerte ermittelt.

Das in dem Bebauungsplanverfahren I -202 a eingeholte Gutachten vom 30. Juli 2001 weist für den westlichen Abschnitt der Verlängerung der Französischen Straße bei einer Berechnung nach der 16. BImSchV sehr hohe Geräuschimmissionen an den an Nord-, Ost- und Südfassaden der vorhandenen Gebäude auf. Die Geräuschbelastungen liegen am Tag im Bereich von 70-75 dB(A) und in der Nacht zwischen 60-67 dB(A). Bei diesem Gutachten ist die gutachterliche Bewertung ausdrücklich auf der Grundlage der DIN 18005 erfolgt.

Substantiierte Zweifel an der Richtigkeit der in den Gutachten errechneten Werte hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Sie sind auch nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin kritisiert, das schalltechnische Gutachten vom 23. Juli 2001 berücksichtige nicht, dass das bislang unbebaute Grundstücke auf der gegenüberliegenden Seite der Französischen Straße laut Bebauungsplan in Form einer Blockrandschließung bebaut werden dürften und sich damit die Straßenflucht erheblich verringere, trifft dies zwar für dieses Gutachten, nicht aber für das Gutachten vom 31. März 1998 zu. Ebenso wenig greift die Kritik der Antragstellerin daran, dass in den schalltechnischen Gutachten nicht auch die DIN 18005 herangezogen und damit nicht alle Lärmquellen berücksichtigt worden seien. Das Gutachten vom 30. Juli 2001 ist ausdrücklich anhand der DIN-Norm 18005 erstellt worden. Im Gutachten vom 31. März 1998 sind zusätzlich zur Berechnung nach der 16. BImSchV auch Beurteilungspegel gemäß RLS-90 ermittelt worden, wobei hierfür die Geräuschemissionen aller durch den Untersuchungsraum führenden und/oder angrenzenden Straßen einbezogen wurden. Im Übrigen handelt es sich bei der DIN-Norm, wie dargestellt, nur um eine Orientierungshilfe und nicht um eine verbindliche Regelung. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls.

4.3.3.2.3. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner den sich aus diesen vielfach sehr hohen Lärmbelastungen ergebenden Konflikt nicht erkannt und in seine Abwägung eingestellt hat, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat er berücksichtigt, dass das Lärmschutzkonzept des § 41 f. BImSchG verlangt, in erster Linie durch Maßnahmen des aktiven Schallschutzes sicherzustellen, dass die Straßenverkehrsgeräusche bei den betroffenen Gebäuden nicht die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung überschreiten.

Mit der Festsetzung einer 7 Meter hohen und bis in 5 Meter Höhe hochabsorbierenden Lärmschutzwand zur Abschirmung der Freiflächen auf dem Grundstück der Antragstellerin hat der Antragsgegner eine Maßnahme des aktiven Lärmschutzes ergriffen. Diese erweist sich auch als effektiv. Für die Freiflächen, insbesondere den Spielplatzbereich, wird nach den gutachterlichen Feststellungen bei einer 7 m hohen hochabsorbierenden Lärmschutzwand ein Beurteilungspegel von unter 55 dB(A) erreicht. Aus dem Schallschutzgutachten vom 23. Juli 2001 geht zudem hervor, dass die Schallschutzwand auch für einen Teil der Wohnräume an der östlichen Fassadenseite des Gebäudes W____straße 56-59 zur Reduktion der Lärmbelastungen führt. Dies hat auch der Gutachter in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Rüge der Antragstellerin, dass keine andere Lösungen zur aktiven Schallminderung untersucht worden seien, wie etwa eine Blockrandbebauung, und die umstrittene Lärmschutzwand dem Gutachter in das Gutachten "hineindiktiert worden sei", ist nicht begründet. Zwar dürfte es zutreffen, dass die Lärmschutzwand von Anfang an als Maßnahme des aktiven Lärmschutzes vorgesehen war und der Antragsgegner eine Blockrandschließung nicht ernsthaft als Alternative in Betracht gezogen hat. Dies ist jedoch im Ergebnis nicht zu beanstanden, da nach Lage der Dinge die Festsetzung einer Lärmschutzwand allein zur sicheren und sofortigen Konfliktbewältigung geeignet war.

Allerdings ist der Hinweis der Antragstellerin, dass eine Blockrandbebauung grundsätzlich als ein Mittel des aktiven Lärmschutzes in Betracht kommt, zutreffend. Zu beachten ist jedoch, dass § 9 BauGB in der bis zur Änderung des § 9 Abs. 2 durch das Europarechtsanpassungsgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359) geltenden und vom Antragsgegner gemäß § 233 Abs. 1 BauGB zulässigerweise angewandten Fassung, keine Handhabe dafür bot, um die zeitlich vorrangige Verwirklichung einer Lärmschutz- oder Riegelbebauung vor der schutzbedürftigen Bebauung sicherzustellen. Eine Bauleitplanung, die auf einen zeitlichen Vorrang der Errichtung der Riegelbebauung vor der Errichtung der schutzwürdigen Bebauung abstellt, verfehlt damit das Gebot der Konfliktbewältigung, da bei Nichteinhaltung des zeitlichen Vorrangs die schutzwürdige Bebauung dem zu erwartenden Lärm schutzlos ausgeliefert wäre (vgl. OVG Rh-Pf, Urteil vom 31. März 2004; OVG NW, Urteil vom 19. Februar 2001, BRS 64 Nr. 24; NdsOVG, Urteil vom 7. April 2003, ZfBR 2003, 701).

Etwas anderes würde unter Geltung des hier anwendbaren Rechts nur dann gelten, wenn durch textliche Festsetzungen im Bebauungsplan sichergestellt werden könnte, dass die schützenswerte Bebauung im Falle einer vorzeitigen Verwirklichung durch andere Maßnahmen, z.B. passiven Schallschutz, ausreichend geschützt werden. Eine solche Fallgestaltung ist hier aber nicht ersichtlich. Vorliegend ist die Situation dadurch gekennzeichnet, dass die Wohnbebauung bereits vorhanden ist, also ein schützenswerter Bestand bereits existiert. Damit ist klar, dass die zeitliche Priorität, die der Überlegung einer Blockrandbebauung zugrunde liegt, hier von vornherein ausscheidet. Damit reduzieren sich die Möglichkeiten des aktiven Lärmschutzes auf eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner seine Entscheidung für eine Maßnahme des aktiven Lärmschutzes durch eine Lärmschutzwand auch auf die zutreffende Begründung stützt, dass die vorhandenen, durch den Straßenbau bereits reduzierten Freiflächen auf dem Grundstück insbesondere für den notwendigen Spielplatz erforderlich seien. In diesem Zusammenhang weist der Antragsgegner ferner darauf hin, dass die Grundstückssituation durch die Geh-, Fahr- und Leitungsrechte zugunsten der Beigeladenen "beschränkt" sei.

Weitere Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes hat der Antragsgegner zwar geprüft, aber nicht ergriffen. Dies ist mit dem Lärmschutzkonzept des § 41 f. BImSchG vereinbar und führt nicht zu einem Abwägungsfehler. Gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG beschränkt sich die Verpflichtung zur Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen auf nach dem Stand der Technik geeignete Maßnahmen; nach § 41 Abs. 2 BImSchG besteht die Verpflichtung nicht, soweit die Kosten der in Betracht kommenden aktiven Schutzmaßnahmen außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen. Der Antragsgegner hat in der Planbegründung Lärmschutzwände in dem Planbereich als aus städtebaulichen Gründen nicht möglich und aus lärmtechnischen Gründen nicht sinnvoll bezeichnet. Dies leuchtet ohne weitere Begründung ein. Eine Einfassung der Französischen Straße in dem Plangebiet durch eine durchgängige Lärmschutzwand kommt ersichtlich nicht in Betracht, da angesichts der Höhe der betroffenen Gebäude, der Größe der Straßenquerschnitte und der vorhandenen Kreuzungssituation die technischen Voraussetzungen für einen wirksamen aktiven Lärmschutz nicht gegeben sind. Im Übrigen ist ohne weiteres einleuchtend, dass in diesem zentralen innerstädtischen Bereich einer solchen Lösung städtebauliche Gründe entgegenstehen, die bei hinreichendem Gewicht im Grundsatz geeignet sein können, im Rahmen der Abwägung von Maßnahmen des aktiven Schallschutzes abzusehen (so nunmehr auch der 4. Senat des BVerwG, Urteil vom 22. März 2007 - 4 CN 2/06 - Bundesbaublatt 2007, Heft 10, 63; ebenso BayVGH, Urteil vom 29. Juni 2006, NVwZ-RR 2007,161). Ebenso scheidet ersichtlich eine Trog- oder Tunnellösung in diesem innerstädtischen Bereich aus.

4.3.4. Der Antragsgegner hat auch im Zusammenhang mit der Straßenplanung nicht die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt und den Ausgleich zwischen den durch die Planung berührten Belangen nicht in einer Weise vorgenommen, die zur Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis stehen.

Der Antragsgegner war sich der Kollision der Belange und der nur eingeschränkten Möglichkeiten, durch aktiven Schallschutz Abhilfe zu schaffen, bewusst. Die zahlreichen gegen die Verlängerung der Französischen Straße vorgebrachten Bedenken gerade im Bereich unmittelbar westlich und östlich der W____straße hat er, wie aus der die "Letztentscheidung" tragenden Begründung des Bebauungsplans vom 29. August 2005 und den Abwägungsprotokollen vom 21. September 1998 und 14. Juni 1999 hervorgeht, zur Kenntnis genommen und abgewogen. Dabei hat er die Bedeutung der Straßenverlängerung für das Verkehrskonzept des Senats für die Stadtmitte betont und die Straßenzüge dieses Konzepts und ihre Bedeutung im Einzelnen bezeichnet und erläutert. Mit der gewachsenen Bedeutung und Verkehrsfunktion der Durchbindung der Französischen Straße durch die Schließung des Brandenburger Tores und der W____straße (zwischen Behrenstraße und der Straße Unter den Linden) für den Durchgangsverkehr, der Belastung der Behrenstraße als Umfahrung der Straße Unter den Linden sowie mit der geplanten Einrichtung einer Straßenbahnlinie in der Leipziger Straße hat der Antragsgegner in der Begründung vom 29. August 2005 weitere gewichtige Gründe für seine Verkehrsplanung angeführt. Soweit die Antragstellerin kritisiert, hinsichtlich der zukünftigen Straßenbahnlinie könne man auch genau umgekehrt argumentieren und eine Straßenbahn in der Französischen Straße planen, vermag dies die Begründung des Antragsgegners nicht in Frage zu stellen. Allein die Möglichkeit, dass bei der komplexen Planung der Stadtmitte auch andere Planungsentscheidungen hätten getroffen werden können, genügt nicht, um die konkrete Abwägungsentscheidung, die die vorhandene Straßenbahnplanung berücksichtigen musste, in Frage zu stellen. Im Übrigen ist es angesichts der ungleich größeren Verkehrsbedeutung der Leipziger Straße als Durchgangsstraße und der Entfernung zwischen Französischer und Leipziger Straße evident, dass ein Straßenbahnbau in der Leipziger Straße nicht einfach gegen einen solchen in der Französischen Straße ausgetauscht werden könnte. Als weiteren gewichtigen Belang, der für die Verwirklichung der Verkehrsplanung spricht, hat der Antragsgegner die Erschließung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas angeführt und dargelegt, dass Alternativen für eine Erschließung insoweit nicht gegeben sind.

Bei der Bewertung der für die Straßenplanung angeführten Belange hat der Antragsgegner schließlich berücksichtigt, dass durch den Straßenquerschnitt der geplanten Trasse von 20 m im Bereich der Mauerstraße nach den Erläuterungen des Antragsgegners in der Planbegründung vom 29. August 2005 sicher gestellt ist, dass die Französische Straße jedenfalls im Bereich östlich der W____straße nur jeweils eine Fahrspur in jede Richtung aufweisen wird und sie damit nicht geeignet ist, als Straße für den Durchgangsverkehr zu dienen. Durch die Versetzung der Einmündung der Lennéstraße in die Ebertstraße um 40 m ist darüber hinaus sichergestellt, dass die Französische Straße nicht die Fortsetzung dieser Straßenverbindung darstellt und damit vermehrt innerörtlichen Durchgangsverkehr anzieht.

Der Antragsgegner war auch nicht verpflichtet, sich in der Abwägung für die Lösung, einschließlich einer Nullvariante, zu entscheiden, die den Lärmschutzbelangen optimal Rechnung trägt. Dies gilt auch soweit die schalltechnischen Gutachten für die Wohnbebauung tags Gesamtbelastungen durch den vorhanden Straßenlärm und den durch den Neubau hinzukommenden Straßenlärm von über 70 dB(A) ausweisen. Zwar wird die Schwelle zur Gesundheitsgefahr vom BVerwG und BGH bei Gebieten, die auch dem Wohnen dienen, mit 70 bis 75 dB(A) tagsüber und 60 bis 65 dB(A) nachts angenommen (BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2005, NVwZ 2005, 808; BGH, Urteil vom 25. März 1993, BGHZ 122, 76). Die Überschreitung der Schwelle hat jedoch nicht zur Folge, dass die Planung zwingend einen entsprechenden planerischen Ausgleich schaffen muss (vgl. Urteil des Senats vom 18. Januar 2006 - OVG 2 A 7.05 -). Wie in der Begründung zum Bebauungsplan dargelegt, ist nach den schalltechnischen Gutachten davon ausgehen, dass vorliegend eine ausreichende Reduzierung durch aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen erreichbar ist. Dies wird auch von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen. Dass die passiven Lärmschutzmaßnahmen nicht im einzelnen im Bebauungsplan festgesetzt wurden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die Konfliktbewältigung ist bei passiven Lärmschutz außerhalb des Planungsverfahrens dadurch sichergestellt, dass § 42 BImSchG unmittelbar Anwendung findet mit der Folge, das Lärmbetroffene direkt aus dieser Norm einen Anspruch haben und geltend machen können (vgl. BayVGH, Urteil vom 29. Juni 2006, NVwZ-RR 2007, 161, 165; Senatsurteil vom 18. Januar 2006 - 2 A 7.05).

4.3.5. Auch das Abwägungsergebnis ist in Bezug auf die Straßenplanung nicht zu beanstanden. Ein Verbot, Straßen, die der innerörtlichen Verkehrsführung und der Bewältigung des innerstädtischen Ziel- und Quellverkehrs dienen, in Wohngebieten festzusetzen, gibt es ersichtlich nicht. Wie im Rahmen der Darstellungen zu § 50 BImSchG dargelegt, sind vielmehr in dichtbesiedelten Innenstadtbereichen schädliche Umwelteinwirkungen vielfach nicht völlig zu vermeiden und in einem gewissen Maße hinzunehmen. Die Grenze der Zulässigkeit solcher Planungen ist erst dann überschritten, wenn sich die mit dem Vorhaben verbundenen Ausgleichsmaßnahmen nicht auf ein zumutbares Maß beschränken lassen (BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 1995, ZfBR 1995, 269, 271). Eine Beschränkung auf ein zumutbares Maß ist hier jedenfalls - wie dargelegt - durch passive Schallschutzmaßnahmen möglich.

4.3.6. Der Bebauungsplan ist nicht deswegen abwägungsfehlerhaft, weil ein Kerngebiet direkt neben einem allgemeinen Wohngebiet festgesetzt wurde.

Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen ist der Grundsatz der zweckmäßigen Zuordnung von unverträglichen Nutzungen, der ein wesentliches Element geordneter städtebaulicher Entwicklung darstellt und ein elementarer Grundsatz städtebaulicher Planung ist, zu beachten. Dieser Grundsatz findet auch in § 50 BImSchG Ausdruck, der für raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen verlangt, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete soweit wie möglich vermieden werden (Trennungsgrundsatz). Dass der Trennungsgrundsatz nicht nur im Verhältnis von Wohngebieten zu Gewerbe- und Industriegebieten Geltung beansprucht, sondern auch z.B. bei einem Nebeneinander von Wohngebieten zu landwirtschaftlichen Nutzflächen, ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2006 - BVerwG 4 BN 17.06 - zitiert nach juris; vgl., auch Senatsurteil vom 14. Februar 2006, BauR 2006, 1424; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. März 2007 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 125). Die Durchsetzung des Trennungsgrundsatzes ist allerdings - wie bereits dargelegt - durch weitere Planungsgrundsätze selbst wiederum begrenzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2007 a.a.O.).

Von Bedeutung ist der Trennungsgrundsatz in erster Linie bei der Neuplanung von Wohngebieten. Anders als bei einer durch ein bereits vorhandenes Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen geprägten Gemengelage darf die Gemeinde nicht ohne zwingenden Grund selbst die Voraussetzungen von Vorbelastungen dadurch schaffen, dass sie in einen durch ein erhöhtes Immissionspotential gekennzeichneten Bereich ein störempfindliches Wohngebiet hineinplant (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2006, a.a.O.). Eine solche Fallgestaltung einer Neubeplanung liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr handelt es sich um die Überplanung eines durch verschiedenartige Nutzungen gekennzeichneten, dicht bebauten und zentralen innerstädtischen Gebietes. Die vorhandene Wohnbebauung ist bereits im Zeitpunkt der Planaufstellung erheblichen Straßenverkehrslärmbelastungen ausgesetzt und damit vorbelastet gewesen. Anders als bei der Hineinplanung eines neuen Wohngebietes in eine konfliktträchtige Situation ist daher die Überplanung und Sicherung eines vorhandenen, aber belasteten Wohngebietes nicht von vornherein abwägungsfehlerhaft. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier, durch die Eigentumsverhältnisse, die Lage der Baugebiete im Entwicklungsbereich "Hauptstadt Berlin - Parlaments- und Regierungsviertel" und die konkrete Nutzung durch den Bund im Zeitpunkt der Planungsentscheidung in einem erhöhtem Maße sichergestellt war, dass auch zukünftig in erster Linie Verwaltungsnutzungen und nicht sonstige kerngebietstypische Nutzungen, die weitaus stärker mit einer Wohnnutzug in Konflikt geraten können, ausgeübt werden. Die in besonderer Weise mit einer Wohnnutzung unvereinbare Nutzung des Gebietes durch Tankstellen ist im Bebauungsplan zudem ausdrücklich ausgeschlossen worden. Das direkte Nebeneinander von Kerngebiet und allgemeinen Wohngebiet entspricht darüber hinaus auch der planungsrechtlichen Situation in anderen zentralen innerstädtischen Bereichen Berlins. So sind beiderseits des Kurfürstendamms angrenzend an ein allgemeines Wohngebiet Kerngebietsstreifen in einer Tiefe von 40 m ausgewiesen (vgl. hierzu OVG Berlin, Urteil vom 20. Mai 2003 - OVGE 24, 219, 220).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hätte aufgrund der vorhandenen klaren Trennung zwischen der (reinen) Wohnbebauung und -nutzung auf dem Grundstück der Antragstellerin und der angrenzenden kerngebietstypischen Nutzung auch die Festsetzung eines Mischgebiets den bestehenden Konflikt nicht lösen können und für die Zukunft in das Wohngebiet weitere mit der Wohnnutzung unverträgliche Belastungen hineingetragen und damit den Schutz der Wohnruhe zu Lasten der Bewohner des Gebietes in dem jetzt vorhandenen faktischen allgemeinen Wohngebiet eingeschränkt. Angesichts der auf eine Bestandssicherung, nicht aber auf eine Ausweitung der Wohnnutzung gerichteten planerischen Konzeption des Antragsgegners ist auch der Verzicht auf eine Festsetzung eines Mindestanteils von Wohnungen im Kerngebiet städtebaulich begründet. Angesichts des vorhandenen Bestandes an Verwaltungsgebäuden und den Planungen für einen Erweiterungsbau eines Bundesministeriums ist auch die Argumentation des Antragsgegners nachvollziehbar, dass die Kerngebiete auf absehbare Zeit nicht für Wohnzwecke geeignet sein werden und auch deswegen der Ausschluss von Wohnnutzungen gerechtfertigt war.

4.3.7. Die Rüge der Antragstellerin, der Bebauungsplan sei abwägungsfehlerhaft, soweit er Baukörperfestsetzungen im allgemeinen Wohngebiet enthalte, ist begründet. Der Bebauungsplan genügt insoweit nicht dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 6 BauGB a.F., § 214 Abs. 3 BauGB).

Die Festsetzung von Baugrenzen nach § 23 Abs. 1 und 3 BauNVO zu Bestimmung der überbaubaren Grundstücksflächen bedarf als die Bebaubarkeit einschränkende planungsrechtliche Regelung einer städtebaulichen Zielsetzung. Die Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksflächen in einem Bebauungsplan müssen - wie jede bauplanerische Entscheidung - städtebaulich motiviert sein (BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2002 - BRS 65 Nr. 44). Von den in § 1 Abs. 6 BauGB (früher: § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB) angesprochenen Belangen können durch die Festlegung von Freiflächen insbesondere die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (Nr. 1), die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung (Nr.2), die Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile sowie die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes (Nr. 4) sowie die in Nr. 5 genannten denkmalpflegerischen und geschichtlichen Belange beeinflusst werden (Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, Bd. 6, § 23 BauNVO Rn. 39; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2002, a.a.O.). Bei der Überplanung bereits bebauter Gebiete bedarf es gewichtiger städtebaulicher Belange für Baugrenzenfestsetzungen, die die bebaubaren Grundstücksflächen verengend festschreiben. Ob, z.B. unter dem Gesichtspunkt der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bevölkerungsstrukturen (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB), eine solche Festsetzung überhaupt planerisch zu rechtfertigen sein kann, oder ob insoweit nicht nur - unter den dort geregelten Voraussetzungen - eine Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in Betracht kommt, bedarf keiner Vertiefung, da es vorliegend erkennbar an den Voraussetzungen hierfür fehlt. Eine Planung, die sich ohne weitere städtebauliche Rechtfertigung darin erschöpft, die vorhandene Bebauung vor Änderungen durch eine Festschreibung des Bestandes zu bewahren, ist abwägungsfehlerhaft (OVG Lüneburg, Urteil vom 24. April 1969, BRS 22 Nr. 6).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Baukörperausweisung im allgemeinen Wohngebiet fehlerhaft. Die Baukörperausweisung ist dadurch charakterisiert, dass sie den vorhandenen Bestand mit seinen Kopfbauten annähernd "grundrissscharf" in allen Einzelheiten nachzeichnet. Dies hat zur Folge, dass bei einer Neubebauung des Grundstücks der Antragstellerin eine vom jetzigen Grundriss abweichende Bebauung unmöglich wäre. Eine städtebaulich nachvollziehbare Begründung für diese Sicherung des gegenwärtigen architektonischen Bestandes fehlt und ist nicht ersichtlich. Aus der Planbegründung ergibt sich insoweit lediglich, dass Festlegungen der überbaubaren Fläche und der Nutzungsmaße der Bestandssicherung dienten. Mit dieser Begründung wird - unabhängig von ihrer Tragfähigkeit im Übrigen - nicht dargelegt, warum dies nur durch die Nachzeichnung des derzeitigen Grundrisses der Plattenbauten geschehen kann. Eine solche Darlegung gelingt dem Antragsgegner auch nicht im hiesigen Normenkontrollverfahren. Soweit er auf die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Festsetzung im Sinne des § 6 Abs. 14 BauO Bln a.F. hinweist, vermag dies nicht zu erklären, warum eine genaue Nachzeichnung des Grundrisses abstandsflächenrechtlich erforderlich sein soll. Ebenso wenig genügt der Hinweis, dass im südlichen Bereich an der Französischen Straße ein weiteres Heranrücken der Wohnbebauung an die geplante Straße verhindert werden sollte. Die Festlegung eines Abstandes zwischen zulässiger Bebauung und einer Straße mag zwar unter dem Gesichtspunkt der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse ein zulässiger städtebaulicher Grund für eine Baugrenzenfestsetzung sein. Auch eine solche städtebauliche Zielsetzung macht aber offensichtlich nicht die Nachzeichnung des Grundrisses erforderlich. Der Hinweis auf die Erforderlichkeit der Sicherung vorhandener Freiflächen ist in dem hier interessierenden Zusammenhang ebenfalls nicht geeignet, die konkrete Festsetzung zu rechtfertigen. Es wird wiederum nicht deutlich, warum es gerade erforderlich ist, den Grundriss des gegenwärtigen Bestandes zu sichern.

Dass die Baugrenzen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der privaten Belange der Antragstellerin führen, ist nachvollziehbar, da sie die Antragstellerin bei jeder künftigen Bebauung und bei jeder baulichen Änderung des Bestandsgebäudes auf die durch die industrielle Plattenbauweise bedingte Grundrissgestaltung festlegt.

4.3.8. Der hier festgestellte Abwägungsfehler ist auch offensichtlich, da er sich aus den vorhandenen Planunterlagen ohne weiteres ergibt und nicht auszuschließen ist, dass er auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB), weil der Plangeber bei der gebotenen Berücksichtigung der Interessen der Antragstellerin an einer gestalterisch freieren Bebauung von einer derart engen Baukörperausweisung abgesehen hätte. Dies gilt umso mehr, als die übrigen vom Antragsgegner zur Rechtfertigung der Baukörperausweisung genannten Ziele hierdurch nicht beeinträchtigt würden. Da das Maß der zulässigen Nutzung in dem allgemeinen Wohngebiet zusammen durch die Angabe der maximal zu errichtenden Geschossfläche in Verbindung mit Traufhöhenangaben und den Baugrenzen bestimmt wird, wirkt sich die Unwirksamkeit der Baugrenzen auch auf die Maßfestsetzungen in diesem Planbereich aus. Darüber hinaus bleibt der Bebauungsplan jedoch von dem Fehler unberührt. Die übrigen Festsetzungen, insbesondere auch die die Beigeladenen begünstigende Festsetzung eines zur Erschließung des Grundstücks W____straße 55 erforderlichen Geh-, Fahr- und Leitungsrechts werden von der Unwirksamkeit nicht erfasst. Dies gilt auch für die am Bestand orientierte Festsetzung der Art der Nutzung als allgemeines Wohngebiet. Die für sich abwägungsfehlerfreien Festsetzungen des Kerngebietes und der Verkehrsfläche haben ebenfalls Bestand, da sie für sich genommen geeignet sind, das nach dem Planungsverfahren zum Ausdruck gebrachte Ziel des Antragsgegners, eine planungsrechtliche Grundlage für die Verlängerung der Französischen Straße zu schaffen, zu fördern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. April 1993, BRS 55 Nr. 31).

Die Baugrenzfestsetzungen in den Kerngebieten begegnen dagegen keinen Bedenken. Soweit die geschlossene Blockrandbebauung auf dem neuen Baugrundstück südlich der Verlängerung der Französischen Straße durch Ausweisung von Baugrenzen in 10 m Breite unterbrochen wird, wird dies ausreichend mit der denkmalpflegerischen Überlegungen (Verhinderung eines Anbaus an das zu einem Denkmalbereich gehörende Grundstück Mauerstraße 25-32) begründet. Die übrigen Baugrenzenfestsetzungen lassen eine Überbauung der im Kerngebiet liegenden Grundstücke von Grenze zu Grenze zu und schränken damit die Bebaubarkeit nicht ein.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit dem hier entsprechend anwendbaren § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

Zurück