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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 10.09.2008
Aktenzeichen: OVG 2 B 17.07
Rechtsgebiete: WoAufG Bln, OWiG, AVWasserV, ASOG


Vorschriften:

WoAufG Bln § 1 Abs. 1
WoAufG Bln § 2 a
WoAufG Bln § 3
WoAufG Bln § 3 Abs. 1
WoAufG Bln § 3 Abs. 4
WoAufG Bln § 4
WoAufG Bln § 12
WoAufG Bln § 13 Abs. 1 Nr. 1
WoAufG Bln § 13 Abs. 2
OWiG § 3
AVWasserV § 33
AVWasserV § 33 Abs. 2
AVWasserV § 33 Abs. 2 Satz 1
ASOG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

OVG 2 B 17.07

Verkündet am 10. September 2008

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow, den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn sowie die ehrenamtliche Richterin Dommisch und den ehrenamtlichen Richter Birkholz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer der mit Mehrfamilienhäusern bebauten Grundstücke und in Berlin. Er wendet sich gegen eine wohnungsaufsichtsrechtliche Anordnung des Beklagten

Mit Schreiben vom 3. Februar 2003 teilten die Berliner Wasserbetriebe (BWB) dem Wohnungsamt des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf mit, dass der Kläger als Grundstückseigentümer und Vertragspartner seinen Zahlungsverpflichtungen seit dem 11. August 1998 nicht mehr nachkomme und Bemühungen, die aufgelaufenen Zahlungsrückstände in Höhe von 11.939,68 EUR für das Haus und von 33.859,61 EUR für das Haus beizutreiben, erfolglos geblieben seien. Es sei daher beabsichtigt, die Mieter aufzufordern, zur Abwendung einer Trinkwassersperre eine so genannte Notgemeinschaft zu bilden, die Zahlungen an die Wasserbetriebe leisten könne. Gleichzeitig baten die Wasserbetriebe darum, die Voraussetzungen für eine Ersatzvornahme zu schaffen.

Nach Anhörung des Klägers ordnete das Wohnungsamt mit für sofort vollziehbar erklärten Bescheiden vom 5. März 2003 gestützt auf das Wohnungsaufsichtsgesetz (WoAufG Bln) an, dass der Kläger die Belieferung der Wohngebäude mit Trinkwasser weiterhin sicherzustellen habe. Gleichzeitig drohte es an, die Belieferung mit Trinkwasser im Wege der Ersatzvornahme zu verfügen, wenn der Kläger der Anordnung nicht innerhalb von einer Woche nachkomme. Mit seinen Widersprüchen vom 20. März 2003 lehnte es der Kläger ab, der Verfügung Folge zu leisten. Ziel seiner Zahlungsweigerung sei es, die BWB dazu zu bringen, nicht mit den Hauseigentümern, sondern mit den einzelnen Mietern Lieferverträge abzuschließen. Nachdem die Bildung von Notgemeinschaften der Mieter gescheitert war, setzte das Wohnungsamt die Ersatzvornahme mit Bescheiden vom 4. April 2003 für die Zeit vom 15. März 2003 bis zunächst zum 15. Juli 2003 fest und verfügte die weitere Belieferung der Wohngebäude durch die BWB. Den alle zwei Monate anfallenden Kostenaufwand setzte es vorläufig mit 975,00 EUR für das Gebäude 1 und mit 449,00 EUR für das Gebäude fest. Hiergegen legte der Kläger ebenfalls Widerspruch ein.

Die Widersprüche des Klägers gegen die Anordnungen der Ersatzvornahme wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 17. Juli 2003 zurück. Der Kläger sei Störer im Sinne des § 3 WoAufG Bln. Durch die Nichterfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber den BWB schädige er sich nicht nur selbst, sondern auch die Mieter seiner Häuser, weshalb Maßnahmen nicht gegen die Wasserbetriebe, sondern ausschließlich gegen ihn zu richten seien. Eine Veränderung der Haltung der BWB und des Senats zu Einzelverbraucherverträgen müsse er über die politische oder gerichtliche Ebene und nicht durch eine Leistungsverweigerung mit schädlichen Folgen für seine Mieter erwirken. Solange die Vorauszahlungspraxis nicht geändert werde, sei er verpflichtet, für die Wasservorauszahlungen sämtlicher Wohnungen aufzukommen, gleichgültig, ob diese bewohnt seien oder nicht. Nach den allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen der Opportunität und der Verhältnismäßigkeit der Mittel sei die Mängelbeseitigungsverfügung zu Recht ergangen, um den bestimmungsgemäßen Gebrauch von Wohnungen und Wohnräumen zu sichern.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. Oktober 2006 die gegen die Anordnungen gerichtete Klage abgewiesen. Es hat das Wohnungsaufsichtsgesetz für anwendbar erachtet, obwohl es keiner Instandsetzung des funktionstüchtigen Wasseranschlusses bedürfe. Nach Sinn und Zweck der Wohnungsaufsicht, die ordnungsgemäße Nutzung und Benutzbarkeit von Wohngebäuden, Wohnungen und Wohnräumen sicherzustellen, könne es keinen Unterschied machen, ob die Wasserlieferung durch einen technischen Defekt oder infolge der Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Wasserbetrieben unterbrochen werde.

Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 5. September 2007 zugelassenen Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: § 3 Abs. 1 des Berliner Wohnungsaufsichtsgesetzes sei nicht anwendbar, da die Norm ihrem eindeutigen Wortlaut und der Gesetzessystematik nach nur mangelhafte bauliche Zustände erfasse. Eine erweiternde Auslegung verbiete sich vor dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und dem Analogieverbot des § 3 OWiG. Das Wohnungsaufsichtsamt habe keine Ermessenserwägungen angestellt und verkannt, dass die Sperrung der Versorgung eine widerrechtliche Störung des Besitzes der Mieter darstelle. Die drohende Einstellung der Wasserversorgung der Mieter sei zumindest gleichberechtigt auf das Verhalten der Wasserbetriebe zurückzuführen. Das in § 33 der Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser enthaltene Zurückbehaltungsrecht rechtfertige trotz seiner Eigenschaft als "gesetzliche Regelung" die Besitzstörung nicht, da es nur die Rechtsbeziehungen der Vertragspartner untereinander regele. Die Sperrung der Wasserversorgung dürfe darüber hinaus nur letztes Mittel sein. Die BWB hätten aber nicht alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Bereits vor einiger Zeit hätten die BWB und die Mieter der Häuser des Klägers vereinbart, dass die Abschlagszahlungen direkt von den betroffenen Mietern geleistet würden. Probleme seien insoweit nicht aufgetreten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Oktober 2006 zu ändern und die Bescheide des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 5. März 2003 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Juli 2003 aufzuheben, soweit dem Kläger darin aufgegeben wird, die Belieferung mit Trinkwasser weiter sicherzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 3 WoAufG Bln entsprechend anwendbar sei. Jedenfalls finde die Verfügung eine Rechtsgrundlage in der polizeilichen Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG. Der Kläger sei auch richtiger Adressat der Ordnungsverfügung, da allein er Störer sei. Die BWB hätten auch im Verhältnis zu den Mietern keine verbotene Eigenmacht ausgeübt. Zivilrechtliche Ansprüche zwischen den Mietern des Klägers und den BWB würden im Übrigen seitens der Ordnungsbehörde grundsätzlich nicht geprüft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kommt allerdings § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Beseitigung von Wohnungsmissständen in Berlin (Wohnungsaufsichtsgesetz - WoAufG Bln) in der Fassung vom 3. April 1990 (GVBl. S. 1081) nicht als Rechtsgrundlage der angegriffenen Verfügung in Betracht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht vor. Eine entsprechende Anwendung der Norm auf die vorliegende Konstellation scheidet aus.

§ 3 Abs. 1 WoAufG Bln, der sich in dem die wohnungsaufsichtlichen Anforderungen regelnden Zweiten Abschnitt des Wohnungsaufsichtsgesetzes befindet, setzt für den Erlass einer wohnungsaufsichtlichen Instandsetzungsverfügung voraus, dass an Wohnungen oder Wohnräumen Arbeiten unterblieben oder unzureichend ausgeführt worden sind, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung des für den Gebrauch zu Wohnzwecken geeigneten Zustands notwendig gewesen wären und hierdurch der Gebrauch zu Wohnzwecken nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Ist dies der Fall, soll die zuständige Behörde gegenüber dem Verfügungsberechtigten die Anordnung aussprechen, die (unterlassenen) Arbeiten nachzuholen. Sie hat dabei die Arbeiten zu bezeichnen und eine Frist für die Nachholung zu bestimmen, § 3 Abs. 4 WoAufG Bln.

Die Regelung knüpft an unterlassene Instandhaltungsarbeiten, zu deren Ausführung der Verfügungsberechtigte nach § 2 a WoAufG Bln verpflichtet ist, an und dient dem Ziel der baulichen Wiederherstellung (Instandsetzung) der vollen Gebrauchstauglichkeit des Wohnraums. Auch die in § 4 WoAufG Bln geregelte Anordnung zur Beseitigung mangelhafter Wohnverhältnisse hat eine - von Anfang an bestehende oder später eingetretene - ungenügende bauliche Beschaffenheit vorhandener Wohnungen zum Gegenstand. Ein solcher Fall liegt hier unstreitig nicht vor. Die Wasseranschlüsse der Wohnhäuser waren im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Widerspruchsbescheide voll funktionstüchtig.

Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 1 WoAufG Bln über die Fälle einer durch unterlassene Instandhaltung verursachten technischen Funktionsstörung hinaus auch auf Fälle, bei denen - wie hier - eine nicht unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung durch den Verfügungsberechtigten anders als durch unterlassene Instandhaltungsarbeiten verursacht wurde, kommt auch nicht im Wege einer über die Auslegung der Norm hinausgehenden analogen Anwendung der Vorschrift in Betracht. Eine solche erweiternde Auslegung und Rechtsfortbildung ist insbesondere dann angezeigt, wenn die tatsächliche oder rechtliche Entwicklung eine bis dahin eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lässt und das Gesetz seine Fähigkeit verliert, für alle Fälle, auf die seine Regelung abzielt, eine gerechte Lösung bereit zu halten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - BVerfGE 82, 6, 15). In diesen Fällen sind die Gerichte befugt und verpflichtet zu prüfen, was unter veränderten Umständen "Recht" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG ist (BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990, a.a.O). Neben der durch veränderte Umstände eingetretenen sekundären Lückenhaftigkeit ist auch eine von Anfang an bestehende primäre Lückenhaftigkeit einer gesetzlichen Regelung denkbar. Die Beantwortung der Frage, ob eine Gesetzeslücke oder eine abschließende Regelung besteht, erfordert im gleichen Maße eine rechtliche Wertung wie die Lösung des Problems, in welcher Weise die Lücke zu schließen ist. Der erkennbare Wille des Gesetzgebers, wie er aus den Wertungen des - unter Umständen lückenhaften - Gesetzes zu entnehmen ist, ist dabei für die richterliche Rechtsfortbildung maßgeblich (BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990, a.a.O. unter Hinweis auf Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, § 84 a.E.; ebenso unter krit. Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BVerfG, Rüthers, Rechtstheorie, 1999, Rn. 868 ff., 875). Mit Blick auf den aus den Freiheitsgrundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Vorbehalt des Gesetzes sind im Bereich der Eingriffsverwaltung einer analogen Anwendung von belastenden gesetzlichen Bestimmungen enge Grenzen gesetzt. Die Grundsätze des Rechtsstaats fordern, dass auch Ermächtigungen der Exekutive zur Vornahme belastender Verwaltungsakte durch das ermächtigende Gesetz nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, weshalb es der Verwaltung versagt ist, durch analoge Anwendung von Rechtsnormen Eingriffsgrundlagen selbst herzustellen (BVerfG, 2. Kammer, Beschluss vom 14. August 1996 - NJW 1996, 3146). Dies gilt noch einmal in besonderem Maße für Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände, bei denen der grammatikalischen Auslegung eine herausgehobene Bedeutung zukommt. Hier zieht der Wortsinn einer Vorschrift die unübersteigbare Grenze (vgl. BVerfG, 3. Kammer, Beschluss vom 19. Juni 2007 - 1 BvR 1290/05 - m.w.N. - juris).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 1 WoAufG Bln auf Fälle der vorliegenden Art nicht in Betracht. Es lässt sich weder dem Gesetz selbst noch der Gesetzesbegründung entnehmen, dass der Gesetzgeber mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz eine umfassende Eingriffsermächtigung gegenüber jedem denkbaren Missstand unabhängig davon, wie er entstanden ist, schaffen wollte. Eine solche gesetzgeberische Absicht lässt sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts insbesondere nicht allein aus der allgemeinen, in § 1 Abs. 1 WoAufG Bln enthaltenen Gesetzeszielbestimmung, "die ordnungsgemäße Nutzung und Benutzbarkeit von Wohnungen sicherzustellen", herleiten. Das Wohnungsaufsichtsgesetz kennt keine Generalklausel, die bei jeder Art der Nutzungsbeeinträchtigung und unabhängig von der zu Grunde liegenden Ursache ein hoheitliches Einschreiten erlauben würde, sondern das Gesetz regelt einzelne (Eingriffs-)Tatbestände, die eine wohnungsaufsichtliche Anordnung rechtfertigen können, enumerativ (§§ 3 bis 9). Anhaltspunkte dafür, dass eine umfassende ordnungsrechtliche Beaufsichtigung angestrebt wird, lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Die Regelungstechnik begrenzter Einzelermächtigungen hat der Gesetzgeber vielmehr auch bei der Novellierung des Gesetzes im Jahr 1990 (G. v. 3. April 1990, GVBl. S. 1081) beibehalten und die Übernahme im ursprünglichen Gesetzentwurf enthaltener weitergehender Eingriffsinstrumente (Einführung eines Wohnungsnutzungs-, Räumungs- und Wiederherstellungsgebots sowie eines Treuhänders, vgl. AH Drs. 11/171) abgelehnt. Auch die Änderungen des § 3 WoAufG Bln, der durch Einfügung des Absatzes 3 über die malermäßige Instandsetzung im Jahr 1977 (G. v. 2. November 1977, GVBl. S. 2116; vgl. hierzu OVG Berlin, Beschluss vom 23. Oktober 1985, OVGE 17, 166) und 1990 durch die Ergänzung der Absatz 2 Nr. 1 um das Wort "Decken" erweitert wurde, zeigen, dass dem Gesetzgeber stets allein bauliche Missstände vor Augen standen und die Beschreibung des Gesetzeszwecks im Gesetzentwurf aus dem Jahr 1972 "ein Einschreiten gegen bestimmte Wohnungsmißstände" zu ermöglichen, die durch "Unterlassen von Instandsetzungen, durch Überbelegung oder zweckwidrige Benutzung von Wohnungen" oder bauliche Missstände entstehen können (AH Drs. 6/475 S. 5), nach wie vor Gültigkeit besitzt und den Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelungen begrenzt. Eine planwidrige Lückenhaftigkeit des Gesetzes ist mithin nicht erkennbar. Dass nur bestimmte bauliche Missstände zum Eingreifen nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz berechtigen, entspricht vielmehr dem gesetzlichen Plan.

Auch der in § 12 WoAufG Bln enthaltene ausdrückliche Hinweis darauf, dass andere Rechtsvorschriften, die eine Verbesserung von Wohnräumen oder Beseitigung von Mängeln oder Missständen vorsehen, insbesondere des Bauordnungsrechts, des sonstigen Ordnungsrechts und des Polizeirechts unberührt bleiben, macht deutlich, dass das Wohnungsaufsichtsgesetz nur einen eng begrenzten Regelungsgegenstand aufweist.

Eine Ausdehnung der Eingriffstatbestände auf nicht ausdrücklich geregelte Sachverhalte würde zudem unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit der Norm problematisch sein, zumal da ein Verstoß gegen eine Anordnung nach § 3 Abs. 1 WoAufG Bln gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 WoAufG Bln eine mit einer Geldbuße von bis zu 25 000 EUR bedrohte Ordnungswidrigkeit darstellt und daher nach dem oben Gesagten in besonderer Weise der Wortlaut der Norm eine Schranke für eine analoge Anwendung der Norm bildet.

2. Die Anordnung findet jedoch ihre Rechtsgrundlage in der polizeirechtlichen Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG, wonach die Ordnungsbehörde zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die notwendigen Maßnahmen ergreifen kann. Dass durch die Einstellung der Trinkwasserversorgung in einem Mehrfamilienhaus das Individualrechtsgut der Gesundheit der betroffenen Bewohner gefährdet wird und eine wirksame zivilrechtliche Rechtsschutzmöglichkeit der Mieter (vgl. § 1 Abs. 4 ASOG) gegen den Vermieter oder sonstigen (Verfügungs-) Befugten jedenfalls im Hinblick auf die Schwierigkeiten einer rechtzeitigen Vollstreckung zu verneinen ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

Der Kläger ist vom Beklagten ermessensfehlerfrei (§ 12 Abs. 1 ASOG) als Verantwortlicher für die Störung in Anspruch genommen worden. Der Kläger hat durch seine Weigerung, die von den Mietern geleisteten Vorschüsse an die BWB weiterzuleiten, die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten und damit die Gefahr im polizeirechtlichen Sinne verursacht (§ 13 Abs. 1 ASOG). Als Eigentümer der Grundstücke ist er zudem Inhaber der tatsächlichen Gewalt und deswegen verantwortlich (§ 14 Abs. 1 ASOG). Dass die Androhung der Wassersperre durch die BWB die zeitlich gesehen letzte Ursache für die Gefahrentstehung war, ist nicht für die Bestimmung des polizeirechtlich Verantwortlichen ausschlaggebend. Nach der vorherrschenden Theorie der unmittelbaren Verursachung einer polizeirechtlichen Gefahr ist ein Verhalten dann ursächlich, wenn es für sich gesehen die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschreitet, wobei es nicht auf die zeitlich letzte Verursachung ankommt, sondern eine wertende Betrachtung vorzunehmen ist (Schenke, a.a.O. Rn. 243 m.w.N.). Maßgeblich ist daher, ob zwischen der zeitlich gesehen letzten Ursache (Androhung der Sperrung) und dem Anlass für diese Ursache (Einstellung der Zahlungen) ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass sich der Veranlasser die durch die letzte Ursache ausgelöste Gefahr zurechnen lassen muss. Dies ist hier der Fall. Eine rechtliche Rechtfertigung für die Zahlungseinstellung bestand nicht. Der Kläger verhielt sich vielmehr sowohl gegenüber den BWB als auch gegenüber seinen Mietern vorsätzlich vertragswidrig, um zu erreichen, dass die BWB mit den einzelnen Mietern Lieferungsverträge abschließt. Bereits aufgrund dieses beabsichtigten rechtswidrigen Verhaltens muss sich der Kläger die Gefahr zurechen lassen, zumal er angesichts der im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide bereits aufgelaufenen erheblichen Zahlungsrückstände auch damit rechnen musste, dass die BWB gemäß § 33 Abs. 2 AVWasserV (GVBl. 1980, S. 1333) mit einer Einstellung weiterer Wasserlieferungen reagieren würden, die von der Mehrheit in der Rechtsprechung und Literatur als gegenüber den Mietern zulässig angesehen (vgl. nur Palandt/Bassenge, § 862 Rn. 4 m.w.N.) wird.

Die Verfügungen weisen auch keine sonstigen Ermessensfehler auf.

Dass nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz das zuständige Wohnungsamt einschreiten soll, mithin das Ermessen in der Form eingeschränkt ist, dass regelmäßig bei Bekanntwerden eines Mangels eingeschritten werden muss, während in § 17 Abs. 1 ASOG den Behörden hinsichtlich des "Ob" des Einschreitens ein weites Ermessen zukommt ("kann"), führt vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler. Denn angesichts der durch die Einstellung der Wasserversorgung entstehenden Gefährdung der Hausbewohner war - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - ein Einschreiten geboten.

Die Ermessensentscheidung ist entgegen der Auffassung des Berufungsklägers auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte verkannt hätte, dass die BWB zumindest gleichberechtigt als Störer in Betracht gekommen wären und den Besitz der Mieter gestört hätten.

Dieses Argument überzeugt schon deswegen nicht, weil die BWB nicht als Adressat einer wohnungsaufsichtlichen Verfügung in Betracht kommen dürften. Dies folgt daraus, dass es sich bei den Berliner Wasserbetrieben auch nach ihrer Teilprivatisierung durch das Gesetz vom 17. Mai 1999 (GVBl. S. 183) nach wie vor um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handelt, die eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 3 Berliner Betriebegesetz vom 14. Juli 2006 - GVBl. S. 827). Damit ist die formelle Polizeipflichtigkeit der BWB zweifelhaft, auch wenn diese die Wasserversorgung mit Mitteln des Privatrechts bewältigen (vgl. Schenke, a.a.O., Rn. 234, 236; Knape/Kiworr, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 9. Aufl. 2006, S. 161; anders für das BImSchG, BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2002 - BVerwGE 117, 1; kritisch auch Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. 2008, S. 82 m.w.N. ). Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Einstellung der Wasserlieferung, zu der die BWB jedenfalls gegenüber dem Verfügungsberechtigten nach § 33 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20. Juni 1980 (GVBl. S. 1333, BGBl. S. 750) berechtigt waren, sich gegenüber den Mietern als verbotene Eigenmacht darstellt und daher rechtswidrig war, käme es mithin im vorliegenden Zusammenhang nicht an.

Unabhängig hiervon hat der Beklagte die Frage, ob neben oder statt des Klägers die BWB hätten in Anspruch genommen werden können, im Rahmen seiner Ermessensentscheidung geprüft und verneint. In seinem Widerspruchsschreiben vom 20. März 2003 hat der Kläger unter Hinweis darauf, dass die Einstellung der Wasserlieferung eine erhebliche Beeinträchtigung der Wohnnutzung darstelle, vom Beklagten ein Vorgehen gegen die BWB gefordert. Hierauf hat der Beklagte mit Schreiben vom 26. März 2003, das teilweise wörtlich Eingang in die Widerspruchsbescheide vom 17. Juli 2003 gefunden hat, die Frage, wer als Störer in Anspruch genommen werden kann, geprüft und gegenüber dem Kläger dargelegt, dass Maßnahmen ausschließlich gegen ihn als demjenigen, der sich gegenüber seinen Mietern und der BWB vorsätzlich vertragswidrig verhält, zu ergreifen seien. Weiterhin hat der Beklagte in seine Ermessenserwägungen auch die Frage einbezogen, ob die Bildung einer Mieternotgemeinschaft eine ausreichende Möglichkeit zur Abwendung der Gefahr darstellt. In seinem Schreiben vom 26. März 2008 hat er zutreffend darauf hingewiesen, dass eine solche Notgemeinschaft nur ein vorübergehendes Hilfsmittel darstellen könne und gleichzeitig angekündigt, beim Zustandekommen einer solchen Notgemeinschaft von weiteren Maßnahmen gegen den Kläger Abstand zu nehmen. Im Widerspruchsbescheid wird ergänzend ausgeführt, dass nach der Auskunft der BWB eine solche Notgemeinschaft nicht in dem erforderlichen Umfang zustande gekommen sei. Ausweislich eines Vermerks des Wohnungsaufsichtsamts vom 3. April 2003 ist die Bildung einer Notgemeinschaft daran gescheitert, dass der Kläger für die von ihm genutzten und die leer stehenden Wohnungen keine Vorschüsse entrichtete. Der Kläger selbst hat die Aufforderung der BWB in seinem Widerspruch als "Nötigung und rechtlich unhaltbar" bezeichnet. Angesichts dessen geht seine Rüge, die BWB hätten nicht alle Verhandlungsmöglichkeiten zur Bildung einer Notgemeinschaft ausgeschöpft, was wiederum der Beklagte bei seiner Ermessenentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt habe, ersichtlich fehl und vermag auch der Umstand, dass es nach dem Vorbringen des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren im Jahr 2006 doch noch unter Beteiligung des Klägers zur Bildung solcher Notgemeinschaften gekommen ist, nicht den Schluss zu, die BWB hätten voreilig eine Liefersperre angekündigt. Dass schließlich die Möglichkeit, Vorauszahlungen festzulegen, kein geeignetes Mittel ist, Zahlungsrückstände zu vermeiden, zeigt der vorliegende Fall.

Dass der Kläger durch die vom Beklagten angeordnete Sicherstellung der Wasserlieferung der Wohngebäude durch Wiederaufnahme der Abschlagzahlungen an die BWB nicht unangemessen benachteiligt wird, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt (UA S. 6). Hierauf wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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