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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.07.2009
Aktenzeichen: OVG 2 B 19.08
Rechtsgebiete: AufenthV, AufenthG


Vorschriften:

AufenthV § 1 Abs. 2
AufenthV §§ 39 ff.
AufenthV § 39 Nr. 3
AufenthV § 39 Nr. 3 2. Alt.
AufenthG § 4 Abs. 1 Satz 1
AufenthG § 5 Abs. 2
AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 1
AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 2
AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt.
AufenthG § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AufenthG § 6 Abs. 4
AufenthG § 6 Abs. 4 Satz 1
AufenthG § 10 Abs. 3 Satz 3
AufenthG § 27 Abs. 1
AufenthG § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 28 Abs. 1 Satz 3
AufenthG § 39 Nr. 3
AufenthG § 68
AufenthG § 99 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 99 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

OVG 2 B 19.08

Verkündet am 16. Juli 2009

hat der 2. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Merz, den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn, den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Grohmann, die ehrenamtliche Richterin Thiedke und den ehrenamtlichen Richter Uhde für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Juli 2008 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Staatsangehörige der Republik Weißrussland und reiste am 1. August 2007 mit einem bis zum 29. August gültigen, später bis zum 30. September 2007 verlängerten Schengen-Visum nach Deutschland ein. Am 6. September 2007 heiratete sie in Dänemark einen deutschen Staatsangehörigen, kehrte unmittelbar nach der Heirat nach Deutschland zurück und beantragte am 18. September 2007 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 mit der Begründung ab, die Klägerin sei ohne das erforderliche Visum eingereist. Der Aufenthaltstitel könne nicht gemäß § 39 Nr. 3 AufenthV im Bundesgebiet beantragt werden, weil die Ehe vor der Wiedereinreise aus Dänemark geschlossen worden sei. Von der Voraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum könne vorliegend nicht abgesehen werden. Gleichzeitig wurde der Klägerin die Abschiebung angedroht.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 31. Juli 2008 unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 10. Oktober 2007 verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem geltend gemachten Anspruch stehe die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen, auf zutreffenden und vollständigen Angaben im Visumantrag beruhenden Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) nicht entgegen, da die Klägerin nach § 39 Nr. 3 AufenthV berechtigt sei, den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen. Die Klägerin habe während der Gültigkeit ihres Schengen-Visums durch die Heirat mit einem deutschen Staatsangehörigen einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben und einen entsprechenden Antrag gestellt. Ihr Anspruch sei auch nach der Einreise entstanden, da die Klägerin mit dem Schengen-Visum bereits am 1. August 2007 und damit vor der Heirat eingereist sei. Der Begriff der Einreise werde in § 39 Nr. 3 AufenthV im Zusammenhang mit dem gültigen Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte gebraucht, sodass die zulässige Dauer des Kurzaufenthaltes von der ersten Einreise in den Schengen-Raum bestimmt werde und von einem Wechsel zwischen den Schengen-Staaten unberührt bleibe. Deshalb sei mit der Einreise in § 39 Nr. 3 AufenthV die erste Einreise in den Schengen-Raum gemeint.

Gegen diese Rechtsposition wendet sich der Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung. Zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht macht er geltend, die Voraussetzungen des § 39 Nr. 3 AufenthV lägen nicht vor. Die Klägerin habe in Dänemark geheiratet und sei anschließend (erneut) in das Bundesgebiet eingereist. Maßgeblich sei jedoch nicht der Zeitpunkt der Einreise in den Schengen-Raum, sondern die dem Antrag der Aufenthaltserlaubnis unmittelbar vorhergehende Einreise in das Bundesgebiet. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Norm, die den Begriff der Einreise in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wort Bundesgebiet verwende und im vierten Abschnitt der Aufenthaltsverordnung unter der Überschrift "Einholung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet" angesiedelt sei. Hinzu komme, dass der Verordnungsgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zum Richtlinien-Umsetzungsgesetz ausdrücklich die Fallkonstellation der "Dänemark-Ehen" aus dem Anwendungsbereich des § 39 Nr. 3 AufenthV habe ausschließen wollen.

Unabhängig von der Regelung in § 39 Nr. 3 AufenthV stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis § 5 Abs. 2 AufenthG entgegen, da die Klägerin mit dem Schengen-Visum für einen kurzfristigen Besuchsaufenthalt nicht über das erforderliche Visum zum Ehegattennachzug verfügt habe. Dass die Änderung ihres Aufenthaltszwecks und ihre Absichten erst nach der Einreise eingetreten seien, habe die Klägerin nicht plausibel gemacht. Besondere Umstände, die es ihr unzumutbar machen würden, das Visumverfahren für den Familiennachzug nachzuholen, seien nicht ersichtlich. Dass im Falle eines Ehegattennachzugs zu einem deutschen Staatsangehörigen durch § 5 Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. AufenthG eingeräumte Ermessen, von einer Nachholung des Visumverfahrens abzusehen, sei mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 in rechtlich zulässiger Weise negativ ausgeübt worden. Auch insoweit seien von der Klägerin keinerlei schutzwürdige Belange geltend gemacht oder sonst erkennbar, die einer Nachholung des Visumverfahrens entgegenstehen würden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Juli 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und weist in Bezug auf die ihrer Ansicht nach gebotene europarechtliche Auslegung des Begriffes der Einreise ergänzend darauf hin, dass das Fehlen einer Definition durch den Normgeber auf der gemeinschaftsrechtlichen Ebene nicht zwingend dazu führe, die unterschiedlichen nationalen Rechtsvorstellungen über die Einreise anzuwenden. Vielmehr seien die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten europarechtlichen Maßstäbe heranzuziehen. Eine Auswertung der einschlägigen Entscheidungen ergebe, dass die systematische Auslegung und Anwendung von § 39 Nr. 3, 2. Alt. AufenthV ihrem Aufenthaltsbegehren nicht entgegenstehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Akte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens VG 15 A 402.07 sowie die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angegriffene Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 10. Oktober 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt allein § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1979) in Betracht. Danach ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen zum Zwecke des nach Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Schutzes von Ehe und Familie für die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und die weiteren für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 5 AufenthG).

1. Die Klägerin lebt in Berlin mit ihrem Ehemann in häuslicher Gemeinschaft und verfügt nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts über ausreichende Sprachkenntnisse (§§ 28 Abs. 1 Satz 5, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Ob der Lebensunterhalt des Ehepaares in ausreichendem Maß gesichert ist (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 AufenthG), bedarf keiner Entscheidung, da § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG unabhängig von der Erfüllung der genannten Regelerteilungsvoraussetzung im Fall des Nachzugs eines Ausländers zu einem Ehegatten deutscher Staatsangehörigkeit einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis einräumt (vgl. u.a. Marx, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2009, § 28 Rn. 190). Für einen atypischen Fall, der eine Abweichung hiervon rechtfertigen würde, sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Es fehlt jedoch an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufenthG. Danach ist erforderlich, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).

a) Die Klägerin, die im vorliegenden Verfahren ein Daueraufenthaltsrecht begehrt, war bei ihrer Einreise lediglich im Besitz eines Schengen-Visums. Dieses für touristische Zwecke ausgestellte Visum gilt grundsätzlich nur für kurzfristige (vorübergehende) Aufenthalte im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Für einen - wie hier - über drei Monate hinausgehenden (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) längerfristigen Aufenthalt ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird (§ 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) und gegebenenfalls einer Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§§ 31 ff. AufenthV). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen längerfristigen Aufenthalt nach der Einreise setzt daher voraus, dass der Ausländer mit dem entsprechenden nationalen Visum eingereist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG). Dabei ist Bezugspunkt der Prüfung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG der Aufenthaltszweck und die Aufenthaltsdauer, die durch die aktuell bei der Ausländerbehörde beantragte Aufenthaltserlaubnis bestimmt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Juli 2008, InfAuslR 2008, 444; Bäuerle, in: GK-AufenthG, a.a.O., § 5 Rn. 147; a.A.: Zeitler, in: HTK-AuslR, Stand: Juli 2009, § 5 AufenthG Pkt. 2.2, 2.3, der aber über § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zu demselben Ergebnis kommt).

b) Diese nationale Visumpflicht gilt allerdings nicht, soweit der Ausländer die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit §§ 39 ff. der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) vom 25. November 2004 (BGBl. I S. 2945), zuletzt geändert durch Art. 1 Dritte Verordnung zur Änderung der Aufenthaltsverordnung vom 8. Mai 2008 (BGBl. I S. 806) nach der Einreise im Bundesgebiet einholen kann oder aber nach dem Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen - SDÜ) vom 19. Juni 1990 (BGBl. 1993 II S. 1013), zuletzt geändert durch Art. 20 Verordnung (EG) Nr. 1931/2006 vom 20. Dezember 2006 (ABl. 2006 Nr. L 405 S. 1, ber. 2007 ABl. L 29 S. 3) oder der unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind vom 15. März 2001 - EG-VisaVO - vom 15. März 2001 (ABl. Nr. L 81 S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 Verordnung (EG) Nr. 1932/2006 vom 21. Dezember 2006 (ABl. Nr. L 405 S. 23) für Einreise und Aufenthalt nicht der Visumpflicht unterfällt (vgl. Jakober, in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Stand: Februar 2009, § 5 Rn. 107).

Nach der insoweit allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 39 Nr. 3 AufenthV ist die Klägerin nicht von der Visumpflicht befreit.

In der ab dem 28. August 2007 geltenden Fassung (vgl. Art. 7 Abs. 4 Nr. 13 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - Richtlinienumsetzungsgesetz -, BGBl. I S. 1970 [2051]) gestattet die Vorschrift einem Ausländer, über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen, wenn er Staatsangehöriger eines in Anhang II der EG-VisaVO aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind. § 39 Nr. 3 AufenthV findet nicht nur Anwendung auf Staatsangehörige eines der in Anhang II der EG-VisaVO aufgeführten Staaten, sondern nach Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Norm auf alle Inhaber eines gültigen Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. April 2009 - 7 B 10037/09 -, juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Juli 2008, a.a.O; Fehrenbacher, in: HTK-AuslR, a.a.O., § 39 AufenthV Pkt. 4.1). Die 2. Alternative der Vorschrift setzt voraus, dass der Ausländer im Zeitpunkt der Antragstellung im Besitz eines gültigen Schengen-Visums ist, die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise und während der Geltungsdauer des Schengen-Visums entstanden sind.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung wie auch der Eheschließung mit dem deutschen Staatsangehörigen war die Klägerin im Besitz eines gültigen Schengen-Visums. Ihr aus der genannten Heirat folgender Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) ist jedoch nicht nach der Einreise entstanden, da es bei dem beabsichtigten Daueraufenthalt auf die letzte, vor der Antragstellung erfolgte Einreise in das Bundesgebiet und nicht auf die Einreise in den Schengen-Raum ankommt (ebenso: Bayerischer VGH, Beschluss vom 18. Mai 2009 - 10 CS 09.853 -, juris Rn. 19; Beschluss vom 23. Dezember 2008 - 19 CS 08.577, 19 C 08.3068 -, juris Rn. 15; Beschluss vom 24. Juli 2008 - 19 CS 08.1940 -, juris Rn. 4; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 28. August 2008 - 13 ME 131/08 -, juris Rn. 8; Hessischer VGH, Beschluss vom 22. September 2008, InfAuslR 2009, 14; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Juli 2008, a.a.O.; VG des Saarlandes, Beschluss vom 18. März 2009 - 2 L 62/09 -, juris Rn. 6; Fehrenbacher, a.a.O., § 39 AufenthV Pkt. 4.2; Welte, InfAuslR 2008, 387 <389>; a.A.: Benassi, InfAuslR 2008, 127 <129>; bisher offen gelassen: Beschlüsse des Senats vom 22. April 2008 - OVG 2 S 118.07 -, vom 19. Mai 2008 - OVG 2 S 26.08 -).

aa) Dafür spricht zunächst die systematische Stellung des § 39 AufenthV. Die Norm ist nicht in dem das Visumverfahren betreffenden Abschnitt der Aufenthaltsverordnung, sondern im 4. Abschnitt angesiedelt, der die "Einholung des Aufenthaltstitels im Bundesgebiet", d.h. die Erteilung/Verlängerung nationaler Aufenthaltserlaubnisse betrifft. Entsprechend beschränkt sich der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift auf die Befreiung von der gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für längerfristige Aufenthalte geltenden nationalen Visumpflicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Juli 2008, a.a.O.; Hessischer VGH, Beschluss vom 22. September 2008, a.a.O.), da der Betroffene anderenfalls die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllen würde. Insoweit auf die Einreise in das Bundesgebiet abzustellen, ist danach nur folgerichtig (vgl. Welte, a.a.O., S. 388) und wird durch den Wortlaut des § 39 AufenthV gestützt. Denn der in Nr. 3 verwendete Begriff der Einreise ist im Zusammenhang mit dem den verschiedenen Alternativen (Nr. 1 bis 6) vorangestellten Eingangswortlaut der Vorschrift zu lesen, wonach der Ausländer den Aufenthaltstitel für einen längerfristigen Aufenthalt "im Bundesgebiet" einholen kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Juli 2008, a.a.O.; Fehrenbacher, a.a.O., § 39 AufenthV Pkt. 4.2). Ferner gilt die Tatbestandsvoraussetzung der Entstehung eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise für beide Alternativen der Nr. 3 des § 39 AufenthV, mithin ebenso für Staatsangehörige näher bezeichneter Drittländer, die sich rechtmäßig "im Bundesgebiet" aufhalten. Auch hier wird der Begriff der Einreise in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bundesgebiet gebraucht.

bb) Darüber hinaus entspricht diese Auslegung dem mit der Neufassung des § 39 Nr. 3 AufenthV verfolgten Zweck, wie er sich aus der Begründung zu Art. 7 Abs. 4 Nr. 13 Buchstabe a des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970/2051) ergibt. Während es nach der alten Fassung der Vorschrift für die Befreiung von der Visumpflicht genügte, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "erfüllt" waren, und zwar ohne zeitliche Begrenzung, sollte mit der Änderung des § 39 Nr. 3 AufenthV der missbräuchlichen Verwendung eines Schengen-Visums für einen von vornherein beabsichtigen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet entgegengewirkt werden (vgl. BT-Drs 16/5065 S. 240). Dabei hat der Verordnungsgeber ausdrücklich die Heirat deutscher Staatsangehöriger in Dänemark in den Blick genommen. Dass - wie das Verwaltungsgericht meint - der Zweck, einen Missbrauch von Schengen-Visa zu verhindern, nicht erreicht werden könne, da Fälle, in denen nach der Einreise mit einem Schengen-Visum die Eheschließung in Deutschland erfolge, nicht erfasst seien und darin eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung der "Dänemark-Ehen" liege, steht nicht entgegen. Dabei kann die etwaige Praxisrelevanz dieser Fälle ebenso offen bleiben wie die Frage, ob § 39 Nr. 3 AufenthV Anwendung findet, wenn der Wechsel des Aufenthaltszwecks von vornherein beabsichtigt gewesen ist (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschluss vom 18. Mai 2009 - 10 CS 09.853 -, juris). In jedem Fall unterliegen Art und Ausmaß einer Missbrauchsregelung der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, der nicht verpflichtet ist, verschiedene Sachverhaltskonstellationen mit gleichen rechtlichen Sanktionen zu belegen. Das Gleiche gilt in Bezug auf die von der Klägerin als Beispiel für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung angeführte, in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG für abgelehnte Asylbewerber getroffene Regelung.

cc) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Ehe zu schützen und zu fördern hat, und welche die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren verpflichtet, die bestehenden ehelichen Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987, BVerfGE 76, 1 <49 ff.>). Auch wenn der Betroffene es nicht hinzunehmen braucht, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen, und Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit nur dann und insoweit zulässig sind, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, DVBl. 2003, 1260), ist es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG aber grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1984 - 2 BvR 1299/84 -, NVwZ 1985, S. 260). Das Aufenthaltsgesetz trägt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 -, InfAuslR 2008, 239). Im Hinblick hierauf sowie auf den Umstand, dass sämtliche Visa, die für einen über drei Monate hinaus gehenden Aufenthalt erteilt werden sollen, der vorherigen Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde bedürfen (§ 99 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV), begegnet die Zustimmungsbedürftigkeit für zum Zwecke des Ehegattennachzugs beantragte Visa gleichfalls keinen Bedenken.

dd) Mit Blick auf den Charakter des § 39 AufenthV als einer Ausnahme von der nationalen Visumpflicht für einen längerfristigen Aufenthalt, ist ein anderes Verständnis des Begriffs der Einreise auch gemeinschaftsrechtlich nicht geboten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Juli 2008, a.a.O.; Fehrenbacher, a.a.O., § 39 AufenthV Pkt. 4.2).

Die von Benassi (InfAuslR 2008, 127 ff.) für die gegenteilige Rechtsansicht herangezogenen Argumente überzeugen nicht. So kann aus den in der 2. Alternative von § 39 Nr. 3 AufenthV verwendeten, gemeinschaftsrechtlich geprägten Begriffen des Schengen-Visums und des kurzfristigen Aufenthalts nichts für die Auslegung des Begriffs der Einreise hergeleitet werden, da erstere lediglich den Status des Betroffenen beschreiben bzw. den persönlich Anwendungsbereich der Regelung bestimmen, ohne zwingende Auswirkungen auf die Interpretation weiterer Tatbestandsvoraussetzungen zu haben. Vielmehr wird der für sich betrachtet neutrale Begriff der Einreise erst durch den Zusammenhang konkretisiert, in dem er gebraucht wird mit der Folge, dass aus den oben dargestellten Gründen die Einreise in das Bundesgebiet gemeint ist. Dies ergibt sich insbesondere - wie bereits ausgeführt - aus der Zusammenschau mit der 1. Alternative der Nr. 3 und dem Eingangswortlaut des § 39 AufenthV. Auch knüpft § 39 Nr. 3 AufenthV keine Rechtsfolgen an den Grenzübertritt mit einem Schengen-Visum aus einem Vertragsstaat, sondern regelt Voraussetzungen, unter denen ein zum Daueraufenthalt berechtigender Aufenthaltstitel - ausnahmsweise - im Bundesgebiet eingeholt werden kann.

Dass in § 1 Abs. 2 AufenthV mit der ersten Einreise unzweifelhaft das erstmalige Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten gemeint ist, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, da die Vorschrift keine Legaldefinition des Begriffs der Einreise, sondern des Kurzaufenthalts enthält. Wenn ein Kurzaufenthalt ein Aufenthalt im gemeinsamen Gebiet der Schengen-Staaten ist, kann es sich bei der ersten Einreise nur um eine solche in den Schengen-Raum handeln, zumal es im Weiteren um die Fristberechnung für die Aufenthaltsdauer im Schengen-Gebiet geht. Hier zeigt sich erneut, dass der nähere Inhalt des Begriffs der Einreise durch den Regelungszusammenhang, in dem er steht, bestimmt wird.

Ebenso wenig lässt sich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erwähnten Einreise etwas für die Auslegung des § 39 Nr. 3 AufenthV entnehmen. § 4 Abs. 1 Satz1 AufenthG i.V.m. Art. 19 Abs. 1 SDÜ und den Bestimmungen der EG-VisaVO betreffen die Visumpflicht von Drittstaatsangehörigen und die Wirkungen eines Schengen-Visums, d.h. geregelt werden die Bedingungen für eine rechtmäßige Einreise in einen der Vertragsstaaten und die anschließende Reisefreiheit im Schengen-Raum. Welche Voraussetzungen ein Drittstaatsangehöriger für einen ggf. erstrebten Daueraufenthalt in einem der Vertragsstaaten erfüllen muss, richtet sich allein nach dem jeweils maßgeblichen nationalen Recht. Art. 18 Satz 1 SDÜ bestimmt ausdrücklich, dass Visa für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten Dauer nationale Visa sind, die von einem der Mitgliedstaaten gemäß seinen Rechtsvorschriften erteilt werden. Entsprechend sind Visumpflichten für längerfristige Aufenthalte nicht Gegenstand der EG-VisaVO (vgl. Erwägungsgrund (1), Art. 2, 1. Spiegelstrich). Aus den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zum Schengen-Visum, das allein zu einem kurzfristigen Aufenthalt berechtigt, Rückschlüsse auf die Auslegung von den Daueraufenthalt betreffenden nationalen Rechtsvorschriften zu ziehen, scheidet daher aus.

ee) Die o.a. Auslegung des § 39 Nr. 3 AufenthV steht weiter nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Zwar hat der Europäische Gerichtshof seinem Urteil vom 25. Juli 2008 (- C-127/08 - <Metock>) klargestellt, dass es für das Aufenthaltsrecht eines drittstaatsangehörigen Familienmitglieds eines Unionsbürgers nach der RL 2004/38/EG unerheblich ist, wann und wo die Ehe geschlossen wurde und wann und wie die Beteiligten in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind (InfAuslR 2008, 377 ff.; vgl. auch Laier, ZAR 2008, 354 ff.). Diese Entscheidung ist jedoch für die hier zur Entscheidung stehende Fallkonstellation nicht einschlägig, da der Ehemann der Klägerin als Unionsbürger nicht von seinem gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht und sich nicht in einem Aufnahmemitgliedstaat, einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt (Art. 2 Nr. 3 RL 2004/38/EG), niedergelassen hat oder aufhält, in dem nun die Klägerin als Familienangehörige ein Aufenthaltsrecht geltend macht. Dem Argument einer möglichen Inländerdiskriminierung begegnet der Europäische Gerichtshof mit dem Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung, nach der reine Inlandssachverhalte nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen (EuGH, a.a.O., S. 379). Das Gleiche gilt in Bezug auf die Carpenter-Entscheidung (Urteil vom 11. Juli 2002 - C-60/00 -, InfAuslR 2002, 373 ff.), die einen Unionsbürger betraf, der zwar - wie der Ehemann der Klägerin - in seinem Herkunftsstaat verblieb, aber mit einem inländischen Wohnsitz eine grenzüberschreitende Erwerbstätigkeit ausübte. Im Fall der Klägerin sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, die auf das Vorliegen eines vom Gemeinschaftsrecht erfassten Sachverhalts schließen ließen.

In dem Urteil vom 3. Oktober 2006 (- C-241/05 - <Bot>) verhält sich der Europäische Gerichtshof schließlich zu dem Begriff der ersten Einreise i.S.v. Art. 20 Abs. 1 SDÜ (InfAuslR 2007, 180 ff.). Die Entscheidung betrifft damit aber allein die nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilende Rechtmäßigkeit kurzfristiger Aufenthalte, eine Rechtsfrage, die sich vorliegend nicht stellt.

c) Die - wie hier - beim Bestehen einer nationalen Visumpflicht (§ 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) und dem Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Ermessen der zuständigen Behörde liegende Entscheidung, dennoch eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, hat der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu Lasten der Klägerin getroffen, obwohl ihr aus den bereits dargestellten Gründen (s.o. unter 1.) ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zusteht.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann von den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.

aa) Die Vorschrift ist als Ausnahmeregelung prinzipiell eng auszulegen, da die Durchführung des Visumverfahrens auch bei Vorliegen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels die Regel bleiben soll (vgl. Bäuerle, in: GK-AufenthG, a.a.O., § 5 Rn. 159 m.w.N.). Durch diese Regelung wird einerseits deutlich, dass die Einhaltung der Visumregeln kein Selbstzweck sein soll; andererseits wird auf diese Weise sichergestellt, dass die Steuerungsmechanismen des Aufenthaltsgesetzes nicht lahmgelegt und die dort vorgesehenen Zugangskontrollen hinsichtlich eines Aufenthalts in der Bundesrepublik nicht unterlaufen werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Oktober 2006, InfAuslR 2007, 56). Mit Blick hierauf ist es nicht gerechtfertigt, beim Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in der Regel von einer Ermessensreduzierung auf Null dahingehend auszugehen, dass keine andere Entscheidung als ein Absehen von den Anforderungen des Visumverfahrens ermessensfehlerfrei ist (so: Jakober, in: Jakober/Welte, a.a.O., § 5 Rn. 132). Dies gilt in jedem Fall für die erste Tatbestandsalternative des Bestehens eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (a.A. Möller, in: HK-AuslR, 2008, § 5 Rn. 38), da hier - anders als bei der zweiten Alternative der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens aufgrund besonderer Einzelfallumstände (vgl. hierzu Bäuerle, a.a.O., § 5 Rn. 176, 177) - noch keine Güterabwägung stattgefunden hat.

Hierfür spricht auch, dass anderenfalls die Regelung des § 39 Nr. 3 AufenthV umgangen würde. Nur eine echte Ermessensausübung im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist geeignet, dem systematischen Zusammenhang der beiden Vorschriften angemessen Rechnung zu tragen, der sich wie folgt dargestellt: Erfüllt ein Ausländer die Voraussetzungen des § 39 Nr. 3 AufenthV kann er einen Aufenthaltstitel zum Beispiel zum Familiennachzug im Bundesgebiet einholen. Die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht dem nicht entgegen. War ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits vor der Einreise entstanden, greift § 39 Nr. 3 AufenthV nicht. Die Aufenthaltserlaubnis kann im Inland nur erteilt werden, wenn u.a. die Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, was jedoch nicht der Fall ist, da der Ausländer mit einem nationalen Visum nach § 6 Abs. 4 AufenthG hätte einreisen müssen. Die Ausländerbehörde kann aber von den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abweichen und dem Ausländer im Ermessenswege den beantragten Titel erteilen. In der danach vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung ist dann aber u.a. der mit der Einführung des § 39 Nr. 3 AufenthG verfolgte gesetzgeberische Zweck zu beachten (vgl. z. Vorstehenden Zeitler, in: HTK-AuslR, a.a.O., § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG Pkt. 1.).

Erforderlich ist demnach, die legitimen Interessen des Ausländers gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass die Einhaltung des Visumverfahrens der Regelfall bleiben soll, dass allein die Verpflichtung, zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland vor der Einreise ein Visum einzuholen, nicht Art. 6 Abs. 1 GG verletzt und dass die Nachholung des Visumverfahrens stets mit allgemein bekannten und deshalb auch vom Gesetzgeber in den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes berücksichtigten Unannehmlichkeiten verbunden ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Die Grenze liegt dort, wo das Beharren auf der Einhaltung des Visumverfahrens objektiv als unangemessen empfunden werden müsste.

bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist die zu Lasten der Klägerin getroffene Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Erwägung, eine negative Entscheidung sei angezeigt, wenn die Umgehung des Visumverfahrens in offensichtlich missbräuchlicher Absicht erfolgt sei und schutzwürdige Belange des Betroffenen oder seiner Familienangehörigen nicht erkennbar seien, ist zulässig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. April 2009 - 7 B 10037/09 -, juris Rn. 22). Es ist ein beachtlicher öffentlicher Belang, dem Eindruck entgegenzuwirken, durch eine Einreise könnten stets vollendete Tatsachen geschaffen werden (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: April 2009, § 5 Rn. 67). Die Annahme, die Klägerin habe das für einen Daueraufenthalt zum Ehegattennachzug erforderliche Visumverfahren bewusst umgangen, wird durch die vom Beklagten in dem ablehnenden Bescheid aufgezeigte, mit dem Inhalt der die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge übereinstimmende Reisechronologie gestützt. Danach ist die Klägerin am 1. August 2007 mit einem bis zum 29. August gültigen Schengen-Visum nach Deutschland eingereist. Einladende war eine Frau S. W_____. Bei ihrer Vorsprache am 13. August 2007 hat die Ausländerbehörde des Landkreises Barnim das Besuchsvisum bis zum 30. September 2007 verlängert, nach dem Herr I. W_____ sich gemäß § 68 AufenthG verpflichtet hatte, in dieser Zeit für den Lebensunterhalt der Klägerin aufzukommen. Als Grund für die begehrte Verlängerung legte die Klägerin eine Buchungsbestätigung für eine Motoryacht für die Zeit vom 10. bis zum 23. September 2007 vor. Am 6. September 2007 heiratete sie in Dänemark ihren jetzigen Ehemann, kehrte unmittelbar nach der Heirat nach Deutschland zurück und beantragte am 18. September 2007 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Darüber hinaus hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, wegen der mit einer Eheschließung in Deutschland verbundenen Schwierigkeiten in Dänemark geheiratet zu haben.

Zutreffend hat der Beklagte in dem ablehnenden Bescheid weiter darauf hingewiesen, dass besondere Umstände, die eine vorübergehende Trennung der Klägerin von ihrem Ehemann mit Blick auf Art. 6 GG als unzumutbar erscheinen ließen, weder dargetan noch sonst ersichtlich sind. Weder wohnen im Haushalt der Klägerin kleine Kinder noch pflegebedürftige Personen, deren Betreuung im Fall des notwendigen Auslandsaufenthalts nicht gesichert wäre. Der Klägerin ist die Reise auch nicht wegen Krankheit, Schwangerschaft, Behinderung oder altersbedingt unzumutbar oder unmöglich. Es bestehen reguläre Reiseverbindungen in das Herkunftsland. In Minsk gibt es eine deutsche Auslandsvertretung. Ungeachtet der zu erwartenden Dauer des Visumverfahrens ist der Klägerin die nur vorübergehende Trennung von ihrem erst vor gut 1 1/2 Jahren angetrauten Ehegatten zuzumuten.

Eine Beendigung des Aufenthalts der Klägerin ist auch unter Berücksichtigung des durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutzes der ehelichen Gemeinschaft nicht unangemessen. Das Gewicht, das ihren privaten und familiären Belangen zukommt, hängt wesentlich von der Dauer des Aufenthalts der Klägerin im Bundesgebiet, von der Dauer ihrer Ehe, von der Festigkeit ihrer sozialen, kulturellen und familiären Bindungen einerseits zum Bundesgebiet und andererseits zu ihrem Heimatland, von den Faktoren, die die Effektivität des Familienlebens eines Paares zum Ausdruck bringen, sowie davon ab, ob und wann der Klägerin und ihrem Ehemann bewusst sein musste, dass eine Führung des Ehelebens im Bundesgebiet fraglich ist (vgl. Spiegelstriche 2, 5, 6, 8 und 10 in der Entscheidung des EGMR vom 28. Juni 2007 <Kaya>, InfAuslR 2007, 325). Im Hinblick darauf, dass die Klägerin im Alter von fast 34 Jahren aus Weißrussland in das Bundesgebiet eingereist ist, diese Einreise und der Beginn ihrer ehelichen Beziehung etwa zwei Jahre zurückliegen und von vornherein die berechtigte Erwartung eines längeren Aufenthalts nicht bestanden hat, kommt ihren privaten und familiären Belangen trotz der vorhandenen Sprachkenntnisse ein die öffentlichen Interessen überwiegendes Gewicht nicht zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da der Auslegung des § 39 Nr. 3 AufenthV grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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