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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: OVG 2 M 44.07
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, VwVfG, AufenthG


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
VwVfG § 28 Abs. 1
VwVfG § 45 Abs. 2
AufenthG § 7 Abs. 2 Satz 2
AufenthG § 31 Abs. 1
AufenthG § 31 Abs. 2
Tritt nach einem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten des Antragstellers ein und erledigt sich der Rechtsstreit dadurch, ist bei der rückwirkenden Bewilligung nicht zu Lasten des Antragstellers - wie sonst - auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife abzustellen. Grundsätzlich maßgebend für den Beurteilungszeitpunkt bleibt das materielle Recht.
OVG 2 M 44.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 11. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der pakistanische Kläger wehrt sich im Klageverfahren gegen die mit Bescheid vom 7. Juni 2006 erfolgte Verkürzung der Geltungsdauer seiner befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis infolge der Trennung von seiner deutschen Ehefrau schon wenige Monate nach der Eheschließung. Sein Prozesskostenhilfeantrag wurde vom Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 25. Juni 2007 unter Bezugnahme auf den im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss vom 6. September 2006 - VG 10 A 335/06 - abgelehnt. Mit der Prozesskostenhilfebeschwerde macht der Kläger geltend, dass bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage der Umstand, dass er am 15. März 2007 Vater eines deutschen Kindes geworden und ihm deshalb am 22. Mai 2007 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei, hätte mit einbezogen werden müssen. Ebenso die vorangegangene Zeit der Schwangerschaft.

Die Beschwerde des Klägers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO - biete, ist nicht zu beanstanden.

Die zwischenzeitliche materiell-rechtliche Erledigung des Rechtsstreits durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und die beabsichtigte Abgabe einer verfahrensbeendenden Erklärung durch den Kläger stehen der Entscheidung über die Prozesskostenhilfebeschwerde nicht entgegen, auch wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe prinzipiell voraussetzt, dass eine Sachentscheidung noch aussteht, denn das Gesuch war bereits vor dem Erledigungseintritt im positiven Sinne entscheidungsreif (vgl. hierzu OVG Bln, Beschluss vom 5. März 1998, NVwZ 1998, 650; BayVGH, Beschluss vom 6. August 1996, NVwZ-RR 1997, 500; OVG Bln, Beschluss vom 18. Januar 2005 - OVG 2 M 5.05 -).

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist hinsichtlich der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags abzustellen, die in der Regel gegeben ist, wenn der Prozessgegner Gelegenheit zur Äußerung (§ 118 Abs. 1 ZPO) hatte (vgl. OVG Hbg, Beschluss vom 6. August 2003, DVBl. 2004, 844) und die Verwaltungsvorgänge vorliegen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 23. April 2002, NVwZ-RR 2002, 791). Dieser Zeitpunkt ist nur in den Fällen, in denen nach Erledigung des Rechtsstreits "rückwirkend" über die Prozesskostenhilfe entschieden werden soll, maßgeblich, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob der Antragsteller alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, um die erstrebte Prozesskostenhilfe zu erlangen (vgl. BayVGH, a.a.O.). Auf diesen Zeitpunkt ist aber nicht zu Lasten des Betroffenen abzustellen, wenn nach der Entscheidungsreife die Klage durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage Aussichten auf Erfolg aufweist. Vielmehr ist dann ab diesem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Hier wäre allerdings aufgrund der materiell-rechtlichen Situation für die Frage der Rechtmäßigkeit der mit Bescheid vom 7. Juni 2006 gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erfolgten Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1991, InfAuslR 1991, 268 sowie zur Ausweisung NdsOVG, Beschluss vom 13. April 2005, NVwZ 2005, 968 m. w. N., so dass durch die spätere Geburt des Kindes des Klägers oder auch die bei Erlass des Bescheids noch nicht bekannte Schwangerschaft - sofern diese überhaupt ausgereicht hätte - jedenfalls keine Änderung der Erfolgsaussichten der Klage eingetreten sein kann. Entsprechenden Veränderungen kann in solchen Fällen nur durch die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis z. B. zu einem anderen Aufenthaltszweck oder (zunächst) durch die Erteilung einer Duldung Rechnung getragen werden. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass sich das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Klage an dem Beschluss vom 6. September 2006 im Verfahren VG 10 A 335/06 orientiert hat.

Eine Erfolgsaussicht der Klage gegen den Bescheid vom 7. Juni 2006 ist auch nicht deshalb gegeben, weil dieser durch einen Anhörungsmangel (§ 28 Abs. 1 VwVfG) verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sein könnte. Soweit der Kläger meint, dass er mit dem Anhörungsschreiben vom 5. Oktober 2005 - über den Hinweis auf die Nichterfüllung der Zwei-Jahres-Frist des § 31 Abs. 1 AufenthG hinaus - auch auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Härtegesichtspunkten im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG hätte aufmerksam gemacht werden müssen, überspannt er die verfahrensrechtlichen Anforderungen. Eine ausnahmsweise Verpflichtung der Behörde zu einem besonderen Hinweis auf Ausnahmefälle kann nur dann gegeben sein, wenn für deren Vorliegen überhaupt ein erkennbarer Anlass besteht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage 2003, § 28 RNr. 21). Dass die Behörde am 5. Oktober 2005 die erstmals mit Bescheinigung vom 24. Juli 2006 bestätigte Schwangerschaft nicht in ihr Anhörungsschreiben mit einbeziehen konnte und sie dementsprechend keinen Anlass hatte, auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Härtegesichtspunkten im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG hinzuweisen, versteht sich von selbst. Im Übrigen hat der Kläger weder innerhalb der ihm gesetzte Anhörungsfrist noch nach der erst nach Fristablauf durch seinen Prozessbevollmächtigten beantragten Akteneinsicht mit angekündigter Stellungnahme je von seinem Anhörungsrecht Gebrauch gemacht. Auf die Frage der Heilungsmöglichkeit von Verfahrensmängeln (§ 45 Abs. 2 VwVfG) kommt es deshalb nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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