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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 06.10.2008
Aktenzeichen: OVG 2 N 129.07
Rechtsgebiete: VwVfG Bbg


Vorschriften:

VwVfG Bbg §§ 48 ff.
VwVfG Bbg § 49 a Abs. 1
VwVfG Bbg § 49 a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 2 N 129.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher und die Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn und Dr. Jobs am 6. Oktober 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25. Mai 2007 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 3.663,83 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem eine vorläufig bewilligte Zuwendung für die Instandsetzung und Modernisierung eines Wohngebäudes teilweise in einen verlorenen Zuschuss und teilweise in ein Darlehen umgewandelt sowie die Rückerstattung der Darlehensleistung verlangt wurde. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ein Grund, die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 VwGO), ist auf der Grundlage der allein maßgeblichen Darlegungen des Klägers (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht gegeben.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

a. Das Verwaltungsgericht hat den dem Kläger am 15. Dezember 1992 erteilten Bewilligungsbescheid als vorläufigen Verwaltungsakt qualifiziert und seinen Inhalt dahingehend ausgelegt, dass die Zuwendung nur vorläufig ist bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung, ob die bewilligten Mittel endgültig als Darlehen oder als Zuschuss gewährt werden, durch andere Finanzierungsmittel ersetzt werden oder zurückzuzahlen sind. Dabei hat es die in dem Bescheid enthaltene Regelung, dass die Abrechnung fünf Jahre nach der Bezugsfertigkeit erfolgt, so verstanden, dass dem Kläger hierdurch ein zeitlicher Rahmen vorgegeben werde, innerhalb dessen er die Zuwendung zumindest vorläufig behalten dürfe. Es handele sich nicht um eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf sich der vorläufige Bescheid automatisch und vollumfänglich in einen endgültigen Bescheid mit dem Inhalt einer vollumfänglichen Bewilligung eines verlorenen Zuschusses umwandle (vgl. im Einzelnen EA S. 6 bis 9).

Soweit der Kläger hiergegen einwendet, der Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 1992 lasse den Inhalt der vorläufigen Regelung nicht hinreichend bestimmt erkennen und er sei spätestens mit Ablauf der Abrechnungsfrist von fünf Jahren nach Bezugsfertigkeit des Gebäudes am 10. August 2000 in einen Vertrauensschutz gebenden endgültigen Zuwendungsbescheid umgewandelt worden, vermag er keinen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

Bei einem vorläufigen Verwaltungsakt wird eine vorläufige Regelung unter dem Vorbehalt der späteren endgültigen Entscheidung gestellt. Regelungsinhalt eines vorläufigen Verwaltungsaktes über die vorläufige Bewilligung einer Zuwendung ist regelmäßig, dass der Begünstigte die Zuwendung nur vorläufig bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung behalten darf. Der Anspruch des Begünstigten auf das endgültige Behaltendürfen der Zuwendung hängt davon ab, welche endgültige Entscheidung erlassen wird. Das bedeutet, dass es bei der späteren Entscheidung über das endgültige Behaltendürfen der Zuwendung und deren Modalitäten keine Aufhebung der unter Vorbehalt ergangenen Bewilligung bedarf, also das Regelungsprogramm der §§ 48 ff. VwVfG Bbg modifiziert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1983, BVerwGE 67, 99; OVG Mannheim, Urteil vom 19. Juli 2005, NVwZ-RR 2006, S. 154, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rdnrn. 243 f.).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist im Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 1992 inhaltlich hinreichend bestimmt geregelt (§ 37 Abs. 1 VwVfG Bbg), dass er nur eine vorläufige Regelung haben soll. Auch der Inhalt seiner vorläufigen Regelung (vgl. dazu OVG Münster, NVwZ 1991, S. 588) ist hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht worden. Sowohl aus dem Text des Bescheides wie auch aus den anliegenden allgemeinen Nebenbestimmungen über Zuwendungen zur Projektförderung (Ziffer 1.1.) i.V.m. Buchst. A.5.1 der vorläufigen Richtlinien für die Städtebauförderung des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnung und Verkehr vom 3. Mai 1991 geht hervor, dass die Zuwendung nur unter dem Vorbehalt der späteren Entscheidung gewährt wird, ob diese Mittel endgültig als Darlehen oder als Zuschuss gewährt werden, durch andere Finanzierungsmittel ersetzt werden oder zurückzuzahlen sind. Regelungsinhalt des Bescheides ist daher, dass der Kläger eine (zins- und tilgungsfreie) Vorauszahlung erhält, die er bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung behalten darf. Die im Bescheid enthaltene Regelung, dass die "Abrechnung" fünf Jahre nach der Bezugsfertigkeit der Zuwendung erfolge, lässt, wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden und eingehend begründet hat, nicht den Schluss zu, dass nach Ablauf der Frist der vorläufige Bewilligungsbescheid nicht mehr unter dem Vorbehalt der endgültigen Entscheidung steht. Die Frist für die Abrechnung der Zuwendung bezieht sich auf den Umfang und die Höhe der Zuwendung auf Grundlage der tatsächlichen bei der Instandsetzung und Modernisierung des Wohngebäudes aufgewendeten Geldleistungen. Die im Bescheid enthaltene Regelung rechtfertigt nicht die Annahme des Klägers, dass der Vorbehalt der endgültigen Entscheidung entfallen ist. Hiergegen spricht auch, dass die Form der Zuwendung (Darlehen oder Zuschuss) im Bescheid ausdrücklich offen gelassen wurde und nicht davon ausgegangen werden kann, dass nach Ablauf der Frist gerade die für den Kläger günstige Zuwendungsform endgültig geregelt sein soll. Der Anspruch des begünstigten Klägers auf das endgültige Behaltendürfen der Zuwendung hängt damit vom endgültigen - hier am 12. August 2003 erlassenen - Bewilligungsbescheid ab. Zuvor konnte sich der Kläger entgegen seiner Rechtsansicht nicht auf Vertrauensschutz berufen.

b. Auch das Vorbringen des Klägers, das Recht auf Rückerstattung des mit Bescheid vom 12. August 2003 festgesetzten Betrages sei angesichts einer Zeitspanne von elf Jahren seit Gewährung der Zuwendung verwirkt, vermag die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass Rückforderung des Darlehens nicht der Einwand der Verwirkung entgegen stehe, nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen. Die Verwirkung kann eintreten, wenn seit der Möglichkeit, den Erstattungsanspruch durch Bescheid geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzugetreten sind, auf Grund derer die verspätete Geltendmachung als treuwidrig empfunden wird, weil der Zuwendungsempfänger auf die Nichtheranziehung zur Erstattung vertrauen durfte (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1975, BVerwGE 48, 247 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt (vgl. im Einzelnen EA S. 10), dass es hier an einem besonderen Umstandsmoment, d.h. an dem Verhalten des Beklagten, das ein Vertrauen des Klägers begründen könne, wonach die endgültige Entscheidung über die Art der Zuwendung oder die Entscheidung über eine (teilweise) Rückerstattung nicht mehr erfolgen werde, fehlt. Das Argument des Klägers, dass hier das Zeitmoment das Umstandsmoment überlagere, vermag nicht zur überzeugen. Die Länge der hier verstrichenen Zeit allein reicht für die Annahme einer Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs nicht aus, da es hier am Hinzutreten des zusätzlich erforderlichen Umstandsmoments vollständig fehlt.

c) Das Vorbringen des Klägers, wonach der Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 1992 nur nach den Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten (§§ 48 ff. VwVfG Bbg) zurückgenommen werden könne, geht fehl. Der bezeichnete Bewilligungsbescheid ist ein vorläufiger Verwaltungsakt, der auf die vorläufige Bewilligung der Zuwendung gerichtet ist und sich daher von einem endgültigen Verwaltungsakt dadurch unterscheidet, dass die endgültige Entscheidung gerade wegen des andersartigen Regelungsinhalts des vorläufigen Verwaltungsakts dessen vorherige Aufhebung nach den Regelungen der §§ 48 ff. VwVfG Bbg nicht bedarf (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rdnrn. 245, 249; BVerwG, Urteil vom 14. April 1983, BVerwGE 67, 99 [103]).

d) Soweit der Kläger rügt, § 49 a Abs. 1 VwVfG Bbg sei eine abschließende Regelung, weshalb zur Rückgängigmachung der hier erfolgten Vermögensverschiebung nicht auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückgegriffen werden könne, vermag dies die Richtigkeit des Urteils nicht schlüssig in Frage zu stellen.

Die Rückforderung einer auf der Grundlage eines vorläufigen Verwaltungsaktes erlangten Leistung kann auf die Rechtsgrundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches gestützt werden. § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bbg stellt zwar eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs dar, in dessen Anwendungsbereich auf diesen nicht zurückgegriffen werden kann. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bbg ist ein Rückgriff auf das allgemeine Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches hingegen möglich. Die Regelung des § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bbg knüpft an die Rücknahme, den Widerruf und den Eintritt einer auflösenden Bedingung an. Vorläufige Verwaltungsakte, die von vornherein keinen endgültigen Rechtsgrund für das dauerhafte Behalten einer Leistung geben, werden vom Anwendungsbereich des § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bbg hingegen nicht erfasst. Die Rückforderung einer auf der Grundlage eines vorläufigen Verwaltungsaktes erlangten Leistung kann daher, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, auf die Rechtsgrundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches gestützt werden (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 49 Rdnr. 6; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 49 a Rdnr. 8).

2. Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt auch nicht die Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Kläger macht zwar diesen Zulassungsgrund geltend, hat aber nicht gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO Gründe dargelegt, aus denen sich ergibt, dass der konkret zu entscheidende Rechtsstreit entscheidungserhebliche Fragen aufwirft, deren Lösung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht überdurchschnittliche Schwierigkeiten verursacht.

3. Die Darlegungen des Klägers rechtfertigen die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht. Der angeführte Umstand, dass die vormals zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts zur Anwendbarkeit des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches neben der Regelung des § 49 a VwVfG Bbg in einem rechtlichen Hinweis eine andere Rechtsauffassung vertreten hat als die später entscheidende Kammer des Verwaltungsgerichtes im Urteil, legt für sich noch nicht dar, dass die unterschiedlichen Rechtsansichten innerhalb des erstinstanzlichen Gerichts, die von der vormals zuständigen Kammer nur in einem Hinweisschreiben geäußert wurde, zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer obergerichtlichen Klärung im Berufungsverfahren bedürfen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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