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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 21.10.2005
Aktenzeichen: OVG 2 S 104.05
Rechtsgebiete: BbgBO


Vorschriften:

BbgBO § 68 Abs. 1 Nr. 1 n.F.
BbgBO § 73 Abs. 1 Nr. 1
BbgBO § 74 Abs. 9 a.F.
BbgBO § 78 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 104.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn am 21. Oktober 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 28. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 50.025 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks R.-Straße in Kleinmachnow, Landkreis Potsdam-Mittelmark. Die Voreigentümerin hatte das Grundstück 1996 mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit ausgebautem Dachgeschoss bebaut. Gleichzeitig - jedoch ohne Baugenehmigung - ließ sie einen ca. sieben Meter tiefen, den rückwärtigen Grundstücksteil mit den Außenabmessungen 20 m x 14,50 m fast vollständig in Anspruch nehmenden Baugrubenaushub für eine Tiefgarage vornehmen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam (4 K 3873.96) hatte der Antragsgegner im Ortstermin vom 8. April 1998 für den Fall der Einreichung entsprechender Bauvorlagen die positive Bescheidung eines Bauantrags auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Tiefgarage mit 12 Stellplätzen in Aussicht gestellt. Hierzu kam es jedoch nicht. Stattdessen beantragte die Voreigentümerin im Januar 1999 die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Schwimmhalle mit Treppenhaus an gleicher Stelle für die im Erdgeschoss des Hauses inzwischen eingerichtete physiotherapeutische Praxis. Die Erteilung der Baugenehmigung hierfür wurde vom Antragsgegner jedoch abgelehnt.

Daraufhin beantragte die Voreigentümerin im Juli 1999 wiederum eine Baugenehmigung für eine Tiefgarage mit 9 Stellplätzen, die ihr mit Bescheid vom 15. Juli 1999 (überreicht am 3. August 1999) auch erteilt wurde. Die Antragsteller erwarben das Grundstück Ende 2000 und verfolgten das Begehren der Voreigentümerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Schwimmhalle mit Treppenhaus anstelle der Tiefgarage nach dem Eigen-tumswechsel weiter. Die hierauf gerichtete Klage 4 K 2377/01 ist noch beim Verwaltungsgericht Potsdam anhängig. Am 30. April 2001 trat der Bebauungsplan KLM-BP-010 "Musikerviertel" in Kraft, dessen Geltungsbereich auch das Grundstück der Antragsteller umfasst.

Mit Schreiben vom 23. März 2004 beantragten die Antragsteller eine Verlängerung der Baugenehmigung vom 15. Juli 1999 für die Tiefgarage. Dies ist vom Antragsgegner mit Bescheid vom 28. April 2004 mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Baugenehmigung mit Ablauf ihrer dreijährigen Geltungsdauer erloschen und ein Antrag auf Verlängerung nicht innerhalb dieser Frist gestellt worden sei.

Bei einer Ortsbesichtigung am 26. Mai 2004 stellte der Antragsgegner fest, dass in der Tiefgaragenbaugrube umfangreiche Bewehrungs- und Schalungsarbeiten durchgeführt wurden. Er erließ mit Bescheid vom 27. Mai 2004 eine Baueinstellungsverfügung, mit der er den Antragstellern weitere Arbeiten zur Errichtung der Tiefgarage auf dem Grundstück unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagte. Den Antrag auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baueinstellungsverfügung und den Kostenbescheid vom 27. Mai 2004 sowie die hilfsweise beantragte einstweilige Anordnung mit dem Ziel, den Antragstellern zur Baugrubensicherung zumindest noch die fehlende Betonverfüllung zu gestatten, hat das Verwaltungsgericht Potsdam mit Beschluss vom 28. Juni 2004 zurückgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II.

1. Soweit die Antragsteller geltend machen, durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 28. Juni 2004 in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden zu sein, weil das Gericht bereits vor Ablauf der ihnen gesetzten Stellungnahmefrist von 3 Tagen zu dem ihrem Prozessbevollmächtigten erst am 28. Juni 2004 zugegangenen Schriftsatz der Beigeladenen vom 23. Juni 2004 entschieden hat, führt dieser "partielle" Gehörsverstoß nicht zu einer Aufhebung des Beschlusses. Die Beschwerde ist ein allgemeines Rechtsmittel, das der Überprüfung erstinstanzlicher Beschlüsse in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dient, soweit die dargelegten Gründe dazu Anlass geben (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Die Antragsteller können damit voll umfänglich die erstinstanzliche Entscheidung angreifen, ohne - wie bei Gehörsrügen in zulassungsgebundenen Verfahren - darlegen zu müssen, was sie bei ausreichender Gehörsgewährung noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätten, aufgrund dessen auch eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (vgl. Beschluss des Senats vom 29. September 2005 - OVG 2 S 72.04 - m. w. N.). Das Fehlen solcher Darlegungen im vorliegenden Fall ist damit zwar unschädlich. Die danach allein maßgeblichen übrigen Beschwerdegründe führen jedoch nicht zum Erfolg des Rechtsmittels.

2. Die Baueinstellungsverfügung rechtfertigt sich aus § 73 Abs. 1 Nr. 1, § 68 Abs. 1 Nr. 1 BbgBO n.F., weil die Ausführung des Bauvorhabens durch die Antragsteller im Mai 2004 erfolgte, obwohl eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Tiefgarage nicht mehr vorlag und eine nachträgliche Verlängerung der Geltungsdauer der Baugenehmigung vom 15. Juli 1999 zuvor mit Bescheid vom 28. April 2004 vom Antragsgegner abgelehnt worden war. Die Baugenehmigung vom 15. Juli 1999 ist gemäß § 78 Abs. 1 BbgBO a.F. nach dreijähriger Geltungsdauer erloschen, weil mit der Ausführung des Bauvorhabens durch die Antragsteller nach der Erteilung der Baugenehmigung nicht im Sinne des Gesetzes begonnen worden war. Mit dem Bau beginnt, wer die Bauarbeiten für das genehmigte Vorhaben nachhaltig aufnimmt. Bloße Scheinaktivitäten, ohne den zusätzlichen Fertigstellungswillen, mit dem Ziel, die Baugenehmigung auch ernsthaft zu verwirklichen, genügen hierfür nicht (vgl. Reimus/Semter/Langer, BbgBO, 2. Aufl. 2004, § 69 RNr. 7; BayVGH, Urteil vom 29. Juni 1987, BRS 47 Nr. 143). Schließlich besteht ein öffentliches Interesse daran, die Übereinstimmung eines nicht in angemessener Zeit begonnenen Vorhabens mit den baurechtlichen Zulässigkeitsanforderungen erneut zu überprüfen (VGH BW, Urteil vom 25. März 1999, BRS 62 Nr. 169).

Über den Baugrubenaushub mit dem Berliner Verbau und die Betonsohle hinaus, die als Arbeiten zwar zu den wesentlichen Baumaßnahmen zur Ausführung eines Bauvorhabens gehören (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 7. Juli 1981, BRS 38 Nr. 157), im vorliegenden Fall aber den Antragstellern nicht zurechenbar sind, weil sie schon weit vor dem Grundstückserwerb durch die Voreigentümerin veranlasst worden waren, sind von ihnen nachfolgend keine wesentlichen Bauarbeiten nach der Erteilung der Baugenehmigung für die Tiefgarage vom 15. Juli 1999 in Ausnutzung der Genehmigung mehr durchgeführt worden.

Ausgehend von dem im Ortsterminsprotokoll des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 8. April 1998 festgestellten Bauzustand der Baugrube, wonach diese bereits "ausgehoben und verschalt" gewesen sein soll, wobei hier - auch zugunsten der Antragsteller - davon auszugehen ist, dass es sich um eine irrtümliche Bezeichnung des erst vorhandenen Berliner Verbaus gehandelt haben muss, ist von den Antragstellern schon kein Baubeginn oder zumindest eine Wiederaufnahme der Bauarbeiten im Sinne des § 74 Abs. 9 BbgBO a.F. angezeigt worden. Bei den Arbeiten, die die Antragsteller für den hier maßgeblichen Tätigkeitszeitraum nach Bestandskraft der Baugenehmigung etwa von September 1999 bis September 2002 mit der Beschwerdebegründung vom 28. Juli 2004 aufgelistet haben, handelt es sich nicht um solche, die einen zielführenden Baufortschritt kennzeichnen. Die Antragsteller nannten im Wesentlichen das wiederholte Auspumpen der Baugrube nach Wasseransammlungen, die Säuberung der Baugrube von Laub und Ästen sowie Dämmarbeiten, wie das Aufnageln von Styrodurplatten mit nachfolgender Anbringung von Dachpappe, wie sie auf den Fotos im Verwaltungsvorgang (Bl. 63 VV) zu sehen sind. Diese Arbeiten dienten offenbar in erster Linie dem Schutz des Berliner Verbaus und damit der Baugrube vor Witterungseinflüssen und sollten auch nach dem eigenen Beschwerdevorbringen der Antragsteller nur soweit gehen, "als ihnen die Möglichkeit zur Umnutzung in ein therapeutisches Bewegungsbad offen blieb", nämlich für den Fall des Erfolgs ihrer Klage 4 K 2377/01.

Allein der Umstand, dass - wie die Fotos im Verwaltungsvorgang (Bl. 63 VV) zeigen - der zur Sicherung der Baugrube errichtete Berliner Verbau aus dem Jahre 1997 noch im Mai 2004 - und damit fast 8 Jahre nach seiner Errichtung - nahezu ungesichert durch nachfolgende Bewehrung, Schalung und Betonschüttung vorhanden war und lediglich teilweise Styrodur-Dämmung mit aufgebrachter Dachpappe (wohl) als Trennplatte für die spätere Betonierung aufwies, so dass Feuchtigkeitseinwirkungen vor allem in den unteren Teilbereichen zum Verfaulen der nicht druckimprägnierten, weil nur als temporäre Sicherungsmaßnahme gedachten Bohlen mit nachfolgendem Erdeinbruch führen konnten (vgl. Schreiben des Ingenieubüros n. + e. vom 31. Mai 2004), zeigt, dass die Antragsteller den Bau nicht fortschreiten ließen und auch nicht lassen wollten. Vielmehr war ihnen offensichtlich daran gelegen, sich die von ihnen bevorzugte Option auf die Errichtung einer Schwimmhalle anstelle der Tiefgarage bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens 4 K 2377/01 baulich offen zu halten und keine unnötigen Investitionen zu tätigen, zumindest nur solche, die dem Witterungsschutz dienten und nachfolgend noch verwendbar sein würden. Das von den Antragstellern in der Beschwerdebegründung aufgelistete, sich häufig wiederholende Abpumpen von Wasser, stellt sich unter diesen Umständen ebenfalls nur als jeweilige Maßnahme zur Sicherung der Baugrube, vor allem des Berliner Verbaus vor weiterem Verfall dar. Selbst die im Mai 2004 durchgeführten Arbeiten (Bewehrung und Schalung) waren deshalb - unabhängig davon, dass sie für die Fristberechnung nicht mehr von Bedeutung sind - angesichts der akut aufgetretenen Gefahren durch ein Einbrechen der Verbaukonstruktion mit nachfolgenden Geländeeinbrüchen auf den Nachbargrundstücken in erster Linie eine Sicherungsmaßnahme, auch wenn sie dem "Baufortschritt" für die Errichtung der Tiefgarage zugleich dienlich waren, indem sie die Betonschüttung vorbereiteten, zu der es jedoch aufgrund der angefochtenen Baueinstellungsverfügung nicht mehr kam. Der Antragsgegner hat diese Bauarbeiten auch nur als Baugrubensicherung anerkannt, aber die nachfolgende Betonschüttung nicht mehr zugelassen, um eine weitere Verfestigung der Verhältnisse zu vermeiden und stattdessen eine Erdauffüllung zu ermöglichen (vgl Protokollnotiz vom 1. Juni 2004, Bl. 71 VV).

Baumaßnahmen, die so zögerlich und stückwerkhaft durchgeführt werden, dass allein schon dieser Umstand zum Verfall des zur Baugrubensicherung errichteten (Berliner) Verbaus führt, stellen jedoch keinen zielführenden Baufortschritt dar, der den Fristablauf für ein Erlöschen der Baugenehmigung hindern könnte. Dies gilt umso mehr, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass subjektiv auch allenfalls eine Baugrubensicherung in der Hoffnung auf die Realisierung eines anderen Bauprojekts beabsichtigt ist, das noch im Klageverfahren verfolgt wird.

Auf die zahlreichen Angaben der Nachbarn, ob und, wenn ja, wann auf dem Grundstück Bauaktivitäten entfaltet worden sind, sowie auf die von den Antragstellern geäußerten Zweifel, inwieweit die Nachbarn überhaupt akustisch etwas von etwaigen Bauarbeiten bemerkt haben oder das Baugrundstück einsehen konnten, kommt es deshalb nicht an.

Die formelle Illegalität allein rechtfertigt schon die Baueinstellungsverfügung. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit ist nach dem Inkrafttreten des Bebauungsplans KLM-BBP-010 "Musikerviertel" schon im Hinblick auf die Überschreitung der GRZ nicht mehr gegeben (vgl. textliche Festsetzungen Nr. 7, 8 sowie Begründung S. 20).

3. Soweit sich die Antragsteller mit der Beschwerde unter Hinweis auf die ergänzende Stellungnahme des Ingenieurbüros n. + e. vom 12. Juli 2004 gegen die Ablehnung ihres Hilfsantrages wenden, zumindest noch die Betonschüttung vornehmen zu dürfen, haben sie ebenfalls keinen Erfolg. Dem Schreiben vom 12. Juli 2004 ist zu entnehmen, dass die eingebrachte Baustahlbewehrung nunmehr die eigentliche Sicherung der Baugrube darstellt, die verhindert, dass weitere Sandmassen einbrechen und es zu den befürchteten Geländebrüchen auf den Nachbargrundstücken kommt. Die Schalung ist dagegen aus Kostengründen inzwischen wieder entfernt worden, weil sie nach dieser Stellungnahme für sich keine Sicherung der Baugrube darstellte, sondern nur der Vorbereitung der Betonschüttung diente. Auch wenn den Antragstellern die Betonverfüllung und damit die Errichtung der Tiefgaragenwand unter den gegebenen Umständen als die wirtschaftlichste Maßnahme erscheint, die einen Baufortschritt mit einer weiteren Baugrubensicherung vereinen würde, die weitere Verfolgung ihres Bauprojekts (Schwimmbad) zudem nicht - wie die aufwändigere Erdverfüllung - ausschließen würde, stellt dies keine weitere Sicherungsmaßnahme dar, auf die sie einen Anspruch haben könnten. Denn diese Baumaßnahme dient - im Gegensatz zu der Erdverfüllung - der Verwirklichung eines Bauvorhabens, für das der Antragsgegner bereits eine Verlängerung der Baugenehmigung abgelehnt hat, und die - wie dargelegt - auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig erscheint

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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