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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: OVG 2 S 135.05
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 15
BauGB § 15 Abs. 1
BauGB § 171 d
BauGB § 171 d Abs. 2
VwGO § 47 Abs. 1
VwGO § 47 Abs. 6
VwGO § 80 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
VwGO § 123 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 135.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn am 22. Dezember 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Außervollzugsetzung eines Aufstellungsbeschlusses für eine Stadtumbausatzung. Sie hat einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Wärmeerzeugungsanlage sowie eines dazugehörigen Heizöltanks auf dem Grundstück P. in Luckenwalde gestellt. Die Stadt Luckenwalde hat im Baugenehmigungsverfahren die Zurückstellung des Bauantrages gemäß § 15 BauGB beantragt. Am 8. November 2005 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, für das festgelegte Stadtumbaugebiet "Karree", das sich auf das genannte Grundstück erstreckt, eine Satzung zur Sicherung von Stadtumbaumaßnahmen (Stadtumbausatzung) gemäß § 171 d BauGB aufzustellen. Der Beschluss wurde am 16. November 2005 öffentlich bekannt gemacht.

Die Antragstellerin hat am 18. November 2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO gestellt und beantragt,

den Aufstellungsbeschluss für die Stadtumbausatzung "Karree" gemäß § 171 d BauGB vom 8. November 2005, bekannt gemacht am 16. November 2005, vorerst nicht anzuwenden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig, da § 47 Abs. 6 VwGO auf einen Aufstellungsbeschluss für eine Stadtumbausatzung gemäß § 171 d BauGB nicht anwendbar ist.

Nach § 47 Abs. 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht auf Antrag über die "Gültigkeit" von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind. Die Statthaftigkeit des Normenkontrollantrags setzt damit voraus, dass es sich um eine bereits bekannt gemachte Rechtsnorm und nicht lediglich um den Entwurf einer Norm oder andere Maßnahmen vor Abschluss des Rechtsetzungsverfahrens handelt (vgl. nur VGH München, Beschluss vom 15. Dezember 1999, NVwZ-RR 2000, 469). Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO kann nichts anderes gelten (vgl. Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Juli 2005, § 47 Rn. 144).

Bei dem streitgegenständlichen Aufstellungsbeschluss handelt es sich nicht um eine Rechtsnorm, sondern lediglich um einen (ersten) Schritt im Verfahren zur Aufstellung der Satzung. Auch eine analoge Anwendung des § 47 Abs. 6 VwGO kommt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorliegen (vgl. Gerhardt/Bier, a.a.O.). Dass der Aufstellungsbeschluss für eine Stadtumbausatzung gemäß § 171 d Abs. 2 BauGB tatbestandliche Voraussetzung für die Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 1 BauGB ist und damit bereits - der Antragstellerin ggf. nachteilige - Rechtswirkungen entfaltet, rechtfertigt nicht die Annahme einer Regelungslücke. Insbesondere kann entgegen der Behauptung der Antragstellerin im Schriftsatz vom 12. Dezember 2005 keine Rede davon sein, dass die Annahme der Unzulässigkeit des vorliegenden Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO auf eine "Verweigerung effektiven Rechtsschutzes" hinauslaufe. Gegen Akte im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Rechtsetzung kommt Rechtsschutz nach § 123 VwGO in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 149). Soweit der Aufstellungsbeschluss gemäß § 171 d Abs. 2 BauGB zugleich tatbestandliche Voraussetzung für die Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 1 BauGB ist, besteht eine Rechtsschutzlücke im Übrigen schon deshalb nicht, weil Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Zurückstellungsbescheid nach § 15 BauGB gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung haben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001, NVwZ 2002, 123, 124; OVG Berlin, Beschluss vom 21. November 1994, NVwZ 1995, 399) und die Genehmigungsbehörde an den Antrag der Gemeinde und die ihm zugrunde liegende rechtliche und tatsächliche Beurteilung des Sachverhalts nicht gebunden ist (vgl. Bielenberg/Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: April 2005, § 15 Rn. 31). Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass noch kein Zurückstellungsbescheid ergangen sei, bleibt ihr prozessual die Möglichkeit, eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Erteilung einer (vorläufigen) Baugenehmigung zu beantragen. Dass ein solcher - die Hauptsache vorwegnehmender - Antrag möglicherweise mangels eines Anordnungsgrundes erfolglos bliebe, ist dabei ohne Relevanz. § 47 Abs. 6 VwGO hat nicht den Zweck, im Sinne einer Auffangregelung vorläufigen Rechtsschutz überall dort zu ermöglichen, wo Anträge nach § 80 Abs. 5 oder § 123 VwGO nicht zum Erfolg führen. Im Übrigen würde der Antrag auch in der Sache ohne Erfolg bleiben, da die Antragstellerin die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht glaubhaft gemacht hat. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Dabei müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe so schwer wiegen, dass sie ihren Erlass als unabweisbar erscheinen lassen. Es sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag später aber in der Hauptsache Erfolg hätte, mit den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache später erfolglos bliebe. Ein schwerer Nachteil ist nur dann zu bejahen, wenn Rechte oder rechtlich geschützte Interessen des Antragstellers in ganz besonderem Maße beeinträchtigt oder dem Betroffenen außergewöhnliche Opfer abverlangt werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - 2 S 111.05 -). Nach diesem Maßstab käme der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil der angefochtene Aufstellungsbeschluss jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig ist und die Antragstellerin überdies keine Gründe glaubhaft macht, die darauf schließen lassen, dass ihr außergewöhnliche Opfer abverlangt oder ihre Rechte oder rechtlich geschützten Interessen durch den "Vollzug" des angegriffenen Aufstellungsbeschlusses in ganz besonderem Maße beeinträchtigt werden könnten. Für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, befürchtet sie, die Wärmeerzeugungsanlage nicht mehr bis zum 1. Januar 2006 errrichten zu können und deshalb Schadensersatzansprüchen der Eigentümer ausgesetzt zu sein. Derartige finanzielle Verluste sind jedoch keine irreparablen Schäden und grundsätzlich weder als abzuwehrender schwerer Nachteil noch als andere gewichtige Gründe anzusehen, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung i. S. d. § 47 Abs. 6 dringend gebieten würden (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2002 - 3 B 280/01.NE -, S. 13 des Entscheidungsabdrucks, m.w.N.). Der Antragstellerin bleibt unbenommen, wegen möglicher Vermögensschäden gegebenenfalls Amtshaftungsansprüche gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat geht hierbei von Ziffer 9.8 des - im Interesse der Vorhersehbarkeit der Kostenfolgen und damit der Rechtssicherheit sowie der Gleichbehandlung - von ihm regelmäßig herangezogenen Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525) aus, der für die Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan einen Streitwert von 7.500,- Euro bis 60.000,- Euro vorsieht. Da Streitgegenstand lediglich ein Aufstellungsbeschluss für eine Stadtumbausatzung ist, erscheint dem Senat ein Betrag von 10.000,- Euro angemessen, der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend der Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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