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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 14.10.2009
Aktenzeichen: OVG 2 S 54.09
Rechtsgebiete: GG, VwGO, ZPO, BauGB, BauNVO, BauO Bln


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a
VwGO § 123
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
ZPO § 920 Abs. 2
BauGB § 34 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1
BauNVO § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BauO Bln § 6 Abs. 1 Satz 1
BauO Bln § 60 Abs. 1
BauO Bln § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c
BauO Bln § 65
BauO Bln § 79 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 54.09

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat am 14. Oktober 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3 750 EUR festgesetzt.

Gründe: I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Verpflichtung des Antragsgegners, gegen von der Beigeladenen auf dem Dach eines Neubauvorhabens errichtete Technikaufbauten bauaufsichtlich einzuschreiten. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des im unbeplanten Innenbereich liegenden, mit einem Hotelkomplex bebauten Grundstücks F_____ in Berlin-Mitte. Auf der in westlicher Richtung gegenüberliegenden Seite der an dieser Stelle 23 m breiten F_____ befindet sich das Grundstück der Beigeladenen, für das der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. September 2006 sowie Nachträgen vom 27. November und 20. Dezember 2007 die Baugenehmigung zur Errichtung eines Geschäftshauses mit 10 Vollgeschossen erteilt hat (sog. Spreedreieck). Nachdem der beschließende Senat den der Baugenehmigung zu Grunde liegenden Bebauungsplan I-50 "Spreedreieck" vom 18. Oktober 2006 (GVBl. S. 1048) durch Normenkontrollurteil vom 18. Dezember 2007 - OVG 2 A 3.07 - auf Antrag der Antragstellerin für unwirksam erklärt hatte, verpflichtete sich der Antragsgegner, vertreten durch die Senatsverwaltung für Finanzen, in einer "Vergleichsvereinbarung" vom 13. März 2008 zu einer Entschädigungszahlung an die Antragstellerin. Im Gegenzug verpflichtete sich die Antragstellerin u.a. zur Rücknahme des Normenkontrollantrags sowie dazu, "in Zukunft keine öffentlich-rechtlichen Einwände gegen die Bebauung und Nutzung des Grundstücks Spreedreieck gemäß dem Bebauungsplan I-50 und der Baugenehmigung (...) zu erheben und entsprechende Rechtsbehelfe einzulegen." Der "Anspruchsverzicht" gelte "nicht für den Fall der Abänderung der Baukörper und/oder der Gestaltung der Gebäude und/oder ihrer Ausmaße einschl. Aufbauten für Gebäudetechnik um sonstige Anlagen, die keine Vollgeschosse darstellen, im Wege eventueller Nachträge sowie etwaiger Befreiungen oder Folgegenehmigungen, soweit durch die Abänderung die Verletzung nachbarlicher Rechte" für die Antragstellerin möglich sei. Nach der vereinbarungsgemäßen Rücknahme des Normenkontrollantrags durch die Antragstellerin hat der Senat das noch nicht rechtskräftige Normenkontrollurteil vom 18. Dezember 2007 mit Beschluss vom 20. März 2008 für wirkungslos erklärt.

Im September 2008 beantragte die Beigeladene zunächst einen weiteren Nachtrag zur Baugenehmigung, der im Wesentlichen ein um ca. 1,8 m höheres und erstmals als zusammenhängender Baukörper gestaltetes Technikgeschoss vorsah. Die geänderte Planung wurde damit begründet, dass durch den - aus denkmalschutzrechtlichen Gründen erforderlich gewordenen - Fortfall des dritten Untergeschosses wesentliche Teile der gebäudetechnischen Anlagen neu auf dem Dach angeordnet werden müssten. Aufgrund der Einwendungen der Antragstellerin nahm die Beigeladene in der Folgezeit von der beantragten Ausführung des Technikgeschosses wieder Abstand und begann im Februar 2009 damit, die nicht in den genehmigten Technikzentralen unterzubringenden Geräte "verfahrensfrei" auf dem Dach aufzustellen. Ausweislich der von der Beigeladenen beim Antragsgegner auf dessen Anforderung hin am 16. April 2009 eingereichten Unterlagen zur Ausführungsplanung sowie der als Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 18. Mai 2009 vorgelegten Fotodokumentation wurden in der Folgezeit auf dem Dach des östlichen, dem Grundstück der Antragstellerin zugewandten Gebäudeteils u.a. zwei mit Metall verkleidete Anlagen mit einer Länge von 10,70 m bzw. 12,70 m, einer Breite von jeweils ca. 2,50 m und einer Höhe von jeweils ca. 4,20 m sowie zwei ebenfalls ca. 4,20 m hohe Rückkühlwerke mit Verrohrungen aufgestellt. Mit Schreiben vom 13. Februar 2009 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner, die Errichtung nicht genehmigter technischer Anlagen und Gebäudeteile zu untersagen sowie die Beseitigung bereits errichteter technischer Anlagen und Gebäudeteile anzuordnen. Den am 7. Mai 2009 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Juli 2009 zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Beschlussgründe verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin mit dem Rechtsmittelantrag,

dem Antragsgegner unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses aufzugeben, die Beigeladene zu verpflichten, die ungenehmigt auf dem Dach des Gebäudes F_____ installierten technischen Geräte von der östlichen Gebäudehälfte zu entfernen,

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht aus den von der Antragstellerin dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - beschränkt ist, zu beanstanden. Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Regelungsanordnung des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erfüllt sind. Nach dieser Bestimmung sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur Maßnahmen zur vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch unter dem Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Einem auf Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur dann stattzugeben, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999 - 11 VR 8.98 -, NVwZ 1999, 650). Diese Voraussetzung, die entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung unabhängig davon gilt, ob die Demontage der aufgestellten Geräte ohne Substanzverlust realisiert werden kann, ist hier nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass ihr bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbare, auch nach einem Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen.

Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde zunächst gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, durch die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Anordnung werde die Hauptsache vorweggenommen. Rechtsgrundlage für die begehrte Beseitigungsanordnung ist § 79 Satz 1 BauO Bln. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen steht der Erlass einer Beseitigungsanordnung im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Das Ergebnis der im Hauptsacheverfahren vorzunehmenden Prüfung, ob dieses Ermessen zum Einschreiten im Hinblick auf die Interessen des Nachbarn vorliegend auf Null reduziert ist, würde bei einem Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung vorweggenommen. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorträgt, "dass Antragsgegner und Beigeladene das Verwaltungsverfahren im kollusiven Zusammenwirken rechtsmissbräuchlich verschleppt" hätten, um der Beigeladenen die Schaffung "vollendeter Tatsachen" zu ermöglichen, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn selbst wenn der Vortrag der Antragstellerin zuträfe, nähme die einstweilige Anordnung mit dem beantragten Inhalt, den Antragsgegners zu verpflichten, die Beseitigung der auf das Dach des Gebäudes der Beigeladenen bereits verbrachten technischen Geräte anzuordnen, eine positive Entscheidung im Hauptsacheverfahren für dessen Dauer tatsächlich und rechtlich vorweg. Auf die in der Beschwerdebegründung geäußerten Zweifel daran, ob die Installationsarbeiten an den technischen Anlagen tatsächlich bereits vor der dem Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 7. Mai 2009 abgeschlossen gewesen seien, kommt es nicht an. Dass jedenfalls diejenigen Gebäudeteile und technischen Geräte, deren Beseitigung die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren begehrt, vor diesem Zeitpunkt bereits errichtet bzw. aufgestellt worden waren, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben in der Antragsbegründung vom 7. Mai 2009.

Das Beschwerdevorbringen vermittelt dem Senat auch nicht die für einen Erfolg im Eilverfahren hinreichende Überzeugung davon, dass der Antragstellerin bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbare, auch nach einem Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass von einem Betrieb der Anlagen unzumutbare Immissionen - insbesondere in Form von Lärm - für das Nachbargrundstück ausgehen können, ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Der von ihr erwähnte Umstand, dass die Lärmprognosen bislang nicht vorgelegt wurden, reicht zur Glaubhaftmachung unzumutbarer Lärmimmissionen nicht aus. Die weitere Erwägung des Verwaltungsgerichts, es bestehe auch nicht die Besorgnis einer nur noch schwer rückgängig zu machenden Verfestigung rechtswidriger Zustände, lässt die Beschwerdebegründung ebenfalls unbeanstandet. Zutreffend hat die Kammer insoweit unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2006 - 10 S 21.05 -), der auch der beschließende Senat folgt, ausgeführt, dass ein Bauherr, der ein noch nicht vollständig fertig gestelltes Bauvorhaben ohne bestandskräftige Baugenehmigung weiter durchführt, die damit geschaffenen Tatsachen einem künftigen Beseitigungsverlangen der Bauaufsichtsbehörde nicht entgegenhalten kann, und dass diese wiederum den genannten Umstand nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens bezüglich des Erlasses einer Beseitigungsverfügung zu Gunsten des Bauherrn berücksichtigen darf. Dass die Beigeladene bei der Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens ohne Baugenehmigung auf ihr Risiko handelt und sich nicht später auf vollendete Tatsachen berufen kann, gilt selbstverständlich auch dann, wenn es - wie hier - in der unzutreffenden Annahme einer Genehmigungsfreiheit des Vorhabens geschieht.

Der Beschwerdebegründung sind auch sonst keine greifbaren Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Antragstellerin bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbare, auch nach einem Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen. Dass der Antragsgegner das Vorhaben der Beigeladenen zu Unrecht als ein gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c BauO Bln ("sonstige Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung") verfahrensfreies Bauvorhaben behandelt haben dürfte, reicht hierfür nicht aus. Obwohl vieles für die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts spricht, dass die Installation der technischen Anlagen auf dem Dach im Rahmen der (Erst-)Errichtung des Gebäudes als unselbstständiger Teil eines Gesamtvorhabens der Genehmigungspflicht nach § 60 Abs. 1 BauO Bln - mit dem Prüfprogramm nach § 65 BauO Bln - unterliegt, weshalb die Beigeladene inzwischen auch einen entsprechenden Bauantrag gestellt hat, kann sich die Antragstellerin auf die hieraus folgende formelle Illegalität nicht berufen. Für die Annahme eines nachbarlichen Abwehrrechts ist vielmehr ein zu Lasten des betroffenen Nachbarn gehender Verstoß gegen materielles nachbarschützendes Baurecht erforderlich (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 8. Dezember 1998 - 10 B 2255/98 -, BRS 60 Nr. 208). Dieser rechtliche Ausgangspunkt wird nicht durch die in der Beschwerdebegründung wiederholt geäußerte Vermutung der Antragstellerin in Frage gestellt, der Antragsgegner und die Beigeladene hätten sich "in der Absicht, die Beteiligungsrechte der Antragstellerin zu vereiteln und ihr die Möglichkeit, eine Sicherungsanordnung gemäß § 80 a VwGO zu beantragen, abzuschneiden", "kollusiv" darauf verständigt, für die Technikaufbauten kein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass das Vorgehen des Antragsgegners ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtige, übersieht sie, dass auch im Fall einer erteilten Baugenehmigung vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO nur gewährt werden kann, wenn ein Verstoß gegen eine nachbarschützende Norm des materiellen Baurechts zumindest ernsthaft in Betracht zu ziehen ist.

Die Antragstellerin hat entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass gerade die Aufstellung der streitgegenständlichen technischen Geräte auf dem Dach des Gebäudes der Beigeladenen zu Lasten der Antragstellerin gegen materielles nachbarschützendes Baurecht verstößt und dass dies der Antragstellerin auch für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht hinnehmbar ist. Eine derartig qualifizierte Verletzung nachbarschützender Normen kann insbesondere nicht in der fehlenden Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen gesehen werden. Soweit sich die Antragstellerin auf die diesbezüglichen Feststellungen des Senats in dem Normenkontrollurteil vom 18. Dezember 2007 stützt, berücksichtigt sie nicht, dass die Dachaufbauten ausweislich der von der Beigeladenen als Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 28. Mai 2009 vorgelegten und von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogenen Berechnung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs Franz Walk vom 14. Mai 2009 für sich genommen nicht zu einer Abstandsflächentiefe führen, die über das sich bereits durch das bestandskräftig genehmigte Gebäude der Beigeladenen selbst ergebende Maß hinausgeht. Selbst wenn die Antragstellerin zu Recht hervorhebt, dass sie mit der Vergleichsvereinbarung vom 13. März 2008 nicht "jeder weiteren Verschlechterung ihrer Grundstückssituation einen Freibrief erteilt" habe,"soweit die baulichen Erweiterung sich innerhalb der bisherigen Abstandsmaßfaktoren bewegen", folgt hieraus keinesfalls zwingend, dass die Antragstellerin aus Anlass einer Änderung des Vorhabens stets erneut ein Abwehrrecht aus der Nichteinhaltung der Abstandsflächen herleiten kann, selbst wenn sich zumindest die abstandsflächenrechtliche Beurteilung nicht zu ihren Lasten ändert. Letztlich muss die Klärung der Reichweite der Vereinbarung vom 13. März 2008 dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin könne jedenfalls die Unterschreitung der gesetzlichen Abstandsflächen, soweit diese bereits durch das genehmigte Gebäude bewirkt wird, wegen des im Rahmen der Vergleichsvereinbarung erklärten Anspruchsverzichts und der Rücknahme des gegen den Bebauungsplan I-50 gerichteten Normenkontrollantrages nicht mehr rügen, auf einem offensichtlich unrichtigen Verständnis der Vereinbarung beruht, zeigt die Beschwerdebegründung jedenfalls nicht auf.

Der Nachbarrechtsverstoß lässt sich auch nicht mit einer Beeinträchtigung der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse begründen. Eine nachbarschützende Norm zeigt die Beschwerdebegründung insoweit nicht auf. Die von der Antragstellerin zitierten Ausführungen des Senats in dem Normenkontrollurteil vom 18. Dezember 2007, wonach die Unterschreitung der gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln vor den Außenwänden von Gebäuden freizuhaltenden Abstandsflächen eine Beeinträchtigung der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauNVO indiziere, betrafen lediglich die Frage, ob der Plangeber bei der Aufstellung des Bebebauungsplans I-50 zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Überschreitung der Obergrenze des Maßes der baulichen Nutzung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ausgegangen ist. Abgesehen davon, dass schon im Ansatz fraglich erscheint, ob sich die Antragstellerin hierauf berufen könnte, da es vom Willen der Gemeinde als Planungsträger abhängt, ob Festsetzungen eines Bebauungsplans über das Maß der baulichen Nutzung drittschützend sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1995 - 4 B 215/95 -, BRS 57 Nr. 219), ist auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die Überschreitung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung jedenfalls in dem durch den Bebauungsplan zugelassenen Umfang mit der "Vergleichsvereinbarung" vom 13. März 2008 akzeptiert haben dürfte.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin ferner auf eine Verletzung des Verunstaltungsverbots. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die bislang überwiegend nicht als nachbarschützend verstanden bauordnungsrechtlichen Vorschriften über den Verunstaltungsschutz einem gegebenenfalls besonders betroffenen Nachbarn subjektivrechtliche Ansprüche vermitteln (vgl. hierzu allgemein Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II: Bauordnungsrecht, Nachbarschutz, Rechtsschutz, 5. Aufl. 2005, S. 186 f.). Denn selbst wenn das Erscheinungsbild der auf dem Dach des Gebäudes der Beigeladenen aufgestellten technischen Anlagen in einem deutlich zu Tage tretenden Widerspruch zu den für die Umgebung bestimmenden städtebaulichen oder staatsrechtlichen Gestaltungsmerkmalen stehen sollte, was unter anderem voraussetzt, dass die die Verunstaltung verursachende Anlage und die Teile der Umgebung, deren Schutz vor Beeinträchtigungen in Betracht kommt, überhaupt vom Betrachter gleichzeitig gesehen werden können (vgl. Beschluss des Senats vom 13. Juni 2008 - OVG 2 S 45.08 -, LKV 2008, 564, 566), hat die Antragstellerin jedenfalls nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass ihr durch eine solche umgebungsbezogene Verunstaltung Nachteile drohen, die ihr auch für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht hinnehmbar sind. Soweit die Beschwerdebegründung auf das Erscheinungsbild des bestehenden Gebäudes, insbesondere auf dessen "bräunlich-graue, das verbleibende Restlicht nahezu vollständig absorbierende" Fassadengestaltung abstellt, ist schon nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang dies mit den auf dem Dach aufgestellten technischen Anlagen stehen soll, deren Beseitigung die Antragstellerin mit der einstweiligen Anordnung begehrt.

Schließlich hat die Antragstellerin auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache wegen eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot unzumutbar wäre. Soweit sie die Verletzung des in § 15 Abs. 1 BauNVO sowie in § 34 Abs. 1 BauGB verankerten Gebots der Rücksichtnahme mit der Nichteinhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen und der Überschreitung der Obergrenze des Maßes der baulichen Nutzung durch das Gesamtvorhaben begründet, ist auf die oben genannten Ausführungen, insbesondere zu der Vergleichsvereinbarung vom 13. März 2008 zu verweisen. Soweit die Antragstellerin ferner geltend macht, "der ohnehin bestehende städtebauliche Missstand infolge der verschattenden und bedrängenden Auswirkungen des Gebäudes" werde "durch die monströsen Schwarzbauten auf dem Dach nachhaltig verschärft", lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen, dass gerade die technischen Anlagen auf dem Dach das Rücksichtnahmegebot verletzen. Soweit die Antragsteller "eine erhebliche Sichtbehinderung zum Himmel für die sog. Junior-Suiten, die Präsidenten-Suite und die Dachterrasse des Gebäudes der Antragstellerin" beklagt, übersieht sie, dass das Interesse an der Aufrechterhaltung einer bestimmten Aussicht auch im Rahmen der Abwägung, aufgrund deren über die Reichweite des Rücksichtnahmegebots zu entscheiden ist, grundsätzlich kein schutzwürdiger Belang ist (vgl. VGH München, Beschl. vom 14. Juni 2007 - 1 CF 07.265, juris). Auch unter dem Aspekt der erdrückenden Wirkung ist aufgrund des Beschwerdevorbringens keine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes erkennbar. Eine solche hat das Bundesverwaltungsgericht bislang nur in besonders gelagerten Einzelfällen bejaht, etwa in einem Fall, in dem neben einem zweieinhalbgeschossigen Gebäude ein an der engsten Stelle nur 15 m entferntes zwölfgeschossiges Hochhaus genehmigt worden war (Urteil vom 13. März 1981 - 4 C 1.78 -, BRS 38 Nr. 186), oder in einem Fall, in dem die Genehmigung drei auf Stahlstützen errichtete Rundbehälter für Düngekalk in einer Höhe von 11,50 m über eine Länge von 13,31 m in einem Abstand von 3 m zur Grenze eines Wohngrundstücks zum Gegenstand hatte (vgl. Urteil vom 23. Mai 1986 - 4 C 34.85 -, BRS 46 Nr. 176). In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird eine erdrückende Wirkung etwa in solchen Fällen angenommen, in denen durch die genehmigte bauliche Anlage für Nachbargrundstücke eine Abriegelungswirkung (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 29. September 1988 - 1 A 75/87 - BRS 48 Nr. 164) oder das Gefühl des "Eingemauertseins" (vgl. OVG Münster, Urteil vom 14. Januar 1994 - 7 A 2002/92 - BRS 56 Nr. 196) oder eine "Gefängnishof-Situation" (OVG Lüneburg, Urteil vom 11. April 1997 - 1 L 7286/95 - BRS 59 Nr. 164) entsteht. Dass gerade von der - hier allein streitgegenständlichen - Aufstellung der technischen Geräte auf dem Dach des im Übrigen bestandskräftig genehmigten zehngeschossigen Gebäude der Beigeladenen eine den genannten Fällen vergleichbare erdrückende Wirkung zu Lasten des mit einem zumindest siebengeschossigen Hotelgebäude bebauten und von dem Grundstück der Beigeladenen durch die stark befahrene Friedrichstraße getrennten Grundstücks der Antragstellerin ausgehen kann, drängt sich jedenfalls nicht auf. Insbesondere dürfte eine solche - gegebenenfalls auch nicht vorübergehend hinnehmbare - erdrückende Wirkung nicht aus den von der Antragstellerin befürchteten "weiteren Verschattungen" folgen. Abgesehen davon, dass das Beschwerdevorbringen keine Angaben zum Ausmaß der durch die Technikaufbauten hervorgerufenen zusätzlichen Verschattungen enthält, hängt es wiederum von der - dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen - Auslegung der Vereinbarung vom 13. März 2008 ab, inwieweit die Antragstellerin eine ungünstigere Belichtung ihres Grundstücks überhaupt rügen dürfte, wenn hierdurch über das von ihr in der Vereinbarung bereits akzeptierte Maß hinaus keine abstandsflächenrechtlichen Vorschriften verletzt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der unterlegenen Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Antrag gestellt und sich daher einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG; hinsichtlich der Höhe des Streitwerts folgt der Senat der erstinstanzlichen Entscheidung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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