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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: OVG 2 S 75.08
Rechtsgebiete: GG, EG-Vertrag, Richtlinie 2004/38/EG, VwGO, AufenthG, FreizügG/EU, BGB, ZPO
Vorschriften:
GG Art. 6 | |
EG-Vertrag Art. 18 Abs. 1 | |
Richtlinie 2004/38/EG Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b) | |
Richtlinie 2004/38/EG Art. 7 Abs. 2 | |
VwGO § 80 Abs. 5 | |
VwGO § 123 | |
VwGO § 146 Abs. 4 | |
AufenthG § 60 a | |
AufenthG § 82 Abs. 1 Satz 1 | |
AufenthG § 81 Abs. 4 | |
FreizügG/EU § 1 | |
FreizügG/EU § 2 Abs. 1 | |
FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 5 | |
FreizügG/EU § 3 Abs. 1 | |
FreizügG/EU § 3 Abs. 2 Nr. 2 | |
FreizügG/EU § 4 | |
FreizügG/EU § 11 Abs. 2 | |
BGB § 1592 Nr. 2 | |
BGB § 1594 Abs. 2 | |
BGB § 1595 Abs. 1 | |
BGB § 1597 Abs. 1 | |
BGB § 1599 Abs. 1 | |
BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 5 | |
BGB § 1600 Abs. 3 | |
BGB § 1600 Abs. 4 | |
BGB § 1600 b Abs. 1a | |
ZPO § 294 | |
ZPO § 920 Abs. 2 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS
OVG 2 S 75.08
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 20. November 2008 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. September 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8. Juli 2008 abgelehnt hat, ist nicht aus den von dem Antragsteller dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, zu beanstanden.
1. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO insoweit schon nicht zulässig sei, als der Antragsteller mit ihm ein vorläufiges Bleiberecht bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erreichen möchte, da seine bisherige Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken bereits im Jahr 2007 erloschen war und der im Juni 2008 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG nicht habe auslösen können, ist der Antragsteller in der Beschwedebegründung nicht entgegengetreten.
2. Auch das Vorbringen, dass sich die Rechtsstellung des Antragstellers aus seiner familiären Zugehörigkeit zu einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger, nämlich der am 8. April 2008 geborenen Andrea L. ergebe, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller mangels Aufenthaltstitels vollziehbar ausreisepflichtig ist und jedenfalls bisher auch nicht glaubhaft gemacht hat, als Familienangehöriger eines freizügigeitsberechtigten Unionsbürgers selbst gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt zu sein. Die in dem Bescheid des Antragsgegners vom 8. Juli 2008 konkludent getroffene Feststellung gemäß § 11 Abs. 2 FreizügG/EU über das Nichtbestehen des gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU wird durch das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Eine abschließende Klärung dieser Frage muss daher dem anhängigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Zwar dürfte der Antragsteller nach Lage der Akten als Familienangehöriger von Andrea L. anzusehen sein. Ob er tatsächlich der leibliche Vater ist, was der Antragsgegner mit dem Hinweis auf die fehlende Eintragung in der Geburtsurkunde bezweifelt, kann offen bleiben; denn er hat die Vaterschaft mit Zustimmung der Kindesmutter am 14. Mai 2008 durch Beurkundung vor einem Notar anerkannt (vgl. §§ 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1, 1597 Abs. 1 BGB). Damit steht die Vaterschaft für die Dauer der Wirksamkeit dieser Erklärung rechtlich fest. Dafür, dass einer der im Gesetz abschließend normierten Unwirksamkeitsgründe vorliegt (vgl. § 1598 Abs. 1 BGB), ist nichts ersichtlich. Von der befristeten Anfechtungsmöglichkeit durch die nach Landesrecht zu bestimmende zuständige Behörde (§§ 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 und 4, 1600 b Abs. 1a BGB), die mit dem Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) geschaffen worden ist, um gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zum Zweck der Erlangung z.B. von Aufenthaltstiteln einschreiten zu können (vgl. BT-Drs. 16/3291, S. 9), ist - soweit ersichtlich - bisher nicht Gebrauch gemacht worden. Solange nicht aufgrund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt wird, dass der Anerkennende nicht Vater des Kindes ist (§ 1599 Abs. 1 BGB), ist auch für ausländerrechtliche Ansprüche von der Vaterschaft auszugehen (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 24.Oktober 2008 - 5 Bs 196/08 - veröffentlicht in Juris).
Der Antragsteller hat jedoch bislang nicht ausreichend dargetan, auch Familienangehöriger im Sinne des § 1 FreizügG/EU zu sein. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU fallen hierunter u.a. die Verwandten in aufsteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU genannten Personen, denen diese Personen oder ihre Ehegatten Unterhalt gewähren. Ob die am 8. April 2008 geborene rumänische Staatsangehörige Andrea L., von der der Antragsteller sein Freizügigkeitsrecht ableiten möchte, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt ist, erscheint fraglich, denn dies würde voraussetzen, dass das Kind über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Jedenfalls die zuletzt genannte Voraussetzung ist bislang nicht ausreichend dargetan. Der Umstand, dass Andrea L. einen Unterhaltsanspruch gegen ihre Mutter Monica L. hat, die ausweislich der vom Antragsgegner gemäß § 5 FreizügG/EU ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigung vom 13. Juni 2008 ihrerseits nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes/EU zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Unterhalt auch tatsächlich auf Dauer sichergestellt ist. Darüber hinaus hat der Antragsteller bislang nicht glaubhaft gemacht, dass er selbst über ausreichende Existenzmittel verfügt, wie es das Recht auf Einreise und Aufenthalt als Familienangehöriger eines nicht erwerbstätigen freizügigkeitsberechtgten Unionsbürgers nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 4 Satz 1 FreizügG/EU voraussetzt. Eine Verdienstbescheinigung hat der Antragsteller trotz entsprechenden Hinweises des Verwaltungsgerichts nicht vorgelegt. Soweit er in der Beschwerdebegründung vorträgt, bis zu seiner Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 26. Juni 2008 als Kellner in einem Chinarestaurant in Ludwigsfelde mit einem monatlichen Netto-Einkommen von rund 1000 Euro gearbeitet zu haben, hat er auch hierfür keine Nachweise vorgelegt, sondern lediglich auf seine eigenen Angaben in dem am 26.Juni 2008 ausgefüllten Antragsformular verwiesen. Der in der Beschwerdebegründung geltend gemachte Umstand, dass der Antragsteller infolge der Einbehaltung seines Reisepasses seit dem 8. Juli 2008 nicht mehr in der Lage gewesen sei, der Erwerbstätigkeit nachzugehen, erklärt nicht das Fehlen jeglicher Nachweise für die vor diesem Zeitpunkt angeblich erzielten Einkünfte. Dass der namentlich nicht genannte Arbeitgeber etwa beabsichtigt, den Antragsteller bei Vorliegen der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen weiterzubeschäftigen, wird nicht einmal behauptet, geschweige denn belegt. Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung vorträgt, derzeit von Einkünften aus vergangenen Jahren und Ersparnissen in Höhe von derzeit 11.000 Euro zu leben, bestehen hieran trotz der vorgelegten "Finanzübersicht" der Deutschen Bank, die ein entsprechendes Guthaben ausweist, erhebliche Zweifel, denn diese Darstellung steht in auffälligem Widerspruch zu seinem Vortrag im Schriftsatz vom 6. November 2008, wonach ihm seine minderjährige Tochter Andrea L. Unterhalt in Höhe von 150 Euro monatlich aus ihrem staatlichen Kindergeldanspruch gewähre. Zudem dürften Ersparnisse in der genannten Höhe nicht als "ausreichende Existenzmittel" im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU anzusehen sein, da sie den Lebensunterhalt nicht dauerhaft, sondern allenfalls für einige Monate ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sicherstellen können.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann er ein Aufenthaltsrecht auch nicht unmittelbar aus den von ihm schlagwortartig erwähnten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes ableiten (Urteile vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-459/99 ["MRAX"], NVwZ-Beil. 2002, 121, vom 19. Oktober 2004 in der Rechtssache C-200/02 ["Zhu und Chen"], DVBl. 2005, 100, vom 9. Januar 2007 in der Rechtssache C-1/05 ["Jia"], NVwZ 2007, 432, und vom 25. Juli 2008 in der Rechtssache C-127-08 ["Metock"], NVwZ 2008, 1097). Keiner dieser Entscheidungen lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die hier maßgeblichen Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes/EU mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sein könnten. Gemäß Art. 18 Abs. 1 EG-Vertrag besteht das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienanghörigen vorbehaltlich der im Vertrag und in seinen Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen. Nach Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Buchstabe b) der hier einschlägigen sog. Unionsbürgerrichtline (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/35/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG vom 29. April 2004, ABl. Nr. L 158 S. 77, ber. ABl. Nr. L 229 S. 35) gilt das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaaten auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger u.a. für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während des Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen. Diese Regelung der Richtlinie wird durch § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 4 Satz 1 FreizügG/EU umgesetzt.
3. Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 13. November 2008 - im Anschluss an den Erörterungstermin - hilfsweise die Erteilung einer Duldung gemäß § 60 a AufenthG bis zum Abschluss des Rechtsstreits im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO beantragt hat, ist dies bereits unzulässig. Für eine Antragsänderung ist im Rahmen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO kein Raum, da die Beschwerde nur zulässig ist, soweit sie der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 15. Ergänzungslieferung 2007, § 146 Rn. 13c). Mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine - nicht zu einer Antragsänderung führende - Umdeutung des erstinstanzlich gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erteilung einer Duldung bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen sei, setzt sich die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise auseinander. Die im Erörterungstermin angesprochene Frage, ob an der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des OVG Berlin, wonach eine Umdeutung anwaltlicher Antragsschriften unzulässig sei, in (ausländerrechtlichen) Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes uneingeschränkt festzuhalten ist, bedarf daher keiner Entscheidung.
Darüber hinaus hat der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen auch nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 wegen familiärer Bindungen zu seiner minderjährigen Tochter glaubhaft gemacht. Nach § 60 a Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebung auszusetzen, solange sie aus rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Rechtliche Unmöglichkeit liegt unter anderem dann vor, wenn die Abschiebung nicht durchgeführt werden darf, weil ein Abschiebungsverbot (§§ 60, 60 a AufenthG) oder ein zwingendes Abschiebungshindernis aufgrund vorrangigen Rechts, namentlich der Grundrechte gegeben ist. Ein zwingendes Abschiebungshindernis in diesem Sinne liegt insbesondere auch dann vor, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG fallenden familiären Beziehungen durch Ausreise zu unterbrechen oder zu beenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V. mit Art. 6 Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann. Bei der Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Vorschriften ist auch angemessen zu berücksichtigen, dass durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) die Rechtspositionen des Kindes und seiner Eltern sowohl hinsichtlich des gemeinsamen Sorgerechts als auch hinsichtlich des Umgangsrechts gestärkt worden sind. Seither ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange der Eltern und des Kindes im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2006, NVwZ 2006, 682 f.).
Zwar hält es der Senat entgegen der im Erörterungstermin geäußerten Ansicht der Vertreterin des Antragsgegners grundsätzlich für denkbar, dass die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nach diesen Maßstäben auch in solchen Fällen nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden kann, wenn das Kind nicht - wie in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall - deutscher Staatsangehörigkeit ist. Denn die vorliegende Konstellation ist insofern im Ansatz vergleichbar, als die Kindesmutter - wie oben bereits ausfgeführt - ausweislich der Bescheinigung des Antragsgegners vom 13. Juni 2008 ein Aufenthaltsrecht als freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerin hat und ihr deshalb nicht ohne weiteres zugemutet werden kann, ihr gewohntes Lebensumfeld zu verlassen, um außerhalb des Bundesgebietes die Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und dem gemeinsamen Kind zu ermöglichen. Wegen der Beziehungen zu seiner Mutter dürfte auch dem Kind das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar sein.
Der Antragsteller hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass zwischen ihm und seiner knapp achtmonatigen Tochter Andrea L. tatsächlich eine unter dem Schutz des Art. 6 GG stehende Lebensgemeinschaft besteht. Die Behauptung in dem Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 13. November 2008, das Gericht sehe "offenbar die Klage und den einstweiligen Rechtsschutzantrag auch im Hinblick von Artikel 6 Grundgesetz als begründet an", verkehrt das Ergebnis des Erörterungstermins in sein Gegenteil. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers wurde im Erörterungstermin vielmehr unmissverständlich darauf hingewiesen, dass nach Lage der Akten nicht davon auszugehen sei, dass zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist oder der Antragsteller Betreuungsleistungen erbringt, die eine eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben können. Die notarielle Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung vom 14. Mai 2008 begründet zwar die rechtliche Pflicht des Antragstellers zur Ausübung der Personensorge für Andrea L., ersetzt jedoch nicht die Darlegung, welche konkreten Betreuungsleistungen tatsächlich erbracht werden. Die auch von der Kindesmutter unterzeichnete Erklärung vom 28. Juni 2008, der zufolge der Antragsteller mit ihr und der gemeinsamen Tochter seit der Geburt der Tochter am 1. April 2008 "fast immer zusammen" sei und sein Sorgerecht ausübe, lässt ebenfalls völlig offen, welche konkreten Betreuungsleistungen der Antragsteller für seine Tochter erbringt. Dass sich die Personensorge des Vaters eines sieben Monate alten Kindes "naturgemäß darauf beschränken muss, aufzupassen, Kindernahrung einzukaufen und hin und wieder mit dem Kind zu spielen", wie der Verfahrensbevollmächtigte im Schriftsatz vom 13. November 2008 vorträgt, zeigt einen Erziehungs- und Betreuungsbeitrag zum Wohl des Kindes nicht hinreichend auf. Im Übrigen enthält die Erklärung vom 28. Juni 2008 nicht einmal hierzu konkrete Angaben. Nur ergänzend sei erwähnt, dass es angesichts der fehlenden deutschen Sprachkenntnisse (vgl. hierzu die Feststellung des die Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung beurkundenden Notars) zweifelhaft erscheint, ob Monica L. den Inhalt der von ihr mitunterzeichneten Erklärung überhaupt erfassen konnte. Dass die Kindesmutter und das Kind seit dem 1. August 2008 in der Wohnung des Antragstellers gemeldet sind und die Wohnung eine ausreichende Größe aufweist, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht. Letztlich muss sich der Antragsteller als Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) auch entgegenhalten lassen, dass er im Erörterungstermin - trotz der zuvor im Hinblick auf seine im Schriftsatz vom 6. November 2008 geäußerten Befürchtungen mit Schriftsatz vom 11. November 2008 abgegebenen Erklärung der Ausländerbehörde, dass bis zu einer Entscheidung des Senats über die Beschwerde keiner Abschiebung erfolgt - ohne nachvollziehbaren Grund nicht erschienen ist und dem Gericht damit die Möglichkeit genommen hat, ihn zu der Frage, welche Betreuungsleistungen er für das Kind erbringt, anzuhören. Im Ergebnis vermag der Senat in dem Vortrag des Antragstellers daher keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass ihm wegen familiärer Bindungen zu seiner minderjährigen Tochter die Ausreise zur Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Visumsverfahrens nicht zuzumuten ist.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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