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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 19.02.2007
Aktenzeichen: OVG 2 S 9.07
Rechtsgebiete: VwGO, AufenthG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 31 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 9.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher und die Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn und Dr. Jobs am 19. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. November 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin, eine thailändische Staatsangehörige, beantragte am 4. September 2006 ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Aufhebung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehegatten. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 30. Oktober 2006 ab und drohte die Abschiebung an. Das Verwaltungsgericht wies den vorläufigen Rechtsschutzantrag der Antragstellerin, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ihrer Klage in der Hauptsache anzuordnen, zurück.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat der Sache nach zu Recht angenommen, dass die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird. Nach dem eigenen Vorbringen der mittlerweile in B_____ wohnenden Antragstellerin ist die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem in H_____ wohnenden Ehemann zwischenzeitlich aufgehoben. Die Bewertung und Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen der nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft allein noch in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG voraussichtlich nicht erfüllt seien, da nach der Eheschließung am 3. Juli 2003 die eheliche Lebensgemeinschaft weniger als zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe und es zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht erforderlich sei, der Antragstellerin den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen (vgl. § 31 Abs. 2 AufenthG), ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft wird die eigenständige, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängige Aufenthaltserlaubnis nur verlängert, wenn vor der Trennung der Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens zwei Jahre bestanden hat (vgl. § 31 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Der Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft folgt dabei nicht allein daraus, dass eine formal wirksam geschlossene Ehe fortbesteht. Vielmehr muss die eheliche Lebensgemeinschaft für die Dauer von mindestens zwei Jahren mit dem tatsächlichen Willen beider Ehegatten (zur Maßgeblichkeit des Willens beider Ehegatten eine eheliche Lebensgemeinschaft zu wahren, vgl. u.a. OVG Bln-Bbg., Beschluss vom 22. März 2006 - 12 N 17.06 - m.w.N.) hergestellt und gewahrt bleiben.

Das sinngemäße Vorbringen der Antragstellerin, sie habe vom 3. Juli 2003 bis zum Ablauf der gesetzlichen Mindestzeit von zwei Jahren sowie darüber hinaus bis zum 14. August 2006 mit ihrem Ehemann zusammengelebt, wogegen nicht spreche, dass es "danach aussehe", dass sie gelegentlich der Prostitution nachgegangen sei, da die Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft der wertenden Beurteilung des Gerichts entzogen sei, zumal gesetzgeberische Aktivitäten den Wandel der gesellschaftlichen Anschauung Rechnung getragen hätten und Prostitution als sozialversicherungsrechtlichen und steuerpflichtigen Beruf anerkannt hätten, vermag die gegenteilige Bewertung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage zu stellen.

Das Verwaltungsgericht hat seine Würdigung, wonach die eheliche Lebensgemeinschaft hier weniger als zwei Jahre bestanden habe, der Sache nach u.a. auf das Indiz gestützt, dass die Antragstellerin bereits während der ersten zwei Jahre nach der Eheschließung der Prostitution nachgegangen sei (vgl. näher EA S. 2 f.). Dieser Umstand wird gestützt durch die im beigezogenen Verwaltungsvorgang dokumentierten polizeilichen Ermittlungen, wonach die Antragstellerin am 24. November 2003, also bereits wenige Monate nach der Eheschließung, in B_____ und am 10. Februar 2005 in S_____ bei der Ausübung der Prostitution angetroffen wurde. Weiterhin wurde die Antragstellerin am 13. Dezember 2005, also nach Ablauf der Zeit von zwei Jahren seit der Eheschließung, aber noch vor dem von ihr angegebenen Trennungsdatum, erneut in B_____ in einem bordellartigen Betrieb in milieutypischer Kleidung angetroffen und gab an, "für eine halbe Stunde Massage" 50,00 EUR zu verlangen.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Bewertung und Würdigung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, wonach der Umstand, dass die Antragstellerin während der in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG geforderten Zeit der Prostitution nachgegangen sei, ein gewichtiges Indiz sei, das Zweifel am tatsächlichen (Fort-) Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft begründet (vgl. in dieser Richtung auch OVG Bln., Beschluss vom 8. Dezember 2004 - 8 S 149.05 -). Anders als die Antragstellerin meint, geht damit keine abwertende Beurteilung der Person oder der Tätigkeit der Antragstellerin einher, zumal aus den vom Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) verfolgten Erwägungen geschlossen werden kann, dass die kommerzielle Ausnutzung sexueller Bedürfnisse oder Interessen, wie auch die Erzielung von Einkünften aus geschlechtsbezogenem Verhalten nicht grundsätzlich als sittenwidrig angesehen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2002, Buchholz 451.41 § 4 GastG Nr. 25, Deutscher Bundestag, Drucks. 14/5958, S. 4). Vielmehr wird aus dem Umstand, dass die Antragstellerin nach den polizeilichen Ermittlungen mehrfach der Prostitution nachgegangen ist und dabei bereits ab November 2003 zur Erzielung von Einkünften in bordellartigen Räumen sich Dritten zu geschlechtsbezogenen Handlungen angeboten hat, ein Indiz abgeleitet, das Zweifel am damaligen tatsächlichen (Fort-)Bestand des Willens der Antragstellerin begründet, mit ihrem Ehemann eine eheliche Lebensgemeinschaft zu wahren. Sind damit Zweifel am tatsächlichen (Fort-) Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft konkret begründet, oblag es der damit materiell darlegungsbelasteten Antragstellerin zu erläutern, dass nach ihren Wertvorstellungen und denen ihres Ehemannes und der von beiden gewählten Ausgestaltung ihrer Ehe, es miteinander vereinbar gewesen sein soll, gleichzeitig eine eheliche Lebensgemeinschaft zu wahren und mit Dritten zur Erzielung von Einkünften sexuell zu verkehren. Derartige substantiierte Darlegungen hat die Antragstellerin, die sich diesbezüglich auf das Vorbringen beschränkte, dass der Ehemann von der Prositutionsausübung keine Kenntnis gehabt habe, mit der Beschwerdebegründung nicht erbracht.

Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht nicht etwa davon ausgegangen ist, die Ausübung der Prostitution durch die Antragstellerin sei für sich genommen schon ein ausreichender Beleg gegen den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern zutreffend weitere Indizien angeführt hat, die Zweifel am Bestand dieser Gemeinschaft im maßgeblichen Zeitraum begründen. So hat es ausgeführt, dass bei der Vorsprache der Eheleute bei der Ausländerbehörde der Stadt H_____ es diesen nicht möglich gewesen war, sich in deutscher Sprache zu verständigen. Dass die Ehegatten keine für beide verständliche Sprache sprechen, wird durch die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Ehemanns der Antragstellerin bestätigt, wonach die Kommunikation der beiden anfänglich nur über Handzeichen oder eine Dolmetscherin erfolgt und erst später einfache Verständigungen möglich waren. Dies ist ein gewichtiges Indiz, das vermuten lässt, dass es sich bei der Ehe um eine Scheinehe handelt (vgl. Entschließung des Rates vom 4. Dezember 1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen, Amtsblatt Nr. C 382 vom 16/12/1997, S. 1). Die Antragstellerin vermag dieses Indiz auch nicht durch die allgemeinen Ausführungen zu entkräften, dass bei binationalen Ehen das schlichte Miteinander und nicht kommunikative Aspekte im Vordergrund stünden. Gleiches gilt auch für ihr Vorbringen, sie bemühe sich, Deutschkenntnisse anzueignen, und besuche seit dem 13. September 2006 einen Deutschkurs der Volkshochschule. Diese zeitlichen nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft liegenden Bemühungen sind für die entscheidungserhebliche Frage, ob eine eheliche Lebensgemeinschaft vom 3. Juli 2003 bis zum Ablauf des 3. Juli 2005 bestand, unerheblich.

Dass die eheliche Lebensgemeinschaft abweichend von der Bewertung des Verwaltungsgerichts für mindestens zwei Jahre seit der Eheschließung am 3. Juli 2003 bestand, wird auch nicht durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Antragstellerin vom 9. Januar 2007, der undatierten Erklärung des Ehemanns sowie der Erklärungen der Trauzeugen der Ehegatten vom 12. Januar 2007 und vom 29. Januar 2007 (wobei letztere nicht im Original übersandt wurden) glaubhaft gemacht. Die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin gibt zwar den Trennungszeitraum mit "Sommer 2006" an, setzt sich aber nicht näher mit den vom Verwaltungsgericht ausgeführten Anhaltspunkten für eine frühere Trennung auseinander. Die eidesstattliche Erklärung des Ehemanns nennt keine konkreten Zeitpunkte oder die näheren Umstände der Trennung und ist weitestgehend unergiebig. Substantiierte Anhaltspunkte für die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft lassen sich auch nicht aus den Erklärungen des Herrn S_____ entnehmen, der pauschal davon spricht, dass die Eheleute "nach der Heirat" zusammengewohnt hätten und er die beiden "mehrmals in der Folgezeit" besucht habe. In der Erklärung der Frau L_____ (die am 24.11.2003 mit der Antragstellerin bei der Prostitutionsausübung in Berlin angetroffen wurde), wird pauschal von Besuchen in der Wohnung der Eheleute in den "Jahren 2003-2005" berichtet. Der konkrete Zeitpunkt der Besuche wird aber ebenso wenig genannt, wie substantiierte Anhaltspunkte, die auf den (Fort-) Bestand einer ehelichen Lebensgemeinschaft hindeuten.

2. Auch das Vorbringen der Antragstellerin - das offensichtlich in enger Anlehnung an das Vorbringen einer anderen Antragstellerin in einem Verfahren des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (vgl. Beschluss vom 28. November 2003 - 2 F 32/03 -, InfAuslR 2004, S. 116 [117]) formuliert wurde -, wonach die Rückkehrverpflichtung für sie eine besondere Härte darstelle, da sie als Frau, deren vormalige Ehe mit einem Europäer gescheitert sei, aufgrund der Sitten- und Moralvorstellungen und kulturellen Besonderheiten in Thailand als "Nutte" angesehen werde, gesellschaftlich keine Chance mehr habe und mangels Berufs keine Möglichkeit habe, in Thailand zu überleben, gibt keinen Anlass zu einer vom Verwaltungsgericht abweichenden Bewertung, wonach hier keine besondere Härte erkennbar ist, die es erforderlich macht, der Antragstellerin den weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik zu ermöglichen.

Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist von der Voraussetzung des zweijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht (§ 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Die Rückkehrverpflichtung stellt nur dann eine besondere Härte dar, wenn im konkreten Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die Ausreisepflicht den Ehegatten ungleich härter trifft als andere Ausländer in derselben Situation (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. April 1997, Buchholz 402.240 § 19 AuslG 1990 Nr. 3). Unter dem Aspekt der Rückkehr in das Heimatland kann daher eine besondere Härte nur zugebilligt werden, wenn die von der Antragstellerin zu gewärtigenden Schwierigkeiten der Wiedereingliederung in die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Herkunftslandes deutlich über die damit naturgemäß immer verbundenen Probleme hinausgehen (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 23. November 2005 - NVwZ-RR 2006, S. 357).

Unter Berücksichtigung der in dem vorgenannten Verfahren des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes gewonnenen Erkenntnisse ist es nach Überzeugung des Senats nicht ersichtlich, dass eine solche Situation bei der Antragstellerin nach ihrer Rückkehr nach Thailand zu erwarten ist. Es ist bei summarischer Prüfung nicht konkret ersichtlich, dass sie dort aufgrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Diskriminierung allein aufgrund der vormaligen Ehe mit einem Deutschen ausgesetzt sein wird und dass sie als 19 geborene jüngere Frau in dem vom wirtschaftlichen Wachstum geprägten Land (vgl. Auswärtiges Amt, http://www.auswaertiges-t.de/diplo/de/Laenderinformationen/Thailand/Wirtschaft.html), jedenfalls außerhalb ihres Heimatdorfes in der Provinz N_____ in größeren Städten keine Arbeitsstelle finden kann, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass im konkreten Fall der Antragstellerin besondere Probleme entstehen könnten, weil sie im Bundesgebiet der Prostitution nachgegangen ist, hat sie nicht dargelegt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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