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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: OVG 3 B 32.05
Rechtsgebiete: GG, AbgG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
AbgG § 9 Abs. 2 Satz 3
AbgG § 29 Abs. 1 Satz 1
§ 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG stellt für die Vergütung, die ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages aus einer neben dem Mandat ausgeübten Tätigkeit als Hochschullehrer bezieht, keine Anrechnungsregelung dar, sondern die Bestimmung einer Hinzuverdienstgrenze.
OVG 3 B 32.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2007 durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann, die Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards und Dr. Peters sowie die ehrenamtliche Richter Schild und Tegge

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die anteilige Anrechnung der von ihm für seine Tätigkeit als Hochschullehrer bezogenen Vergütung auf seine Abgeordnetenentschädigung.

Der Kläger gehörte in der Zeit vom 17. Dezember 1990 bis zum 17. Oktober 2002 dem Deutschen Bundestag als Abgeordneter an. Gleichzeitig war er an der L_____-Universität M_____ als Hochschullehrer tätig. Hierfür erhielt er eine Vergütung in Höhe von 25 % der Dienstbezüge, die aus dem Professorendienstverhältnis zu zahlen gewesen wären.

Im Dezember 2001 teilte die Verwaltung des Deutschen Bundestages dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, das Einkommen aus seiner Tätigkeit als Hochschullehrer auf die Abgeordnetenentschädigung anzurechnen. Dem trat der Kläger entgegen.

Mit Bescheid vom 18. April 2002 setzte die Verwaltung des Deutschen Bundestages die Abgeordnetenentschädigung des Klägers ab Mai 2002 neu fest. Hierbei rechnete sie die Bezüge des Klägers als Hochschullehrer auf der Grundlage einer Mitteilung der Bezirksfinanzdirektion M_____ vom März 2002 an und kürzte gemäß § 29 Abs. 1 AbgG die dem Kläger zustehende Abgeordnetenentschädigung um monatlich 541,99 (.

Hiergegen hat der Kläger am 15. Mai 2002 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend gemacht hat, § 9 Abs. 2 AbgG stelle für den Berufsstand der Hochschullehrer eine abschließende Anrechnungsregelung dar, neben der § 29 AbgG nicht zusätzlich Anwendung finden dürfe. Werde neben der Kürzung seiner Vergütung als Hochschullehrer noch die Anrechnungsregelung des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG angewendet, so führe dies zu einer doppelten Anrechnung, die etwa im Hinblick auf Regierungsmitglieder gleichheitswidrig sei. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen wäre, dass für Hochschullehrer die allgemeine Anrechnungsregelung des § 29 AbgG gelten solle, so hätte er es im Text der Vorschrift ausdrücklich anordnen müssen. Im Übrigen bedürfe die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Kürzungsbetrages der Überprüfung.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Deutschen Bundestages vom 18. April 2002 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, eine Ungleichbehandlung von Hochschullehrern und Regierungsmitgliedern liege nicht vor, da beide Gruppen der Anrechnungsregelung des § 29 Abs. 1 AbgG unterfielen. Bei § 9 Abs. 2 AbgG handele es sich nicht um eine spezielle Anrechnungsvorschrift, die derjenigen des § 29 Abs. 1 AbgG vorgehe. Auch im Hinblick auf die in § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG geregelte Hinzuverdienstgrenze liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht vor. Die ungleiche Behandlung von Regierungsmitgliedern einerseits und Hochschullehrern andererseits beruhe auf sachlichen Gründen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 9 Abs. 2 AbgG stelle keine abschließende spezialgesetzliche Regelung dar, die die Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 AbgG ausschließen würde. Die Vorschriften regelten jeweils andere Sachverhalte. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 AbgG und der systematischen Auslegung der Vorschriften. Die Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 AbgG auf den Kläger verletze nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund liege nicht vor. Selbst wenn der Kläger durch § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG in seinen Rechten aus Art. 3 GG verletzt wäre, hätte er allenfalls einen Anspruch auf volle und eingeschränkte Vergütung seiner Tätigkeit, den er gegen die Universität durchsetzen müsse. Im Übrigen bleibe es dem Kläger unbenommen, mit der Universität einen zweiseitigen Dienstvertrag zu schließen, dessen Vergütung nicht eingeschränkt sei.

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht Berlin zugelassenen Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG beziehe sich nur auf Angehörige des öffentlichen Dienstes, die unbeschränkte Bezüge erhielten. Im Verhältnis hierzu stelle § 9 Abs. 2 AbgG eine Sonderregelung für Professoren dar, die allein dieser speziellen Anrechnungsvorschrift unterfielen. Anderenfalls käme es im Falle eines in den Bundestag gewählten Hochschullehrers, der - wie er - neben dem Bundestagsmandat weiterhin an der Hochschule tätig sei, zu einer gleichheitswidrigen doppelten Anrechnung. Mit § 9 Abs. 2 AbgG werde auch nicht lediglich der Umfang der Tätigkeit eines Hochschullehrers geregelt und die weitere Ausübung dieser Tätigkeit im bisherigen Umfang nicht ausgeschlossen. Er habe nicht geltend gemacht, dass § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG ihn in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG verletze. Der Gleichheitsverstoß liege vielmehr in der doppelten Anwendung beider Anrechnungstatbestände. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die in Rede stehenden Vorschriften zur Vermeidung einer doppelten Anrechnung verfassungskonform dahin auszulegen seien, dass auf ihn lediglich § 9 Abs. 2 AbgG und nicht zusätzlich § 29 AbgG Anwendung finden dürfe.

Im Übrigen habe die Beklagte wegen ihrer jahrelangen Untätigkeit die Befugnis zu einer Anrechnung nach § 29 Abs. 1 AbgG verwirkt. Er habe ein schutzwürdiges Vertrauen darauf erworben, dass ihm eine derartige Anrechnung nicht auferlegt werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Februar 2003 zu ändern und den Bescheid des Deutschen Bundestages vom 18. April 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt weiter aus, die in § 9 Abs. 2 AbgG geregelte Hinzuverdienstgrenze stelle lediglich einen Hinweis auf den regelmäßig reduzierten Umfang der tatsächlich erbrachten Leistung eines Hochschullehrers neben dessen Abgeordnetentätigkeit dar. Es handele sich um eine Konkretisierung der in § 9 Abs. 1 Satz 1 AbgG enthaltenen Ausnahme von der Inkompatibilitätsregelung für Angehörige des öffentlichen Dienstes. Die Ausübung einer vollen Professorenstelle neben dem Bundestagsmandat sei nicht vorgesehen. Dies mache auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten hat vorgelegen und ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Anrechnung der Vergütung, die der Kläger aus seiner neben dem Abgeordnetenmandat ausgeübten Tätigkeit als Hochschullehrer erzielt, findet ihre rechtliche Grundlage in § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG. Danach wird die in § 11 AbgG bestimmte Abgeordnetenentschädigung um 50 vom Hundert gekürzt, wenn ein Mitglied des Bundestages neben der Abgeordnetenentschädigung Anspruch auf Einkommen aus einem Amtsverhältnis oder aus der Verwendung im öffentlichen Dienst hat; der Kürzungsbetrag darf jedoch 30 vom Hundert des Einkommens nicht übersteigen. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift sind im Falle des Klägers erfüllt. Ausweislich der vorliegenden Bezügemitteilungen der zuständigen Besoldungsstelle handelt es sich bei der von ihm für die Tätigkeit als Hochschullehrer bezogenen Vergütung um Einkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst. Damit ist diese Vergütung gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG auf die Abgeordnetenentschädigung anzurechnen (vgl. Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, 2002, Rzn. 7 zu § 9, 20 zu § 29).

a) Dies führt nicht zu der vom Kläger behaupteten doppelten Anrechnung seiner aus der Tätigkeit als Hochschullehrer bezogenen Vergütung. Vielmehr erfolgt eine solche Anrechnung nur im Rahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG. § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG stellt keine Anrechnungsregelung dar, sondern die Bestimmung einer Hinzuverdienstgrenze.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AbgG können Hochschullehrer eine Tätigkeit in Forschung und Lehre sowie die Betreuung von Doktoranden und Habilitanden während der Mitgliedschaft im Bundestag wahrnehmen. Damit nimmt sie das Gesetz von der in § 5 AbgG normierten grundsätzlichen Unvereinbarkeit des Abgeordnetenmandats mit einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis aus. Die Vergütung für die Tätigkeit als Hochschullehrer ist entsprechend den tatsächlich erbrachten Leistungen zu bemessen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 AbgG). Sie darf 25 vom Hundert der Bezüge, die aus dem Dienstverhältnis als Hochschullehrer zu zahlen wären, nicht übersteigen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG). Im Übrigen sind die für Bundesbeamte geltenden Vorschriften anzuwenden (§ 9 Abs. 2 Satz 4 AbgG).

Damit gibt schon der Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG für die Annahme nichts her, hiermit werde die Anrechnung von Einkommen oder Vergütungen auf die Abgeordnetenentschädigung geregelt. Der Begriff "Anrechnung" wird weder ausdrücklich noch sinngemäß verwendet. Ferner fehlt die Bestimmung eines Anrechnungsverhältnisses, also die Festlegung, in welchem Maße das eine auf das andere Einkommen angerechnet werden soll. Dem Wortlaut nach gibt die Vorschrift vielmehr eine Grenze vor, bis zu der die parallel zum Abgeordnetenmandat ausgeübte (Neben-)Tätigkeit als Hochschullehrer vergütet werden darf. Dies steht einer Anrechnung nicht gleich.

Gegen den Charakter einer Anrechnungsregelung spricht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, auch die systematische Stellung des § 9 Abs. 2 AbgG im dritten Abschnitt des Abgeordnetengesetzes - "Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes" -, während Anrechnungen der in Rede stehenden Art im siebten Abschnitt - "Anrechnung beim Zusammentreffen mehrerer Bezüge aus öffentlichen Kassen" - normiert sind.

Auch nach Sinn und Zweck von § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG lässt sich diese Vorschrift nicht als Anrechnungsregelung verstehen. Mit ihr soll, wie sich dem Regelungsgefüge des § 9 AbgG insgesamt unschwer entnehmen lässt, dem Hochschullehrer im Sinne von § 42 HRG, der die in Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre für sich in Anspruch nehmen kann, im Gegensatz zu den übrigen im dritten Abschnitt des Abgeordnetengesetzes genannten Angehörigen des öffentlichen Dienstes die teilweise Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit weiterhin ermöglicht werden. Dabei umschreibt der Gesetzgeber den nach seiner Vorstellung höchstzulässigen Umfang der neben dem Bundestagsmandat wahrnehmbaren Tätigkeit des Hochschullehrers. Da gemeinhin eine Berufstätigkeit in einem Wechselverhältnis zu der dafür geleisteten Vergütung steht, wird auf dem von § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG beschrittenen Wege dem Umfang der neben dem Bundestagsmandat zulässigen Hochschullehrertätigkeit ein entsprechender Rahmen gezogen. Damit soll gewährleistet bleiben, dass während der Dauer des Mandats die Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter in jeder Hinsicht das hauptsächliche Amt bleibt. In der modernen Verfassungswirklichkeit hat die Tätigkeit des Abgeordneten im Bund den Charakter eines den vollen Einsatz seiner Arbeitskraft fordernden Berufes gewonnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Oktober 1971, BVerfGE 32, 157 = NJW 1972, 285; Urteil vom 5. November 1975, BVerfGE 40, 296, 312 - 314). Für eine daneben ausgeübte Tätigkeit bleibt damit grundsätzlich nur wenig Raum. Dem trägt die Hinzuverdienstregelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG Rechnung. Den Charakter einer "Anrechnungsvorschrift" verleiht dieser Zweck der Vorschrift damit erkennbar nicht.

Der Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 2 AbgG bestätigt, dass hiermit eine Vergütungsanrechnung nicht, sondern lediglich eine Beschränkung des Umfangs der neben dem Bundestagsmandat für zulässig angesehenen Tätigkeit als Hochschullehrer bezweckt war. In den Materialien zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 7/5531 vom 30. Juni 1976, S. 15) wird hervorgehoben, dass sich der Entwurf der hohen zeitlichen Inanspruchnahme durch das Mandat bewusst sei, die es unmöglich mache, neben diesem das bisherige Amt voll auszufüllen. Inhaber eines kompatiblen Amtes dürften jedoch nach dem "Diätenurteil" des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 15. November 1975, a.a.O.) nur entsprechend ihrer Leistung im Amt besoldet werden. Zu § 12 des Entwurfs - der später als § 9 Gesetz geworden ist - wird ausgeführt, die Länder würden ermächtigt, Hochschullehrern einzelne Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis zu belassen. Sie könnten dadurch der besonderen Rechtsstellung der Professoren Rechnung tragen und es ihnen besonders ermöglichen, Doktoranden und Habilitanden weiter zu betreuen oder die eine oder andere Lehrveranstaltung durchzuführen. Hierfür dürften sie allerdings nur entsprechend ihrer Leistung vergütet werden und höchstens ein Drittel der Bezüge aus dem bisherigen Dienstverhältnis erhalten (a.a.O., S. 18). In der Begründung des Entwurfs eines (ersten) Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (BT-Drs. 8/4114 vom 22. Mai 1980, S. 6), heißt es, die Wahrnehmung einzelner Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis eines Hochschullehrers im Bundestag dürfe ein Drittel der jährlichen Arbeitszeit nicht überschreiten. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages sprach sich in seinem Bericht und der Beschlussempfehlung zu dem Entwurf einstimmig dafür aus, dass Professoren in einem mit dem Bundestagsmandat verträglichen Umfang die weitere Betätigung in Forschung und Lehre sowie die Betreuung von Doktoranden und Habilitanden gestattet werden solle (BT-Drs. 8/4293 vom 24. Juni 1980, S. 8). Mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 16. Januar 1987 (BGBl. I S. 143), durch das § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG im Wesentlichen seine heutige Fassung erhielt, verfolgte der Gesetzgeber eine Klarstellung, die abgewogen einerseits die Beanspruchung eines Bundestagsmitgliedes aus dem Mandat und andererseits die zusätzlichen Leistungen eines Hochschullehrers berücksichtigen sollte. Die in der Neufassung festgelegte Höchstgrenze für die Vergütung der neben dem Mandat ausgeübten Tätigkeit eines Hochschullehrers orientierte sich dabei an einem an den tatsächlichen Erfahrungen ausgerichteten Prozentsatz, der die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Professur neben der Mandatstätigkeit berücksichtigte (Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes, BT-Drs. 10/6685 vom 5. Dezember 1986, S. 10).

Diese gesetzgeberischen Erwägungen machen deutlich, dass § 9 Abs. 2 AbgG nicht den Charakter einer Anrechnungsvorschrift trägt, sondern dass mit der Vorschrift der Umfang der neben dem Bundestagsmandat ausgeübten Hochschullehrertätigkeit zu Gunsten der Wahrnehmung und Ausübung des Mandats eingeschränkt werden sollte. Regelungen über - dem Landesrecht vorbehaltene - Einzelheiten der Besoldung der im Landesdienst stehenden Hochschullehrer sind damit entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung nicht verbunden. Für die konkrete Bemessung der Vergütung einer neben dem Mandat ausgeübten Hochschullehrertätigkeit bleibt allein das jeweilige Landesbesoldungsrecht maßgebend, auf das die Vorschrift mit der Wendung "Bezüge, die aus dem Dienstverhältnis als Hochschullehrer zu zahlen wären" zumindest indirekt verweist.

b) Damit besteht kein Anlass für die vom Kläger geforderte verfassungskonforme Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG dahin, dass von der vorgeschriebenen Anrechnung die in § 9 Abs. 2 AbgG genannten Vergütungen ausgenommen sind. Eine Ungleichbehandlung des Klägers findet gegenüber der von ihm in diesem Zusammenhang benannten Vergleichsgruppe der Bundesminister und Parlamentarischen Staatssekretäre nicht statt. Deren Bezüge sind als Einkommen aus einem Amtsverhältnis nach dem klaren Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG auf die Abgeordnetenentschädigung anzurechnen (Braun/ Jantsch/Klante, a.a.O., Rz. 20 zu § 29); diese Anrechnung wird nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten von der Verwaltung des Deutschen Bundestages auch tatsächlich vorgenommen. Nichts anderes geschieht hinsichtlich der Vergütung des Klägers für seine neben dem Mandat ausgeübte Tätigkeit als Hochschullehrer.

c) Dass § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG verfassungswidrig wäre, will der Kläger ausdrücklich nicht geltend machen. Hierfür ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 Abs. 1 GG auch nichts ersichtlich. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Dieses Verbot ist verletzt, wenn die (un-)gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung fehlt (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987, NVwZ 1988, 329, 337; Beschluss vom 21. Oktober 1971, a.a.O., S. 286; Beschluss vom 21. Juni 2006, NJW 2006, 2757). Nach diesen Maßstäben verstößt das Fehlen einer dem § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG vergleichbaren Hinzuverdienstgrenze für Regierungsmitglieder, die zugleich Bundestagsabgeordnete sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Vielmehr rechtfertigen sachliche Gründe diese unterschiedliche Behandlung. Wie gezeigt, dient die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG dem Zweck, die zeitliche Inanspruchnahme des Abgeordneten durch eine Hochschullehrertätigkeit neben dem Bundestagsmandat in einem überschaubaren Umfang zu halten. Dies wird von Regierungsmitgliedern, insbesondere den Bundesministern, gerade nicht erwartet. Deren Aufgabe besteht darin, im Rahmen ihrer Amtsbefugnisse ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen (vgl. Art. 64 Abs. 2, 56 GG); ihre Amtstätigkeit nimmt ihre Arbeitskraft typischerweise vollkommen, zumindest weit überwiegend in Anspruch. Diese zwingend mit der Übernahme eines Regierungsamtes einhergehende Belastung bildet einen ausreichenden sachlichen Grund dafür, den Umfang der von dieser Personengruppe "neben" dem Bundestagsmandat geleisteten Amtstätigkeiten nicht durch eine dem § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG vergleichbare Regelung zu beschränken. Dass Regierungsmitglieder zugleich ein Bundestagsmandat innehaben dürfen, entspricht der Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland und dem traditionellen deutschen Verfassungsverständnis seit der Weimarer Zeit (vgl. HessStGH, Urteil vom 7. Januar 1970, DÖV 1970, 243, 245 f.; Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Rz. 25 a zu Art. 38; Morlok in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Rz. 141 zu Art. 38; Versteyl in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2003, Rz. 17 zu Art. 137; sowie die Darstellungen von Epping in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Rz. 21 zu Art. 66, und DÖV 1999, 529, 530, der im Ergebnis allerdings eine Unvereinbarkeit bejaht). Eine gleichheitswidrige Benachteiligung des Klägers im Hinblick auf die hier streitige Frage der Anrechnung einer Vergütung für die neben dem Mandat ausgeübte Hochschullehrertätigkeit auf die Abgeordnetenentschädigung folgt daraus nicht.

d) Die Beklagte hat ihre Berechtigung, die vom Kläger für seine außerparlamentarische Tätigkeit bezogene Vergütung auf die ihm zustehende Abgeordnetenentschädigung anzurechnen, für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt neben der Untätigkeit des Berechtigten über einen längeren Zeitraum voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete darauf vertrauen durfte und tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BVerwG, st. Rspr., u.a. Urteile vom 16. Mai 1991, NVwZ 1991, 1182, 1184; vom 9. Dezember 1998, BVerwGE 108, 93, 96; vom 27. Juli 2005, NVwZ 2005, 1334). Für eine solche Vertrauensbetätigung hat der Kläger nichts vorgetragen und ist auch nichts ersichtlich. Abgesehen davon konnte der Kläger, jedenfalls nachdem sie ihm im Dezember 2001 die Anrechnung in Aussicht gestellt hatte, für die Zukunft und mithin für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum nicht mehr darauf vertrauen, dass die Bundestagsverwaltung die ihr nach § 29 Abs. 1 AbgG zustehende Befugnis nicht ausüben werde. Im Übrigen ist bereits die erste Festsetzung der dem Kläger zustehenden Abgeordnetenentschädigung vom 21. Dezember 1990 ausdrücklich unter dem Vorbehalt eventuell anrechenbarer Bezüge nach § 29 AbgG erfolgt.

e) Schließlich gibt auch die Berechnung des Kürzungsbetrages von 541,99 ( keinen Anlass zu Beanstandungen. Die Beklagte hat auf der Grundlage der Bezügemitteilung vom März 2002 die Vergütungsbestandteile Grundgehalt, Familienzuschlag und ruhegehaltsfähige Überleitungssonderzuschüsse mit zusammen 1 806,63 ( in Ansatz gebracht und hieraus den in § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG genannten Betrag von 30 vom Hundert rechnerisch richtig mit 541,99 ( ermittelt. Rechtsfehler sind hierbei nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht behauptet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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