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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: OVG 3 S 94.07
Rechtsgebiete: VwGO, AufenthG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
AufenthG § 31 Abs. 2 Satz 1
AufenthG § 31 Abs. 2 Satz 2
AufenthG § 31 Abs. 2 Satz 2 2. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 3 S 94.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat am 2. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 20. August 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts bestimmt, rechtfertigt die sinngemäß begehrte Änderung der angefochtenen Entscheidung nicht.

Der Antragsteller macht geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei es ihm wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG nicht zuzumuten gewesen, weiter an der ehelichen Lebensgemeinschaft (mit einer deutschen Staatsangehörigen) festzuhalten. Hierbei beruft er sich unter Versicherung an Eides Statt insbesondere darauf, seine Ehefrau habe ihn wiederholt mit den Worten "du Nigger" beleidigt und ihn - auch vor Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft - mit der offenen Hand ins Gesicht geschlagen. Diese Beeinträchtigungen rechtfertigen die Annahme einer besonderen Härte im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht.

Eine besondere Härte, die unabhängig von der Ehebestandszeit (vgl. dazu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) zur Begründung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehegatten führt, liegt nach der Definition in § 31 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG unter anderem dann vor, wenn dem Ausländer wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Mit dieser Regelung verfolgt der Gesetzgeber den Zweck zu verhindern, dass ein Ausländer wegen der Gefahr der Beeinträchtigung seines akzessorischen Aufenthaltsrechts zur Fortsetzung einer untragbaren Lebensgemeinschaft gezwungen wird (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses vom 14. März 2000, BT-Drs. 14/2902, S. 5 f., zu § 19 AuslG, an dem sich § 31 AufenthG orientiert, vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zuwanderungsgesetzes vom 7. Februar 2003, BT-Drs. 15/420, S. 82). Von der Unzumutbarkeit der Fortsetzung einer ehelichen Lebensgemeinschaft ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere dann auszugehen, wenn der ausländische Ehegatte physischen oder psychischen Misshandlungen durch den anderen Ehegatten ausgesetzt ist (vgl. Begründung der Bundesregierung für die Änderung von § 19 AuslG vom 14. Dezember 1999, BT-Drs. 14/2368, S. 4). Dabei ist zu beachten, dass § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine besondere Härte voraussetzt, die Anforderungen gegenüber einer nur allgemeinen Härte also gesteigert sind. Aus diesem Grunde können gelegentliche Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik und Kränkungen, die in einer Vielzahl von Fällen trennungsbegründend wirken, für sich genommen noch nicht dazu führen, dass das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. April 2006 - 11 S 34.05 -, juris, Rz 3 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben erreichen die in den Mittelpunkt der Beschwerde gerückten Beeinträchtigungen weder für sich allein noch in einer Gesamtschau mit dem in der erstinstanzlichen Antragsschrift geschilderten Sachverhalt - den der Antragsteller allerdings in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO grundsätzlich nicht genügenden Weise nur bezugnehmend wiederholt - die für die Annahme einer besonderen Härte erforderliche Intensität. Dabei sind die vom Antragsteller geschilderten Vorfälle im Januar 2007 von vornherein nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft darzutun, weil die eheliche Lebensgemeinschaft zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr bestand. Nach den Angaben der Ehefrau des Antragstellers erfolgte die Trennung bereits Anfang September 2006; nach den Feststellungen der Antragsgegnerin spätestens mit Abmeldung des Antragstellers aus der bisherigen Ehewohnung im Dezember 2006. Soweit der Antragsteller behauptet, er habe "öfter" seitens seiner Ehefrau Schläge mit der offenen Hand erlitten, ist - ungeachtet der fehlenden Substantiiertheit des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens - nicht zu erkennen, ob es sich hierbei überhaupt um Vorfälle handelt, die als physische Misshandlungen qualifiziert werden könnten. Auch dem Beschwerdevorbringen zu rassistisch gefärbten Beschimpfungen durch die Ehefrau, verbunden mit barschen Aufforderungen, "abzuhauen" oder "die Klappe zu halten", ist nicht zu entnehmen, dass es sich um erhebliche, über verbale Angriffe und Kränkungen, wie sie insbesondere für eine vor dem Scheitern stehende Ehe kennzeichnend sein mögen, hinausgehende Übergriffe handelt. Gleiches gilt für die weiteren in der Antragsschrift dargestellten Kränkungen und Zurücksetzungen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat (Beschlussabdruck S. 4). Der Antragsteller selbst behauptet auch nicht, erfolglos versucht zu haben, seine Ehefrau zu einem anderen Verhalten zu bewegen, etwa indem er ihr eindringlich vor Augen geführt hätte, sich durch die genannten Bezeichnungen und Handlungen ihrerseits beleidigt und entwürdigt zu fühlen. Gleichwohl hat er die eheliche Lebensgemeinschaft ungeachtet der nunmehr von ihm hervorgehobenen Verhaltensweisen seiner Ehefrau über einen längeren Zeitraum fortgesetzt. Dem kommt zumindest Indizwirkung gegen die reklamierte Unzumutbarkeit zu, die eheliche Lebensgemeinschaft fortzuführen (vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 21. Februar 2005 - 1 B 22.05 -, juris, Rz. 10; weitergehend VGH Kassel, Beschluss vom 10. Oktober 2005, AuAS 2005, 266, 267; VGH München, Beschluss vom 15. März 2007 - 19 ZB 06.3197 -, juris, Rz. 5). Dies entspricht den Vorstellungen des Gesetzgebers, der das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft jedenfalls dann für unzumutbar gehalten hat, wenn der ausländische Ehegatte wegen physischer oder psychischer Misshandlungen durch den anderen Ehegatten die Lebensgemeinschaft aufgehoben hat (BT-Drs. 14/2368 a.a.O.; Unterstreichung nicht im Original). Dem Umstand, dass der ausländische Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft trotz nunmehr geltend gemachter Unzumutbarkeit nicht selbst beendet hat, kommt allerdings dann keine Aussagekraft zu, wenn er von dem anderen Ehegatten in einer Weise beherrscht, eingeschüchtert oder gar der Bewegungsfreiheit beraubt worden ist, dass er zu einer Trennung nicht in der Lage war (vgl. hierzu beispielsweise VGH Kassel, Beschluss vom 17. Januar 2007, AuAS 2007, 122); für eine solche Fallgestaltung bietet der vom Antragsteller dargestellte Sachverhalt indes keinerlei Anhaltspunkte. Dass der Antragsteller ausweislich des - erst nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgelegten - ärztlichen Attestes sehr unter den Strapazen der Trennung leidet und diagnostizierte Beschwerden aus ärztlicher Sicht als Auswirkungen des Ehekonfliktes erscheinen, belegt nicht, dass der Antragsteller physischen oder psychischen Misshandlungen durch seine Ehefrau ausgesetzt war.

Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde der Sache nach das erstinstanzliche Begehren weiterverfolgt, der Antragsgegnerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu untersagen, ihn vor einer Entscheidung im Widerspruchsverfahren abzuschieben, setzt er sich entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht mit den diesbezüglichen Ausführungen der angefochtenen Entscheidung (Beschlussabdruck S. 4/5) auseinander.

Schließlich kann die Beschwerde mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. April 2007 herzustellen, keinen Erfolg haben. Ein solches Begehren hat der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht verfolgt. Das Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO dient jedoch ausschließlich der Überprüfung der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80 Abs. 5, 80 a und 123 Abs. 1 VwGO ergangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts auf ihre Richtigkeit. Dies ergibt sich aus den Darlegensobliegenheiten des Beschwerdeführers und der Beschränkung des Prüfungsinhalts und -umfangs des Beschwerdegerichts (§ 146 Abs. 4 Sätze 3, 4 und 6 VwGO). Aus diesem Grunde ist eine erstmalige Antragstellung, eine Antragserweiterung oder eine sonstige Antragsänderung im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO nicht statthaft (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. November 2006 - OVG 8 S 113.06 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Juni 2006, NVwZ-RR 2006, 650, 651; OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 8. Februar 2005 - 4 B 376/04 -; OVG Hamburg, Beschluss vom 2. Oktober 2002, NVwZ 2003, 1529; OVG Münster, Beschluss vom 25. Juli 2002, NVwZ-RR 2003, 72).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Nebenentscheidung über den Wert des Beschwerdegegenstandes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren ist höher anzusetzen als für das erstinstanzliche Verfahren, nachdem der Antragsteller sein Begehren um einen erstinstanzlich nicht gestellten Antrag erweitert hat; hierfür ist der um die Hälfte ermäßigte Regelstreitwert aus § 52 Abs. 2 GKG gesondert in Ansatz zu bringen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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