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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: OVG 4 B 16.05
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 31
Verrichtungen, die der Beamte auf Grund der Beschaffenheit seiner Wohnung ausübt, um darin dienstliche Tätigkeiten (erst) zu ermöglichen - wie das Beheizen, Säubern, Renovieren, Beleuchten usw. des häuslichen Arbeitszimmers -, und erst recht Handlungen, die ihrerseits erst der Vorbereitung solcher Verrichtungen dienen (hier: Herantragen eines Kohleeimers), sind vom Dienstunfallschutz ausgenommen.
OVG 4 B 16.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2006 durch

den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts -------------, den Richter am Oberverwaltungsgericht ---------- den Richter am Verwaltungsgericht --------- sowie die ehrenamtlichen Richter ----------- und -------------

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. Dezember 2002 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalles als Dienstunfall.

Die 1955 geborene Klägerin war seit 1977 Lehrerin und seit 1993 als Schulleiterin der Allgemeinen Förderschule N. tätig. 1995 wurde sie in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Über ihre Klage gegen die inzwischen ausgesprochene Entlassung ist noch nicht entschieden.

Am 1. Januar 1998 stolperte die Klägerin über die Schwelle ihres häuslichen Arbeitszimmers, als sie zwei gefüllte Kohleneimer hineintragen wollte. Sie stürzte mit dem Kopf gegen die geöffnete Zimmertür und erlitt eine Verletzung der Halswirbelsäule. Die Klägerin, bei der im November 1997 eine Spinalkanalstenose diagnostiziert worden war, ist seitdem querschnittsgelähmt. Die Klägerin zeigte den Unfall ihrer Dienststelle an und erklärte hierzu, das Arbeitszimmer werde ausschließlich dienstlich genutzt und habe wegen der Witterungsverhältnisse mit dem Kohleofen beheizt werden müssen. Sie habe nicht aufschiebbare, näher genannte dienstliche Arbeiten erledigen wollen. Mit Bescheid vom 17. September 1998 lehnte das Staatliche Schulamt für den Landkreis Havelland die Anerkennung des Unfalles als Dienstunfall ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1998, der Klägerin zugestellt am 19. November 1998, zurück. Der Beklagte führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Unfall sei nicht in Ausübung oder infolge des Dienstes erfolgt. Das Beheizen des Arbeitszimmers zähle nicht zu den dienstlichen Tätigkeiten der Klägerin, sondern sei ihrem häuslichen Wirkungskreis zuzuordnen.

Der hiergegen am 17. Dezember 1998 erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Potsdam mit Urteil vom 11. Dezember 2002 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Beheizen des Arbeitszimmers sei nicht dem privaten, sondern dem dienstlichen Bereich zuzuordnen. Es habe seinen Grund ausschließlich in der geplanten nachfolgenden dienstlichen Aufgabenerfüllung gehabt und somit dem Interesse des Dienstherrn gedient. Die Verletzung der Klägerin sei auch trotz einer Vorerkrankung allein durch den Unfall verursacht worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg mit Beschluss vom 28. Juni 2004 zugelassene Berufung des Beklagten.

Er trägt zur Begründung seines Rechtsbehelfs im Wesentlichen vor, es liege allein in der Risikosphäre der Klägerin, wenn sie das einzige Zimmer der Wohnung, welches nur mit Kohle beheizbar gewesen sei, als Arbeitszimmer benutzt habe. Nicht jegliche atypische Situation in der Privatsphäre einer Beamtin könne zur Anerkennung eines Dienstunfalles führen. Ferner sei klärungsbedürftig, ob nicht die Vorerkrankung der Klägerin ursächlich für den Unfallschaden gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. Dezember 2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und macht im Wesentlichen geltend, auch ein Verhalten, das die eigentliche Dienstverrichtung erst ermögliche, zähle zur Ausübung des Dienstes. So habe die Rechtsprechung etwa die bloße Nahrungsaufnahme in den Dienstunfallschutz einbezogen. Dem Dienstherrn werde mit der Wahl des Arbeitszimmers auch kein übermäßiges Risiko aufgebürdet. Mit Kohleofen ausgestattete Arbeitszimmer dürften seinerzeit keine Seltenheit gewesen sein. Das Risiko, in einem mit Kohleofen zu beheizenden Arbeitszimmer Schäden zu erleiden, dürfte nicht größer sein, als das Risiko, außerhalb des Dienstgebäudes bei der Besorgung von Nahrungsmitteln einen Unfall zu erleiden.

Die Klägerin hat im Januar 2005 ein (zivilgerichtlich eingeholtes) neurologisches Gutachten der Landesklinik Brandenburg vom April 2000 nebst ergänzender Stellungnahme vom Oktober 2000 sowie ein von ihr erstrittenes (rechtskräftiges) Urteil des Landgerichts Aachen vom Februar 2001 eingereicht. Hiernach sind etwaige Vorerkrankungen für die eingetretene Querschnittslähmung nicht mitursächlich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Streitakte des VG Potsdam zu 2 K 3291/00 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (zwei Bände Personalakte, ein Halbhefter zum Dienstunfallvorgang, zwei Halbhefter zum Entlassungsverfahren) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung hat Erfolg. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, denn die Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihren Unfall vom 1. Januar 1998 als Dienstunfall anerkennt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Rechtliche Grundlage für das Begehren der Klägerin kann nur § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der zum Zeitpunkt des Unfalles maßgeblichen, bis 31. Dezember 1998 gültigen Fassung vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1942) sein. Hiernach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Dass der Unfall vom 1. Januar 1998 die Verletzung der Klägerin allein verursacht hat, steht fest. Die zuletzt genannte Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt. Die Verletzung der Klägerin ist nicht "in Ausübung oder infolge" des Dienstes eingetreten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3. November 1976 - BVerwG VI C 203.73 - BVerwGE 51, 220, 221 f.) ist für die Abgrenzung, ob ein Unfall in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist oder nicht, der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeregelung entscheidend. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird. Der erforderliche Zusammenhang des Unfalls mit dem Dienst ist im Regelfall gegeben, wenn sich der Unfall während der Dienstzeit am Dienstort ereignet hat. In diesen Fällen sind die dienstliche Sphäre und der dienstliche Gefahrenbereich im Hinblick auf die objektiven und regelmäßig leicht feststellbaren Umstände Dienstzeit und Dienstort eindeutig von der privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre des Beamten abgegrenzt, und nur solche Verhaltensweisen, die mit der Dienstausübung schlechthin nicht in Zusammenhang gebracht werden können, werden ausgeklammert und dabei eintretende Unfälle von der Unfallfürsorge ausgeschlossen. Außerhalb des durch Dienstzeit und Dienstort geprägten Geschehensablaufes ist von einem privaten Lebensbereich des Beamten als vorgegeben auszugehen. Hier setzt die Annahme eines Dienstunfalls neben der subjektiven Vorstellung des Beamten, in Ausübung oder im Interesse des Dienstes zu handeln, besondere objektive Umstände voraus, die den Schluss rechtfertigen, dass die fragliche Verrichtung des Beamten nicht der vorgegebenen Privatsphäre, sondern dem dienstlichen Bereich zuzurechnen ist. Entscheidend ist dabei auf die Anforderungen des Dienstes abzustellen. Diese müssen die wesentliche (objektive) Ursache der Verrichtung sein, bei der der Beamte den Unfall erleidet. Die in Frage kommende Verrichtung muss also durch die Erfordernisse desjenigen Dienstes, den der Beamte typischerweise zu leisten hat, ihre maßgebende Prägung erfahren. Es reicht nicht aus, wenn der Beamte nur irgendwie im Interesse des Dienstes tätig wird oder seine Tätigkeit in irgendeiner Weise geeignet ist, die Erledigung seiner (eigentlichen) Dienstaufgaben zu fördern. Ebenso wenig genügt es, wenn der Unfall nur gelegentlich und zufällig bei einer dienstlich erforderlichen Tätigkeit eintritt, d.h. ohne engen natürlichen Zusammenhang mit der Art der dienstlich erforderlichen Verrichtung. Die jeweiligen Verrichtungen des Beamten müssen ihre wesentliche Ursache in den Erfordernissen der Erledigung der ihm als Beamten übertragenen Obliegenheiten haben und in ihrer ganzen Eigenart durch sie geprägt sein. Diese Kriterien sind nicht nur für die Beurteilung maßgebend, ob Verrichtungen außerhalb der Dienstzeit und des Dienstortes überhaupt der Dienstausübung und damit dem unfallgeschützten Bereich zugeordnet werden können, sondern auch für die Entscheidung, ob dies in Bezug auf die jeweilige konkrete Verrichtung geschehen kann (a.a.O., S. 223).

Nach diesen Maßstäben fehlt es hier - auch in Ansehung des tragischen Schicksals der Klägerin - an der erforderlichen Dienstbezogenheit. Der Unfall hat sich weder am Dienstort noch zur üblichen Dienstzeit, sondern in der Wohnung der Klägerin an einem Feiertag ereignet. Besondere objektive Umstände, die gleichwohl dafür sprechen, die unfallauslösende Tätigkeit der Klägerin dem dienstlichen Bereich zuzurechnen, bestehen nicht.

Die Klägerin gehört allerdings als Lehrerin zu den Beamten, deren Dienstausübung sich regelmäßig nicht im zeitlichen und räumlichen Bezug Dienstzeit und Dienstort erschöpft, sondern die in gewissem Umfang auch außerhalb dieses Bereichs Dienst ausüben können und müssen (a.a.O., S. 223 f.). Ihre Aufgabe beschränkt sich nicht darauf, während der Unterrichtsstunden Unterricht in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten zu erteilen, sondern sie haben einen pädagogischen Gesamtauftrag zu erfüllen. Schon mangels dafür geeigneter Räumlichkeiten müssen sie den Unterricht weitgehend außerhalb der Dienststelle vorbereiten. Dies gilt auch für die von der Klägerin geltend gemachte und vom Beklagten nicht bestrittene Vorbereitung der Schulleiterbesprechung und Abfassung dienstlicher Schreiben. Diese Tätigkeiten waren nach Berufsbild und Lehr- bzw. Schulleiterauftrag der Klägerin als sachgerecht und erforderlich anzusehen; sie waren (allein) dienstlich geprägt (vgl. zu diesen Anforderungen BVerwG, a.a.O.). Denn Dienst umfasst grundsätzlich alle Tätigkeiten, die der Beamte im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben des Dienstpostens ausübt. Dabei stand es der Klägerin grundsätzlich frei, zu welcher Zeit - hier an einem Feiertag -, an welchem Ort - hier im häuslichen Arbeitszimmer - und in welcher Art und Weise - hier am Computer - sie die dienstlich veranlassten Tätigkeiten ausüben wollte (vgl. zur grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit BVerwG, a.a.O., S. 224 f.).

Die Klägerin hat ihre Verletzung jedoch nicht unmittelbar bei diesen Verrichtungen (Vorbereitung der Schulleiterbesprechung, Abfassen von dienstlichen Schreiben) erlitten, sondern bei einer diesen Verrichtungen vorgelagerten Tätigkeit - der Vorbereitung des Beheizens ihres häuslichen Arbeitszimmers. Zwar betreffen die beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die Klägerin beruft, in gewisser Weise auch "vorgelagerte" Tätigkeiten - die Nahrungsaufnahme in der Mittagspause (Urteil vom 24. Oktober 1963 - II C 10.62 - BVerwGE 17, 59) bzw. die Besorgung von Nahrungsmitteln in der Pause (Urteil vom 22. November 1971 - IV C 34.68 - BVerwGE 39, 83). Jedoch betraf das Urteil vom 24. Oktober 1963 einen Unfall während der Dienstzeit und im Dienstgebäude (Unfall auf dem Weg zu der im Keller des Dienstgebäudes gelegenen Kantine während der Dienstzeit) und das Urteil vom 22. November 1971 einen Unfall ebenfalls während der Dienstzeit sowie auf der dienstlich vorgeschriebenen Fahrtstrecke (eines Landkraftpostfahrers). In beiden Fällen war daher das Regelkriterium "Dienstort" und "Dienstzeit" für den erforderlichen Zusammenhang mit der Dienstausübung gegeben. Ferner ging es in beiden Entscheidungen um "Ausnahmefälle". Grundsätzlich gehört die Einnahme von Mahlzeiten zum privaten Lebensbereich des Beamten (Wilhelm in: GKÖD, BeamtR, Stand: Juli 2006, O § 31 Rdnr. 51). Lediglich die Einnahme von Mahlzeiten während der Dienstzeit zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit - mit den entsprechenden Wegen - ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dienstunfallgeschützt (vgl. die Nachweise bei Bayer in: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, Stand: Juli 2006, BeamtVG § 31 Rdnr. 69). Soweit sich die Klägerin auf die Kommentierung bei Wilhelm (a.a.O., Rdnr. 36) beruft, wonach auch "Vorbereitungs- und Abschlusstätigkeiten" zum Dienst zählen, zeigen die angeführten Beispiele wie das Anlegen von Dienstkleidung, Schutzkleidung, Holen und Rückgabe von Arbeitsgerät, dass diese vorbereitenden bzw. abschließenden Tätigkeiten in einem quasi untrennbaren Zusammenhang mit der eigentlichen dienstlichen Tätigkeit stehen. Wilhelm nimmt daher ausdrücklich solche vorbereitenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die nur ganz allgemein zugleich auch die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis ermöglichen und vorbereiten, wie das Besorgen von Lebensmitteln oder das Auftanken des Kraftfahrzeuges, vom Dienst aus (a.a.O.).

Wortlaut, systematische Stellung und Entstehungsgeschichte des § 31 BeamtVG geben für die Frage, inwieweit Dienstunfallschutz Tätigkeiten in der eigenen Wohnung des Beamten, insbesondere auch die eigentliche Dienstverrichtung vorbereitende Tätigkeiten erfasst, nichts her. Indessen ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift ein Unfall des in der eigenen Wohnung dienstlich tätig werdenden Beamten nur dann ein Dienstunfall, wenn die wesentliche Unfallursache - ausnahmsweise - nicht der Risikosphäre des Beamten zuzurechnen ist (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 2. Juli 1963 - OS I 74/61 - ZBR 1964, 286; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 637; Brockhaus in: Schütz/Maiwald, BeamtR, Stand: Juni 2006, BeamtVG § 31 Rdnr. 69; Bayer, a.a.O., Rdnr. 64; Wilhelm, a.a.O., Rdnr. 38; Weimar, Können Unfälle eines Beamten in seiner Privatwohnung Dienstunfälle sein?, RiA 1965, 8). Der über die allgemeine Fürsorge hinausgehende besondere Schutz eines Beamten ist nur für solche Unfälle beabsichtigt, die außerhalb der privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre des Beamten im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten (BVerwG, Urteil vom 3. November 1976, a.a.O.). Die Unfallfürsorge soll nicht auf Bereiche ausgedehnt werden, deren Gefahrenlage der Beamte im Wesentlichen selbst beherrschen und beeinflussen kann (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 C 7.04 - BVerwGE 122, 360, 362 zu § 31 Abs. 2 BeamtVG sowie Urteil vom 18. April 2002 - BVerwG 2 C 22.01 - NVwZ-RR 2002, 761 zu dem im Dienstunfallrecht maßgebenden Ursachenbegriff). Zum - von der Unfallfürsorge nicht erfassten - privaten Lebensbereich gehört die Wohnung des Beamten (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005, a.a.O.). Dementsprechend sind jedenfalls Verrichtungen, die der Beamte auf Grund der Beschaffenheit der eigenen Wohnung ausübt, um darin dienstliche Tätigkeiten (erst) zu ermöglichen - wie das Beheizen, Säubern, Renovieren, Beleuchten usw. des häuslichen Arbeitszimmers -, und erst recht Handlungen, die ihrerseits erst der Vorbereitung solcher Verrichtungen dienen, vom Dienstunfallschutz ausgenommen. Denn die besondere Beschaffenheit der eigenen Wohnung, insbesondere des häuslichen Arbeitszimmers - wenn sie nicht ausnahmsweise vom Dienstherrn vorgegeben wird - liegt allein im Verantwortungsbereich des Beamten und ist dem Einfluss des Dienstherrn entzogen. Sie ist gerade nicht in "ihrer ganzen Eigenart durch die Erfordernisse der Erledigung der dem Beamten übertragenen Obliegenheiten geprägt". Vielmehr beruht sie auf den vom Beamten in eigener Verantwortung gewählten häuslichen Arbeitsbedingungen (etwa rutschiger Läufer, verbogene Schere, ausdünstende Teppiche, defekter Arbeitsstuhl usw.). Andernfalls würde der Dienstherr auch einem unübersehbaren Risiko ausgesetzt, Leistungen für Unfälle zu gewähren, die ihre Ursache allein in der eigenwirtschaftlichen Sphäre des Beamten haben. Diese Risikobetrachtung dürfte auch für die eigentliche dienstliche Tätigkeit in einem privaten Arbeitszimmer gelten; dies braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden.

Hier lag die Unfallursache allein im Verantwortungsbereich der Klägerin. Darauf, dass sie als häusliches Arbeitszimmer einen Raum mit Kohleofen und Türschwelle benutzt hat, hatte der Dienstherr keinerlei Einfluss. Besondere, dem Risikobereich des Dienstherrn zuzurechnende Umstände fehlen.

Würde man im vorliegenden Fall gleichwohl einen Dienstunfall annehmen, so wäre es übrigens kaum zu begründen, warum nicht auch ein Unfall beim Heranbringen von Kohle zum Beheizen des häuslichen Arbeitszimmers als Dienstunfall angesehen werden müsste, der sich nicht erst vor der Tür des häuslichen Arbeitszimmers, sondern schon auf einer aus dem Keller heraufführenden Treppe oder in einem an das Haus angrenzenden Kohleschuppen ereignet.

Die hier eingetretenen, äußerst gravierenden Folgen des Unfalls können für sich genommen seine Einordnung als Dienstunfall nicht rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit geben, die Frage, inwieweit Dienstunfallschutz Tätigkeiten in der Wohnung des Beamten erfasst, weiter grundsätzlich zu klären.

Ende der Entscheidung

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