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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 12.06.2008
Aktenzeichen: OVG 4 B 20.07
Rechtsgebiete: BRRG, LBG, VwGO
Vorschriften:
BRRG § 126 Abs. 3 Nr. 4 | |
LBG § 111 a Nr. 2 | |
VwGO § 130 Abs. 2 Nr. 2 |
OVG 4 B 20.07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2008 durch die Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und Dahm, den Richter am Verwaltungsgericht Rüsch sowie die ehrenamtlichen Richter Chwiekowsky und Häfner für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. April 2007 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Berlin zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 39-jährige Kläger steht als Polizeihauptkommissar im Dienst des Beklagten. Gegen eine dienstliche Beurteilung für den Zeitraum vom 26. Juli 2005 bis zum 30. April 2006 erhob der Kläger unmittelbar Klage mit dem Begehren, die Beurteilung aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 24. April 2007 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Ein Beamter könne einen Antrag auf Abänderung der dienstlichen Beurteilung an seinen Dienstherrn richten. Aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht sei er auch verpflichtet, dies vor Anrufung des Gerichts zu tun. Ein solcher Antrag sei nach der Einführung von § 111 a Nr. 2 LBG erforderlich, der ein Vorverfahren in solchen Angelegenheiten ausschließe. Entstehungsgeschichte und Systematik dieser Vorschrift ließen nicht den Schluss zu, dass vor Erhebung einer Klage überhaupt kein Verwaltungsverfahren erforderlich oder gar zulässig sei. Der Berliner Landesgesetzgeber habe ersichtlich nur das Widerspruchsverfahren, nicht jedoch jede Art von Verwaltungsverfahren vor Klageerhebung abschaffen wollen. Auch die für die Gesetzesvorlage federführende Senatsverwaltung für Inneres habe die Möglichkeit eines Abänderungsantrages in ihren Ausführungsvorschriften bzw. Bearbeitungshinweisen ausdrücklich beibehalten. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der es eines zusätzlichen, vorgeschalteten Antrages des Beamten gegenüber dem Dienstherrn bei dienstlichen Beurteilungen nicht bedürfe, erfasse nicht den Fall, dass - wie nunmehr in Berlin - kein Widerspruchsverfahren durchzuführen sei. Vielmehr sei der Beamte wie bei einem Schadenersatzanspruch verpflichtet, sein Begehren vor Erhebung einer Klage zunächst gegenüber seinem Dienstherrn zu konkretisieren.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers. Er ist der Ansicht, der Gesetzgeber habe eine eindeutige Regelung getroffen, die es erlaube, gegen eine dienstliche Beurteilung unmittelbar Klage zu erheben. Einen Abänderungsantrag bei seinem Dienstherrn könne der Beamte zuvor stellen, er müsse es aber nicht tun.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. April 2007 aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,
hilfsweise,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. April 2007 zu verurteilen, die dienstliche Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 26. Juli 2005 bis 30. April 2006 aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, es fehle am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis als Sachurteilsvoraussetzung einer jeden Klage, weil dem Kläger mit dem Abänderungsverfahren eine einfachere, effektivere und kostengünstigere Möglichkeit zur Durchsetzung seiner Rechte zur Verfügung stehe. Der Dienstherr könne erwarten, dass der Beamte ihm die Möglichkeit einräume, die Einwände gegen die Beurteilung zunächst im Innenverhältnis in Ordnung zu bringen, bevor die Öffentlichkeit in Gestalt des Gerichts damit befasst werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht, das die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig.
Das früher vor Erhebung einer Klage gegen eine dienstliche Beurteilung erforderliche Vorverfahren (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG) ist in Berlin nunmehr entbehrlich (§ 126 Abs. 3 Nr. 4 BRRG, § 111 a Nr. 2 LBG). Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und entspricht auch der Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil.
Dem Kläger fehlt auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Er durfte gegen die dienstliche Beurteilung Klage erheben, ohne zuvor einen Abänderungsantrag an seinen Dienstherrn zu richten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es vor der Erhebung einer Leistungsklage gegen Maßnahmen des Dienstherrn, die - wie die dienstliche Beurteilung - keine Verwaltungsakte sind, nicht eines vorgeschalteten, (gegenüber dem Widerspruchsverfahren) "zusätzlichen" Antrags des Beamten an den Dienstherrn (vgl. Urteil vom 28. Juni 2001 - 2 C 48.00 -, juris Rn. 14 ff.; zur dienstlichen Beurteilung: Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 -, juris Rn. 12): Die Notwendigkeit eines dem Vorverfahren zur Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage oder einer Feststellungsklage vorgeschalteten zusätzlichen Antrags des Beamten an den Dienstherrn ergebe sich weder aus § 126 Abs. 3 BRRG noch aus sonstigen Vorschriften des Prozessrechts. Den Regelungen des § 126 Abs. 3 BRRG und des § 156 VwGO sei im Gegenteil zu entnehmen, dass es vor der Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage und einer Feststellungsklage - anders als bei der Verpflichtungsklage (§ 42, § 68 Abs. 2, § 75 VwGO) - prozessrechtlich nicht stets eines vorherigen Antrags an die Behörde bedürfe. Die Anordnung eines Vorverfahrens auch vor der Erhebung einer beamtenrechtlichen Feststellungs- oder allgemeinen Leistungsklage in § 126 Abs. 3 BRRG wäre offenbar überflüssig, wenn verfahrensrechtlich bei diesen Klagearten immer zunächst ein Antrag gestellt und beschieden werden müsse. Denn gegen einen Ablehnungsbescheid müsse ohnehin Widerspruch erhoben werden. Auch § 156 VwGO, wonach der Kläger die Prozesskosten trage, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben habe und den Anspruch sofort anerkenne, laufe bei der ausnahmslosen Notwendigkeit eines vorprozessualen Antrags offensichtlich leer. Da bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben habe, könne diese Vorschrift nur für allgemeine Leistungsklagen und Feststellungsklagen unmittelbar bedeutsam sein. Wenn ein Kläger vor Erhebung dieser Klagen immer bei der zuständigen Behörde erfolglos einen entsprechenden Antrag stellen müsse, sei die Kostenregelung des § 156 VwGO gegenstandslos. Dies verdeutliche, dass dem Prozessrecht ein solches allgemeines Antragserfordernis im Sinne einer im Prozess nicht nachholbaren Klagevoraussetzung fremd sei (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2001, a.a.O., Rn. 16; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., vor § 40 Rn. 51).
Diese (zur Rechtslage vor Inkrafttreten von § 111 a Nr. 2 LBG entwickelten) prozessualen Grundsätze werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Landesgesetzgeber das Vorverfahren für entbehrlich erklärt hat. Diese Neuregelung führt nur dazu, dass sich das statthafte Rechtsmittel gegen eine dienstliche Beurteilung ändert (bisher: Widerspruch, jetzt: Klage), nicht aber dazu, dass erweiterte prozessuale Voraussetzungen für die Einlegung eines Rechtsmittels bestehen.
Auch die Erwägung des Bundesverwaltungsgerichts, es könne das für eine gerichtliche Rechtsverfolgung als Sachurteilsvoraussetzung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn die Behörde noch nicht mit dem Begehren befasst gewesen sei (a.a.O., Rn. 16 a.E.), führt vorliegend nicht weiter. Anders als in dem vom Verwaltungsgericht für vergleichbar gehaltenen Fall eines Begehrens auf Schadenersatz war der Dienstherr mit der dienstlichen Beurteilung bereits "befasst", hat ein Verfahren durchgeführt und mit der Fertigstellung und förmlichen Eröffnung der Beurteilung abgeschlossen. Es ist deshalb auch nicht so, dass nach Abschaffung des Vorverfahrens vor Klageerhebung überhaupt kein Verwaltungsverfahren mehr durchgeführt wird, wie das Verwaltungsgericht meint; es entfällt lediglich das Widerspruchsverfahren als (bisher) "zweite Stufe" der behördeninternen Entscheidungsfindung. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Dienstherr vor Erhebung der Klage regelmäßig keine Kenntnis von den inhaltlichen Einwendungen des Beamten hat bzw. (mangels Abänderungsantrag) haben kann. Denn Streitgegenstand der Klage gegen eine dienstliche Beurteilung ist nicht das Abänderungsbegehren des Beamten, sondern die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 2000 - 2 C 34.99 -, juris Rn. 11 ff.). Anders als bei einem für ihn möglicherweise überraschenden Schadenersatzbegehren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 C 38.95 -, juris Rn. 17 ff.) kann und muss der Dienstherr sich nach Abschluss des Beurteilungsverfahrens darauf einstellen, dass der Beamte ein Rechtsmittel gegen die dienstliche Beurteilung einlegen wird.
Ferner gebietet auch das materielle Recht dem Beamten nicht, stets vor Anrufung des Verwaltungsgerichts den Dienstherrn mit seinem Anliegen zu befassen (vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2001, a.a.O., Rn. 16 a.E.). Insbesondere begründet die beamtenrechtliche Treuepflicht eine solche (allgemeine) Verpflichtung nicht. Soweit der Beklagte sich in diesem Zusammenhang auf § 111 LBG beruft, wonach Beamte bei Anträgen und Beschwerden den Dienstweg einzuhalten haben, berücksichtigt er nicht, dass diese Vorschrift nicht die Zulässigkeit einer Klage des Beamten gegen den Dienstherrn betrifft, für die allein § 112 LBG maßgebend ist. Beide Formen des Rechtsschutzes sind voneinander unabhängig (vgl. Fürst in: GKÖD, Band I, Stand: April 2008, § 171 BBG Rn. 4 a.E.; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: Mai 2008, § 171 BBG Rn. 5). Mit der (unmittelbaren) Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes macht sich der Beamte deshalb auch nicht einer "Flucht in die Öffentlichkeit" unter Verletzung seiner Pflicht zur Amtsverschwiegenheit schuldig. Vielmehr sind die Verwaltungsgerichte, soweit es um die Wahrnehmung eigener Rechte des Beamten gegenüber dem Dienstherrn geht, dem durch Vertraulichkeit geschützten Innenbereich zuzurechnen (vgl. Plog u.a., a.a.O., § 61 BBG Rn. 14).
Schließlich ergibt auch die Auslegung der landesgesetzlichen Neuregelung in § 111 a Nr. 2 LBG nicht, dass ein Abänderungsantrag vor Erhebung der Klage gegen eine dienstliche Beurteilung (nunmehr) obligatorisch sein soll. Der Wortlaut der Vorschrift ("Eines Vorverfahrens bedarf es nicht in Angelegenheiten, die die dienstliche Beurteilung betreffen") ist insoweit unergiebig, da er nur das Vorverfahren, nicht aber ein mögliches, diesem vorangehendes Antragsverfahren erfasst.
Die Systematik des Gesetzes spricht gegen die Annahme, vor Erhebung der Klage müsse der Beamte sich mit einem Abänderungsantrag an seinen Dienstherrn wenden. § 111 a LBG steht im Zusammenhang mit § 112 LBG, wonach für Klagen aus dem Beamtenverhältnis unmittelbar die §§ 126 und 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes gelten. Inhaltlich handelt es sich bei § 111 a LBG um eine (durch § 126 Abs. 3 Nr. 4 BRRG zugelassene) Ausnahmeregelung zu § 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG, der (i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO) für alle Klagen der Beamten aus dem Beamtenverhältnis ein Vorverfahren für erforderlich erklärt. § 111 a LBG nimmt davon neben der hier interessierenden dienstlichen Beurteilung (Nr. 2) zwei weitere Bereiche aus: Angelegenheiten, die die Auswahl und Ernennung bei der Bewerbung um eine Beamtenstelle betreffen (Nr. 1) und Entscheidungen über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand (Nr. 3). Dabei geht es um Maßnahmen des Dienstherrn, die - anders als die dienstliche Beurteilung - durch Verwaltungsakt getroffen werden. In diesen Fällen muss der Beamte, um die Bestandskraft der Entscheidung zu vermeiden, innerhalb eines Monats Rechtsmittel einlegen, nunmehr (nach Abschaffung des Widerspruchsverfahrens) also Klage erheben. Ein vorgeschaltetes Antragsverfahren kann er in diesem Zeitraum nicht mit Aussicht auf Erfolg durchführen. Ist die Klage in den Fällen des § 111 a Nr. 1 und 3 LBG (soweit ersichtlich unstreitig) demnach ohne Antragsverfahren zulässig, erscheint die Annahme fern liegend, dies sei - bei ansonsten gleich lautender Formulierung - nur bei der dienstlichen Beurteilung (Nr. 2) anders. Die Regelungsbereiche in § 111 a Nr. 1 und 2 LBG sind im Übrigen auch in der Sache vergleichbar. Denn der Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um eine Beamtenstelle (Nr. 1) liegt wie der dienstlichen Beurteilung (Nr. 2) eine gerichtlich nicht voll überprüfbare Bewertung des Dienstherrn zugrunde. Die vom Verwaltungsgericht zur dienstlichen Beurteilung vertretene Auffassung, es sei sinnvoll, dem Dienstherrn zunächst die (interne) Auseinandersetzung mit den Einwänden des Beamten zu ermöglichen, gilt bei der Auswahlentscheidung entsprechend.
Die Entstehungsgeschichte der neuen Vorschriften im Beamtenrechtsrahmengesetz und im Landesbeamtengesetz stützt dieses Ergebnis:
Die auf Vorschlag des Bundesrates in das Gesetz aufgenommene bundesrechtliche Neuregelung in § 126 Abs. 3 Nr. 4 BRRG war von diesem ursprünglich als bloße Klarstellung gedacht, dass die in § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorgesehene Möglichkeit, durch gesetzliche Regelung von der Notwendigkeit eines Vorverfahrens abzusehen, auch in beamtenrechtlichen Streitigkeiten gelte (BT-Drucks. 14/3458, S. 5). Die Bundesregierung behielt sich vor, die vorgesehene Regelung eingehend zu prüfen und im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine einschränkende und klarere Fassung der Vorschrift vorzuschlagen; ihr lag dabei eine Stellungnahme des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen (BDVR) vor, welcher die Neufassung ablehnte, da das Vorverfahren in beamtenrechtlichen Streitigkeiten ein bewährtes Instrument vorgerichtlicher Streitschlichtung sei (a.a.O., S. 7). In der Beschlussempfehlung des Innenausschusses des Bundestages heißt es, der Regelungsvorschlag sei mit den Ländern nochmals geprüft worden, diese sähen keine Möglichkeit für eine einschränkendere und klarere Fassung. Die angestrebte klarstellende Bestimmung müsse notwendigerweise allgemein gefasst sein. Mit dem Bundesrat werde jedoch davon ausgegangen, dass bei Wahrnehmung der Derogationsmöglichkeit dem Grundgedanken der Regelung in § 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG, der Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen im Rahmen der Sonderrechtsbeziehung zwischen Beamten und Dienstherren, nach Möglichkeit Rechnung getragen werde (BT-Drucks. 14/8623, S. 29). Diesem als Mahnung an den Gesetzgeber zu verstehenden Hinweis, bei Ausübung der Regelungsbefugnis zurückhaltend zu sein, hat der Landesgesetzgeber in Berlin dadurch Rechnung getragen, dass er nur in bestimmten und nicht in allen Bereichen des Beamtenrechts das Vorverfahren für entbehrlich erklärt hat. Abgesehen davon nahm der Bundesgesetzgeber offenbar in Kauf, dass die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens zu einer Zunahme gerichtlicher Auseinandersetzungen führen werde. An keiner Stelle wird (was angesichts der vom BDVR geäußerten Bedenken nahe gelegen hätte) erwähnt, die Auswirkungen der Neuregelung seien ohnehin begrenzt, weil ein Beamter - jedenfalls bei Entscheidungen des Dienstherrn, die nicht Verwaltungsakte sind - vor Erhebung einer Klage zunächst mit einem Abänderungsantrag an seinen Dienstherrn herantreten müsse.
Zu der landesrechtlichen Neuregelung in § 111 a LBG heißt es in der Regierungsvorlage, der Gesetzentwurf sei ein weiterer Schritt zur Deregulierung des Berliner Landesrechts und zur Vereinfachung und Entbürokratisierung der Berliner Verwaltung. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens führe zu nicht näher quantifizierbaren Einsparungen, da eine Widerspruchsbearbeitung nicht mehr erfolge (Abgeordnetenhaus-Drucksache 15/2584, S. 1). In der Einzelbegründung zu § 111 a LBG wird ausgeführt, die Vorschrift bedeute, dass in den dort geregelten Fällen das zulässige Rechtsmittel die Klage vor dem Verwaltungsgericht sei; ein gleichwohl angestrengtes Widerspruchsverfahren sei als unzulässig zurückzuweisen (a.a.O., S. 7). Gewerkschaften, Berufsverbände und der Hauptpersonalrat waren am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens wurde dabei für bedenklich gehalten: Die Regelung sei unverhältnismäßig und verletze das Fürsorgeprinzip; zudem werde sie zu einer Arbeitsbelastung der Verwaltungsgerichte führen. Diese Bedenken teilte der Gesetzgeber nicht: Eine Verletzung der Fürsorgepflicht liege nicht vor; dem Beamten sei der verwaltungsgerichtliche Weg weiterhin eröffnet; nach "hiesigem Erkenntnisstand" führten Streitigkeiten in den von § 111 a LBG erfassten Fällen überwiegend zu einem anschließenden gerichtlichen Verfahren, so dass durch den Wegfall des Widerspruchsverfahrens eine Verfahrensverkürzung zu erwarten sei; für den Beamten sei damit eine zeitnahe rechtskräftige Entscheidung in der Sache verbunden (a.a.O., S. 8). Der Senator für Inneres erklärte in der Ausschussberatung, es sei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, auf Vorverfahren zu verzichten, da diese "zu einer erheblichen Verlängerung bestimmter Fragestellungen führten"; das betreffe insbesondere die Entscheidungen über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, aber auch Bewerbungen um eine Beamtenstelle und dienstliche Beurteilungen (Inhaltsprotokoll des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 25. Oktober 2004, 15/49, S. 1). Diese Erwägungen sprechen dagegen, dass der Berliner Landesgesetzgeber davon ausging, vor Klageerhebung müsse - zumindest bei dienstlichen Beurteilungen - ein Abänderungsantrag beim Dienstherrn gestellt werden: Die Erwartung, der Wegfall des Widerspruchsverfahrens werde die Kosten für die Verwaltung reduzieren, würde weitgehend enttäuscht werden, wenn diese statt des Widerspruchs nunmehr einen obligatorischen Abänderungsantrag zu bearbeiten hätte. Das Argument, Widerspruchsverfahren hätten in der Vergangenheit in den von § 111 a LBG erfassten Fällen überwiegend zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt, seien also mit anderen Worten zur vorgerichtlichen Streitschlichtung in der Mehrzahl der Fälle nicht geeignet gewesen, gilt auch bzw. erst recht für ein vorgeschaltetes Antragsverfahren. Der mehrfach betonte Beschleunigungsgedanke würde weitgehend leer laufen, wenn der Beamte anstelle des Widerspruchsverfahrens nunmehr ein kaum weniger zeitaufwendiges Abänderungsverfahren durchführen müsste. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass vor Klageerhebung - im Rahmen eines Antragsverfahrens - noch eine Auseinandersetzung mit dem Dienstherrn zu führen sei, hätte er schließlich auch nicht betonen müssen, dass ein gleichwohl erhobener Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen sei. Vielmehr wäre dann ein (unzulässiger) Widerspruch in einen solchen Abänderungsantrag umzudeuten.
Es ist nicht davon auszugehen, dass dem Bundes- und dem Landesgesetzgeber bei der Neufassung der jeweiligen Vorschriften die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unbekannt gewesen ist. Hätte er wie das Verwaltungsgericht gemeint, dass anders als früher nunmehr ein Abänderungsantrag gegen Maßnahmen des Dienstherrn, die keine Verwaltungsakte sind, vor Klageerhebung obligatorisch sei, hätte es nahe gelegen, dies im Gesetz oder zumindest im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck zu bringen.
Die vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht für ihre Auffassung herangezogenen Ausführungsvorschriften zum Verwaltungsverfahren bei dienstlichen Beurteilungen sind unergiebig. Ihnen ist lediglich zu entnehmen, dass ein Abänderungsantrag vor Erhebung einer Klage (weiterhin) möglich ist, nicht aber dass ein solcher Antrag Voraussetzung für die Erhebung einer Klage wäre. Deshalb kann diesen Ausführungsvorschriften der im Gesetzgebungsverfahren federführenden Senatsinnenverwaltung auch kein entsprechender Hinweis auf den mutmaßlichen Willen des Berliner Landesgesetzgebers entnommen werden.
Schließlich vermögen auch die in dem angegriffenen Urteil zum Ausdruck kommenden und bereits im Gesetzgebungsverfahren des Bundes und des Landes erhobenen Bedenken gegen die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens im Bereich dienstlicher Beurteilungen unabhängig von ihrer Berechtigung das Erfordernis eines vorgeschalteten Antragsverfahrens nicht zu begründen. Sollte sich die Neuregelung in der Praxis als unzweckmäßig erweisen, wäre der Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen. Im Rahmen des Verwaltungsprozessrechts kann diesen Bedenken - wie ausgeführt - nicht Rechnung getragen werden (so auch VG Berlin, Beschlüsse vom 3. Mai 2006 - VG 26 A 287.05 -, 24. August 2006 - VG 26 A 95.06 - und 27. März 2007 - VG 5 A 211.06 -).
Das erstinstanzliche Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen vor: Das Verwaltungsgericht hat nicht "in der Sache selbst" entschieden, sondern die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Der Kläger hat auch einen Antrag auf Zurückverweisung gestellt. Eine weitere Verhandlung ist erforderlich, denn die Sache ist nicht entscheidungsreif. Vielmehr hat sich der Beklagte bisher nur zur Zulässigkeit der Klage eingelassen; eine Stellungnahme zu den inhaltlichen Einwendungen des Klägers gegen die Beurteilung erfolgte weder vorprozessual noch im Gerichtsverfahren. Deshalb kann die Sache auch nicht ohne weiteres entscheidungsreif gemacht werden. Es ist vor dem Hintergrund weiterer beim Verwaltungsgericht anhängiger oder anhängig werdender Klageverfahren sachgerecht, die Frage der (Un-)Zulässigkeit der Klage jetzt zu entscheiden und die Begründetheit sodann vom Verwaltungsgericht klären zu lassen. Da die Klage erst seit etwas mehr als einem Jahr anhängig ist, führt die Zurückverweisung auch nicht zu einem überlangen Verfahren.
Das Verfahren im Übrigen kann bestehen bleiben. Die Kostenentscheidung bleibt dem neuen Urteil des Verwaltungsgerichts vorbehalten. Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 130 Rn. 17 ff.).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), denn sie wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, die sich nicht durch Auslegung des Gesetzes und anhand der bisherigen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten ließen.
Ende der Entscheidung
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